Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Egal, wie man zu den Forderungen der Gewerkschaft im Detail steht – eines ist natürlich schon ein bisschen einfach: von anderen zu fordern – vom Bund und von den Kommunen –, eben mal höhere Gehälter zu bezahlen. Unseren Freistaat betrifft es ja nicht, wir müssen es ja nicht bezahlen.
Man darf dabei nicht vergessen, dass die achtprozentige Lohnsteigerung, wenn sie denn so kommen würde, für die sächsischen Kommunen ungefähr 160 Millionen Euro Mehrausgaben bedeuten würde. Das kann man durchaus fordern, aber die Frage muss gestellt werden dürfen, ob wir uns das auch leisten können, und vor allem, ob sich die sächsischen Kommunen das leisten können. Selbst eine Stadt wie Dresden, die finanziell sehr gut dasteht, musste ein Freibad schließen, weil dort ein Fehlbetrag in Höhe von 30 000 Euro im Jahr entstanden ist. So rosig sieht es also nicht aus. Darüber nachzudenken sollte zumindest gestattet sein.
Danke. – Herr Zastrow, Sie sagten, die Kommunen müssen das finanzieren können. Die Steuermehreinnahmen 2006 in den Gemeinden betrugen 2,9 Milliarden Euro, 2007 5,5 Milliarden Euro und für 2008 sind 4,5 Milliarden Euro prognostiziert. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass daran die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes angemessen beteiligt werden sollten?
Es ist relativ einfach darauf zu antworten. Die 5,5 Milliarden Euro treffen ja alle Kommunen. Wie die Situation zum Beispiel bei Ihnen zu Hause ist, kann ich von hier aus nicht einschätzen. Ich kann nur sagen, wie es in der Stadt Dresden aussieht, die einen schweren Spagat gemacht hat, um sich zu entschulden. In dieser Stadt wird es schwierig sein – wenn ich unseren Finanzbürgermeister noch richtig im Ohr habe –,
diese Tarifwünsche zu erfüllen. Es mag sein, Herr Tischendorf, dass andere Kommunen sich das leisten können. Wenn das in Sachsen so sein sollte, dann halte ich es für angemessen, dass die Kommunen das tun. Aber ob das so ist, kann ich von dieser Stelle aus nicht einschätzen.
Das sind Zahlen des Statistischen Bundesamtes und ich gehe davon aus, dass wir beide die Zahlen, die ich genannt habe, nicht anzweifeln.
Würde das denn aus Ihrer Sicht bedeuten, dass Sie der Meinung sind, es sind zwar Steuermehreinnahmen, aber die Beschäftigten sollen in dieser Tarifrunde davon gar nichts bekommen, oder sollen sie ein Minusgeschäft machen, wie in meinem Beispiel eines Kollegen aus Sachsen? Wie meinen Sie das denn jetzt?
Vielleicht lassen Sie mich erst einmal die Rede irgendwie beginnen. – Der Meinung bin ich explizit nicht. Es ist völlig klar und ich habe größtes Verständnis dafür, dass auch die Angestellten des öffentlichen Dienstes – wie im Übrigen alle Arbeiter und Angestellten in der freien Wirtschaft – mehr Geld haben wollen, und die allermeisten haben es sich auch verdient. Wir sollten alles dafür tun, dass alle von diesem kleinen, von diesem minimalen Aufschwung, der durch dieses Land geht, profitieren. Der Meinung ist die FDP ganz gewiss.
Zurück zur Debatte. Herr Tischendorf, Sie sprechen in Ihrer Debatte davon – und da bin ich ganz nah bei Ihnen –, dass die Tarifverhandlungen zügig geführt werden sollen. Das ist natürlich eine ganz wichtige Forderung. Ich hoffe, dass das auch gemacht wird, weil es natürlich nicht sein kann, dass am Ende die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes den Preis für die Kompromissunfähigkeit von Bund, Kommunen und Gewerkschaften bezahlen müssen, weil beispielsweise Kindertagesstätten, die Müllabfuhr oder der öffentliche Nahverkehr bestreikt werden.
Die Verantwortlichen sollten tatsächlich alles dafür tun, dass es in Sachsen und in Deutschland nicht zu flächendeckenden Streiks kommt.
Bei allem Verständnis, das ich für das absolut legitime Mittel tariflicher Auseinandersetzungen, also für den Streik, habe, sollten alle Beteiligten einmal darüber nachdenken, dass ein solcher Streik vor allem Bevölkerungsgruppen trifft, die als Arbeiter und Angestellte in der freien Wirtschaft – und genau dieser Punkt trifft ganz besonders auf die Situation in Ostdeutschland zu – oft eben nicht über das Einkommen des öffentlichen Dienstes und über die Sicherheit, die ein Beruf im öffentlichen
Dienst nun einmal hat, verfügen. Deswegen ist es für mich eine Frage des Respekts gegenüber den Berufstätigen in unserem Land, die mit ihren Steuern und Abgaben den Staat und damit auch den öffentlichen Dienst ein Stück weit mitfinanzieren, dass man wirklich feststellt, dass Streik nur das allerletzte Mittel der tariflichen Auseinandersetzung sein kann, meine Damen und Herren.
