So weit die Begründung zu den beiden Gesetzentwürfen. Ich eröffne nun die Aussprache. - Für die SPD-Landtagsfraktion hat die Abgeordnete Petra Berg das Wort.
PRÄSIDIUM: Präsident T o s c a n i (CDU) Erste Vizepräsidentin R i e s (SPD) Zweiter Vizepräsident H e i n r i c h (CDU) Dritte Vizepräsidentin S p a n i o l (DIE LINKE) Erste Schriftführerin B e r g (SPD) Zweiter Schriftführer T h i e l e n (CDU) Dritter Schriftführer M ü l l e r (AfD)
REGIERUNG: Ministerpräsident, auch zuständig für die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Technologie, H a n s (CDU) Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr R e h l i n g e r (SPD) Minister für Finanzen und Europa sowie Minister der Justiz S t r o b e l (CDU) Minister für Inneres, Bauen und Sport B o u il l o n (CDU) Ministerin für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie B a c h m a n n Minister für Bildung und Kultur C o m m e r ç o n (SPD) Minister für Umwelt und Verbraucherschutz J o s t (SPD)
Zeitpunkt und Tagesordnung der heutigen Sitzung...................................................... 1796
1. Erste und Zweite Lesung des von der CDU-Landtagsfraktion und der SPDLandtagsfraktion eingebrachten Gesetzes über die Anwendung des Kommunalwahlgesetzes (Drucksache 16/ 817)........................................................... 1796
2. Erste Lesung des von der DIE LINKELandtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes (Drucksache 16/818)....... 1796
Abg. G e o r g i (DIE LINKE) zur Begründung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/818..................................................... 1799
Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/817, Annahme in Erster Lesung....................................................... 1805
Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/818, Ablehnung in Erster Lesung....................................................... 1806
Aufhebung der Beratungsfrist des Gesetzentwurfes Drucksache 16/817 zur Zweiten Lesung....................................................... 1806
Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/817, Annahme in Zweiter und letzter Lesung..................................... 1807
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Sondersitzung. Ich hoffe, Sie hatten ein paar erholsame Tage in den Osterferien. Wir starten unsere Arbeitswoche mit dieser Sondersitzung, weil die Koalitions
fraktionen sie beantragt haben. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Europawahlrecht ergibt sich bei uns die Frage, wie wir im Hinblick auf die Kommunalwahlen mit dem Kommunalwahlrecht umgehen.
Frau Ministerin Anke Rehlinger befindet sich noch auf dem Rückweg von Berlin nach Saarbrücken und ist deswegen für die heutige Sitzung entschuldigt.
Ich habe unsere Sondersitzung im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium für heute, 09.00 Uhr, einberufen. Es ist die 27. Sitzung der laufenden Legislaturperiode. Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Zwischenzeitlich hat die DIE LINKE-Landtagsfraktion einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes eingebracht. Das ist die Drucksache 16/818.
Wer dafür ist, dass der Gesetzentwurf der DIE LINKE-Landtagsfraktion Drucksache 16/818 als Punkt 2 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/818 als Punkt 2 in die Tagesordnung aufgenommen ist.
Da die beiden Tagesordnungspunkte in der Aussprache miteinander verbunden werden sollen, frage ich, ob sich dagegen Widerspruch erhebt. - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Erste und Zweite Lesung des von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes über die Anwendung des Kommunalwahlgesetzes (Drucksa- che 16/817)
Erste Lesung des von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes (Druck- sache 16/818)
Zur Begründung des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen erteile ich Frau Abgeordneter Dagmar Heib das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen „Gesetz über die Anwendung des Kommunalwahlgesetzes“ schaffen wir die gesetzliche Grundlage, dass die Menschen, die in allen Angelegenheiten rechtlich betreut werden, an der Europawahl wie auch an der Kommunalwahl am 26. Mai
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 29. Januar dieses Jahres den Wahlrechtsausschluss für in all ihren Angelegenheiten Betreute - das ist geregelt in § 13 Nr. 2 Bundeswahlgesetz - für verfassungswidrig und den Wahlrechtsausschluss für Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind - das ist geregelt in § 13 Nr. 3 Bundeswahlgesetz -, für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Nicht betroffen ist der Wahlrechtsausschluss infolge einer gerichtlichen Entscheidung gemäß § 45 Abs. 5 Strafgesetzbuch, wonach nach richterlicher Entscheidung kein Wahlrecht vorliegt.
Die Wahlrechtsausschlüsse für in allen Angelegenheiten Betreute und für schuldunfähige Straftäter sind wortgleich im Europawahlgesetz sowie im Kommunalwahlgesetz des Saarlandes enthalten. Die genauen gesetzlichen Regelungen stehen ja ebenfalls in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Im Hinblick auf die Europawahl hat das Bundesverfassungsgericht am 15. April entschieden, die Wahlrechtsausschlüsse nicht anzuwenden, wenn Anträge auf Eintragung in das Wählerverzeichnis gestellt sowie Einsprüche und Beschwerden gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit des Wählerverzeichnisses erhoben werden. Auch hier noch einmal: die Wahlrechtsausschlüsse für in allen Angelegenheiten Betreute und für wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Straftäter. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bindend und von den zuständigen Stellen umzusetzen. In diesem Zusammenhang hat bereits in der letzten Woche eine Besprechung auch der Landeswahlleiterin mit den Gemeindeund Kreiswahlleitern stattgefunden.
Der vorliegende Gesetzentwurf, den ich heute einbringe, schließt an dieses Verfahren an. Die Regelungen über die inhaltsgleichen Wahlrechtsausschlüsse werden in unserem Kommunalwahlgesetz ebenfalls für nicht anwendbar erklärt. Wird im Rahmen der Europawahl ein Antrag auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis gestellt sowie Einsprüche und Beschwerden gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Wählerverzeichnisse eingelegt und hat dies eine Berichtigung des Wählerverzeichnisses für die Europawahl zur Folge, wird die Berichtigung für die Kommunalwahl gesetzlich angeordnet.
