Protocol of the Session on November 3, 2020

(Beifall von der LINKEN.)

Dann haben wir die Kulturschaffenden, denen es auch besonders schlecht geht. Da will ich von einer persönlichen Erfahrung berichten. Gehen Sie ins Museum? Dort kann doch der Abstand von 2 m in der Regel spielend eingehalten werden. Es ist die Frage, wieso man die Museen schließt, wo Museen ja vereinzelt auch leicht Erkrankten manchmal Trost bieten können, wenn sie Freude an der Kunst haben. Ich habe das nicht verstanden. Ich bin ab und zu mal im Museum, ich will mich also hier nicht überhöhen. Aber wenn man nicht gerade bei der Eröffnung einer großen populären Ausstellung ist, begegnen einem im Museum vielleicht zwei Leute oder drei. Also warum schließt man die? Mir erschließt sich das nicht.

Und als jemand, der dem Sport sehr zugewandt ist, muss ich auch die Frage aufwerfen, warum man den Profifußball weiterlaufen lässt, aber den Amateursport einstellt. Das müsste zumindest begründet werden. Ich habe noch keine Begründung gehört, die ich richtig nachvollziehen kann. Dass man da Einschränkungen machen muss - ich weiß, wie die Zuschauer da am Rand stehen -, ist klar. Man könnte die Amateure zum Beispiel ohne Zuschauer spielen lassen. Aber warum man den Amateursport einstellt, kann ich nicht richtig nachvollziehen. Vielleicht wird irgendwann mal die Begründung nachgereicht.

Eines will ich auch noch sagen. Es war richtig, Herr Ministerpräsident, dass Sie gesagt haben: „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass ein Umsatzausgleich stattfindet.“ Es war auch richtig, dass Sie gesagt haben: „Aber nicht so wie in der Vergangenheit.“ Das war die Selbstkritik, die ich immer wieder gefordert habe. Im Bundestag wurde in der Diskussion gesagt - ich höre mir sowas an, ich habe ja Zeit -: Es sind erst 4 Prozent der Mittel, die man für kleine und mittlere Unternehmen ausgewiesen hatte, ausgezahlt. 4 Prozent! Und als dann die Ankündigung kam: „Wir werden euch helfen“, kamen sofort Leute zu mir und haben gefragt, was heißt: „bis zu“? Wenn man Besitzer eines Betriebes ist und das hört, dann fragt man sich, geben sie mir 30 Prozent, 40 Prozent oder 50 Prozent? Was wird denn jetzt sein?

Gerade für die Gastronomie tut es mir leid, das muss ich sagen, denn die Saar-Gastronomie ist ein Leuchtturm dieses Landes!

(Beifall von der LINKEN.)

Deshalb engagiere ich mich so sehr für sie; ich habe das über viele Jahre getan, auch in meiner aktiven Zeit als Ministerpräsident. Wir können doch stolz sein, dass wir das Land sind mit der besten Gastronomie in Deutschland. Das ist kein Lokalpatriotismus, das kann man mit Zahlen belegen. Deshalb sollte man um diesen Leuchtturm des Landes besorgt sein.

(Beifall von der LINKEN.)

Ich habe mich gefreut, dass zumindest der Ministerpräsident von Thüringen sich offensichtlich sehr engagiert hat, die Gastronomie offen zu lassen. Er ist aus Hessen unterstützt worden, so hat man mir erzählt, aber gewirkt hat das nicht. Die Entscheidung kennen Sie ja alle. Wie gesagt, Gastronomie ist ein Leuchtturm unseres Landes, ich wollte das nur einmal ansprechen. - Das Vertrauen der Bevölkerung ist ganz, ganz wesentlich, deshalb der Hinweis.

Angesichts meiner kurzen Redezeit möchte ich nur noch ein Problem ansprechen, nämlich die soziale Frage. Die soziale Frage wird im Zusammenhang mit dieser Pandemie viel zu wenig angegangen. Es ist bedauerlich, dass auch in der Bundestagsdebatte, die ich mir sorgfältig angeschaut habe, wichtige Fragen nicht angesprochen worden sind! Ich will hier eines sagen. Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 Prozent des Netto. Das hört sich gut an, aber überlegen Sie mal, es gibt Leute, die haben nur 1.000 Euro netto. Was 60 Prozent davon sind, ist ja nicht schwer auszurechnen. „60 Prozent“ sagt sich für uns leicht. Ich will hier mal eine persönliche Bemerkung machen, bitte verstehen Sie das nicht falsch. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn der öffentliche Dienst, wenn wir keinerlei Einschränkung haben und ich dann höre, dass manche Leute 1.000 Euro verdienen und davon 60 Prozent bekommen.

