zen kennengelernt haben und die nicht wissen, wie es einmal war, als uns Schlagbäume von unseren Nachbarn getrennt haben. Wir versuchen, ihnen den Wert von Europa nahezubringen und zu erklären. Das ist der große Unterschied zu dem, was Sie tun, nämlich Angst verbreiten und Dinge suggerieren, die Angst wecken. Wir machen Werbung für Freiheit, Frieden und das europäische Projekt. Das ist der große Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Herr Dörr, das Folgende ist an Sie gerichtet. Sie haben eben von Nächstenliebe gesprochen. Nächstenliebe ist ein christliches Attribut und ein christlicher Wert, aber mit universellem Charakter. Nächstenliebe endet nicht bei der Hautfarbe oder an Grenzen oder an anderen Dingen. Nächstenliebe ist ein universeller Wert. Da ist uns jeder der Nächste.
Der Versuch, den Saarländerinnen und Saarländern zu suggerieren, dass es sich beim Kirchenasyl im Saarland um ein Massenphänomen handelt, ist an sich schon ein Vergehen Ihrerseits. Das Saarland schloss im Jahr 2002 mit der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche der Pfalz eine Vereinbarung zum Kirchenasyl. Diese hat zum Ziel, bei sich abzeichnendem Kirchenasyl nach Möglichkeit in Gesprächen zwischen den Kirchenverantwortlichen und der zentralen Ausländerbehörde beziehungsweise dem Fachreferat des Ministeriums für Inneres, Bauen und Sport Lösungen zu besprechen oder die Unlösbarkeit bestimmter Fälle festzustellen. Die Vereinbarung setzt also primär auf Prävention, um Kirchenasyl zu vermeiden, und auf den strukturierten Dialog mit allen Beteiligten.
Zwischenzeitlich war es jedoch gelungen, durch Bleiberechtsregelungen und eine gesetzlich normierte Härtefallregelung den seinerzeit angestellten humanitären Erwägungen in vielerlei Fällen durch eine Aufenthaltserlaubnis Rechnung zu tragen, sodass für die Anwendung der Vereinbarung wenig Raum bestand. In den letzten Jahren weisen die Kirchenasylfälle eine andere Art von Kirchenasyl auf. Ging es in der Vergangenheit darum, eine Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern in ihre Heimatländer zu vermeiden, soll mit dem nunmehr gewährten Kirchenasyl eine Überstellung aufgrund der DublinVerordnung in andere EU-Mitgliedsstaaten verhindert werden.
Die Schutzgewährung für Flüchtlinge obliegt in der Bundesrepublik Deutschland alleine dem Staat. Der Staat entscheidet in einem rechtsstaatlichen und bundesrechtlich geregelten Verfahren über die Gewährung des Schutzes vor politischer Verfolgung nach Art. 16 Abs. 1 des Grundgesetzes, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer
Kirchenasyl hat sich aus christlich-humanitärer Verantwortung entwickelt und etabliert. Es wird nicht als eigenständiges, neben dem Rechtsstaat stehendes Institut angesehen. Herr Dörr, Herr Müller, bei der eklatant geringen Zahl an Kirchenasylfällen im Saarland sollten Sie im wahrsten Sinne des Wortes die Kirche im Dorf lassen.
Gleichwohl sollte im Saarland in Fällen von Kirchenasyl mit Rücksicht auf die besondere Stellung der Kirchen in unserem Staat weiterhin von Vollzugsmaßnahmen in Räumen der Kirche abgesehen werden. Diese Praxis ist rechtsstaatlich jedoch nur vertretbar, wenn die Kirchen vom Kirchenasyl, wie es bisher schon passiert ist, nur mit Zurückhaltung Gebrauch machen und die Fälle im Einzelnen ganz besonders prüfen. Das will ich betonen.
