Protocol of the Session on October 30, 2019

Liebe Herren der AfD, Sie beantragen heute, dass Ortsvorsteher, und ich ergänze an der Stelle, auch Ortsvorsteherinnen - danach bleibe ich dann aber bei der männlichen Form, dann wird es einfacher die Amtsbezeichnung Bürgermeister tragen sollen, und das mit der Ergänzung, dass man mehr Demokratie wagen sollte oder wagen würde. Ganz ehrlich, dieser Zusammenhang erschließt sich mir nicht, auch wenn ich noch so sehr versuche, um die Ecke zu denken. Das Einzige, was ich sehe, ist, dass Sie mal wieder auf dem Weg in die Vergangenheit sind. Ich habe auch im Internet recherchiert: Heute sind wir die Ortsvorsteher, damals waren es die Amtsbürgermeister, davor waren es die Gemeindevorsteher und im Jahre 800 die Schultheißen, als das Reich noch in Gaue unterteilt war. Ich wage wirklich zu bezweifeln, dass in diesen früheren Zeiten das Demokratieverständnis größer war, als es glücklicherweise heute bei uns ist.

Bis auf Thüringen mit seinen Ortsteilbürgermeistern gibt es kein einziges Bundesland, in dem Ortsvorsteher die Bezeichnung Bürgermeister führen dürfen. Ich habe noch ein ganz amüsantes Beispiel: In Liechtenstein gibt es nur einen Ort, und zwar den Hauptort Vaduz, in dem auf fürstlichen Erlass aus dem 19. Jahrhundert der Ortsvorsteher die Amtsbezeichnung Bürgermeister tragen darf. Sie sehen also, fast kein Mensch beschäftigt sich mit solch einer absurden Angelegenheit. Und ganz ehrlich, wenn man fürstliche Erlasse brauchen würde, wäre das auch etwas schwierig zu bewerkstelligen.

Ich gehe einmal davon aus, dass Sie das KSVG kennen. Vielleicht haben Sie bei Ihrem Antrag in Anbetracht seiner Kürze vergessen, dort noch einmal einen Blick hineinzuwerfen. Zu Ihrer Erinnerung: Ein Bürgermeister wird von allen Bürgerinnen und Bürgern in einer Gemeinde in direkter Wahl gewählt. Er ist hauptamtlicher Beamter auf Zeit. Er ist Chef der Verwaltung, er setzt die Gemeinderatsbeschlüsse um und vertritt die Gemeinde nach außen. Das sind viele verantwortungsvolle Aufgaben, die in einem Zeitraum von 10 Jahren vollzogen werden und für die es ein entsprechendes Gehalt gibt. Ich hätte als Ortsvorsteherin, wenn ich Bürgermeisterin genannt

würde, auch nichts gegen dieses Gehalt, meine Kollegen wohl auch nicht, aber das würde wohl den Rahmen der Kommunalfinanzen sprengen.

Ein Ortsvorsteher, meistens mit Parteizugehörigkeit, stellt sich auf einer Liste, meistens auf Platz 1, zur Wahl. Der neue Ortsrat wählt diesen dann mit seinem Vertreter aus seinen eigenen Reihen. Der Ortsvorsteher, der vom Bürgermeister verpflichtet wird, ist Ehrenbeamter auf eine Zeit von fünf Jahren, und er bekommt eine Aufwandsentschädigung, die sich nach der Einwohnerzahl des Ortes richtet. Er ist Vertreter eines nicht selbstständigen Ortes gegenüber der Gemeinde. So weit die Regularien.

Ich selbst bin - das wissen die meisten hier - seit über 16 Jahren Ortsvorsteherin aus Überzeugung. Ich sehe Kommunalpolitik als einen wichtigen Bestandteil der Basisarbeit vor Ort, nahe, bei und mit den Menschen. Gemeinsam etwas voranbringen, gemeinsam etwas gestalten, gemeinsam leben und fördern mit Jung und Alt. Glauben Sie denn wirklich allen Ernstes, dass eine Änderung der Bezeichnung dieses Amtes einen Ortsvorsteher oder sogar die Menschen in seinem Ort interessiert oder noch mehr Demokratie bringt? Also wirklich, meine Herren!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir sind doch hier nicht auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten nach dem Motto: mein Haus, mein Auto, mein Pferd, mein Boot, ah übrigens, und ich Bürgermeister. - Völliger Blödsinn! Ich kenne keinen meiner Ortsvorsteherkollegen, der sich mit solchen geistigen Ergüssen beschäftigt.

