Protocol of the Session on October 19, 2004

Es besteht sachlich kein Grund, einen 3. Vizepräsidenten einzuführen, und es besteht auch finanziell keine Notwendigkeit, dies in irgendeiner Form zu tun. Der 3. Vizepräsident, meine Damen und Herren – ich glaube, das ist relativ offensichtlich, so viele Argumente gerade Sie von der Regierungsseite auch noch anführen wollen –, ist ganz klar ein Wahlgeschenk des Wahlverlierers CDU an den Wahlverlierer SPD. Das Ärgerliche an diesem Geschenk ist, dass den Preis dafür der sächsische Steuerzahler zahlt. Das macht die FDP nicht mit.

(Beifall bei der FDP und der PDS – Beifall der Abg. Antje Hermenau, Grüne)

Meine Damen und Herren, ich sprach von einer neuen Parlamentskultur und ich kann versprechen, dass die FDP dazu auch beitragen wird. Wir werden eine kritische Opposition sein, aber wir werden nicht fundamental opponieren. Das heißt, wenn andere Fraktionen sinnvolle Vorschläge einbringen – das gilt auch für diese Geschäftsordnungsdebatte –, werden wir ihnen zustimmen. Sie sehen, es gibt Anträge hierzu, die von mehreren Fraktionen gemeinsam eingebracht werden, beispielsweise gemeinsam von FDP, Grünen und PDS. Wir werden auch vielen Änderungsvorschlägen von CDU und SPD zustimmen.

Wir sollten gemeinsam diese Chance nutzen, meine Damen und Herren, eine Geschäftsordnung zu beschließen, die praktikabel ist, die modern ist, die aber auch allen Fraktionen hier im Hause gegenüber fair ist.

(Beifall bei der FDP und der PDS)

Ich erteile der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Frau Abg. Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Parlamentarischer Geschäftsführer Dr. Gerstenberg war so freundlich, mir das Entree hier zu überlassen. Das mache ich aus einem ganz bestimmten Grund: Wir glauben, dass man die Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages durchaus auch politisch diskutieren muss und nicht nur nach Paragrafen. Dieser Entwurf einer Geschäftsordnung, der gemeinsam von CDU und SPD vorgelegt worden ist, ist eigentlich Ihr erster gemeinsamer Koalitionsentwurf. Sie haben ihn vorgelegt, obwohl Sie noch in den Verhandlungen sind. Ich muss zugeben, wir haben uns gestern in der Fraktionssitzung auch gefragt, ob die SPD klug beraten war, diesen Entwurf so vorzulegen, wie er jetzt ist, bevor die Koalitionsverhandlungen erfolgreich beendet sind,

(Beifall bei der PDS)

oder ob sie nicht doch dem einen oder anderen Änderungsantrag, den wir nachher noch vortragen werden, gemeinsam mit der FDP und der PDS, zustimmen sollte. Aber da Sie offensichtlich ein großes Vertrauen in einen erfolgreichen Abschluss Ihrer noch andauernden Koalitionsverhandlungen haben, nehme ich das Ergebnis jetzt erst einmal so, wie es nunmehr vorliegt.

Allerdings haben wir in der Debatte – wir haben uns mehrmals getroffen und die Vorschläge zur Änderung der Geschäftsordnung besprochen – durchaus gemerkt,

dass es einen gemeinsamen Willen nicht nur der beiden Fraktionen CDU und SPD, sondern auch anderer demokratischer Fraktionen im Landtag gibt, die Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages auf eine breite Basis zu stellen. Das will ich ausdrücklich hervorheben, weil ich der Meinung bin, dass sich ein kleiner Umsturz der Verhältnisse schon jetzt in der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages, die wahrscheinlich in den nächsten fünf Jahren gelten wird, niederschlägt.

Dass Sie von der CDU da immer noch in einer gewissen Umlernphase sind, will ich Ihnen gern zugestehen. Das kann ich nachvollziehen. Sie haben sich über viele Jahre, ja eigentlich schon Jahrzehnte daran gewöhnt, immer alles allein zu bestimmen. Das wird sich jetzt gründlich ändern. Vielleicht haben wir jetzt die Chance, dass das Parlament endlich wieder das wird, was die lateinische Wortwurzel eigentlich nahe legt, nämlich ein Ort, an dem miteinander geredet, miteinander diskutiert wird.