(Beifall von der LINKEN.)

Das können Sie mir abnehmen oder auch nicht. Ich wollte das hier nur einmal sagen. Deshalb hätten wir es gut gefunden, wenn man bei Niedriglöhnern eine andere Quote angestrebt hätte. Ich hätte das sehr, sehr wichtig gefunden in diesem Kontext.

(Beifall von der LINKEN.)

Ein zweiter Punkt, auf den ich aus Zeitgründen nur noch sehr kurz eingehen kann, ist, dass diese Regelung, dass Kündigungen nicht mehr ausgesprochen werden konnten, nicht verlängert worden ist. Ich halte das für einen richtigen Fehler! Denn wenn die Leute jetzt weiterhin mit ihren 60 Prozent leben müssen, kommen sie am Monatsende in Schwierigkeiten, und was ist dann? Es ist doch einfach nicht zumutbar, dass sie dann rausgeworfen werden können. Selbst Stromsperren können wieder erlassen werden! Das zeigt nur, dass die Mehrheit nicht die

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

notwendige Sensibilität für soziale Fragen in unserem Land hat.

(Beifall von der LINKEN.)

Da stimmt dann der berühmte Satz: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ Ich nehme an, Sie alle kennen den Autor dieses Satzes. Deshalb auch meine kritische Bemerkung an uns selbst in diesem Kontext.

Es ist aber immer wieder erfreulich, dass die soziale Frage von einigen auch richtig angegangen wird. Hier will ich, auch um deutlich zu machen, dass es mir nicht um Parteipolitik geht, den CSU-Bundesminister Müller nennen. Er hat als einer der ganz wenigen, da möchte ich ihm ein Kompliment machen, darauf hingewiesen, dass die jetzige Vorgehensweise der Industriestaaten, für die gewaltige Mittel in Anspruch genommen werden, dazu führt, dass UNProgramme nicht mehr fortgesetzt werden können, dass deswegen Menschen an Hunger, Malaria und anderen Krankheiten zugrunde gehen. Das finde ich ganz stark, dass ein Minister der Bundesregierung zumindest darauf hinweist, dass unsere Beschäftigung mit uns selbst zu viel größeren Schäden in der Dritten Welt führt.

(Beifall von der LINKEN und bei SPD und CDU.)

Da ich vielleicht später in der Debatte noch etwas erwidern will, mache ich jetzt nur noch eine letzte Bemerkung. Die Bundeskanzlerin hat gesagt, wir brauchen jetzt eine nationale Kraftanstrengung. Da hat sie eigentlich recht. Aber ich weise darauf hin: Sie regiert seit 15 Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und diese nationale Kraftanstrengung, unser Gesundheitswesen auf Vordermann zu bringen, hätte 15 Jahre lang in Angriff genommen werden können. Stattdessen hat man Betten abgebaut, gekürzt und die Leute zu schlecht bezahlt. Vielleicht lernen wir daraus und machen eine Kehrtwende. Das Gesundheitswesen ist eine der wichtigsten Aufgaben des Staates, wir sollten anders mit ihm umgehen. Wir sollten so mit ihm umgehen, dass etwa in der Pandemie notwendiges Personal zur Verfügung steht und die Leute ordentlich versorgt werden können.

(Anhaltender Beifall von der LINKEN.)

Nächster Redner in der Aussprache ist der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Ulrich Commerçon.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lafontaine, ich will einige wenige Bemerkungen zu Ihrer Rede machen; am Schluss haben Sie sich ja noch mal gefangen und sind zu vernünftigen Aus

sagen gekommen, denen ich im Laufe meiner weiteren Ausführungen auch zustimmen werde.

