Protocol of the Session on December 8, 2020

(Beifall bei der LINKEN.)

Ein höherer Gesundheitsschutz an unseren Schulen ist dringend notwendig. Den gibt es nicht zum Nulltarif. Daher unterstützen wir einen eigenen CoronaFonds für Bildung, wie ihn die GEW vorschlägt, und zwar ausgestattet mit Bundesmitteln. Die müssen

eingefordert werden. Darum muss gekämpft werden, damit es eben mehr Schutz in der Pandemie gibt und um - damit das möglich ist - Bedarfe der Kitas und Schulen zusätzlich decken zu können. Ich meine, der Bereich ist viel zu sensibel, als dass man hier noch darüber streiten wollte.

Es gibt Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die bis zu hundert Kontakten am Tag haben. Die Situation ist sehr schwierig und stark belastend. Die Stimmung an den Schulen ist sehr schlecht. Die Brandbriefe und die Hilferufe von allen Seiten sind bezeichnend. Dafür kann man nicht die Bildungsministerin alleine verantwortlich machen. Das möchte ich betonen. Das wäre nicht fair. Hier gehören die Schulträger mit dazu, die Gesundheitsämter und letztlich eine gesamte Regierung, die leider hier der Debatte nicht folgt. Nur die Bildungsministerin ist da. Danke schön, Frau Ministerin!

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir sind nur ein kleines Land. Ein runder Tisch mit den Personalvertretungen, den Gewerkschaften, den Eltern- und Schülervertretungen - das muss machbar sein. Das haben wir mehrfach gefordert, denn alle Betroffenen an den Schulen fordern eine andere Informationspolitik, eine deutlich bessere Kommunikation. Warum nur informieren und dann noch sehr spät anstatt einzubeziehen? Warum nicht unkonventionelle Lösungen mit den Schulträgern ständig prüfen, damit der Schulbetrieb aufrechterhalten werden kann?

Wenig Platz im Klassenzimmer ist ein Riesenthema. Wie wäre es, derzeit leerstehende Veranstaltungssäle und Turnhallen zu nutzen als Ausweichklassenzimmer mit kleineren Lerngruppen? Warum nicht? Warum ständig Streit über Luftfilteranlagen und über die - wohl gemerkt - Prüfung der Voraussetzungen für einen Wechsel zwischen Unterricht in der Schule und Lernen zu Hause für den Fall der Fälle? Warum nicht den jeweiligen Schulgemeinschaften den bedachten Übergang zum Wechselunterricht bei stärkerer Einbindung der Schulkonferenz ermöglichen, wenn er notwendig wird, anstatt dies leider immer wieder kategorisch abzulehnen?

Zum Beispiel haben die beruflichen Schulen die Konzepte in der Schublade. Die könnten sofort loslegen. Das wurde immer wieder gesagt. Dabei möchte ich betonen - das ist uns ganz wichtig -, dass wir uns nach wie vor im Ziel einig sind, den regulären Schulbetrieb auch in der Pandemie so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Online-Unterricht kann niemals die echte Schule, den Lebensraum Schule ersetzen. Das schafft Ungerechtigkeiten. Auch das ist bekannt. Das muss daher aber schnell breiter aufgestellt werden. Das ist eine Notlösung. Aber die Schulen sind eben in Not. Sie brauchen dringend Spielräume.

(Beifall bei der LINKEN.)

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

Diese von allen Vertretungen gestellten Fragen über Lehrer, über Eltern bis hin zu den Schülerinnen und Schülern waren wirklich alle dabei - sind nachvollziehbar. Sie gehören zur Debatte dazu. Unisono wünschen sich alle mehr Eigenständigkeit für die Schulen vor Ort in dieser schwierigen Zeit, dass zum Beispiel Schulleitungen flexibel mit Eltern und mit Schulkonferenzen entscheiden, damit mehr individuelle Lösungen möglich werden.

Es gibt Vergleiche mit anderen Bundesländern. Das muss man skizzieren. In Berlin haben Schulleitungen eigene finanzielle Mittel für Unterstützungspersonal in der Pandemie. Über einen Vier-Stufen-Plan können sie mitentscheiden, wann die vierte Stufe der Wechselunterricht - in Kraft tritt. Bremen verfügt über einen dreistufigen Reaktionsplan. Die sind richtig gut aufgestellt. Wann es zu Wechselunterricht kommt, wird laut Plan nach dem regionalen Infektionsgeschehen oder der lokalen Situation der Schule in Abstimmung mit allen festgelegt. Ich meine, man sollte auch bei uns im Land beherzter mit der Situation umgehen.

