Heute müssen wir auch sagen: Ein Teil dessen, was wir in den vergangenen Wochen gemacht haben, war nichts anderes als ein Auf-Sicht-Fahren. Wobei man „Auf-Sicht-Fahren“ nicht mit „Tunnelblick“ verwechseln sollte, sowohl im Rückblick als auch mit dem Blick nach vorne. Wir alle, Sie wie auch ich, haben heute die Nachrichten zur Kenntnis genommen, während wir heute hier debattiert haben. Es ist festzustellen: Die Frage bezüglich Europa verträgt keinen Tunnelblick. Die Wiege von Europa steht ja auch in unserem sprachlich-kulturellen und, wenn man so sagen möchte, auch kulinarischen Raum. Deshalb bewegt uns das Thema Europa immer sehr, und der Kollege Commerçon ist ja immer sehr differenziert, wenn in der letzten Zeit über „Grenzschließungen“ oder „verstärkte Grenzkontrollen“ zu sprechen war. Einige von uns waren von Beginn an gegen diese Maßnahmen und haben auch dagegen protestiert, haben sie aber in der Not zunächst einmal auch akzeptiert. Diese Maßnahmen waren unter den ersten, die in der Krise umgesetzt wurden. Deute ich das, was vom Bundesinnenminister zu hören war, richtig, werden diese Maßnahmen auch unter den letzten einschränkenden Maßnahmen sein, die zurückgenommen werden. Das gilt zumindest, wenn
es um die deutsch-französische Grenze geht. Ich sage an dieser Stelle noch einmal deutlich: Ich glaube, es gibt nun keinen nachvollziehbaren Grund mehr, weshalb wir an dieser Stelle engmaschige Grenzkontrollen durchführen müssten. Deshalb sollten wir die Veränderung der Maßnahmen nicht nur auf Luxemburg beziehen, sondern eben auch auf Frankreich. Es ist gut, dass die Kontrollen Richtung Luxemburg nun ihr Ende finden, allerdings sollten sie das nun auch in Richtung Frankreich tun. Auch dieses Signal sollte heute von diesem Hause noch einmal ausgehen, als ein deutliches Signal in Richtung Berlin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte nun nicht nur im Hier und Jetzt verharren, sondern auch noch zwei, drei Anregungen für die vor uns liegenden Debatten geben. Denn es geht ja nun nicht nur um Krisenmanagement, es geht auch um Orientierung und um die Frage, was man aus einer solchen Krise lernen kann, und um die Frage, was jetzt getan werden und woran jetzt auch gedacht werden muss.
Das Gesundheitssystem wurde bereits angesprochen. Ich glaube, diese Krise hat uns wichtige Hinweise geliefert, dass die Menschen, die im Gesundheitssystem für unser Wohlergehen sorgen, nicht einfach nur „Kostenfaktoren mit Ohren“ sind, dass wir vielmehr etwas für sie tun müssen und dass es nicht genügt, ihnen nur unsere Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Wir müssen nun einmal feststellen, dass niemand vom Applaus allein leben kann, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das darf nicht in Vergessenheit geraten. Wir müssen vielmehr für eine anständige Finanzierung des Gesundheitssystems und für eine anständige Bezahlung im Gesundheitssystem sorgen. Wir müssen auch noch einmal deutlich machen, dass das Gesundheitssystem zur Daseinsvorsorge zählt und dass wir dafür sorgen müssen, dass Gesundheitsversorgung dort, wo das wirtschaftlich nicht trägt, nicht einfach nicht stattfindet, sondern dass wir dort das Geld hineingeben, das benötigt wird, um ein vernünftiges System verfügbar zu haben.