Sie haben beklagt, dass hier über die Verordnung nicht abgestimmt wird. Das hätten Sie vielleicht vorher mal kundtun können. Nicht zuletzt auf mein Betreiben hin haben alle Fraktionsvorsitzenden außer Ihnen selbst seit vor der Sommerpause an einer Projektgruppe teilgenommen, in der all diese Fragen diskutiert worden sind. Ich sage das mal ein bisschen scherzhaft - gehen Sie nicht gleich an die Decke -: Vielleicht ist das für einen Teilzeit-Fraktionsvorsitzenden nicht leistbar und man muss jemand anderen dorthin schicken. Wir haben dort sehr intensiv mit dem Kollegen Flackus diskutiert, das war eine gute Debatte, deswegen sitzen wir heute auch hier. Aber im Nachhinein dann plötzlich mit solchen Vorschlägen zu kommen und zu sagen: „Darüber wird heute nicht abgestimmt“, es tut mir leid, das ist mir ein bisschen zu billig für dieses Haus, deswegen weise ich das an dieser Stelle zurück, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Ein zweiter Punkt. Ihre gesamte Argumentation basiert auf einer Fehleinschätzung, nämlich der Fehleinschätzung, diese Landesregierung würde die Pandemielage ausschließlich nach den Infektionszahlen beurteilen - das tut sie nicht, mitnichten! Ich bin an vielen Stellen mit involviert, durchaus auch kritisch, was ich auch bleiben werde. Aber das ist nun wirklich völlig ungerecht. Diese Landesregierung hat das Ganze im Blick, wenn es um die Pandemiebekämpfung geht, und nicht nur eine Zahl. Sie hat all diese Faktoren und Kriterien, die Sie genannt haben, im Blick, und noch viele andere mehr. Deswegen muss das an dieser Stelle von Anfang an klar zurückgewiesen werden. Und damit ist Ihre ganze Argumentation völlig hinüber, lieber Herr Lafontaine.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ein dritter Punkt: Ja, in dieser Koalition wird gestritten. Das ist eine Koalition aus zwei großen, stolzen Parteien. Ich kann Ihnen aber eines sagen: In dieser Koalition wird weniger gestritten als in Ihrer kleinen Partei.

(Lachen bei den Regierungsfraktionen.)

Sie hält auch besser und stärker zusammen. Wir werden auch weiter streiten, aber wir werden in jedem Fall in diesem Land zusammenhalten. Mehr braucht man, glaube ich, an dieser Stelle dazu nicht zu sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Nun das Positive. Über die soziale Lage müssen wir reden, darauf komme ich gleich zurück. Ich hätte von Ihnen allerdings auch erwartet, dass Sie sich nicht nur in dieses Klein-Klein begeben, sondern

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

dass Sie auch die großen Fragen stellen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in dieser Debatte eine große Frage an den Anfang stellen will: Nachfolgende Generationen werden von uns erwarten, dass wir eine Antwort darauf geben, was wir aus dieser Pandemie gelernt haben. Ich glaube, dass Menschen Fehler machen, ist normal, es ist aber nicht gut, wenn Menschen aus ihren Fehlern nicht lernen - das hemmt Entwicklung. Man muss aus den Fehlern, die man gemacht hat, lernen, dass es notwendig ist, nachhaltig zu wirtschaften, zu leben und zu arbeiten. Deswegen müssen wir uns zunächst mal fragen, was wir nicht nur kurzfristig aus dieser Pandemie lernen. Wir haben kurzfristig gelernt, dass wir Abstand halten, Hygienemaßnahmen einleiten und Mund- und Nasenschutz tragen müssen; das verändert sich auch, die Wissenschaft muss auch an dieser Stelle dazulernen.

Es gibt einen zweiten, etwas größeren Punkt, den wir in dieser Pandemie gelernt haben, das haben Sie zu Recht angesprochen: Wir dürfen unser Gesundheitssystem nicht dem Diktat der Ökonomie unterwerfen, wir müssen es am Menschen orientieren und es gut aufstellen. Ich gehe davon aus, der Kollege Magnus Jung kommt später darauf noch ausführlich zurück. Aber eines kommt mir definitiv zu kurz in der gesamten Diskussion über dieses Thema. Die eigentliche Frage, die wir uns stellen müssen, wenn wir wirklich etwas dauerhaft aus dieser Pandemie lernen wollen, ist doch: Wie kam es überhaupt dazu, dass dieses Virus sich auf den Menschen übertragen hat, und wie verhindern wir weitere Pandemien in der Zukunft? Es ist ja eben nicht so, dass dieses Virus plötzlich entstanden ist, nein, wir als Menschen haben selbst dazu beigetragen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird es auch entscheidend darauf ankommen, dass wir im Rahmen dieser Diskussion rund um die Pandemie, auch um die Pandemiebekämpfung, dafür Sorge tragen, dass unser Wirtschaften insgesamt nachhaltiger wird. Das ist die eigentlich wichtige Frage, die wir stellen müssen.