Die Arbeitskammer hat, wie es die Bildungsministerin im vorletzten Plenum gesagt hat, auf die vielen Kinder im Saarland hingewiesen, die von Armut bedroht sind. Fast jedes vierte Kind ist davon betroffen. Davon lebt fast die Hälfte in Wohnungen mit zu wenig Zimmern und zu wenig Platz. Man muss immer wieder sagen, wie die Zustände sind. Jedem siebten Kind fehlt zu Hause ein Ort zum Lernen. Schon bei der Schulschließung im Frühjahr habe man Schüler verloren, hat die Ministerin gesagt. Da hat sie leider recht.

Es darf aber kein Kind verloren gehen. Wir sagen das schon seit Monaten. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade Kinder aus einkommensschwachen Familien zu Hause wenig Unterstützung haben. Sie haben keinen ruhigen Platz zum Lernen und vielfach auch nie schnelles Internet. Ich will damit sagen, es sind eben nicht allein die digitalen Endgeräte, die vielbeschworenen, die wir brauchen und auf die es ankommt. Aber um die geht es nicht alleine. Es hängt eben noch viel mehr von alledem ab.

Eines hat die Corona-Pandemie doch auch gezeigt, nämlich, wie gespalten unsere Gesellschaft ist, wie ungleich die Chancen und Lasten verteilt sind und wie wichtig gute Bildung für alle ist. Darum muss es gerade an den Schulen in den sozialen Brennpunkten - ich mag das Wort nicht, aber es heißt halt so die allerbesten Bedingungen geben, also kleine Klassen, gut ausgebildete Lehrkräfte und mindestens eine Vollzeitstelle für Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter an jeder Brennpunktschule. So fordern das die sozialen Praktiker wie zum Beispiel in Malstatt völlig zu recht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Es sind zu viele Kinder gefährdet, anstatt dass sie gefördert werden, gerade in dieser schwierigen Zeit. Das muss sich einfach dringend ändern. Das müssen uns unsere Kinder wert sein. Dabei wollen wir mit am Strang ziehen. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Herzlichen Dank, Frau Spaniol. - Der nächste Redner ist der bildungspolitische Sprecher der SPD‑Landtagsfraktion Jürgen Renner.

(Vizepräsident Heinrich übernimmt den Vorsitz.)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Spaniol, wir hatten die Debatte über Bildungspolitik in Corona-Zeiten in der letzten Sitzung des Landtages an diesem Ort, glaube ich. Es ist klar, dass wir in der Bildung wie auch in allen anderen Themenfeldern, die wir zu beackern haben, in dieser Zeit immer nur Entscheidungen treffen können, deren Grundlagen vielleicht morgen oder übermorgen schon nicht mehr gegeben ist, weil das Infektionsgeschehen sehr dynamisch ist. Ich glaube, deshalb sollte man etwas Zutrauen in die Verantwortlichen und in die Bildungsministerin haben, dass zu jedem Zeitpunkt und zu jedem neuen Erkenntnisstand jederzeit die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen werden. Mit Plan A, B und C, wie ich es schon in den Ferien gehört habe, kommt man nicht weit. Da scheitern Sie unter Umständen schon nach drei Tagen. Deswegen ist das Fahren auf Sicht in der Pandemie geradezu erforderlich. Das tun wir.

Aber was wir mit dem Haushalt machen, ist, die Grundlage dafür zu schaffen, dass wir in der Bildung und in der Kultur aus dieser Krise möglichst schnell herauskommen und möglichst die Flurschäden, die das Virus geschlagen hat, auch begrenzen können. Hier ist für mich jedenfalls im Moment deutlich erkennbar, dass - ich will mit dem Kulturbereich anfangen - die Kultur derzeit ein Sorgenkind darstellt, denn sie steht fast alles still. Das ist für viele von uns, die eine Affinität zur Kultur haben, eine nahezu unerträgliche Situation.

Das Theater ist zu, die Museen sind zu, das Weltkulturerbe ist zu. Festivals waren nur eingeschränkt möglich wie etwa das Festival Resonanzen. Es gibt Onlinestreaming-Formate, ich glaube aber ehrlich gesagt nicht, dass diese das Zukunftsfeld sind. Wenn Künstler und Kulturschaffende ihre Angebote online streamen, ist das aller Ehren wert, aber ich glaube, wir wollen wieder die Situation haben, dass die Künstlerinnen und Künstler vor Publikum auftreten können. So sind sie wieder im Austausch mit

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

dem Publikum und werden für ihre Leistungen angemessen bezahlt.

