Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja richtig heiter, an dieser Debatte teilzunehmen. Ich will zunächst einmal auf die Ausführungen des Abgeordneten Müller von der AfD eingehen, der den Antrag begründet hat.
Der Antrag der AfD ist nicht unbedingt Schamass, Herr Kollege Kurtz, sondern er ist von zu unüberbietender Allgemeingültigkeit, denn dort steht: „Die Landesregierung wird aufgefordert, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um weitere Arbeitsplatzverluste in der Automobilindustrie zu verhindern“. Ja, wer ist da eigentlich dagegen? Wie gesagt, Schamass ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck,
Allgemeinplätze oder Unverbindlichkeiten, die uns zunächst nicht weiter bringen würden, treffen es eher.
Nun haben Sie, Herr Kollege Müller, eine Philippika gegen die Entscheidungen der letzten Jahre gehalten. Sie haben gesagt, dass sei alles linksgrün-versifft.
Da wollte ich Ihnen sagen, dass Sie im klassischen Sinn eine rechtsbraun-versiffte Rede hier gehalten haben.
Dann eben rechtsbraun-verschmutzt. - Diese Rede ist rechtsbraun-versifft, da Sie eine Rede gehalten haben, die sich gegen alle Grenzwerte gerichtet hat
Ja, gegen die geltenden, meinetwegen. Ich bemühe mich ja, auf Ihre Argumente einzugehen. Aber das ist nun wirklich im wahrsten Sinne des Wortes versifft, also verschmutzend, und von dieser Verschmutzung müssen Sie loskommen. Da Sie kein einziges kritisches Wort an die Automobilwirtschaft gerichtet haben, setzen Sie sich dem Verdacht aus,
dass Sie - wo wir gerade bei rechtsbraun-versifft sind - hier Industrieinteressen vertreten und Arbeitnehmerinteressen nur vorschieben. Wir als Parlament sind aber angehalten, die Industrie zu kritisieren, wenn sie sich falsch entwickelt hat.
Ich war zufällig gestern auf dem Dorotheen-Friedhof in Berlin, wo ich die Gräber von Brecht, Hegel und eben auch John Heartfield gesehen habe. Bei Ihrer Rede musste ich an seine berühmte Grafik „Der Sinn des Hitlergrußes“ denken, bei der hinter Hitler ein anonymer Mann steht, der Geld in die Hände von Hitler gelegt hat. Ich bin ein Gegner anonymer großer Parteispenden. Deshalb musste ich an diese berühmte Grafik denken, als ich Ihrer Rede zugehört habe.
Es ist nicht zulässig, dass man die Grenzwerte überhaupt in Frage stellt. Selbst wenn man auf die Begründung der AfD eingeht - ich will das aus Jux mal tun - und sagt, der Klimawandel ist nicht unbedingt menschengemacht, dann wäre dem immer noch entgegenzuhalten, dass wir hier in den Straßen bestimmte Schadstoffkonzentrationen haben. - Das ist wirklich unstrittig. Ich habe auch noch keinen AfDPolitiker gehört, der das bestritten hat. - Dort bewegen sich Menschen, es werden auch Babys im Kinderwagen gefahren. Es hat noch keiner ernsthaft versucht zu bestreiten, dass im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung die Grenzwerte nach Möglichkeit immer niedriger angesetzt werden müssen, um die Menschen zu schützen. Deswegen war Ihre Rede - ich wiederhole es nochmal - rechtsbraun-versifft.
Dabei haben Sie ja in der Begründung wenigstens einen Hinweis auf die Dieseltechnik gegeben. Ich möchte mich dem anschließen, was der Kollege Hans Peter Kurtz hier sehr qualifiziert vorgetragen hat. Man muss nämlich bei der Dieseltechnik tatsächlich achtgeben, dass nicht die Industrieinteressen - deswegen sprach ich davon - die Automobilwirtschaft in die Richtung zugunsten der einheimischen Industrie oder der eigenen Interessen drängen. Ich weiß noch, als früher zum Beispiel die Kernenergie gegen die CO2-Belastung gewettert hat, weil sie gehofft hat, dass sie dadurch besser ins Geschäft kam. Das ist jedem bekannt, der früher daran beteiligt war.
Wer das ganze Spiel durchschauen will, dem empfehle ich die Lektüre eines Buches von Naomi Klein, der Umweltaktivistin, die dargestellt hat, wie auch Umweltverbände oft im Interesse von Konzernen stehen. Sie versuchen dann, mit den Konzernen die Debatte in eine bestimmte Richtung zu lenken. Ich bin durchaus der Meinung, dass die Kritik Ihrer Vorgängerin und Ihre an der Deutschen Umwelthilfe Be
rechtigung hat. Wenn ich einen Verband sehe, der einen Millionen-Haushalt und nur ein paar Hundert Mitglieder hat und zum Beispiel von Toyota gefördert wird, stelle ich mir die Frage, in welchem Interesse dieser Verband handelt. Wir als Parlamentarier sind aufgerufen, zwischen den Interessen der einzelnen Industriebranchen zu vermitteln, und dürfen nicht einseitig ein Interesse vertreten.