(Beifall von der SPD.)

Bei alldem, was die Regierungen derzeit tun und was sie den Bürgerinnen und Bürgern empfehlen oder was sie auch anordnen, habe ich keinen Zweifel daran, dass das nach bestem Wissen und Gewissen geschieht. Ich habe keinen Zweifel daran, dass auch Fehler gemacht werden, auch nicht daran, dass man im Einzelnen drüber streiten muss und nicht in jedem Punkt einig sein kann. Aber eine Frage, nämlich die, wie wir mit unserem Planeten, mit unserer Umwelt umgehen, die Frage, wie wir wirtschaften und ob das so weitergehen kann, kommt mir dabei zu kurz, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dabei bin ich der festen Überzeugung, gerade in der Krise müssen wir doch die Chance nutzen, zu überprüfen, wie wir diese Krise vielleicht auch da

für nutzen können, anders zu wirtschaften, unsere Ressourcen zu schonen. Das war im Übrigen vor der Krise ein virulentes Thema und, meine sehr verehrten Damen und Herren, das darf mitten in der Krise eben nicht in den Hintergrund treten. Nein, wir müssen diese Frage zunehmend in den Mittelpunkt stellen.

Ich weiß, dass das viele jetzt im Alltag nicht unmittelbar beschäftigt, aber ich will nicht schuld daran sein, dass wir irgendwann noch mal in eine solche Situation kommen. Es darf nicht passieren, dass wir irgendwann nicht nur ein COVID-19-Bekämpfungsgesetz brauchen, sondern womöglich dann nächstes Jahr ein COVID-21- und im übernächsten Jahr ein COVID-22-Bekämpfungsgesetz. Ich bin der festen Überzeugung, es wird unsere Aufgabe als Parlament sein, Herr Präsident, und das wäre ein erstes Anliegen an unsere Arbeitsgruppe, auch darüber zu reden, wie wir mit dem Thema Nachhaltigkeit in unserem Land umgehen, was wir als Parlament dazu beitragen können, dass das stärker in den Fokus gerückt wird.

(Beifall von der SPD.)

Ich komme zu dem zweiten großen Punkt, den Sie angesprochen haben, ich nenne es mal noch ein bisschen größer „gesellschaftlicher Zusammenhalt“. Die soziale Frage ist auch eine Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dieser gesellschaftliche Zusammenhalt wird viel beschworen, von allen hier eigentlich, er ist so etwas wie eine gewisse saarländische Tugend, so haben wir zumindest immer gedacht. Ja, es ist so, dass wir eine hohe Zustimmung zu den Maßnahmen der Landesregierung, aller Landesregierungen und auch der Bundesregierung haben. Es gibt ein großes Vertrauen in unsere Regierungen und, auch da stimme ich Ihnen wieder zu, wir müssen aufpassen, dass dieses Vertrauen bleibt. Ja, es ist so, das Vertrauen bröckelt ein wenig. Das müssen wir ernst nehmen, dafür müssen wir ein ganz sensibles Sensorium haben.