Ich gehe davon aus – das habe ich an dem giftigen Geplänkel zwischen SPD und PDS gemerkt –, dass es diesbezüglich eine ganze Reihe von schwierigen Erfahrungen mit vorangegangenen Geschäftsordnungen gegeben hat. Das muss man wahrscheinlich historisch auch so bewerten. Wir allerdings sagen: Eine Geschäftsordnung ist dazu da, den parlamentarischen Alltag zu regeln. Diesem Anspruch wird dieser Entwurf gerecht. Die Geschäftsordnung ist dazu da, das Parlament als ein Abbild verschiedener Parteien und Meinungen widerzuspiegeln. Auch diesem Anspruch wird diese Geschäftsordnung gerecht.

Hinsichtlich der Aufgabe der Geschäftsordnung, die Minderheitenrechte einer Demokratie zu wahren, haben wir Bedenken. Deshalb werden Sie von uns auch Änderungsanträge zu dem Thema vorfinden, wie wir die Minderheitenrechte gestalten wollen. Ich sage noch einmal: Das eine Drittel der Abgeordneten sowohl im Ausschuss als auch im Parlament, das die Möglichkeit haben soll, Mitglieder der Staatsregierung herbeizuzitieren oder sich die Dringlichkeit von Anträgen erklären zu lassen, wie wir das in unseren Änderungsanträgen formuliert haben, ist keine empörte kleine Fraktion, die das allein machen kann, sondern das würde bedeuten, dass Sie in diesem Parlament eine Machtbalance zwischen den Oppositionsfraktionen hätten, die sich auf der demokratischen Basis des Grundgesetzes vereinen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Ich glaube, das, was Ihnen fehlt, ist einfach dieses letzte Stückchen Vertrauen, dass es auch andere demokratische Parteien in diesem Parlament gibt, die eben der Opposition angehören. Ich hoffe, dass auch dieser Lernprozess bei Ihnen noch stattfinden wird, muss mich aber zunächst an das halten, was Sie vorlegen. Wir werden trotzdem unsere Änderungsanträge stellen. Sie haben die Chance, das noch einmal zu überdenken.

Eigentlich wäre das eine vertrauensbildende Maßnahme gewesen. Diese Chance vertun Sie, indem Sie darauf beharren, dass nur zwei Drittel der Mitglieder des Landtages oder des Ausschusses in der Lage sein sollen, diese

Minderheitenrechte, die wir gern gehabt hätten, einzuklagen. Das ist sehr bedauerlich.

(Dr. Gisela Schwarz, SPD: Es reicht die einfache Mehrheit!)

Gut, die einfache Mehrheit, aber auch das ist schwierig.

Die neue Geschäftsordnung – das habe ich gesagt – ist deutlich besser als das aus anderen Zeiten, was ich beim Nachlesen zur Kenntnis genommen habe. Das muss man festhalten. Es gibt die Möglichkeit, eine Enquete-Kommission einzurichten. Die Zeit zur Beantwortung Großer Anfragen wird verkürzt. Das heißt, die Regierung kann sich nicht mehr ewig Zeit lassen, Große Anfragen zu beantworten. Das Rederecht für den Landesrechnungshof, für den Datenschutzbeauftragten und für den Ausländerbeauftragten in den Ausschüssen ist ermöglicht. Das halten wir für einen ganz wesentlichen Fortschritt. Diese Punkte haben wir sehr positiv aufgenommen.

Wir monieren, dass es immer noch länger als vier Wochen dauern soll, bis Kleine Anfragen beantwortet werden. Uns gefällt die Regelung, die diesbezüglich besteht, nicht. Wir monieren auch, dass die Aktuelle Stunde nicht offensichtlich ganz prominent am Beginn der parlamentarischen Debatte platziert wird. Die Aktuelle Stunde ist doch eigentlich das parlamentarische Instrument, lebhafte Debatten zu führen.

