Protocol of the Session on October 19, 2004

lung der Abstimmung, um eine Verfälschung des Ergebnisses durch hinzugerufene Abgeordnete zu verhindern.

Dies wäre zudem auch ein probates Mittel, um die Anwesenheit von Abgeordneten hier im Plenarsaal zu erhöhen. Was die Abstimmungsprozedur angeht, so haben wir im Übrigen auch auf Formulierungsvorschläge aus der Landtagsverwaltung zurückgegriffen, die uns leider erst vor wenigen Tagen zugingen, obwohl sie offenbar schon vor Monaten erarbeitet worden waren. Ich möchte aber die Gelegenheit der heutigen Debatte gern nutzen, um mich beim Juristischen Dienst für die umfänglichen Anregungen und Empfehlungen ganz herzlich zu bedanken.

(Beifall bei der PDS)

Im Entwurf der Geschäftsordnung, den CDU und SPD vorgelegt haben, wurden davon jedoch leider nur jene berücksichtigt, die aufgrund früherer Fehler unvermeidbar waren oder die die Spielräume der Regierung erweitern. All jene Passagen, die das Parlament allgemein und vor allem die Rechte von Minderheiten stärken, wurden ignoriert.

Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Änderungsanträge bieten die Gelegenheit, dies noch zu korrigieren. Auch hier ist natürlich vor allem die SPD aufgerufen, sich an eigene frühere Forderungen zu erinnern. Analog zum jederzeitigen Rederecht der Mitglieder der Staatsregierung sollte nach Auffassung der PDS auch den Fraktionsvorsitzenden diese Möglichkeit eingeräumt werden. Dies wäre ein ebenso deutlicher wie überfälliger Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung zwischen Legislative und Exekutive. Dies war bislang immer ein zentrales Anliegen der gesamten Opposition. Wir von der PDS stehen auch heute noch dazu.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden im Anschluss noch ausreichend Gelegenheit haben, zu den einzelnen Änderungsanträgen zu sprechen, deshalb verzichte ich auf weitere Details und möchte zum Schluss kommen. Vorher jedoch will ich Ihnen und uns allen noch eine letzte Anregung für die weitere Debatte mit auf den Weg geben. Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren hat meine damalige parlamentarische Geschäftsführerkollegin Barbara Ludwig, die heute der Verhandlungskommission der SPD zur Regierungsbildung angehört, von diesem Pult aus Willy Brandt zitiert, und zwar mit dem Satz: „Demokratie ist nicht die Ausübung von Macht, sondern die Kontrolle von Macht“, und sie hat hinzugefügt – ich zitiere wieder Frau Ludwig: „Im Klartext heißt das, dass die Möglichkeiten für die Opposition die eigentliche Nagelprobe auf die Demokratie darstellen.“ Das Protokoll der Sitzung weist an dieser Stelle aus: „Beifall bei SPD und PDS“.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Die nachfolgenden Abstimmungen, meine Damen und Herren, werden zeigen, ob dies noch gilt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Abg. Apfel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Medienwirksam wurde im Vorfeld der heutigen Plenarsitzung, der konstituierenden Sitzung, immer wieder hervorgehoben, dass man sich mit der NPD argumentativ auseinander setzen und keine Geschäftsordnungstricks anwenden wolle. Da eine demokratische Selbstverständlichkeit nach dem bisher Vorgefallenen so herausgestellt wird, erweckt dies grundsätzlich Misstrauen. Artikel 46 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung lautet lapidar: „Der Landtag gibt sich eine Geschäftsordnung.“ Unzweifelhaft hat die Geschäftsordnung eine Verantwortung für die Würde dieses Hauses, da sie die Artikulationsmöglichkeiten für die Opposition und die kleineren Parteien definiert und den täglichen Umgang miteinander festlegt. Das Haupterfordernis an eine solche Geschäftsordnung ist die Praktikabilität. Sie darf nicht zum Spielball parteipolitischer, parteitaktischer Überlegungen oder von Sympathien und Antipathien werden. Ebenso sollte sie dem Kontinuitätsgrundsatz genügen, um nicht vor jeder Legislaturperiode den sich schnell wandelnden Parteiinteressen angepasst zu werden.