Jetzt bin ich etwas traurig, Herr Kollege Kurtz, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen, denn er hat durchaus eine gewisse Begründung. Sie haben dargelegt, welche Technologien gefördert werden müssen - darunter fällt die Elektromobilität -, obwohl keiner von uns weiß, in welche Richtung es abschließend gehen wird. Das haben Sie hier auch sehr qualifiziert vorgetragen. Eines ist klar: Die Batterietechnik wird in irgendeiner Form eine Rolle spielen, und wenn es beim Hybridauto ist.
Ich muss darauf hinweisen, dass wir doch in einer bestimmten Situation sind und eine Chance haben. Ich wundere mich, dass das im Antrag der Regierungsfraktionen nicht drinsteht. Der Bundeswirtschaftsminister, der ja hier bekannt ist, hat vor einiger Zeit vorgetragen, dass er 1 Milliarde Euro investieren will, um Projekte zur Batterieherstellung in Europa zu fördern. Er hat gesagt, dass es hier um Anschubprojekte geht, um welche sich auch das Saarland bewirbt. Weiterhin betont er die Wichtigkeit der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Er erwähnte sogar eine Kooperation mit Ford.
Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, warum greifen wir das nicht auf und ersuchen den Bundeswirtschaftsminister - das ist auch der Sinn unseres Antrags -, diese Chance für das Saarland zu ergreifen? Die Batterieproduktion soll 1.000 bis 2.000 Arbeitsplätze pro Konsortium, das er angesprochen hat, schaffen. Wir halten die Förderung für überwiegend richtig. Ford und Frankreich sind auch im Spiel. Das wäre doch eine Chance, endlich mal etwas für uns zu tun.
Deshalb würde ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Ich würde es bedauern, wenn Sie es nicht tun wollten.
Generell möchte ich noch sagen, dass wir das Thema der Automobilwirtschaft an der Saar nicht zum ersten Mal hier aufrufen. Als wir noch montanlastig waren - so hieß das -, hatten wir über 60.000 Arbeitsplätze im Bergbau. Die Älteren wissen das noch. Als ich in dieses Hohe Haus einzog, hatten wir 16.000 Arbeitsplätze in Röchling-Völklingen. Die Arbeitsplatzzahlen in der Dillinger Hütte waren über Jahrzehnte relativ konstant. Dann wurde die Automobilindustrie groß. Man hat dann irgendwann ge
warnt, dass wir zu automobilwirtschaftslastig sind. Das war quer durch die Wirtschaftswissenschaften in der Diskussion und auch Vertreter der Wirtschaftsverbände haben dies gesagt.
Sie haben in Ihrem Antrag angeführt, dass wir 44.000 Arbeitsplätze in der Automobilwirtschaft an der Saar haben. Wir können leider nicht sagen, ob das zu viel ist oder ob es besser wäre, wenn wir es anders hätten. Wir können nur den Weg gehen, den Sie in Ihrem Antrag angedeutet haben. Wir müssen alles versuchen, damit wir im Wettbewerb mit anderen mithalten. Das ist der Konsens, soweit ich das hier sagen darf. Das heißt aber nicht, dass wir rechtsbraun-versifft - ich benutze Ihre Sprache - gegen Grenzwerte zu Felde ziehen, sondern dass wir darauf drängen, dass günstigere umweltfreundliche Produktionen auch an der Saar entwickelt werden. Das ist doch die einzige Schlussfolgerung, die wir ziehen können.
Nach den Statistiken, die uns vorliegen, hat Ford es leider versäumt, entsprechende Motoren zu entwickeln, die sehr niedrige Werte haben. Leider ist die Durchschnittsgröße in der Ford-Produktion relativ hoch. Das ist eine Herausforderung und liegt nicht in der Verantwortung der Arbeiterinnen und Arbeitnehmer, sondern in der Verantwortung des Managements, die früher hätten erkennen müssen, was sie jetzt sagen. Sie sagen nämlich, dass sie in die umweltfreundliche Produktion einsteigen müssen und nur so eine Chance haben, sich längerfristig zu behaupten.
Dazu kommt natürlich noch, dass wir gegenüber Ford sagen müssen, dass wir an der Saar Vorleistung gebracht haben. Auch das könnte beispielsweise die Landesregierung, aber auch der Bundeswirtschaftsminister in solchen Diskussionen vorbringen. Das ist dieser Automobilzuliefererpark, den wir in Abstimmung mit der Geschäftsführung und sogar mit der Leitung des Fordkonzerns in Detroit aufgebaut haben.