Für uns war als Ausgangspunkt für die Haushaltsberatungen noch schlimmer, dass die vielen ehrenamtlich getragenen Initiativen derzeit nicht stattfinden können. Deshalb wollen wir alles daransetzen, dass unsere oftmals ehrenamtlich getragenen Kulturinitiativen möglichst unbeschadet aus der Corona-Situation hervorkommen, neu starten und sich weiterentwickeln können.

Es ist vorhin angesprochen worden und ich wiederhole es gerne, weil ich sehr stolz darauf bin: In vielen verschiedenen Bereichen nehmen wir sehr viel Geld in die Hand und satteln auf. Es geht nicht nur um das Erhalten, sondern auch um Weiterentwicklung wie etwa im Bereich der Leseförderung mit zusätzlichen 18.000 Euro und im Bereich der Museumspädagogik für neue Modelle der Kunstvermittlung für Kinder und Jugendliche. Das war im Übrigen ein direkter Ausfluss eines Besuchs von Kindern und Jugendlichen bei uns in der Landtagsfraktion. Ein zehnjähriger Junge hat damals ein Bild von einem Museumskabinett gemalt und gesagt, dass er gerne öfter ins Museum gehen würde, aber er könne es sich nicht leisten. Wir haben dann mit den Kindern vom Kinderbildungszentrum Malstatt in der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz Kunstvermittlungsangebote wahrgenommen. Daraus sind Überlegungen zu einer Neukonzeption resultiert. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir im Zeitraum des Doppelhaushaltes 60.000 Euro in die Hand nehmen können und vielleicht am Ende nach einer Auswertung ein solches Angebot als Paket für andere Einrichtungen zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist ein sinnvolles Projekt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir werden die Festivallandschaft stärken. Wir werden die kulturelle Infrastruktur vor Ort mit 300.000 Euro sichern. In der Breitenkultur gehen wir mit der Professionalisierung des Ehrenamtes mit insgesamt 510.000 Euro voran. Projekte der Soziokultur sind genannt worden. Wenn ich das ad hoc zusammenrechne, komme ich auf 170.000 oder 180.000 Euro. Dazu kommen das Saarländische Künstlerhaus, Theater Überzwerg und so weiter. Es war wichtig, dass wir vor zwei Jahren erstmals einen Titel für die Unterstützung der freien Szene an der Saar geschaffen haben. Dort satteln wir mit 80.000 Euro noch einmal ordentlich auf. Mich freut außerdem der Ankauf von Kunstwerken für den Landtag. Früher war es grenzwertig, wenn weder ein Ausstellungshonorar bezahlt, noch ein Katalog finanziert wurde. Jetzt wird die Landtagsverwaltung in die Lage versetzt, im Rahmen ihrer Reihe Werke der ausstellenden Künstler anzukaufen. Ich glaube, es wäre eine Überlegung wert, in den nächsten anderthalb Jahren auf den Weg zu bringen, dass alle Häuser der Landesregierung sich am Ankauf von Kunstwerken be

teiligen. Wir unterstützen damit freischaffende Künstlerinnen und Künstler und sichern das Kunstwerk für das Saarland.

Ich will einen Gedanken aufgreifen, der schon zu Beginn der Legislaturperiode vom Kollegen Zehner in die Diskussion gebracht wurde. Er fragte, ob wir es nicht gerade im Bereich der bildenden Kunst schaffen, dass wir dort, wo die öffentliche Hand, insbesondere das Land, als Aussteller tätig ist, Künstlerhonorare zahlen. Gerade die bildenden Künstler sind bei der Einkommensskala am unteren Ende des Einkommenslevels, wenn man sich die Statistiken der Künstlersozialkasse anschaut. Sie sind in prekären Verhältnissen. Ich glaube, wir würden damit ein gutes Werk schaffen. Vielleicht können wir in den nächsten Monaten den Gedanken noch einmal aufgreifen und vor Ende der Legislaturperiode zu Lösungen kommen. Die Künstler würden es uns danken.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es ist auch kein Geheimnis, bei all dem, was ich jetzt angesprochen habe: Am besten wäre es, wenn wir den Aufwuchs über den Doppelhaushalt hinaus verstetigen könnten.