Die historische Kontinuität der bisherigen Geschäftsordnungen wird durch die willkürliche Senkung der Mindestanforderungen für den Fraktionsstatus durchbrochen. Nach der alten Geschäftsordnung sind hierfür 5 % der Gesamtmandate erforderlich. Gerade bei einer Bestimmung der Geschäftsordnung, die nur einmal – am Anfang einer jeden Legislaturperiode – zur Anwendung kommt, ist die Kontinuität eines der wichtigsten Elemente, da ansonsten der Eindruck von willkürlicher Flickschusterei an der Geschäftsordnung entsteht.

Durch eine solche Willkürpraxis jedoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist bei der Zuerkennung des Fraktionsstatus in kommenden Legislaturperioden der Gleichheitsgrundsatz massiv gefährdet, da in zukünftigen Fällen nicht gesichert ist, ob beispielsweise einer anderen Partei – abhängig von ihrer Beliebtheit und der Gefährlichkeit ihrer Opposition – bei gleicher Ausgangssituation ebenfalls der Fraktionsstatus zugesprochen würde. Im schlimmsten Falle würde dieser Geschäftsordnungs-Paragraf zur beliebigen Verhandlungsmasse am Beginn einer jeden Legislaturperiode. Dies würde die Wahlgesetzgebung ad absurdum führen. Man kann nur hoffen, dass dieser schlechte Stil nicht auch noch auf andere Bereiche übergreifen wird. Die von CDU und SPD eingereichte Geschäftsordnungsvorlage ist ein Paradebeispiel für fallbezogenes, parteitaktisches, unberechenbares, nicht aber an festen Prinzipien orientiertes Handeln.

Vor diesem Hintergrund sei mir die spitze Frage erlaubt, ob Sie auch dann in der gleichen Weise gehandelt hätten, wenn beispielsweise die NPD mit sechs Abgeordneten eingezogen und eben nicht das dafür notwendige Quorum von 5 % der Gesamtmandate gegeben gewesen wäre. Diese Frage ist nur rein rhetorischer Natur, da der Wähler etwas anderes wollte, nämlich, dass wir die doppelte Anzahl an Abgeordneten in den Sächsischen Landtag entsenden. In einem solchen Fall wäre das Netzwerk der Systemparteien wohl kaum so konsensbereit und

flexibel gewesen und hätte nicht mit einer solch beispiellosen Generosität auf dem Rücken der Steuerzahler Kompetenzen und Steuergelder verteilt. Es kann aber nicht sein, dass man bei einer Partei beide Augen zudrückt und beliebig die Geschäftsordnung ändert und dies bei einer anderen Partei möglicherweise nicht getan hätte.

In solchen Fragen jedoch darf es, meine Damen und Herren, niemals um Sympathie oder Antipathie gehen, sonst wird die Geschäftsordnung zu einem Muster ohne Wert. Aber wenn man bei der Farbe Grün schon eine solche Großzügigkeit zum parlamentarischen Usus erhebt, darf man sicherlich davon ausgehen, dass auch meine Fraktion den ihr zustehenden Platz in der Parlamentarischen Kontrollkommission erhalten wird.

(Beifall bei der NPD)

Man wirft der NPD ja gern maßlose Polemik vor, wenn sie von einem Parteienkartell spricht, aber gerade in diesem Fall der willkürlichen Geschäftsordnungsänderung zur Legitimierung des Grünen-Fraktionsstatus scheint die NPD die einzige Fraktion im Plenum zu sein, die auf dem Rücken des Steuerzahlers keine millionenschweren Geschenke verteilen will. Anscheinend verstehen sich CDU, SPD, PDS, FDP und Grüne hinter den Kulissen schon wesentlich besser, als man es von außen vermutet. Unsere Fraktion jedoch wird sich nicht zu schade sein, diese faule Eintracht zu stören; denn zum Parlamentarismus gehört vor allem die klare Trennung von Regierung und Opposition, und wenn sich schon sonst niemand an diese Grundregel des Parlamentarismus zu halten gedenkt, so werden eben wir Nationaldemokraten unsere Oppositionshaltung ernst nehmen, werden wir Nationaldemokraten eben dann die letzte moralische Instanz in diesem Hause sein.

