Damit komme ich noch einmal zu unserem Kernthema. Das ist jetzt keine Kritik - ich habe das beim letzten Mal auch schon so gemacht - nur an der saarländischen Landesregierung, die mittelfristig gesehen die geringsten Möglichkeiten hat. Aber wenn zum Beispiel ein größeres Land wie Bayern, das beim Tönen immer ganz vorne ist, die Möglichkeit hätte, repräsentative Untersuchungen zu machen, dann sollte es das doch machen. Das wurde ja einmal angekündigt, aber es liegt nichts vor. Ich habe gesagt, es wäre doch gut, wenn wir irgendwelche Arbeiten vorliegen hätten, die sagen würden, dort ist die Ausbreitung besonders gefährlich, dort ist sie weniger gefährlich und dort ist sie praktisch ungefährlich. Es gibt solche Ansätze. Aber für die Entscheidung, die wir jetzt getroffen haben, fehlt es an repräsentativem Material. Wir haben das von Anfang an gefordert. Ich mahne es erneut an.
Es gibt kein gründliches wissenschaftliches Arbeiten ohne verwertbare Daten. Ich glaube, dazu habe ich jetzt wirklich einiges gesagt.
Natürlich ist es gut, dass man den Leuten hilft. Sie haben sich dafür eingesetzt; ich habe das beim letzten Mal anerkannt; ich erkenne es wieder an. Aber es gehört dazu zu sagen, dass im Bundeswirtschaftsministerium - ich sage jetzt einmal nicht, wer es leitet, um dieses Geheimnis nicht zu lüften - gesagt wird, aufgrund eines Softwarefehlers können die Hilfen viel zu spät ausgezahlt werden. Das ist einfach ärgerlich. Deswegen darf man sich nicht wundern, wenn in der Wirtschaft der Unmut steigt. Das ist ja keine Böswilligkeit; da darf man sich aber nicht wundern.
Dabei denke ich nicht in erster Linie an Betriebe, denen es besonders gut geht. Ich denke in erster Linie immer an die, die auf der Kippe stehen. Ich versuche, mir vorzustellen, wie es mir ginge, wenn ich in der Situation wäre. Diese Zahl nimmt ja zu. Die haben in der Regel keine starke Lobby und können sich in der Regel auch nicht großartig zur Wehr setzen.
Dasselbe gilt natürlich für die kleinen Leute, wie das immer so schön heißt. Ich habe schon davon gesprochen. Ich erwähne es trotzdem immer, weil über sie so gut wie gar nicht gesprochen wird. Warum sieht man nicht, in welchen Problemen diejenigen sind, die ganz niedrige Löhne haben und jetzt vielleicht auch noch in Kurzarbeit sind? Da kann ich nur sagen, es müsste doch im Bundestag - also nicht hier - gelingen, eine Mehrheit zustande zu bringen, um denen eine größere Zuwendung etwa beim Kurzarbeitergeld und so weiter zukommen zu lassen.
Das ist doch wirklich notwendig. Ich habe gelesen, dass im Bundestag die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Bonus für ihre Belastung bekamen. Das ist alles wunderbar. Aber ich möchte sagen, diese Mitarbeiter sind überwiegend im Homeoffice. Es gibt viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen es wirklich dreckiger geht und die solche Boni nicht bekommen. Wir als Politiker müssen vorsichtig sein, dass wir das Vertrauen der Menschen nicht verspielen. Deshalb habe ich das ganz kurz angesprochen.
Die soziale Lage muss immer wieder ein großes Thema sein. Wenn ich es jedes Mal ‑ ‑ Ich sehe, es blinkt rot. Das soll wahrscheinlich eine Sympathiebekundung sein.
Die soziale Lage muss ein großes Thema sein; sie ist es Gott sei Dank außerhalb vieler Beratungen sehr wohl. Wenn ich zum Beispiel Schlagzeilen lese - das wird die große Aufgabe der nächsten Zeit sein ‑ ‑
Ach so. Dann ist es doch nur eine Sympathiebekundung. Es blinkt hier so, als wenn ich mich in einen Gefahrenbereich begeben würde.