Wir monieren auch, dass Sie immer noch beim Auszählverfahren nach d'Hondt bleiben. Meine Erfahrung aus dem Bundestag legt es nahe – dort ist das schon seit vielen Legislaturperioden so –, von diesem Verfahren abzugehen. Deswegen wird dieses Auszählungsverfahren von uns nicht gutgeheißen. Wir monieren auch, dass es nicht prinzipiell eine Grundredezeit von fünf Minuten bei allen Vorgängen im Parlament gibt.

Wir haben zusammen mit PDS und FDP die Anträge unterstützt, bei denen es darum geht, die Selbstbefassung des Ausschusses mit einem Drittel der Mitglieder des Ausschusses voranzutreiben, oder bei denen es darum geht, die erste allgemeine Aussprache im Parlament, zum Beispiel auch auf Verlangen einer Fraktion, zu ermöglichen. Sie kennen diese Änderungsanträge, Sie wissen, was ich Ihnen damit sagen will.

Aber ich wende mich jetzt noch einmal an die Partei, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Sie, Herr Apfel, haben hier eine sehr bewegende Rede gehalten. Diese Rede hat aber nur Sie bewegt. Was die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien betrifft, die Sie mit dem, was Sie hier vorgetragen haben, bedienen wollten, so haben Sie schon vor der Tür gemerkt, dass die Bürgerinnen und Bürger sagten, dass sie demokratische Parteien im Parlament haben wollen. In diesem Sinne werden wir Ihnen natürlich nicht die parlamentarischen Rechte und Möglichkeiten verwehren, die Ihnen nach den Möglichkeiten der Demokratie zustehen. Das werden wir nicht tun.

Aber wir werden Ihnen auch nicht durchgehen lassen, meine Herren, dass Sie das Instrument der Demokratie benutzen, aber die Demokratie und die Verfassung ablehnen, dass Sie sich also etwas zunutze machen und es instrumentalisieren, was Sie als etwas bewerten, was

eigentlich abgeschafft werden müsste. Sie werden sich dem hier stellen. Demokraten werden auf Sie und Ihre Versuche, sich harmlos zu geben, nicht hereinfallen. Dessen bin ich mir sicher.

(Beifall bei den Grünen, der PDS, der SPD und der FDP)

Ich gehe davon aus, dass Ihnen in der Vergangenheit einfach zu wenig die Stirn geboten worden ist, so dass Ihre kruden Maßstäbe, die mit Demokratie nichts zu tun haben, Ihnen inzwischen selbstverständlich erscheinen, wenn Sie sich gegenseitig abends in einem Hinterzimmer irgendwo damit besoffen gequatscht haben. Aber ich sage Ihnen: Demokratie ist etwas ganz anderes!

(Zuruf von der NPD)

Ihre kleinen Hasstiraden auf die Grünen habe ich hier vernommen. Für mich ist das ein demokratischer Ritterschlag, weil es bedeutet, dass Sie erkannt haben, dass wir Ihnen die Stirn bieten werden. Darauf können Sie sich verlassen. Wir lassen Ihnen Verfassungsfeindlichkeit nicht durchgehen, wir lassen Ihnen Demokratiefeindlichkeit nicht durchgehen! Da werden wir Sie bloßstellen. Wenn Sie so tun, als ob Sie der „Rächer der Enterbten und Verletzten“ in diesem Lande wären, werde ich Ihnen sagen, dass Sie damit nicht durchkommen. Wir werden Sie bloßstellen und wir werden Ihnen die Stirn bieten. Das werden alle fünf demokratischen Parteien in diesem Landtag tun.

Wir werden übrigens der Geschäftsordnung zustimmen.

(Beifall bei den Grünen und der PDS)

Wird von der Staatsregierung das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache beendet. Wir kommen nun zu den Einzelberatungen. Es sind eine ganze Reihe Anträge eingereicht worden. Ich schlage Ihnen vor, dass wir Paragrafen, zu denen es keine Anträge gibt, zusammenfassen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann beginnen wir jetzt mit den Einzelberatungen.

Aufgerufen ist die Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages. Wir stimmen ab über den Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, Drucksache 4/0002, Überschrift: „Geschäftsordnung des Landtages des Freistaates Sachsen – 4. Wahlperiode – Inhaltsübersicht“. Wer diesen Formulierungen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei mehreren Stimmenthaltungen ist dem so zugestimmt.