Wir sollten die Debatte noch einmal aufgreifen, bei der einerseits immer der schlanke Staat gefordert wird, andererseits in der Krise aber der Staat mit breiten Schultern angemahnt wird. So etwas kann nicht funktionieren. Deshalb müssen wir uns natürlich auch anschauen, wer hier was finanziert. Und bei aller Freude beim Thema Digitalisierung müssen wir uns auch anschauen, wo wir diesbezüglich tatsächlich stehen. Wir haben es in der Landesverwaltung erlebt: Wir stehen bei der Digitalisierung nicht dort, wo, um das deutlich zu sagen, ich uns gerne sehen würde. Bislang war das begehrteste Gut in meinem Ministerium ein Tiefgaragenstellplatz. In die
ser Krise nun war es plötzlich die VPN-Leitung. Solche Leitungen haben wir nicht genügend, und wir haben auch von einigen anderen Dingen nicht genug. Das in dieser Krise Erlebte muss uns ein Zeichen dafür sein, dass wir an einigen Stellen noch nachlegen müssen.
Das gilt auch für die Debatte über das Homeoffice. Ja, wir haben gesehen, was plötzlich alles möglich ist. Technisch möglich ist. Wir dürfen dabei allerdings auch nicht ausblenden, dass nicht für jeden und in jeder Konstellation zuhause das Homeoffice ein Segen ist. Ich habe das selbst auch versucht, mit einem Elfjährigen zuhause, der, liebe Christine, jede Menge Hausaufgaben mitbekommen hat. Es ist kein Segen für Eltern, wenn die Kinder zuhause sind oder wenn Pflegebedürftige zuhause zu betreuen sind. Deshalb, so finde ich, müssen wir diese Debatte differenziert führen: Wo das eine gute Lösung ist, sollten wir es ermöglichen. Aber wir sollten die Menschen nicht unnötig in noch mehr Rollen zwängen, die gleichzeitig auszufüllen sind, als das für die Menschen unter gesundheitlichen Gesichtspunkten vertretbar ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das gilt eben auch für die Rolle der Frau. Wir haben gerade wieder gesehen, dass es plötzlich wieder die Frauen waren, die zuhause geblieben sind. Nicht jede der erkämpften Positionen hat sich also in dieser Krise als gefestigt erwiesen. Das hat auch sehr viel mit den Bezahlstrukturen zu tun. Auch diesen Aspekt müssen wir uns noch einmal vorknöpfen und dafür sorgen, dass derartige Entscheidungen nicht entlang des Gehaltszettels fallen müssen, sondern eben vernünftig und paritätisch orientiert getroffen werden können.
Ich bin durchaus offen für verschiedene Debattenansätze. Ich habe die Debatte auch geführt hinsichtlich der Frage, ob wir es uns leisten können, 90 Prozent der Gesellschaft lahmzulegen, um 10 Prozent der Bevölkerung zu schützen. Für mich persönlich kann ich sagen: In dieser Debatte drückt sich das Modell einer Gesellschaft aus, in der ich nicht leben möchte. Nichtsdestotrotz müssen wir diese Debatte mit denjenigen, die dafür eintreten, führen. Ich finde allerdings, wenn die Quintessenz dieser Debatte so zusammengefasst wird, wie das Wolfgang Kubicki getan hat, indem er gesagt hat, diejenigen, die vor Corona Angst hätten, sollten einfach zuhause bleiben, so ist das nicht nur ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die zur sogenannten vulnerablen Gruppe zählen, sondern auch ein Schlag ins Gesicht vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Verkäuferinnen und Verkäufer, der Busfahrinnen und Busfahrer, denen wir damit ja auch sagen: Ihr habt zwar Angst, aber ihr müsst trotzdem arbeiten gehen. Deshalb kann darin nicht die Lösung liegen, weder wirtschaftspolitisch noch gesellschaftspolitisch. Ich fin
Nun geht es darum, die Bewältigung dieser Krise anzugehen. Dabei müssen wir uns auch anschauen, wer bislang am härtesten unter dieser Krise gelitten hat. Wir stellen fest, dass das diejenigen sind, denen es auch zuvor schon nicht gut ging. Jeder fühlt seinen Schmerz, das möchte ich nicht in Abrede stellen. Es gibt aber eben einige, die mehr Luft haben als andere. Deswegen dürfen wir es nicht zulassen, dass diejenigen, denen es zuvor bereits schlecht ging, nun auch noch am stärksten dazu herangezogen werden, wenn es um das Zahlen dieser Zeche geht. Es ist wichtig, unseren Unternehmerinnen und Unternehmern zu helfen, ob groß, ob klein, völlig egal. Es ist auch wichtig, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsplätze erhalten werden. Wenn wir nun unsere Maßnahmen orientieren, müssen diejenigen profitieren, die alles richtig gemacht haben, die fleißig waren, die ihre Steuern bezahlt haben. Ihnen müssen wir unter die Arme greifen.