(Beifall bei der NPD – Lachen bei der SPD)

Bemerkenswert ist im Übrigen das Verhalten der CDU, die bereits wenige Tage nach der Wahl Vertreter der Grünen in der Staatskanzlei empfangen hat, um ihnen die freudige Nachricht zu überbringen, dass sie nicht um ihre Pfründe bangen müssen. Offensichtlich will man bei der sich abzeichnenden Koalition der Verlierer Optionen offen halten, um einen potenziellen Koalitionspartner nicht allzu aufmüpfig werden zu lassen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Herabsetzung der Mindestanforderungen für den Fraktionsstatus geht es auch um enorme Geldsummen, die durch die willkürliche Vergabe in den nächsten fünf Jahren fließen werden. Bitte bedenken Sie, dass wir mittlerweile ins fünfte Jahr der Rezession gehen. Gerade in Zeiten sozialer Not darf das Parlament bei den Bürgern nicht den Eindruck erwecken, dass die Parteien die ihnen anvertrauten Steuergelder buchstäblich zum Fenster hinauswerfen. Durch derartige Verhaltensweisen sind Sie es, die Politikverdrossenheit schüren. Sie sorgen dafür, dass immer weniger Menschen Vertrauen in den Parlamentarismus und in die Demokratie haben. Durch die Zuerkennung des Fraktionsstatus für die Grünen stehen diesen monatlich über 100 000 Euro zur Verfügung, was

sich in fünf Jahren auf rund 6 Millionen Euro summieren wird.

Gerade weil wir nicht den Eindruck erwecken dürfen, dass sich Politiker auf Kosten der Steuerzahler durch faule Kungeleien bereichern, ist unsere Fraktion auch gegen die vollkommen überflüssige Aufstockung des Präsidiums um einen 3. Vizepräsidenten des Landtages, und dies, obwohl die NPD – wenn man die Maßgabe der SPD, die sich selbst inzwischen in der Runde der kleineren Parteien wiedergefunden hat, zugrunde legt – mit der gleichen Maßgabe ihrerseits, mit ihrer Fraktionsstärke, einen Sitz im Präsidium als Vizepräsident beanspruchen könnte. Um es aber deutlich herauszustellen: Meine Fraktion beteiligt sich nicht an diesem Postengeschacher, da die Kosten in keinem Verhältnis zum effektiven Nutzen dieses zusätzlichen Amtes stehen. Viele Vertreter dieses Plenums sind offenkundig der Ansicht, dass eine Wahlniederlage längst nicht bedeutet, dass man seine Ansprüche zurückschrauben müsse, wie man auch an der erbärmlichen Diskussion um die Büroräumlichkeiten miterleben durfte.

Unglaublich, aber wahr: Gänzlich ohne Scham wollen sich die Verliererparteien bedienen, obwohl sie gerade erst die verdiente Quittung für ihre Misswirtschaft erhalten haben. Anders lässt sich das Verhalten, in der jetzigen Legislaturperiode einen 3. Vizepräsidenten wählen zu wollen, nicht erklären. Es ist dem Bürger nicht zu vermitteln, dass für einen zusätzlichen Vizepräsidenten künftig fast eine halbe Million Euro, auf die Legislaturperiode gerechnet, aufgebracht werden müssen. Auch solche „Sparsamkeit“ hat gerade in wirtschaftlich schwachen Zeiten etwas mit der Würde dieses Hauses zu tun.

