Protocol of the Session on March 5, 2008

Wo stehen wir jetzt? Wir stehen hier in Sachsen am Beispiel der Waldschlößchenbrücke und des Dresdner Elbtals, das den Welterbetitel zu verlieren droht, bei der Bevölkerung im Prinzip vor der Verzweiflung der Menschen über die Politikunfähigkeit dieser Staatsregierung – auch in der Stadt Dresden vielleicht –; eine Politikunfähigkeit, die jetzt aus Brückenbefürwortern zum großen Teil automatisch Welterbezerstörer macht. Die Dresdner Bürgerschaft ist in sich gespalten und viele, viele Menschen sind genervt.

Wenn man sich die Broschüre der Landeshauptstadt Dresden zum Dresdner Elbtal und zu dem Welterbetitel anschaut, prangt einem als Überschrift entgegen: „Perfekte Harmonie aus Architektur und Landschaft“. Dazu kann ich nur sagen: Das war einmal so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Stadtratsbeschluss der Stadt Dresden vom 10. April vergangenen Jahres ist diesbezüglich außerordentlich beredt. Im Punkt 1.1 heißt es: „Es besteht der unbedingte Wille, aufgrund des Ergebnisses des Brückenentscheides vom 27.02.2005 eine Waldschlößchenbrücke zu errichten.“ Im Punkt 1.2 heißt es: „Es besteht weiterhin der unbedingte Wille, das Welterbe Dresdner Elbtal zu erhalten und zu schützen.“ Ja, aber das bekommen Sie nicht hin. Die Politikunfähigkeit hat dazu geführt, dass sich Punkt 1.1 und Punkt 1.2 völlig ausschließen, weil man nicht versucht hat, einen gemeinsamen Kompromiss zu finden. Im Gegenteil: Wir durften in den letzten Wochen Zeuge eines Baumgemetzels an den Dresdner Straßen werden, die Anrainer sind.

(Oh-Rufe von der CDU – Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wir sehen tagtäglich die Bemühungen, Brückenpfeiler in die Landschaft zu klotzen, um sichtbare Tatsachen zu schaffen. Das ist natürlich erkennbar. Tun Sie doch nicht so, als wenn wir das nicht verstehen würden. Sie wollen sichtbare Tatsachen schaffen. Der Ministerpräsident will morgen auf der Ministerpräsidentenkonferenz deutlich machen, dass das ganze Thema Welterbetitel Chefsache für ihn ist. Die Kultusministerkonferenz hat sich lange

und oft damit beschäftigt. Die Abstimmung ging immer 15 : 1 gegen Sachsen aus. Das wird auch morgen auf der Ministerpräsidentenkonferenz nicht anders sein. Aber Sie haben damit natürlich Zeit gekauft und können weiter an Ihren Brückenpfeilern werkeln, die vielleicht irgendwann einmal als Mahnmal des sächsischen Politikversagens in der Landschaft herumstehen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Prinzip geht es immer um einen Kompromiss, und das Verbeißen in der Ausgangsposition hat dem Ziel, den Titel zu erhalten, erheblich geschadet. Wir haben jetzt deswegen die Novelle eingebracht, um weiteren Bewerbern für den Welterbetitel dieses Schicksal zu ersparen, das hier dem Dresdner Elbtal angetan worden ist.

Noch ein Wort zu dem Thema, was ein solches Welterbe bedeutet. Vergangenes Jahr hat die UNESCO erstmals einen solchen Titel aberkannt, und zwar dem Oman. Der Oman ist ein Ölstaat. Er lebt vom Ölexport und hat deshalb ein bestimmtes Naturschutzgebiet wieder zurück zum Ölfördergebiet gemacht. Sachsen lebt meines Wissens nicht vom Brückenbau, sondern von seiner Kultur – Sachsen ist ein Kulturland.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Man kann ja zu der Frage des Oman stehen, wie man will: Unsere Existenzgrundlage in Sachsen ist die Kultur, nicht diese Brücke. Deshalb müsste die Abwägung eigentlich klar sein. Wir jedenfalls wollen die Hoffnungen derer unterstützen, die die Montanregion Erzgebirge, die Bachstätten in Leipzig oder die Sächsisch-Böhmische Schweiz zum Welterbe erheben wollen, und hoffen, das mit unserer Novelle auch zu schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort; Herr Bandmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hermenau, es freut mich, wenn ich höre, dass Sie sich auf den Einigungsvertrag berufen. Wichtig ist, an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, dass die GRÜNEN dem Einigungsvertrag gar nicht zugestimmt haben.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Er ist aber nun Rechtsgrundlage!)