Wenn ich Schlagzeilen sehe, dass jetzt die Vermögenswerte wieder explodieren, also vor allen Dingen Aktien und andere Titel in der Finanzwelt, dann stelle ich mir die Frage, wie das bei Menschen ankommt, die so betroffen sind, wie ich das gerade gesagt habe. Die Vermögenspreise, so nennt man das, also die Preise für die Güter, die die Vermögenden haben, schießen nach oben. Ich hatte immer Amazon oder so als Beispiel genannt, aber es gibt viele Amazons. Man braucht nicht nur Amazon. Dass die Vermögenspreise nach oben schießen, ist in der Situation doch unglaublich.
Außerdem öffnet sich in dieser Situation auch noch die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Deswegen sage ich sicherlich für einen Teil dieses Hauses, wie es so schön heißt: Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Lasten. Da müssen diejenigen, die starke Schultern haben - wie das wunderbare Beispiel immer sagt -, mehr tragen als die, die schwache Schultern haben. Auf Deutsch: Man muss sich endlich an eine ordentliche Belastung der Vermögenden herantrauen.
Ich habe das schon beim letzten Mal gesagt. Ich sage noch einmal, da handelt es sich nicht um Umverteilung - das ist ein großes Falschwort der politischen Linken und damit überhaupt in Europa -, sondern um Rückverteilung.
Wenn man nicht begreift, dass das Rückverteilung ist, dann begreift man eben nichts und es geht endlos so weiter. Diese absurden Zahlen, die immer wieder nach oben gehen, werden endlos weiter steigen. Das sollte doch jedem, der um Gerechtigkeit bemüht ist, ein Anliegen sein.
Die Zusammenfassung ist also wie folgt. Mir ging es heute nicht darum, unbedingt die Regierung pauschal anzugreifen oder sonst irgendetwas. Mir ging es ernsthaft darum zu sagen, bitte versuchen wir jetzt eine Fehlererkennung. Das ist doch die Systematik in jeder Arbeit, die man überhaupt macht. Versuchen wir, die Fehler zu sehen, und versuchen wir, sie auszubügeln. Ich habe das demokratische Problem angesprochen. Ich habe das Problem in den Altenheimen angesprochen. Uns ist das soziale Problem ein besonderes Anliegen. Ich sage es, dann können Sie mich irgendwann noch einmal darauf ansprechen. Wenn die soziale Spaltung immer weitergeht, dann destabilisiert sich die Gesellschaft weiter. Das ist ein Problem der gegenwärtigen Situation. Dann destabilisiert sich die Gesellschaft weiter, woraufhin die demokratische Ordnung in Gefahr ist. Das alles sollte uns doch ein Anliegen sein, sozial gerecht vorzugehen und unsere demokratische Ordnung zu stabilisieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Kulturgeschichte, nämlich Wilhelm von Humboldt, hat einmal gesagt, man muss die Zukunft abwarten und die Gegenwart genießen oder ertragen. Ich glaube, in diesen Tagen ist es mehr ein Ertragen der Gegenwart. In diesen Tagen spüren wir alle, wie uns diese Pandemie, die nunmehr seit acht Monaten auf uns lastet, auch zunehmend an den Nerven zehrt. Es gibt eine wachsende Unruhe in der Bevölkerung. Die Politik bekommt gut gemeinte Ratschläge, besserwisserische Vorschläge und was auch immer.
Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Wir alle leiden. Die Politik, Wirtschaft, Unternehmer, Kulturschaffende, Pflegekräfte, Ärzte, Lehrer, alle leiden
weltweit unter dieser Pandemie. Niemand von denen hat sich dieses Virus ausgesucht. Niemand von denen wollte dieses Virus. Bundeskanzlerin Merkel hat an einer anderen Stelle vor Wochen einmal gesagt, sie hatte sich für ihr letztes Amtsjahr anderes vorgenommen.