Die Industriekultur ist ebenfalls angesprochen worden. Das Land wird seine Mittel für das Weltkulturerbe Völklinger Hütte erhöhen. Wir bekommen vom Bund eine erhebliche Summe dazu, plus rund 20 Millionen Euro bis 2025. Es sind also insgesamt rund 30 Millionen Euro für die Sicherung und Weiterentwicklung des Herzstücks unserer Industriekultur. Dafür gebührt natürlich allen Beteiligten Dank. Das sind die Bundestagsabgeordneten, die das gefördert haben, und die Kultusministerin, die in Berlin dafür geworben hat. Es ist schön, dass es so gekommen ist.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vorhin war die Rede davon, nicht nur auf das Weltkulturerbe, sondern auch nach vorne zu blicken. Ich glaube, man darf es nicht gegeneinander ausspielen. Der Charakter der Saarländerinnen und Saarländer besteht darin, dass sie grundsätzlich offen für Neues sind. Es gibt eine Neugierde für spannende Projekte, Ausgründungen und Start-ups. Der Charakter der Saarländerinnen und Saarländer besteht aber eben auch darin, dass sie ihre Traditionen pflegen. Ich glaube, wenn wir mit diesen Mitteln das Weltkulturerbe Völklinger Hütte zum einen in den Dienst der Bewahrung des industriekulturellen Erbes und zum anderen in den Dienst des weiteren Strukturwandels stellen können, haben wir eine gute Mischung. Deshalb ist es eine gute Entscheidung.

Meine Damen und Herren, im Globalantrag ist die HfM erwähnt. Ich war im Frühjahr beim Rektor der HfM, Herrn Nonnweiler. Wir waren uns einig, dass möglichst noch in diesem Jahr die Entscheidung

(Abg. Renner (SPD) )

über die Sanierung der Hochschule für Musik Saar getroffen werden sollte. Ich bin froh, dass wir dies in der Haushaltsklausur der Regierungsfraktionen und im Ausschuss betont haben. Die jetzige Situation an der HfM ist einer Hochschule, die über so viel internationales Renommee verfügt, unwürdig. Ich glaube, wir machen da etwas Gutes und schaffen angemessene Rahmenbedingungen für dieses besondere Werk in unserer Kultur, denn die HfM ist nicht nur Ausbildungsstätte, sondern auch ein herausragender Kulturträger in unserem Land.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wenn in diesem Zusammenhang von Sanierungen die Rede ist, will ich das Augenmerk auf den Pingusson-Bau richten. Ich glaube, wir werden auch hier in den nächsten Monaten alles daransetzen müssen, dass auch dieses Stück saarländisches und europäisches Erbe erhalten bleiben kann. Ich glaube, da ist jeder Schritt und jedes Engagement aller Ehren wert. Wir müssen an dieser Stelle vorankommen. Wir sollten den Pingusson-Bau als Beispiel dafür nehmen, wie es nicht geht. Ein Land muss auf seine Liegenschaften und Gebäude achten und sie unterhalten, sodass solche Sanierungsstaus, wie wir sie verschiedentlich haben, nicht entstehen. Jede unterlassene Unterhaltung kommt das Land am Ende teuer zu stehen.

Frau Spaniol hat über die Bildung gesprochen. Ich kann nicht alles noch einmal durchgehen. Ich bin stolz darauf, dass wir es bei den multiprofessionellen Teams geschafft haben. Wir haben es im Koalitionsvertrag festgelegt. Wir haben die Zuständigkeit für die Schulsozialarbeit als Kernbereich der multiprofessionellen Teams im Februar im Bildungsministerium angesiedelt. Mir war immer völlig klar, dass, wenn sich das Land in die Pflicht nehmen lässt, es auf Augenhöhe mit den Landkreisen finanzieren muss. Deswegen bin ich froh, dass wir das geschafft haben. Wir nehmen in den beiden Jahren der Laufzeit des Haushaltes 10 Millionen Euro in die Hand. Das wird zu Entlastungen von Schulsituationen vor Ort führen. Jetzt gilt es, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Dazu haben wir uns in den Verträgen mit den Landkreisen verpflichtet. Wir wollen die multiprofessionellen Teams in der Mitbestimmung verankern, damit wir auch hier Augenhöhe herstellen. Darüber sind wir gerade in Gesprächen. Wenn uns das gelingt, hätten wir ein wirklich gutes Stück auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit zurückgelegt.

Bildungsgerechtigkeit ist das Oberziel der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen. Ich habe letzte Woche im Rahmen einer Studie zur Bildungsgerechtigkeit dieses Schaubild gefunden.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch.)