Das sollte in diesem Haus noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Dennoch berufen sie sich darauf und haben damit offensichtlich Ihre damalige ablehnende Haltung deutlich revidiert durch Erfahrung. Erfahrung macht nicht selten klüger. Wenn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Innenausschusssitzung am 21. Februar dieses Jahres erklären, dass die Anhörung die Fraktion in ihrer Auffassung bestätigt hat, so muss ich feststellen, dass die Anhörung auch die Position der CDU-Fraktion

bestätigt hat. Das bedeutet, dass der Gesetzentwurf so nicht beschlossen werden kann.

Zunächst möchte ich jedoch das Augenmerk auf das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Anliegen richten. Es unterstellt, dass in Sachsen Maßnahmen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes notwendig wären und diese Güter weiteren Schutzes bedürften, weil – so die Unterstellung – dies alles in Gefahr sei. Dies verkennt völlig, dass wir seit der friedlichen Revolution eine Vielzahl von Kultur- und Naturdenkmalen in ihrem Bestand gerettet und erhalten haben und diese jetzt vor allem weiter intensiv pflegen. Dabei geht es nicht immer um solche Güter, die UNESCO-Welterbe darstellen. – Frau Hermenau, wenn Sie die Existenzgrundlage des Freistaates Sachsen oder Sachsens überhaupt ansprechen, dann gehen Sie fehl in der Annahme, dass die Kultur die Existenzgrundlage ist.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Was ist es denn dann?)

Die Kultur ist Ausdruck der Existenzgrundlage, des Erfindergeistes der Ingenieure, der Handwerker und des Fleißes der Menschen. Das mündet in dem Anspruch, sich in Kultur darzustellen. Kultur ist das Ergebnis dieser leistungsfähigen und innovativen Gesellschaft.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Sie drehen die Dinge einfach um. Ich denke, da sollten wir einfach die Füße unten und den Kopf oben lassen.

Wenn Sie, Frau Hermenau, mit diesem Gesetzentwurf erneut nur eine Brückendiskussion haben wollen, dann sollten Sie einmal in die Archive der Stadt Dresden gehen und nachschauen, wie die Diskussion zum Blauen Wunder verlief. Sie werden Ihr blaues Wunder erleben – sie ist offensichtlich recht ähnlich gewesen.

Aber zum Thema! Wir haben in Sachsen bereits eine hohe Schutzwirkung durch das Sächsische Denkmalschutzgesetz. Das ist unbestritten. Mit dem Gesetzentwurf soll eine Lex Waldschlößchenbrücke geschaffen werden. Bündnis 90 bringen den Gesetzentwurf nur ein, um den Bau dieser Brücke und überhaupt den Bau von Brücken zu verhindern. Genau diese Absicht werden wir nicht unterstützen. Sie haben mit Ihrem Begriff „Baumgemetzel“ deutlich gemacht, dass Sie im Zusammenhang mit nachwachsenden Rohstoffen Begriffe wählen, die völlig deplatziert sind.

Die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages geht davon aus, dass der veränderte neue Entwurf der Brücke die Chance bietet, dass die UNESCO den Welterbetitel nicht infrage stellt und diesen Dresden belässt.

Die CDU-Fraktion ist sehr dankbar, dass es gelungen ist, Herrn Eberhard Burger, den ehemaligen Baudirektor der Frauenkirche und Dresdner Ehrenbürger, zu gewinnen, der sich mit den Veränderungsmöglichkeiten am ursprünglichen Brückenentwurf befasst.

Genau die Leute, die den Welterbetitel mit dem Brückenbau in Verbindung bringen, gefährden diesen Titel, der für Dresden und Sachsen insgesamt doch von Bedeutung ist.

Dieser Titel wurde allerdings in Kenntnis des geplanten Brückenbaus verliehen. Daran sollte immer wieder erinnert werden.

Aber zurück zum vorliegenden Gesetzentwurf! Wir sind davon überzeugt, dass er handwerklich nicht geeignet ist. Das kann ich durchaus an einem Beispiel untermauern, das mir mein Kollege Prof. Mannsfeld noch einmal nahegebracht hat. Nach Ihrem Entwurf kann die oberste Naturschutzbehörde ein Gebiet einstweilig nach § 52 sicherstellen. In der Begründung heißt es, das SMUL solle ein Gebiet oder Teile davon einstweilig sicherstellen können. Sie müssten sich also auf § 50 beziehen: Zuständigkeiten für untere, höhere und oberste Behörden. Das SMUL ist als oberste Naturschutzbehörde nicht zuständig. Von daher sollten Sie handwerklich auf alle Fälle nachbessern.