Die Berichtigung des Wählerverzeichnisses zur Europawahl hat die Berichtigung des Wählerverzeichnisses zur Kommunalwahl automatisch zur Folge. So kann man es einfach ausgedrückt darstellen. Das gilt auch bei Einsprüchen oder Beschwerden gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit des Wählerverzeichnisses. Es erfolgt hierbei - noch einmal
zur Klarstellung - keine Entscheidung durch die Wahlbehörden. Der Antrag ist die einzige Voraussetzung für die Teilnahme an der Wahl. Geprüft werden nur Voraussetzungen wie Wahlalter, Staatsangehörigkeit oder auch Wohnsitz. Bei jedem, der seine Wahlberechtigung erhält, müssen diese Voraussetzungen auch erfüllt sein.
Das saarländische Wahlrecht selbst kennt keinen Antrag, auch das noch zur Vollständigkeit. Mit dem Gesetzentwurf wird nur mit den Rechtsbehelfen gearbeitet, die das saarländische Wahlrecht kennt. Wer nur an der Kommunalwahl teilnehmen möchte, also nicht an der Europawahl teilnehmen möchte, kann in einem solchen Fall einen Einspruch gegen das Wählerverzeichnis einlegen. So wird auch gewährt, dass am 26. Mai 2019 gleiches Recht bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen angewandt wird, vorliegt oder besteht - wie auch immer man das ausdrücken möchte. Das Wahlrecht fällt nicht auseinander, das ist auch unter dem Begriff zu verstehen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird aktuell in unserem Gesetzentwurf durch die staatliche Überweisung auf das Europarecht sowie durch entsprechende Regelungen für das Kommunalwahlrecht umgesetzt. Der Gesetzentwurf regelt ferner, dass die Regelungen im Kommunalwahlrecht auch für die Zeit bis zu einer Novellierung analog dem Bundesrecht Geltung haben. Wir haben eine zeitliche Befristung angegeben.
Wir bewegen uns mit unserem Gesetzentwurf im Rahmen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Eine vollständige Aufhebung der beiden in Rede stehenden Wahlrechtsausschlüsse so, wie es der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vorsieht, geht meines Erachtens über diesen Rahmen hinaus. Wir müssen hier Schritt für Schritt vorgehen, heute die staatliche Überweisung auf das Europarecht sowie eine entsprechende Regelung für das Kommunalwahlrecht und zu gegebener Zeit eine Änderung der Wahlgesetze.
Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zum Wahlrecht im Allgemeinen machen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich ja nicht im Januar zum ersten Mal mit dem Thema Wahlrecht beschäftigt, sondern es gehen ja auch andere Entscheidungen voraus. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung am 29. Januar festgehalten, dass ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Er darf nicht pauschal erfolgen. Das Bundesverfassungsgericht sieht den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl als Spezialfall des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit bei der Zulassung zur Wahl. Dennoch seien Differenzierungen nicht gänzlich untersagt.
Einschränkungen hinsichtlich der aktiven und passiven Wahlberechtigung seien zulässig, wenn diese aus zwingenden Gründen wie der Sicherstellung der Integrationsfunktion der Wahl notwendig seien. Dies schließe die Kommunikationsfunktionen der Wahl mit ein. Zur Demokratie gehöre auch die freie und offene Kommunikation zwischen den Regierenden und den Regierten, und zwar in der Form eines beständigen Dialogs von Parlamentariern sowie von gesellschaftlichen Kräften, und dies sei nicht nur auf das Wahlrecht als solches beschränkt.
So ist in einem Leitsatz vom 29. Januar zu lesen, dass ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann, „wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit zur Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht.“ In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aber auch aufgegeben zu entscheiden, wie er die festgestellte verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung betreuungsbedürftiger Personen im Wahlrecht beseitigt und dabei den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes zum Ausdruck bringt.
Der Gesetzgeber im Bund, der Bundestag, hat vor knapp zwei Wochen in Erster Lesung einen Gesetzentwurf beraten und ist nun in der Umsetzung, das Ziel des inklusiven Wahlrechts zu implementieren. Kurz zu den Inhalten: Die Wahlrechtsausschlüsse im Bundeswahlgesetz, die auch ich genannt habe, werden beseitigt, die Grenzen einer zulässigen Assistenz bei der Ausübung des Wahlrechts sind Inhalt des Gesetzentwurfes, und die Strafbarkeit bei der Wahlfälschung im Rahmen der zulässigen Assistenz wird klargestellt. Darüber hinaus gibt es noch andere Regelungen in den Wahlordnungen. Ich gehe davon aus, dass in diesem Gesetzgebungsverfahren die Anhörung der Verbände, der Betroffenenvertreter und anderer mit Gründlichkeit, Transparenz und Offenheit erfolgt. Das Ergebnis muss der Verfassung gerecht werden, aber es muss auch den Menschen gerecht werden und für die Zukunft tragen. Diese Sorgfalt wird von vielen eingefordert, auch von vielen, die sich seit Jahren für eine Gesetzgebung in diese Richtung einsetzen. Wir dürfen in der Diskussion aber auch die Frage nicht außer Acht lassen, wie Missbrauch in diesem Bereich bestmöglich einzugrenzen ist.
Wenn das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist, sollten wir sowohl das Landtagswahlgesetz als auch das Kommunalwahlgesetz unter Beachtung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes und analog der Änderungen im Bundes- wie auch im Europawahlgesetz ändern. Wir sollten un