Hier sehen Sie zwei Grafiken in blau und orange. Hierbei geht es darum, welcher Anteil der Grund

schüler die jeweils nächste Bildungsstufe erreicht. Die zwei Farben stehen für unterschiedliche Gruppen, nämlich Kinder von Nicht-Akademikern und Kinder von Akademikern. Obwohl wir jahrzehntelang darüber diskutieren - da geht es mir ähnlich wie dem Kollegen Commerçon, den das Thema Gebührenfreiheit schon jahrelang begleitet -, sehen wir immer noch dasselbe. Warum erreichen so wenige NichtAkademikerkinder am Ende einen Hochschulabschluss? - Immerhin noch 74 Prozent der Akademikerkinder werden Studienanfänger, 63 Prozent Bachelorabsolventen, 45 Prozent Masterabsolventen und 10 Prozent Promotionsabsolventen. Die Zahlen bei den Kindern der Nicht-Akademiker sind nach wie vor erschreckend. Von 100 Prozent erreichen 21 Prozent den Studienanfang, 15 Prozent erreichen den Bachelor, 8 Prozent sind Masterabsolventen und gerade einmal 1 Prozent geht in die Promotion. Ich finde, das sind Zustände, die wir nicht dulden können.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Uns geht es nicht darum, Nicht-Akademikerkinder zum Studium oder zur Promotion zu bewegen, sondern, dass wir Verhältnisse schaffen müssen, in denen die Unterscheidung nach sozialer Herkunft überhaupt nicht gemacht werden muss. Das ist die Herausforderung. Ich habe es auch in der letzten Sitzung gesagt. Corona legt schonungslos den Finger in die Wunde - auch hier im Saarland, wenn man die gestiegenen Zahlen der Inobhutnahmen und der Fälle von Gewalt in Familien beachtet. Deswegen glaube ich, dass wir bei Bildungspolitik nicht an die vermeintlich höheren Klassenstufen oder an andere Schulformen denken müssen, sondern dass wir bereits vorher ansetzen müssen. Wir brauchen ein integriertes Verständnis von Bildungs-, Familien- und Sozialpolitik.

Ich komme zu einem Gedanken, dem wir mehr Beachtung schenken sollten, nämlich dem der kommunalen Bildungslandschaften. Ich glaube, dass wir in der Situation vor Ort im Gemeinwesen und im Umfeld einer Schule schauen müssen, wo Kooperationspartner sind und wo wir Netzwerke mit der Jugendhilfe, Stadtteilbüros und Gemeinwesensarbeit schaffen können, um vor der Schulzeit oder sogar vor der Kitazeit frühe Hilfen anbieten zu können. So soll sich die Frage der sozialen Herkunft auf dem weiteren Bildungsweg erst gar nicht stellen. Wir haben hier ein großes Potenzial und es wird wenig Geld kosten. Die Strukturen sind meistens schon vor Ort vorhanden, aber wir müssen sie besser vernetzen. Wir können hier im Sinne von Bildungsgerechtigkeit viel bewirken.

Frau Spaniol hat die Stellensituation angesprochen: 351 Stellen mehr als geplant. Dazu kommt im Übrigen - das wird gerne übersehen - noch einmal ein Budget mit dem Umfang von 100 Vollzeitäquivalenten, um vorübergehende Ausfälle aufgrund von Vul

(Abg. Renner (SPD) )

nerabilität oder Schwangerschaft ausgleichen zu können. Wenn wir die Entwicklung der letzten Jahre sehen, werden wir feststellen, dass der Stellenabbau eigentlich eine Fiktion war. Es gab immer vor Beginn jedes Schuljahres den Kampf um 30, 40 oder 50 Stellen. Wenn man das aber zurückverfolgt, wird man sehen, dass der Stellenabbau nicht wirklich in dem Maße erfolgt ist, wie er nach den Vorstellungen von 2010 hätte erfolgen sollen. Das ist eine große Leistung sozialdemokratischer Bildungspolitik - das sage ich hier ganz bewusst -, aber natürlich auch eine große Leistung der Bildungspolitik der Koalition. Wir können Zeiträume von zehn Jahren bei Stellenprognosen und Personalbedarfsprognosen nicht überblicken. Wir können nur die Zahl der Kinder überblicken, die gerade geboren wurden und in fünf oder sechs Jahren in die Schule kommen. Für sie müssen wir die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen. Das heißt, wir müssen sozusagen den Horizont an der Stelle verringern, damit wir schneller in der Lage sind, nachjustieren zu können.