Auch diese Landesregierung sowie die CDU-Landtagsfraktion haben für 2020 andere Pläne gehabt. Ich glaube, ich spreche für alle in diesem Land, wir hatten 2020 anderes vor als nur diese Pandemiebekämpfung. Insofern habe ich Verständnis für diese fehlende Geduld und die zunehmende Ungeduld, sowie auch damit einhergehende Vorwürfe an die Regierenden, wenn gesagt wird, was hätten wir in der Vergangenheit alles anders und besser machen können. Aber der Ministerpräsident hat es deutlich gemacht. Es gibt ja keinen Masterplan für diese Pandemie. Wir müssen auf Sicht fahren. Wir müssen jedes Mal wieder neu begründen, warum wir welche Maßnahmen machen und immer wieder am Infektionsgeschehen ableiten, was richtig und wichtig ist.
Herr Lafontaine, Sie haben gesagt, man muss doch auch über Fehler sprechen können. Man muss die Fehler erwähnen. Man muss die Fehler sehen, um daraus zu lernen. Das ist richtig. Insofern kann ich Ihnen schon fast ein Kompliment machen. In Ihrer Rede haben Sie wirklich meisterhaft Ihre Vorstellungen dargestellt, die aber meisterhaft eigentlich nur Nebel waren.
Sie sitzen auf dem Beifahrersitz, während wir am Steuer versuchen, auf Sicht zu fahren. Sie sitzen auf dem Beifahrersitz mit der Nebelmaschine und machen noch mehr Nebel, verwirren und verunsichern die Menschen in diesem Land. Ich will darauf eingehen.
(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Wenn das Auto an den Baum fährt, dann ist man als Beifahrer auch betroffen. - Vereinzelt Lachen.)
Es ist vollkommen richtig, dass man als Beifahrer betroffen ist, wenn das Auto am Baum landet, aber es wäre vielleicht hilfreich, wenn der Beifahrer keinen Nebel macht und damit die Sicht versperrt.
Wir haben gesagt: demokratischer Rechtsstaat, Beteiligung des Parlaments. Das ist vollkommen richtig. Deswegen sind wir heute Morgen erneut in einer Sondersitzung. Deshalb war der Ministerpräsident am Sonntag im Erweiterten Präsidium und hat für die Vorhaben geworben. Selbstverständlich kann man jetzt eine Beschlussfassung machen, die Sie ja gefordert haben. Es gibt aber Juristen in diesem Land, die sagen, durch das Bundesinfektionsschutzgesetz hat die Landesregierung rechtlich die Handhabe, diese Rechtsverordnung zu machen.
Wir haben immer gesagt, selbstverständlich kann dieses Parlament jederzeit entweder eine neue Rechtsverordnung erlassen oder auch eine neue Regierung wählen. Das ist unser Recht als Parlament. Ich sehe keine neue Rechtsverordnung, weder von der Großen Koalition noch von der Opposition, auch nicht von Ihnen, Herr Lafontaine. Das wäre doch dann Ihr gutes Recht, darüber abstimmen zu lassen.
Warum haben wir als Große Koalition keinen Beschlussantrag oder keine neue Rechtsverordnung gemacht? Ich kann Ihnen die Antwort ganz klar sagen: Weil wir zu dieser Rechtsverordnung stehen! Auch Sie haben gesagt, es gibt jetzt keine Alternative zu dieser Rechtsverordnung und zu diesem Lockdown. Deswegen ist es doch richtig und nur eine theoretische Diskussion, ob wir jetzt noch einmal darüber abstimmen oder nicht. Wir stehen zu dieser Rechtsverordnung. Wir stehen zu diesem Lockdown, auch wenn es für uns alle und für die Bevölkerung im Saarland schwierig ist.
Sie haben die Wissenschaft und die Anzahl der Tests angesprochen. Wir stellen noch einmal ganz deutlich für alle fest: Tests bedeuten keine Heilung. Ja, es ist das Navigationsgerät, wenn wir auf Sicht fahren. Selbstverständlich können wir durch Tests erfahren, wo die Infizierten sind, und sie dann besser schützen beziehungsweise sie isolieren, damit sie andere nicht anstecken können. Es ist aber falsch, dass bei uns nur die Tests zurückgegangen sind. Wir sind im Saarland mit 10 Prozent bei den Testungen bundesweit gesehen überdurchschnittlich. Wir haben in den vergangenen drei Monaten die Testungen in den Einrichtungen nahezu verdoppelt. Waren es vor elf Wochen noch 12.000 Testungen in den Einrichtungen, so sind wir mittlerweile bei über 23.000.