Natürlich mag mancher einwenden, es handelt sich hier nur um so genannte Peanuts, und doch ist es mehr als ein symbolträchtiger Akt, dass ausgerechnet in Zeiten sozialer Not derartige Beschlüsse gefasst werden, nur weil sich die Koalition der Verlierer im Gerangel um Ministerposten offenkundig nicht einig werden kann und die SPD eben als Trostpflästerchen dann noch den dritten Vizepräsidentenposten zugeschustert bekommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie auch nur ein Minimum an politischem Instinkt haben, sollten Sie alle an Ihr Gewissen – sofern Sie noch eines haben – appellieren, das Ihnen sagen wird, dass man nicht auf der einen Seite Wasser predigen und auf der anderen Seite ständig Wein nachschütten kann. Blasen Sie dieses unwürdige Possenspiel, besser gesagt: Postenspiel, unverzüglich ab! Oder wollen Sie etwa, dass sich bei den Bürgern in Deutschland, in Sachsen endgültig der Eindruck durchsetzt, dass sich nach dem viel zitierten Wort von Carl Schmitt die Parteien „den Staat zur Beute machen“?

Herr Präsident, es gibt noch einen weiteren Punkt, der willkürliches Verhalten ermöglicht. Wie kann man es begründen, dass die Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Landtages künftig jedem Präsidiumsmitglied nur noch mit Zustimmung des Präsidenten zustehen soll?

(Karl Nolle, SPD: Denk mal nach!)

Wird die Kompetenz eines Präsidiumsmitgliedes so gering geschätzt, dass er diese nicht selbständig einsehen darf? Warum durfte ausgerechnet jetzt diese Entscheidung gefällt werden, wo drei neue Fraktionen eingezogen sind? Gibt es irgendwelche Inhalte in den Verwaltungsakten, die einem Präsidiumsmitglied einer missliebigen Partei im Zweifelsfall vorenthalten werden sollen? Gibt es Präsidiumsmitglieder ersten und zweiten Ranges? Und mit welcher tragfähigen Begründung soll dies, bitte schön, verweigert werden?

Dieser Punkt der Geschäftsordnung bedarf der Überarbeitung. Wenn schon so viel vom hohen Wert der Transparenz und dem gläsernen Parlament die Rede ist, dann kann eine solch geheimniskrämerische Regelung keinen Bestand haben. Dem Wählerauftrag der Regierungskontrolle – denn diese Aufgabe hat die Opposition – ist vonseiten einer parlamentarischen Opposition nicht nachzukommen, wenn die Regierung selber bestimmt, was und wen sie kontrollieren darf und wen nicht.

Herr Präsident, zum Abschluss möchte ich noch die Frage der Auszählungsmodalitäten zur Sprache bringen. Bei der Besetzung des Präsidiums, der Ausschüsse und der Ausschussvorsitzenden wird für die Feststellung des Stärkeverhältnisses der Fraktionen das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt zugrunde gelegt. Ebenso ist dies bei der Zuteilung der Büroflächen geplant. Bekanntermaßen werden bei dieser Zählung zur Benachteiligung der kleineren Parteien die Ergebnisse hinter dem Komma nicht berücksichtigt. Auch im Dresdner Landtag sollte man stattdessen auf das bewährte Hare-Niemeyer-System oder auf das Zählsystem von Sainte Laguë zurückgreifen. Es gibt keinen sachlich nachvollziehbaren Grund, warum im Landtag nicht ein erwiesenermaßen präziseres Zählverfahren angesetzt wird, das dem Wählerwillen am nächsten kommt.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Trotz aller Kritik, die wir heute auch noch im Laufe des Tages innerhalb der Geschäftsordnungsdebatte zum Ausdruck bringen werden, ist die NPD bestrebt, eine konstruktive Zusammenarbeit zu suchen, sofern diese zu positiven Ergebnissen und Lösungen für die Deutschen in unserem Lande führt. Alle Fraktionen werden in der Zukunft unter Beweis stellen müssen, ob sie den Wählerauftrag wirklich ernst nehmen oder ob sie weiterhin nur parteipolitischen Ritualen frönen wollen. Die Wähler unseres Landes werden genau zu beobachten haben, ob Sie Ihr stets gebetsmühlenartig vorgetragenes Bekenntnis zur Demokratie, zur Rechtsstaatlichkeit, zur Meinungsfreiheit und zur Gewaltenteilung wirklich ernst nehmen oder ob diese Prinzipien nur für jene gelten sollen, die sich auf dem „Mainstream“ befinden, jene, die sich der gesellschaftlich verordneten „political correctness“ unterzuordnen bereit sind.