(Lachen und Heiterkeit.)

Im Gegenteil, wir nutzen unsere Zeit sinnvoller. Wir machen ehrenamtliche Arbeit mit Herz und Verstand, übernehmen Verantwortung, bringen uns ein, kämpfen für unseren Ort und nehmen dabei alle Bürgerinnen und Bürger mit. Dahinter steht eine sehr bewusste Entscheidung für dieses Amt, Spaß am Gestalten, Pläne und Zukunftsvisionen gemeinsam entwickeln, zuhören und helfen. Was bedeutet denn die Bezeichnung Ortsvorsteher? Dem Ort vorstehen, die Richtung vorgeben und das in der Regel uneitel, zielstrebig, bodenständig, unkompliziert und authentisch, also mitten im Ort bei den Bürgern, mittendrin und gemeinsam. Ich muss es nicht noch einmal wiederholen. So stelle ich mir die Funktion eines Ortsvorstehers vor und so habe ich es - wie viele meiner Kollegen auch - bisher gehandhabt.

Ich möchte aber noch klarstellen, dass all das natürlich auch für Bürgermeister gilt, für die meisten jedenfalls, aber das spielt für diesen Antrag an dieser Stelle keine Rolle. Im Übrigen, die Möglichkeit, Bür

(Abg. Fretter (CDU) )

germeister zu werden, hat ja jeder. Das kann jeder mit einer Kandidatur, einer Direktwahl anstreben. Es steht jedem frei, mit entsprechenden Unterstützungsunterschriften versteht sich. Ortsvorsteher sind Bindeglied zwischen Dorf, Ortsrat und Gemeindeverwaltung. Sie sind wichtig für unsere Dörfer. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei all meinen Kolleginnen und Kollegen, bei allen Menschen, die sich bereit erklären, das Amt des Ortsvorstehers zu übernehmen. Es ist ein verantwortungsvolles Amt, es braucht viel ehrenamtliche Zeit und es ist eine tolle Arbeit. Vielen, vielen Dank an alle, die das freiwillig machen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Zum Schluss noch eine Frage, die ich mir selbst nicht beantworten konnte. Was wäre, wenn ein Ortsvorsteher „Bürgermeister“ heißen würde? Wie würden dann die Bürgermeister oder Oberbürgermeister heißen?

(Abg. Dörr (AfD) : Das habe ich eben gesagt.)

Entschuldigung, dann habe ich es nicht mitbekommen. Vielleicht können Sie es mir noch einmal sagen. Für mich war das einfach „Schilda lässt grüßen“ und das ist nicht das erste Mal bei Ihren Anträgen, liebe Kollegen der AfD. Fazit: Die Ortsvorsteher brauchen keine Titel oder Ehrenbezeichnungen, denn es ist ihnen wie auch mir sowieso eine Ehre, für die Menschen und mit den Menschen unsere Orte lebenswert zu erhalten und weiterzuentwickeln. Deshalb lehnt die CDU-Fraktion, aber lehne auch ich ganz persönlich, Ihren Antrag ab. - Vielen Dank!

(Befall von den Regierungsfraktionen.)

Merci beaucoup, Madame le maire.

(Heiterkeit.)

Als weiteren Redner rufe ich für die DIE LINKELandtagsfraktion Herrn Kollegen Ralf Georgi auf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann auch immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand rennen.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

Nichts anderes tut die AfD in diesem Fall. Herr Dörr, im August sind Sie mit Ihrem Antrag gescheitert, Ortsvorsteher direkt, also nicht vom Ortsrat wählen zu lassen. Jetzt wollen Sie, dass die Ortsvorsteher

die Amtsbezeichnung Bürgermeister tragen. Bürgermeister werden im Saarland direkt gewählt. Das ist im Kommunalselbstverwaltungsgesetz festgeschrieben. Ich zitiere: „Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister wird von den Bürgerinnen und Bürgern in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gleichzeitig mit dem Gemeinderat gewählt.“ Sie werden es nicht glauben, wir haben Ihren Trick bemerkt. Es wäre schon viel gewonnen, wenn es die AfD-Fraktion endlich einmal anerkennen würde, wenn sie mit ihren Forderungen keine Mehrheit im Parlament findet. Das geht uns LINKEN meist ja ähnlich, obwohl unsere Anträge eine hohe Qualität haben und eigentlich immer zustimmungswürdig sind.