Anfangs sind wir davon ausgegangen, dass diese Pandemie in wenigen Wochen besiegt sein könnte. Wir wissen, es hat dann Monate gedauert. Der Sommer war trügerisch, da haben wir nämlich plötzlich nur noch über Lockerungen gesprochen. Und obwohl einige immer wieder gewarnt haben, dass wir aufpassen müssen, nicht in eine zweite Welle hineinzugeraten, passiert nun genau dies. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das darf man eben nicht verharmlosen. Die zweite Welle ist nicht nur, was die Infektionszahlen angeht, sondern auch was die drohenden Bettenbelegungszahlen und die drohenden Todesfallzahlen angeht, sehr ernst zu nehmen. Deshalb müssen wir an dieser Stelle aufpassen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt bleibt. Wir wissen, das wird nicht mehr so einfach gehen wie vorher, dass man anordnen kann mit Angst als Hintergrund, da stimme ich Ihnen aus

(Abg. Commerçon (SPD) )

drücklich zu. Es wird zunehmend darum gehen, dass wir nicht mit Angst, sondern mit Aufklärung, mit öffentlicher Debatte, auch hier im Parlament, diskutieren. Das ist unsere allerwichtigste Aufgabe in diesem Zusammenhang. Wir sind die Repräsentantinnen und Repräsentanten dieses Volkes, wir vertreten den Souverän gegenüber der Regierung. Deswegen ist es richtig, dass wir diese Debatten künftig auch stärker hier im Parlament führen. Im Übrigen dient dazu auch unser heutiges Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Ja, ich sehe, es drohen gesellschaftliche Spaltungen zwischen den Gesunden und den Kranken, zwischen den Ängstlichen und den Wütenden, zwischen den Zupackenden und den Nachdenklichen und zwischen Arm und Reich. Das ist sicherlich eine der zentralen gesellschaftlichen Fragen, die wir uns stellen müssen. Wir müssen uns die Frage stellen: Was macht dieses Virus eigentlich? Was macht diese Pandemie über die Belastungen des Gesundheitssystems hinaus? Was machen diese Maßnahmen eigentlich mit unserer Gesellschaft?

Jeder Einzelne von uns kann vielleicht inzwischen ahnen, was es mit uns macht, das wird im Übrigen auch individuell sehr unterschiedlich sein. Vielleicht wissen wir es auch von uns Nahestehenden. Ich muss persönlich sagen, ich war anfangs, ganz zu Beginn der Pandemie, extrem beansprucht, weil man als Abgeordneter, zumal auch als ehemaliges Regierungsmitglied, sich in den ersten Tagen auf den ersten Blick so ganz an den Rand gedrängt gefühlt hat. Man hat gedacht: Jetzt machen die, und wir als Parlament werden gar nicht gebraucht. - Das war mitnichten so, wir sind sehr schnell gebraucht worden. Aber das war so ein erstes Gefühl. Und wir sind ja alle, auch ich, letztlich von Gefühlen und Stimmungen immer wieder in Anspruch genommen.

Wir haben als Parlament die Aufgabe, kritisch zu hinterfragen. Ich finde das im Übrigen auch gar nicht schlimm, warum sollen wir in diesem Parlament nicht kritisch diskutieren? Solange es nicht ins Persönliche geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das unsere Aufgabe. Ich finde, das muss eine wichtige Lehre sein: Nicht immer nur Common Sense an verschiedenen Stellen vorspielen, wo er tatsächlich nicht vorhanden ist, sondern auch dafür sorgen, dass öffentlich darüber diskutiert wird. Das hat uns der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes im Übrigen auch aufgegeben: Nicht im stillen Kämmerlein hinter verschlossenen Türen oder in Videoschaltkonferenzen der Landesregierung miteinander diskutieren, sondern diese Diskussion durchaus auch auf dem Resonanzboden der Öffentlichkeit führen. Wir sollten uns nicht gegenseitig persönlich dabei verletzen, aber in der Sache Argumente vor der Öffentlichkeit auszutragen, muss in einer offenen

und demokratischen Gesellschaft nicht zu Verunsicherung führen, nein, es kann zu einer Stärkung dieser offenen und demokratischen Gesellschaft führen. Jedenfalls ist das immer mein Politikanspruch gewesen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen werde ich auch immer öffentlich Kritik äußern, auf der anderen Seite werde ich im nächsten Moment dort solidarisch sein, wo man gemeinsame Beschlüsse gefasst hat. Ich glaube, so gehört sich das in einer selbstbewussten Koalition. So verstehe ich unsere Zusammenarbeit, lieber Alex Funk. Ich glaube, das machen wir auch so. Wenn dann mal ein Ton danebengeht, ruft man sich gegenseitig an. Das kommt gelegentlich auch vor. Herr Lafontaine, das werden wir Ihnen dann aber nicht auf die Nase binden.