Jetzt wäre eine einmalige Chance, diese Anregungen aufzugreifen und für die Saar nutzbar zu machen. Ob das was wird, das weiß ich nicht, aber versuchen muss man es zumindest. Dass ein Bundeswirtschaftsminister Chancen hat, Investitionen ins Saarland zu lenken, das wird hier ja wohl niemand ernsthaft bestreiten, der die Geschichte des Landes kennt. Denn dass Ford überhaupt angesiedelt worden ist, war ein Zusammenwirken der damaligen Landesregierung mit Ludwig Erhard. Die Büste steht ja im Bundeswirtschaftsministerium. Alle haben sich irgendwie als Ludwig Erhard begriffen, der kräftige Ludwig von der Saar. Warum sollte man dann nicht auch mal irgendetwas für unser Land tun? Das wäre
Ich fasse zusammen: Uns kommt es darauf an, deutlich zu machen, dass es nicht nur darum geht zu sagen, dass wir eine umweltfreundliche Technik in der Automobilwirtschaft brauchen. Das sagen Sie ja auch, insoweit sind wir uns einig. Es wäre völliger Unsinn, wenn irgendjemand etwas anderes hier fordern würde und, wie gesagt, rechts-braun-versifft das Gegenteil fordern würde. Es geht darum, die Zeichen der Zeit zu erkennen, sich bewusst zu machen, dass niemand von uns weiß, welche Technologie sich durchsetzen wird, dass wir nichtsdestotrotz die Chancen ergreifen müssen.
Selbstverständlich werden wir Ihrem Regierungsantrag zustimmen. Ich bitte Sie, vielleicht auch dem Appell an den „Ludwig Erhard von der Saar“, den wir hierin verborgen haben, zuzustimmen, damit wir aus der Breite des Landtages heraus sagen: Bitte, jetzt engagier dich mal für dein Heimatland! Tu was für die Beschäftigten bei Ford! Du hast Ford genannt, du hast die Grenze genannt - eine einmalige Chance! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Marc Speicher von der CDU-Landtagsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus Roden. Roden, das ist seit 112 Jahren ein Stadtteil von Saarlouis, auf rund 10 Quadratkilometern wohnen dort rund 9.000 Männer und Frauen. Mitten im Ort liegen die Ford-Werke.
Heute ist der 16. Januar, auf den Tag genau vor 49 Jahren ist das erste Auto bei den Ford-Werken in Saarlouis-Roden vom Band gelaufen. Das geschah damals unter Anwesenheit von Henry Ford II., von Franz-Josef Röder und anderen. Damals lief in Saarlouis der Ford Escort vom Band.
Zusammen mit dem hier bereits angesprochenen Zuliefererpark ist Ford der größte Arbeitgeber im Saarland. Das gesamte Cluster - Ford-Werke, Zuliefererpark, Dillinger Hütte, Zentralkokerei, Saarhafen - zusammengenommen handelt es sich um einen Standort, der im bundesweiten Vergleich sozusagen in der Bundesliga spielt. Rechnet man die in diesem Gebiet pro Quadratkilometer vorhandenen Arbeitsplätze zusammen, erzielt man Dimensionen, die vielleicht noch in Ludwigshafen oder in Wolfsburg
Es gehört bei uns in Roden gewissermaßen zur Kultur, „auf der Ford“ zu arbeiten. Das ist Ehrensache, das ist mittlerweile Familientradition, zum Teil schon in der dritten Generation. Man arbeitet „auf der Ford“, arbeitet dort auf der Schicht, und man ist stolz darauf. Im Raum Saarlouis werden Sie nur auf wenige treffen, die nichts mit Ford zu tun haben.
In der vergangenen Woche habe ich jemanden getroffen, der vor 40 Jahren bei Ford angefangen hat und in diesem Jahr Dienstjubiläum haben wird. Er hat seinerzeit in einem kleinen Betrieb in Saarlouis Maler und Lackierer gelernt und ist nach dem Konkurs der Firma zu den Ford-Werken gegangen, hat dort angefangen. Er verdient gutes Geld, knapp 3.000 Euro netto, und hat seine geregelten Arbeitszeiten. Er hat mir gesagt: Na ja, es dauert noch fünf Jahre, dann gehe ich eh in Rente, dann wird es nach 45 Jahren den vorgezogenen Ruhestand geben. Ich denke aber an diejenigen, die jünger sind als er und die noch Kinder zu versorgen haben.
Ich kenne auch jemanden, der Mitte 40 ist, verwitweter Familienvater und Vater von drei Kindern ist. Er macht Dauernachtschicht - natürlich auch wegen der Zulage, aber auch, weil er sich so tagsüber um seine Kinder kümmern kann. Er kann die Kinder von der Schule abholen, sie zum Sport bringen. Eines der Kinder ist behindert. Auch an diesen Mann denke ich bei dieser Diskussion.