(Begeisterte Zurufe und Beifall von der LINKEN. - Vereinzelt Beifall bei der SPD.)

Aber trotzdem stellen wir ein und dieselben Anträge nicht sinngemäß in jeder Sitzung immer und immer wieder. Um es kurz zu machen: Wenn es dem Antragsteller ernst wäre, hätte er hier einen Entwurf für eine Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes vorlegen müssen, in dem Bezeichnung und Funktion der Ortsvorsteher gesetzlich festgelegt sind. Aber auch inhaltlich hat sich seit August nichts an der Situation geändert. Ein Ortsvorsteher, auch wenn er Bürgermeister hieße, bekommt nicht mehr Einfluss, wenn er direkt gewählt wird oder eine andere Amtsbezeichnung erhält.

Ich habe die Argumentation ja schon im August vorgebracht, aber ich wiederhole gerne einige Argumente noch einmal. Die Menschen in einem Ort kennen ihre Politiker im Ortsrat. In den wenigsten Fällen kandidieren hier parteiunabhängige Bewerberinnen und Bewerber. Es würden sich also auch bei Direktwahlen meist diejenigen durchsetzen, die eine größere Partei im Rücken haben und im Ort bekannt sind.

Viel wichtiger wäre ein Konzept für mehr Demokratie in den Kommunen insgesamt. Dazu gehören Einwohner-Entscheide, Einwohner-Fragestunden, öffentliche Sitzungen der Gremien und insgesamt mehr Transparenz. Dazu gehören auch ein Wahlrecht für Menschen ab 16 und Jugendbeiräte mit Mitspracherecht. Das würde „mehr Demokratie wagen“ bedeuten, nicht eine Änderung der Amtsbezeichnung. Ihre Anträge helfen dabei nicht weiter. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab und werden das auch immer wieder ablehnen, auch wenn der AfD-Fraktionsvorsitzende vielleicht irgendwann die Amtsbezeichnung Fürst oder König tragen möchte. Vielen Dank!

(Abg. Fretter (CDU) )

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD.)

Als weitere Rednerin rufe ich für die SPD-Landtagsfraktion Frau Abgeordnete Christina Baltes auf.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fragen richten sich an Herrn Dörr. Warum dem Kind einen anderen Namen geben und was hat die Umbenennung einer Ortsvorsteherin beziehungsweise eines Ortsvorstehers mit „mehr Demokratie wagen“ zu tun? Noch einmal für Sie, da Sie es ja nicht verstanden haben: Die Aufgaben der Ortsvorsteherinnen und der Ortsvorsteher sowie der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind ganz klar im KSVG geregelt. Eine Ortsvorsteherin beziehungsweise ein Ortsvorsteher wird aus den Reihen des Ortsrates gewählt und ist gleichzeitig dessen Vorsitzender oder Vorsitzende. Sie vertreten als Ehrenbeamte die Interessen des Ortsrates gegenüber der Gemeinde. Der Bürgermeister wird von den Bürgerinnen und Bürgern in der Direktwahl gewählt.

Nicht der Titel, sondern die Aufgaben vor Ort sind wichtig. Dem Ortsvorsteher oder der Ortsvorsteherin obliegt die repräsentative Vertretung des Gemeindebezirks. Sie oder er ist befugt, Anträge entgegenzunehmen sowie amtliche Beglaubigungen und Lebensbescheinigungen auszustellen. Ich bin auch schon seit fast zehn Jahren Ortsvorsteherin in einem Ort mit 2.300 Einwohnern. Meine Aufgaben belaufen sich auf die enge Zusammenarbeit mit den Vereinen, der Feuerwehr, dem Deutschen Roten Kreuz vor Ort, Gratulationen bei runden Geburtstagen ab 90 Jahren oder bei goldenen, diamantenen und eisernen Hochzeiten, Durchführung einer Bürgersprechstunde, die Organisation des Seniorennachmittags, der letzten Sonntag war, die Organisation des Dorffestes, Ortsbegehungen und Leitung der Ortsratssitzung. Das sind die Probleme, mit denen sich Kommunalpolitiker tagtäglich beschäftigen, nicht Strukturdebatten und nicht Titelbezeichnungen.