Ich habe es bereits angedeutet: Wir haben als FDP vollstes Verständnis dafür, dass die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes im Bund und in den Kommunen mehr verdienen wollen. Ich kann Ihnen auch sagen – das wird Sie vielleicht überraschen –, dass unsere Begründung dafür genau die gleiche ist wie die, die ich in der aktuellen Broschüre der Gewerkschaft ver.di gelesen habe – ich zitiere daraus: „Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 %, Kürzung von Pendlerpauschale und Sparerfreibetrag, höhere Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge, steigende Gesundheitskosten, weitere Preissteigerungen vor allem bei Mieten und Energiekosten verteuern das Leben. Deshalb brauchen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst spürbare und nachhaltige Einkommenssteigerungen.“
In der Analyse sind wir uns mit der Gewerkschaft ver.di völlig einig. Diese Analyse trifft aber eben nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern genauso für alle Arbeiter, Angestellten und viele kleine und mittelständische Unternehmer in der freien Wirtschaft hier in Sachsen zu.
Die Steuererhöhungspolitik, die Abgabenorgien der Großen Koalition in Berlin – denen leider der Freistaat Sachsen in den meisten Fällen brav zugestimmt hat – und die Reformunfähigkeit von CDU und SPD sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass den Menschen in Deutschland von ihrem sauer verdienten Geld immer weniger in der Tasche bleibt. Deswegen ist es für uns ganz wichtig, dass sich das ändert.
Die Bruttolöhne sind in den Jahren seit 1991 in Deutschland maßgeblich gestiegen – im Schnitt um circa 36 %. Die Nettolöhne hinken dem völlig hinterher und sind gerade einmal um 27 % gestiegen. Die Nettorealverdienste sind auf dem niedrigsten Stand seit 1991, Lohnsteuern und Sozialabgaben haben den historisch höchsten Stand erreicht.
Schuld daran ist nicht eine generell schlechte Bezahlung in den Unternehmen, sondern schlichtweg der Staat, der mit seinen permanent steigenden Steuern und Abgaben Druck auf die Nettolöhne ausgelöst hat.
Während die Bruttolöhne in ganz vielen Bereichen verhältnismäßig vernünftig aussehen, ist das, was am Ende tatsächlich ausgezahlt wird, effektiv immer weniger geworden. Wir brauchen auch den Angestellten im öffentlichen Dienst gar nichts anderes vormachen – Herr
Tischendorf hat schon den Finger in die Wunde gelegt –, am Ende wird verdammt wenig übrig bleiben, ob es nun 3, 4 oder 8 % sind. Deswegen – und das ist der entscheidende Unterschied zu ver.di – ist es für uns wichtiger, dass den Menschen endlich mehr Netto vom Brutto im Portemonnaie bleibt, als über eine pauschale Gehaltserhöhung, egal in welcher Höhe, zu sprechen. Es wird Zeit, dass dieses Land endlich erkennt, dass es seiner berufstätigen Bevölkerung –
– über eine spürbare Senkung von Steuern und Abgaben die Zahlung einer ordentlichen Aufschwungrendite schuldig ist, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon gehört, das Thema ist ambivalent. Der Titel der Aktuellen Debatte, den die Linksfraktion gewählt hat, „Höhere Löhne für Sachsen – Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst zügig führen“, wäre nur noch durch den Slogan „Mehr Geld für alle – jetzt und sofort“ zu übertreffen.
Liebe Kollegen der Linksfraktion! Was für ein Parlament ist der Sächsische Landtag? Sind wir ein Redeparlament? Mir wäre lieber, wir würden uns als Arbeitsparlament begreifen, das sich auf die eigentlichen Aufgaben und Zuständigkeiten besinnt.
Konzentrieren wir uns hier auf Themen, die wir letztlich auch bewegen können, sonst stehlen wir uns selbst die Zeit, meine Damen und Herren. Meines Wissens streiten derzeit die Bediensteten von Bund und Kommunen und nicht die des Freistaates um höhere Löhne.
(Widerspruch des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion – Staatsminister Stanislaw Tillich: Noch einmal richtig!)
Insofern setzt die Linksfraktion das falsche Thema zur falschen Zeit am falschen Ort auf die Agenda.
(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Und es sprechen die falschen Leute! – Klaus Tischendorf, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Grundsätzliche Fragen des Tarifrechts gehören dagegen sehr wohl hierher. Ich nehme an, dazu wollten Sie mich fragen. Das Thema ist wichtig, und zwar nicht erst, seitdem ver.di für die 1,3 Millionen Tarifbeschäftigten 8 % mehr Lohn fordert. Ob diese Forderung zum Erfolg führen wird, liegt in den Händen der Verhandlungsführer von Gewerkschaft und Arbeitgebern, nicht an unserem Wünschen und Wollen.