Für meine Fraktion jedenfalls, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann ich Ihnen versichern, dass wir uns weder von den substanzlosen, pathetisch in den Medien angekündigten Abgrenzungsritualen der anderen Fraktionen noch von den Phrasen einer wehrhaften Demokratie einschüchtern lassen werden. Wir Nationaldemokraten werden unbeirrt hier in diesem Hause den Weg gehen, damit Demokratie nicht länger eine Worthülse bleibt und die Diskrepanz zwischen Anspruch und

Wirklichkeit im Sächsischen Landtag wiederhergestellt wird.

(Beifall bei der NPD – Karl Nolle, SPD: Totengräber!)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Abg. Herbst, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir betreten heute Neuland in diesem Landtag. Wir, damit meine ich die Fraktionen, die Abgeordneten, die bisher vertreten waren: den Klub der exklusiven Drei, der eben jetzt nicht mehr die Exklusivität eines Dreier-Zusammentreffens hier im Parlament hat, sondern es lernen muss, sich mit einer größeren Anzahl von Fraktionen, aber auch neuen Abgeordneten auseinander zu setzen. Das wird den Landtag vor neue Herausforderungen stellen und wir werden sehen, wie Sie mit diesen Herausforderungen klarkommen. Wir, damit meine ich auch uns, betreten Neuland als neue Fraktion. Ich kann zumindest als ein neuer Abgeordneter in diesem Parlament sagen, dass wir vielleicht am Anfang auch in so manches Geschäftsordnungsfettnäpfchen treten werden. Dafür möchte ich vorab um Entschuldigung und um Nachsicht bitten. Wir werden aber sehen, dass wir schnell die parlamentarischen Gepflogenheiten und die entsprechenden Regeln lernen. Zweifelsohne ist die Vielfalt in diesem Hause größer geworden. Aber nicht nur die Vielfalt, sondern auch der Wettbewerb der Ideen wird härter. Ich denke, das ist gut für unser Land. Das ist wie im Sport: Wo es mehr Wettbewerb gibt, da gibt es auch bessere Leistungen. Wettbewerb belebt nun einmal das Geschäft. Aber jeder Wettbewerb – das wissen wir auch – braucht klare Regeln, braucht klare Spielregeln: klare, verlässliche und faire, und zwar für alle Teilnehmer in diesem Parlament.

Nachdem der Wähler entschieden hat, dass die absolute Mehrheit einer Partei, der CDU, beendet wird, haben wir eine große Chance. Wir haben die Chance, die Geschäftsordnung, so wie sie heute verabschiedet werden soll, neu zu gestalten und damit auch zu einer neuen Parlamentskultur in diesem Hause beizutragen, einer attraktiven Parlamentskultur, die Verständnis für das, was hier im Hause passiert, in der Öffentlichkeit schafft, die aber auch uns den Rahmen gibt, würdig miteinander umzugehen. Ich kann Ihnen für die Fraktion der FDP versprechen, dass wir zu diesem konstruktiven, fairen Umgang auch als neue Fraktion beitragen wollen.

Mit dem Geschäftsordnungsentwurf, der von CDU und SPD eingebracht wurde, wurde die Chance aus unserer Sicht nur halbherzig genutzt. Wir erkennen an, dass die Geschäftsordnung in Teilen modernisiert wurde, zum einen, weil es notwendig war, da es – wie gesagt – neue Mitspieler in diesem Parlament gibt, zum anderen, weil technische Entwicklungen – ich erinnere nur an den elektronischen Versand der Dokumente – heute das praktische Leben auch einfacher machen.