Es ist auch rechtlich nicht eindeutig geklärt – da widerspreche ich Ihnen –, ob eine innerstaatliche Bindungswirkung an die UNESCO-Welterbekonvention besteht. Sie haben selbst darauf verwiesen. Wenn die Welterbekonvention innerstaatliche Bindungswirkung entfalten würde, wäre darauf hinzuweisen, was das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt hat. Laut Artikel 4 und 5 der Welterbekonvention bleibt die Souveränität, was Schutz und Erhaltung des kulturellen und natürlichen Erbes angeht, bei den Vertragsstaaten.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Lindauer Abkommen!)

Das ist zunächst einmal die Grundlage. Auch mit dem Änderungsantrag gelingt es aus unserer Sicht nicht, sicherzustellen, dass bei großen Gebieten die entsprechenden Schutzmechanismen greifen. Denkmalschutz ist grundsätzlich Einzelobjektschutz oder betrifft Ensembleschutz. Die Schutzmechanismen können nicht flächendeckend angewendet werden. Die Bedenken dagegen können auch mit der im Änderungsantrag enthaltenen Verordnungsermächtigung der obersten Denkmalschutzbehörde nicht entkräftet werden. Der Umfang der zu regelnden Maßnahmen und Genehmigungsvorbehalte verändert sich trotz Rechtsverordnung nicht.

Im Bereich des Naturschutzes gibt es hinreichend Schutzgebietskategorien. Dem Bund obliegt im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebung die Novellierung des Umweltgesetzbuches und des Naturschutzgesetzes, sodass wir hier zu Recht mit sächsischen Sonderregelungen sehr zurückhaltend sein sollten.

Sie selbst haben darauf verwiesen, dass man sich auf Bundesebene morgen im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz mit dieser schwierigen Verfassungsfrage noch einmal auseinandersetzen will. Es gibt verschiedene Gutachten, Urteile und Stellungnahmen – auch mit gegensätzlichen Aussagen –, die einfach einer Auswertung unterzogen werden müssen. Wir sind der Ansicht, dass dieses Verfahren abgewartet werden muss. Wir haben im Innenausschuss zur Kenntnis genommen, dass sich die

Ministerpräsidentenkonferenz voraussichtlich morgen mit diesem Thema beschäftigen wird.

Ihnen, meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, war die Entscheidung in der Sache wichtig. Sie wollten nicht weiter verhandeln, sondern forderten, dass jetzt entschieden wird. Daran und auch an der Verwendung des Wortes „Baumgemetzel“ ist deutlich geworden, dass es Ihnen nur um Klamauk geht, nicht aber um eine sachliche Diskussion. In der Art und Weise, wie Sie sich als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Bäume“ eingebracht haben, ist das auch für jeden nachzuvollziehen.

Wenn Sie die Umfragen zur Brücke zur Kenntnis nehmen und die betroffenen Dresdner Bürger fragen, dann wissen Sie, dass sich nach wie vor kein anderes Ergebnis darstellt. Die Brücke wird gebraucht. Wir diskutieren heute über Ihren Gesetzentwurf. Dieser ist abzulehnen.

Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die Linksfraktion spricht Frau Dr. Ernst.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bandmann hat sich wieder einmal als Philosoph geäußert, Baumfällungsaktionen gewissermaßen denunziert, Schlachtengemälde widergespiegelt, die es so nicht gab und nicht gibt. Aber Herr Bandmann ist eben Herr Bandmann. Das lässt sich auch nicht ändern – okay.

(Volker Bandmann, CDU: Das ist gut so!)

Das haben Sie gesagt! Damit haben Sie Herrn Wowereit zitiert, okay.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist keine auf Dresdner Gezänk zu reduzierende Angelegenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren,

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

sondern entspringt doch der Frage: Was können wir als Freistaat tun – darüber müssen wir reden –, um das UNESCO-Welterbe hier im Lande zu schützen? Das ist doch die Frage, um die es geht!

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Wir können es auch anders formulieren: Wie können Welterbegüter – das ist in dem Änderungsantrag der GRÜNE-Fraktion noch einmal klargestellt worden –, die ja zu Recht Weltkulturerbe – Weltkulturerbe! – heißen, vor der Zerstörung bewahrt werden? So müssen wir die Frage hier in Sachsen stellen.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)