(Beifall.)

Wo sind Ihre kommunalpolitischen Initiativen? Schaut man sich in unserem Land um, findet man wenig. Entweder nehmen Ihre Vertreter in den Kommunalparlamenten an den Sitzungen nicht teil oder sie sind zwar körperlich anwesend, aber das war es dann auch.

Nur exemplarisch ein Beispiel aus meinen Landkreis Neunkirchen, genauer gesagt aus dem Ortsrat Furpach-Kohlhof. Bei der Kommunalwahl erzielte die AfD dort 7,5 Prozent der Stimmen und damit einen Sitz im Ortsrat. Schön und gut. Bei der ersten Sitzung des Ortsrates fehlte die AfD-Vertreterin unentschuldigt und legte später ihr Mandat nieder. So was kann vorkommen, das gibt es auch mal in unserer Partei. Aber es geht weiter: Gleiches geschah bei der zweiten Sitzung mit dem AfD-Nachrücker. Und auch der dritte Vertreter war nicht bereit, sein Ortsratsmandat anzunehmen. Das muss man sich mal vorstellen! 275 Wählerinnen und Wähler haben in diesem Ort die AfD gewählt und erwartet, dass sie sich an der Politik beteiligt, und die ersten drei AfDVertreter auf der Liste sind wenige Wochen nach der Kommunalwahl nicht mehr bereit, ihr Mandat anzunehmen!

(Abg. Renner (SPD) : So sinn se!)

So sinn se! Vorläufiger Höhepunkt Furpach-Kohlhof. Aber auch der letzte AfD-Vertreter verzichtete auf sein Mandat, wodurch die Liste der AfD am Ende ist und der Ortsrat von 13 auf 12 Mitglieder schrumpft.

(Zuruf des Abgeordneten Zimmer (SPD).)

Lassen Sie mich Ihnen ernsthaft sagen: Diese Form der bedingungslosen Kapitulation

(Lachen der Abgeordneten Renner (SPD) und Spaniol (DIE LINKE))

mag für die anderen Parteivertreter zum Schmunzeln sein. Ich halte es für eine maßlose Frechheit gegenüber den Wählerinnen und Wählern.

(Abg. Renner (SPD) : Bravo! - Beifall bei der SPD und der LINKEN.)

Deshalb: Nehmen Sie Ihre Verantwortung in den Parlamenten wahr, anstatt Etikettenschwindel zu betreiben. Solange Sie sich solche Peinlichkeiten leisten, schreiben Sie lieber noch ein paar Mundart-Anträge, anstatt hier mit Ein-Satz-Anträgen den parlamentarischen Betrieb ad absurdum zu führen.

„Mehr Demokratie wagen“ heißt heute zu allererst, Interesse an der Gestaltung des Zusammenlebens zu wecken und vor allem junge Menschen mit gut durchdachten und fachlich qualifizierten Vorstellungen in politischen Ämtern im Alltag stärker zu beteiligen. Für uns ist Demokratie untrennbar verbunden mit dem aktiven Schutz der Würde jedes Menschen, dem Schutz von Minderheiten, mit der Achtung der Menschenrechte, mit der Toleranz und dem Respekt für vielfältige Lebensentwürfe und mit der aus der deutschen Geschichte resultierenden Verantwortung. Dieses Demokratieverständnis ist auch die

(Abg. Georgi (DIE LINKE) )

Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Um es noch einmal ganz banal zu sagen: Die Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher sind die Kümmerer vor Ort. Nicht der Titel, sondern die Arbeit vor Ort ist wichtig. Aber da die AfD in keinem Ortsteil hier im Land eine Ortsvorsteherin oder einen Ortsvorsteher stellt, kann sie das ja auch nicht wissen. Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN und verein- zelt bei der CDU.)

Ich danke der Frau Abgeordneten und rufe nochmals für die AfD-Landtagsfraktion den Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr auf.