Ich kann an dieser Stelle sagen, wir testen alle, die getestet werden wollen. Wenn Sie mehr testen wollen, dann müssten Sie in Ihrer virtuellen Rechtsverordnung, die Sie ja nicht vorgelegt haben, eine Testpflicht für alle machen. Das kann man natürlich fordern. Ob wir die Kapazitäten haben und wer die Kosten tragen soll, sei mal dahingestellt, aber dann tanzt jeder Saarländer morgens zu einem Test an. Auch das kann man machen, aber man muss es konkret fordern!
Sie stellen sich hin und sagen, wir haben keine Zahlen, wir testen zu wenig. Die Rechtsverordnung ist zwar richtig und es gibt keine Alternative, aber wirklich etwas an dieser Rechtsverordnung und dem Vorgehen kritisiert haben Sie nicht. Sie haben vielmehr Nebel gemacht und die Sicht versperrt.
Zur Wissenschaft an sich und zur Ampel wird später die Kollegin Jutta Schmitt-Lang darlegen, auf welcher Grundlage wir diese Entscheidung treffen. Wir setzen uns selbstverständlich mit allen auseinander - mit Wissenschaftlern, Juristen und Unternehmern. Das sage ich mit Blick in Richtung AfD, die ebenfalls einen Antrag vorgelegt hat und eine Kommission fordert. An der Stelle das Kompliment, dass Sie einmal einen konkreten Vorschlag gemacht haben. Aber ich kann Ihnen sagen, das machen wir seit Wochen und Monaten ohnehin. Wir treten mit all diesen Menschen in Kontakt und sind im Gespräch, um die richtigen Entscheidungen für dieses Land zu treffen.
Sie haben die Altenheime und den besseren Schutz angesprochen. Das ist etwas, was wir zunehmend in der Bevölkerung hören, die jetzt ungeduldig und so langsam all dieser Einschränkungen müde wird. Da hört man: Macht eine Langzeitstrategie und schützt die Risikogruppen. Abgesehen davon empfehle ich jedem den Leserbrief von Dr. Schwarzkopf vom Uniklinikum Homburg, der heute in der Saarbrücker Zeitung abgedruckt war, dass es nicht nur eine Risikogruppe betreffen kann und dass es auch junge Menschen ohne jegliche Vorerkrankung sind, die auf den Intensivstationen landen.
Es ist eine besondere und schwierige Situation in den Altenhilfeeinrichtungen. Ich empfehle, dass man mit den Menschen redet, die dort arbeiten. Selbstverständlich machen wir eine verbesserte Teststrategie. Sie sprechen über Fehler, vielleicht hätten wir früher dort noch mehr testen müssen. Aber all das heilt nicht! All das wird nicht verhindern, dass das Virus auch in Altenhilfeeinrichtungen Einzug hält. Wenn es erst einmal drin ist, dann ist es verdammt schwierig, es noch einmal loszuwerden, weil oftmals weder das Personal noch die Raumkapazitäten da sind, um alle zu isolieren. Das muss man ja alles erst einmal leisten, Herr Lafontaine!
Wenn ein Mensch demenzkrank ist, können wir ihn nicht einfach wegsperren. Er läuft über den Flur und verbreitet gegebenenfalls das Virus. Das gehört doch zur Wahrheit dazu. Es sind Altenhilfeeinrichtungen, die auch Besucher empfangen wollen, und keine Seniorenknäste, wo wir die Leute einfach wegsperren können. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Und dann der Sozialministerin zu sagen, sie schütze die Altenheime zu wenig und sie sei indirekt verantwortlich für die Toten, dann ist das wirklich unanständig! Das will ich in diesem Parlament nicht so stehen lassen!