Aber, meine Damen und Herren, mit diesem Geschäftsordnungsentwurf wurde es eben auch verpasst, eine wirklich neue Geschäftsordnung, die den Ansprüchen an eine heutige Geschäftsordnung gerecht wird, zu schaffen. Herr Lehmann, Sie sprachen von der Kreation des Jah

res. Man kann sie ja dafür nominieren, aber entscheiden darüber sollte eine unabhängige Jury. Ich glaube, bei der Preisverleihung würde Ihre Geschäftsordnung, so wie sie jetzt vorliegt, leider durchfallen.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auf drei Punkte einzugehen. Die Chance wurde aus unserer Sicht versäumt, die Minderheitenrechte wirklich zu stärken und für Chancengleichheit zu sorgen, für Chancengleichheit zwischen der Exekutive auf der einen Seite und der Legislative auf der anderen Seite. Ich denke, eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe würde der Debattenkultur in diesem Land helfen. Das sind Punkte wie die Herbeirufung von Regierungsmitgliedern, die Themenwahl in den Ausschüssen, die Beantragung der allgemeinen Aussprache. Überall entscheidet hier nach wie vor die Mehrheit. Das heißt, die Regierungsfraktionen können es sich bequem machen und mit ihrer Mehrheit alles niederwalzen. Die Mehrheit, die vorher die CDU hatte, wird jetzt nur abgelöst durch die CDU/SPD-Mehrheit.

Wir beantragen deshalb gemeinsam mit anderen Fraktionen, das entsprechende Quorum herunterzunehmen: auf ein Drittel statt der bisherigen 50 %.

Es wurde aus unserer Sicht auch eine zweite Chance versäumt, nämlich dem Wahlergebnis und dem Wählerwillen hier im Hause Rechnung zu tragen, wenn es um die Bestimmung der Stärke der Fraktionen geht. Noch immer werden durch die Regelung, wie sie hier vorgeschlagen ist, die Großen bevorzugt und die Kleinen benachteiligt. Im Geschäftsordnungsentwurf wird weiterhin d'Hondt vorgeschlagen und ein Verfahren, wie es im Deutschen Bundestag seit den siebziger Jahren angewandt wurde und wie es auch diverse Rechtsgutachten erwiesen haben, wie es auch der Bundeswahlleiter vorschlägt, nämlich nach Sainte Laguë/Schepers, wird bisher abgelehnt. Was mich dabei wundert, meine Damen und Herren gerade von der SPD: Auch wenn wir neu im Parlament sind, haben wir uns natürlich informiert, was Sie in der Vergangenheit zu diesen Debatten beigetragen haben. Sie waren glühende Verfechter genau dieser Bundestagsregelung. Frau Ludwig hat das damals gesagt.

(Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Ich verstehe jetzt Ihren Sinneswandel. Es gibt folgenden Spruch: Macht verdirbt den Charakter. – Sie sind offiziell noch gar nicht an der Macht. Ich glaube, das ist kein gutes Vorzeichen für die Zukunft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie mir, auf einen dritten Punkt einzugehen. Ich glaube, Sie haben auch in einem weiteren Punkt versäumt, wirklich ein wichtiges Signal nach außen zu setzen. Es geht dabei um die Position des 3. Vizepräsidenten. Es geht dabei schon darum, Vertrauen zu schaffen und auch deutlich zu machen, dass man in eigener Sache auch zum Sparen bereit ist und es nicht nur anderen in der Öffentlichkeit zumutet.

Es besteht sachlich kein Grund, einen 3. Vizepräsidenten einzuführen, und es besteht auch finanziell keine Notwendigkeit, dies in irgendeiner Form zu tun. Der 3. Vizepräsident, meine Damen und Herren – ich glaube, das ist relativ offensichtlich, so viele Argumente gerade Sie von der Regierungsseite auch noch anführen wollen –, ist ganz klar ein Wahlgeschenk des Wahlverlierers CDU an den Wahlverlierer SPD. Das Ärgerliche an diesem Geschenk ist, dass den Preis dafür der sächsische Steuerzahler zahlt. Das macht die FDP nicht mit.