Wir müssen deshalb unser Steuersystem so ausrichten, dass niemand überlastet wird. Wir müssen für anständige Löhne sorgen, wir müssen auch für einen anständigen Mindestlohn sorgen. Wir müssen die Kommunen entschulden und wir müssen dafür sorgen, dass Investitionen getätigt werden können. Alle diese Punkte kommen nun noch zur akuten Krisenbewältigung hinzu.
Wir haben in der Vergangenheit schwierige Entscheidungen getroffen. Sie sehen aber, dass für die Zukunft weitere schwere Entscheidungen anstehen, und diese Entscheidungen werden nach meiner Einschätzung auch nicht weniger umstritten sein. Diese Aufgaben werden zum akuten Krisenmanagement hinzutreten. Dabei sollten wir uns an dem orientieren, was wir schon bislang als Maßgabe gewählt haben: einerseits nichts beschönigen, andererseits die Dinge aber auch nicht dramatisieren.
Weder sollten wir übermäßig ängstlich sein, noch sollten wir mit allzu viel Optimismus die Entscheidungen angehen. Wir sollten dabei vor allem auf diejenigen schauen, die eine besondere Unterstützung benötigen.
Ich denke, in der Geschichte des Saarlandes ist diese Krise sowohl hinsichtlich der Breite der Betroffenheit als auch hinsichtlich der Tiefe der Betroffenheit sicherlich die größte Herausforderung, die dieses kleine und junge Bundesland jemals zu bewältigen hatte. Ich glaube fest daran, dass wir das schaffen werden, wenn wir das so handhaben, wie wir das in diesem Bundesland immer gemacht haben, nämlich gemeinsam. Das wäre meine Hoffnung. Ich wünsche uns die erforderliche Kraft, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich wünsche den Saarländerinnen und Saarländern, den Unternehmern, den Ar
beitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Familien, allen, die sich angesprochen fühlen, den notwendigen Optimismus, Zuversicht in die Zukunft - und vor allem, dass wir alle miteinander gesund bleiben. In diesem Sinne: Herzlichen Dank und Glück auf!
Ich danke der Frau Ministerin und darf darauf hinweisen, dass sie die Redezeit der Regierung um 2 Minuten und 40 Sekunden überzogen hat. Diese Zeit steht damit den Fraktionen ebenfalls noch zur Verfügung. - Für die CDU-Landtagsfraktion rufe ich nun den Abgeordneten Stefan Thielen auf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In aller Kürze möchte ich nun noch einige Punkte ergänzen beziehungsweise in die Debatte einbringen, auch bezüglich dem, was wir von der Opposition und auch von Kollegen gehört haben und worüber man sich noch einmal Gedanken machen sollte.
Die Wirtschaftsministerin sprach eben von einem neuen Bewusstsein, das sich in dieser Krise gebildet habe. Ich glaube, diese Feststellung trifft die Realität recht gut. Ich habe mir über die vergangenen Tage hinweg schon Gedanken gemacht, worin sich dieses neue Bewusstsein, mit dem man konfrontiert wird, äußert. Ich habe dabei festgestellt, und das wird Ihnen womöglich auch so gehen: Wenn man in sich hineinhört und nachspürt, welche Ängste einen bewegen, erkennt man ganz andere Ängste als die, die einen noch vor wenigen Monaten bewegt haben. Die Ängste, die Sorgen, die Nöte, die nun drängen, sind andere. Ich glaube, das kann jeder für sich so sagen. Wenn das schon für uns so der Fall ist, wie mag es dann erst denjenigen ergehen, die in Kurzarbeit sind, bei denen in den Familien Probleme bestehen, die vielleicht auch Unternehmer sind und nun wirklich nicht wissen, wie sie weitermachen sollen. Ich glaube, unsere Verantwortung in der Politik ist es nun auch, diesen Menschen wieder Mut zu machen. Das gelingt aber nicht einfach nur mit warmen Worten, dafür bedarf es der Taten. Diesbezüglich sehe ich heute gute erste Ansätze im gesamten Haus. Über die weiteren Diskussionen dazu in den kommenden Wochen und Monaten freue ich mich.