Wir kommen zum Abschnitt I. Konstituierung. Zu § 1 gibt es keine Änderungsanträge. Ich lasse deshalb über § 1 abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist dem bei Stimmenthaltungen so zugestimmt.

Wir kommen zu § 2. Hierzu gibt es in der Drucksache 4/0038, Nr. 1, einen Änderungsantrag der Fraktion der PDS. Es wird die Änderung des Abs. 2 gewünscht. Ich bitte um Einbringung. Herr Abg. Bartl, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vorhin unter Leitung des Alterspräsidenten die Verpflichtungserklärung abgegeben, die nach der bisherigen Fassung des § 1 Abs. 2 und auch der nunmehr noch in dem Entwurf vorgesehenen Fassung des § 1 Abs. 2 lautet: „Die Mitglieder des Sächsischen Landtages bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohl des Deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm abwenden, die Verfassung und die Gesetze achten, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegen jedermann dem Frieden dienen werden.“ Wir begehren in unserem Änderungsantrag schlicht und ergreifend die Herstellung der Übereinstimmung der Verpflichtungsformel mit der Verfassungslage, also mit dem Wortlaut und dem Sinngehalt der Verfassung des Freistaates Sachsen.

Wir, die Abgeordneten, die schon länger in diesem Landtag – auch in der 2. und 3. Wahlperiode – vertreten waren, müssen hier bekennen, dass uns da offenkundig etwas durchgegangen ist. Diese Verpflichtungsformel stammt noch aus der Zeit vor der Annahme der Sächsischen Verfassung im Mai 1992. Wir haben in Artikel 5 der Sächsischen Verfassung mit der Überschrift „Das Volk des Freistaates Sachsen“ definiert, was der Freistaat Sachsen, was die Staatsbevölkerung, was die Verfassungsgemeinschaft unter „Volk“ versteht. Da heißt es in Abs. 1: „Dem Volk des Freistaates Sachsen gehören Bürger deutscher, sorbischer und anderer Volkszugehörigkeit an. Das Land erkennt das Recht auf die Heimat an.“

Abs. 2: „Das Land gewährleistet und schützt das Recht nationaler und ethnischer Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege ihrer Sprache, Religion, Kultur und Überlieferung.“

Und Abs. 3: „Das Land achtet die Interessen ausländischer Minderheiten, deren Angehörige sich rechtmäßig im Land aufhalten.“

Das also fällt nach Artikel 5 unter den Volksbegriff, den wir in der Verfassung definiert haben.

Auch in anderen Bestimmungen der Verfassung, so zum Beispiel in Artikel 39 Abs. 3, heißt es, dass die Abgeordneten „das ganze Volk“ vertreten, wie auch der Amtseid des Ministerpräsidenten, den der Ministerpräsident zu leisten hat, lautet: „Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohl des Volkes widmen werde.“

Das heißt, dass schlicht und ergreifend die Einschränkung allein auf „deutsches Volk“, wie es jetzt in der Geschäftsordnung steht, mit diesen Bestimmungen der Verfassung nicht mehr kompatibel ist. Deshalb wollen wir gern die Änderung, wie wir sie in diesem ersten Änderungsantrag zu § 2 Abs. 2 vorgeschlagen haben. Dass das Not tut, hat gezeigt, dass der Fraktionsvorsitzende der NPD-Fraktion vorhin in seinem ersten Redebeitrag gesagt hat, dass seine Fraktion alles unterstützen werde, was „den Deutschen dient“. Damit liegt er exakt nicht

im Bereich der verfassungsmäßigen Verantwortung, die den Abgeordneten dieses Hohen Hauses nach Artikel 5 aufgegeben ist.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Wird dazu das Wort gewünscht? – Frau Abg. Dr. Schwarz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind heute auf diese Eidesformel vereidigt worden und sie steht in dieser Geschäftsordnung des 4. Sächsischen Landtages. Ich denke, wir sollten sie heute an dieser Stelle auch nicht ändern. Das kann dann dem Vorpräsidium des 5. Sächsischen Landtages vorbehalten sein.