Ein alter Spruch in der Geschäftswelt lautet: Man kann mit nichts so gut Geschäfte machen wie mit Ängsten. Das ist tatsächlich so. Ich glaube, ich sage nichts Falsches, wenn ich äußere, dass davon die gesamte Versicherungsbranche lebt, gut lebt, durchaus auch berechtigt davon lebt. Zum Teil funk
tioniert aber leider auch die Politik so. Für Ängste, die die Politik prägen, kann man einige Beispiele nennen: Der Kalte Krieg basierte auf Ängsten, indem man immer die Angst vor den anderen geschürt hat. Mit Ängsten wurde teilweise beim Thema Atomenergie agiert. Ebenso wurden im Zuge der Flüchtlingskrise immer wieder Ängste geschürt. Bei allen diesen großen politischen Themen bedurfte es immer wieder des Mutes, um diese Ängste zu durchbrechen. Die deutsch-französisch Freundschaft bedeutete eine völlige Umkehr, die von den großen Denkern, die sie vorangebracht haben, Mut erfordert hat. Entsprechendes gilt für die Freigabe der Preise durch Ludwig Erhard, auch das damals keine unumstrittene Entscheidung. Diese Entscheidung hat aber außerordentlich viel Positives bewirkt.
Ich will die aktuelle Lage nicht in den großen historischen Kontext einordnen, ich glaube, dafür braucht es noch ein wenig Zeit. Ich will allerdings feststellen, dass auch in dieser Situation von unserer Landesregierung großer Mut gezeigt wurde, als sie diese Schritte als erstes Bundesland unternommen hat. Wir sind eben nicht Bayern, wir sind nicht BadenWürttemberg. Als Haushaltsnotlageland, das wir nun einmal sind, als erstes Land diesen Schritt zu gehen und umfassende Schließungen anzuordnen, das hat schon großen Mut erfordert. Dafür herzlichen Dank, stellvertretend an den Herrn Ministerpräsidenten und die Frau Wirtschaftsministerin! Ich glaube, Ihren Amtseid, Schaden von diesem Volk abzuwenden, den haben Sie wirklich erfüllt! Dafür an dieser Stelle einen herzlichen Dank!
Es erfordert aber, das ist bereits angeklungen, auch großen Mut, als Opposition eine Position zu vertreten, die nicht selbstverständlich für die Opposition ist, eine Position, mit der man sagt: Ich stehe jetzt zunächst einmal dahinter, auch wenn ich mir im Detail Änderungen wünschen würde. Dieses Vorgehen finde ich schon beeindruckend. Das schafft eine gute Basis, um auch künftig gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Der Opposition dafür einen herzlichen Dank, insbesondere an den Oppositionsführer Oskar Lafontaine!
Ich beziehe den Dank allerdings auch auf das gesamte Parlament. Es ist immer die Rede von der „Stunde der Exekutive“, wir hatten aber ja auch eine „Woche der Judikative“. Es war aber nie die Rede davon, dass das Parlament seine wichtige Arbeit gemacht hätte. Es wurde nie erwähnt, weil man sagen kann, dass das Parlament seine Arbeit eigentlich nie beendet hat. Dabei hat das Parlament durchweg seine Arbeit gemacht: Alle Fraktionen waren im Corona-Ausschuss beteiligt. Mich hat das schon beeindruckt: Ich glaube, an noch keiner Ausschusssitzung haben so viele Abgeordnete meiner Fraktion teilgenommen, sie waren zwar nicht vor Ort, sie saßen aber alle an den Bildschirmen. Das war wirklich eine
tolle Sache, bei der man auch sieht, was uns die Digitalisierung bringen kann. Durch die Arbeit des Parlaments wurde die Regierung wirklich kontrolliert. Der Regierung wurden nicht immer ganz einfache Fragen gestellt, es waren ganze Fragenkataloge, die an die Regierung gerichtet wurden. Das zu sehen, das war für mich auch eine Sternstunde des Parlaments. Alle waren bestrebt, Fragen stellen zu können.
Genau vor diesem Hintergrund wurde heute auch von uns der Antrag eingebracht „Mit einem starken Parlament die Corona-Krise bewältigen“. - Wir hatten bislang ein starkes Parlament, wir haben aktuell ein starkes Parlament, und wir werden hier auch weiterhin als starkes Parlament agieren.
Es ist aber natürlich keineswegs so, dass wir unsere Aufgaben nur in den Ausschusssitzungen wahrgenommen hätten. Genauso wichtig war es für mich auch zu sehen, dass sich Abgeordnete, gleichgültig ob Koalition oder Opposition, engagiert und Leuten gezielt geholfen haben. Es wurden auch Termine vor Ort gemacht, natürlich unter Einhaltung der Sicherheitsabstände, um sich davon ein Bild zu machen, wie die Situation vor Ort ist. Aber auch die vielen Unterlagen wurden im Detail gelesen. Es gab, zumindest in meiner Fraktion, nicht einen einzigen Abgeordneten, der mich nicht auf irgendein Problem angesprochen hätte, das an die Regierung weiterzuleiten war. Das ist schon eine tolle Sache, das macht auch wirklich Spaß zu sehen, wie engagiert die Abgeordneten sind.
Aber die Kernarbeit des Parlamentes ist natürlich die Gesetzesarbeit. Machen wir uns nichts vor: Ein Gesetz hat stets eine ganz andere Wirkung als eine Verordnung. Wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass die Änderung eines Gesetzes nie so schnell ablaufen kann wie die Änderung einer Verordnung. Damit könnte man auch, was jetzt das große Thema ist, gewisse Dinge nicht so schnell zurücknehmen. Man könnte Lebensbereiche nicht so schnell öffnen, wie das nun mit den Verordnungen möglich ist. Uns war es ja auch freigestellt, jederzeit eine Sitzung des Parlamentes anzuberaumen, wenn wir denn mit den Verordnungen ein Problem gehabt hätten. Deshalb meine klare Auffassung: Natürlich tragen alle Verordnungen die Handschrift der Regierung, es sind aber eben auch sehr viele Fingerabdrücke des Parlaments darauf zu finden. Das zeigt eine gute Zusammenarbeit und einen großen Mut, diese Probleme gemeinsam anzugehen.
Virenfrei, genau. Mit Handschuhen. ‑ Zum Antrag der LINKEN: Ich denke, das ist eine Basis, auf der wir weiter diskutieren können. Wir sehen diesbezüglich aber noch Bedenken und möchten das weiter
erörtern; wir werden daher heute diesen Gesetzentwurf ablehnen. Ich habe aber auch schon Stimmen heute gehört, dass wir darauf aufbauen können. Wir wollen jedenfalls einen Rahmen haben, mit dem wir künftig mit Pandemien umgehen können. Wir wollen vorbereitet sein, um künftig besser agieren zu können. Das ist die Zielrichtung dessen, was wir anbieten.
Momentan kann man leicht den Eindruck gewinnen, mutig seien diejenigen, die auf die Straße gehen und sich für die weitestgehende Öffnung einsetzen. Dazu wurde ja schon zutreffend erwähnt, dass es keineswegs nur Altnazis und irgendwelche Kommunisten und ein Lutz Bachmann sind, die sich in diesem Sinne einlassen. Die Aussage von Wolfgang Kubicki, wer Angst habe, möge zuhause bleiben, hat mich wirklich schockiert. Ich finde, damit wird das gesamte System umgedreht. Ich bin ein ständiger Kämpfer für die Freiheit, ich glaube, das wurde hier schon mehrfach deutlich. Man muss aber auch richtig einordnen, woher die Freiheitsrechte kommen und wie sie eingebunden sind.
Das höchste Gut, das wir haben, ist die Menschenwürde. Die Menschenwürde ist das tragende Konstitutionsprinzip unserer Verfassung, sowohl des Grundgesetzes als auch der Landesverfassung. Alle Rechte, die unseren Bürgern zustehen, alle unsere Freiheitsrechte, sind von der Menschenwürde herzuleiten. Die Menschenwürde, wie wir sie auffassen, besagt eben auch, dass das einzelne Leben nicht mit einem Preis behaftet werden kann. Ich weiß, dass andere Staaten andere Lösungen haben; die will ich auch gar nicht bewerten. In den USA ist es beispielsweise üblich, dass man einem Leben, wenn es zu einem Schadensfall kommt, einen Preis zuordnet. Das ist aber angesichts unserer Geschichte nicht die Lösung, die wir haben möchten. Für uns ist ein Leben unbezahlbar, das wurde auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz deutlich. Die Menschenwürde geht vor und Grundrechte können nur eingeschränkt werden, sofern dies nicht unverhältnismäßig ist. Der Verfassungsgerichtshof hat ja gerade festgestellt, dass es nicht unverhältnismäßig war - in Teilen schon, im Großen und Ganzen war aber das System stimmig. Daraus haben wir einen guten Hinweis darauf, dass die richtigen Entscheidungen getroffen worden sind.
Ein Beispiel für diese Verhältnismäßigkeit: Kinder in Spanien durften in dieser Woche zum ersten Mal seit 42 Tagen wieder das Haus verlassen. Waren, wenn man das betrachtet, unsere Maßnahmen wirklich insgesamt unverhältnismäßig? Ich glaube nicht, wenn wir sehen, was wir hierdurch erreicht haben. Wir haben Mut gezeigt, das so in Abstimmung zu bringen.
Ich mag auch nicht hören, dass alles gar nicht so schlimm war, dass alles hochgepuscht war und dass Corona nur eine schlimmere Grippe sei. Die Zahlen sprechen ja wirklich für sich. Ich habe gestern Abend ein einfaches Beispiel konstruiert. Ich habe mir die Wikipedia-Beiträge über an der COVID-19Erkrankung verstorbene Menschen angeschaut, den amerikanischen, den englischen und den deutschen. Es ist bemerkenswert: Im englischen Artikel, der ja weltweit gelesen und bearbeitet wird, sind über 400 berühmte Persönlichkeiten aufgeführt, keiner davon ist in Deutschland gestorben. Im deutschen Eintrag sind 200 Menschen genannt, nur zehn davon aus Deutschland. Das zeigt doch wirklich, dass wir in Deutschland den richtigen Weg gegangen sind und dass man nicht so einfach vernachlässigen kann, wie gefährlich diese Krankheit ist. Ich sage denjenigen, die hier so große Sprüche klopfen und sagen: „Wer Angst hat, soll zu Hause bleiben“, immer: Wenn es Ihre Großmutter wäre, die in der Risikogruppe ist, oder wenn es Ihr Kind wäre, das eine Autoimmunerkrankung hat und gefährdet ist, würden Sie anders denken.
Ich möchte abschließend drei Punkte ansprechen. Der eine ist das bereits erwähnte Thema der Grenzkontrollen. Ich bin Ulrich Commerçon sehr dankbar, dass er noch mal klargestellt hat, dass das Grenzkontrollen sind und keine Grenzschließungen, auch wenn die Menschen, die jahrelang völlig freien Grenzverkehr gewöhnt waren, das natürlich anders empfinden müssen. Ich muss ehrlich sagen, in der ersten Phase war das meiner Ansicht nach wichtig und notwendig. Ich habe unheimlich viele Anrufe aus der Region Perl/Mettlach bekommen, wo sich sehr viele Kunden in den Supermärkten gedrängt haben. Das Problem am Anfang war, dass sich große Mengen an Menschen aus einem Risikogebiet in einem Supermarkt gedrängelt und sich um Toilettenpapier geprügelt haben. Da hatten die Menschen Angst, deswegen waren die Kontrollen an den Grenzen zu diesem Zeitpunkt richtig.