Unabhängig hiervon ist die Landesregierung in ständigen Gesprächen mit den Kirchen bestrebt, die Gewährung von Kirchenasyl zu vermeiden und rechtsstaatliche Wege aufzuzeigen. Im Übrigen will ich festhalten, dass die Staatsanwaltschaft im Saarland nicht auf Anweisung des Justizministers ermittelt. Die Staatsanwaltschaft im Saarland entscheidet selbstständig darüber, ob sie Ermittlungen aufnimmt oder nicht. Das gilt für alle denkbaren Fälle und damit natürlich auch für die Fälle des Kirchenasyls. Kollegin Meyer hat eben schon darauf hingewiesen. Die Staatsanwaltschaft wird in solchen Fällen auch tätig, wenn es angezeigt ist. Genau dieses Verfahren entspricht unserem rechtsstaatlichen Verständnis, insbesondere was die Unabhängigkeit der Justiz angeht.
Insofern kann ich nur festhalten: Ihr Antrag ist in jeder Hinsicht falsch, geht in die falsche Richtung und ist somit vollumfänglich abzulehnen. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der AfD-Landtagsfraktion Drucksache 16/397. Wer für die Annahme der Drucksache 16/397 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/397 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die AfD-Landtagsfraktion. Dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen und die LINKE-Landtagsfraktion.
Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Das Saarland auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft (Drucksache 16/403)
Herr Präsident! Verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ein langer Weg vom Tollhaus beziehungsweise Irrenhaus bis zur Werkstatt für behinderte Menschen. Warum haben wir als Große Koalition heute diesen Antrag auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft eingebracht? Wir wollen deutlich machen: In dieser Gesellschaft hat jeder seinen Platz, ob er behindert ist, ob er nicht behindert ist, egal welche Hautfarbe er hat, egal ob Mann oder Frau. Ich betone: Alle Menschen sind gleich. Das wollen wir heute besonders deutlich machen.
Ich beginne mit einer Aussage des leider schon verstorbenen evangelischen Pfarrers Ulrich Bach, der mehr als 55 Jahre seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt war. Er hat so schön gesagt: „Eine Gemeinde ohne Behinderte ist eine behinderte Gemeinde. Sie hat nicht begriffen, was sie nach Gottes Willen in dieser Welt sein soll: Nicht nur eine Gemeinde von gesunden, glaubensstarken und belastbaren Leuten, die sich einsetzen für die Armen, Schwachen und Behinderten. Sie soll vielmehr eine Gemeinschaft von Menschen sein, von denen keiner ganz schwach und keiner ganz stark ist, keiner nur behindert und keiner ganz unbehindert; eine Gemeinschaft von Menschen, die Jesus an seinem Tisch zusammengebracht hat und beieinander hält, damit sie sich mit ihren Stärken und Schwächen ergänzen, einer die Last des anderen trägt, mit der Schulter, die er gerade frei hat. Was wir können und was wir nicht können, das alles gehört uns gemeinsam. Und für uns miteinander wird’s schon reichen. Wo dieser Geist herrscht, da lernen Eltern, ein behindertes Kind anzunehmen. Ich wäre froh, Sie würden in Ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld und vor allem in Ihrer Pfarrei Schritte tun, die zu diesem Ziel führen.“ - Ich glaube, schöner als Pfarrer Ulrich Bach kann man es nicht ausdrücken.
Das ist auch Ziel der Bemühungen dieser Großen Koalition, diese inklusive Gesellschaft voranzubringen. Ich will auf eines noch im Besonderen hinweisen: Die Art und Weise, wie wir dieses Thema in den letzten Wochen vorgetragen bekommen haben, hat viele Menschen verunsichert. Vor allem verunsichert sind Behinderte, die das auch noch selbst verstehen, und ihre Eltern. Deswegen sind wir, sage ich jetzt einmal, der Gralshüter für diese Menschen.
Denen machen wir Mut, dass sie mit ihren behinderten Kindern, mit ihren Familienangehörigen diesen Weg gehen können. Wir stehen hinter ihnen mit allem Wenn und Aber, da weichen wir keinen Millimeter zurück, diese Menschen gehören mit zu unserer Gesellschaft.
Die Menschen machen sich auch Sorgen wegen diesen Dingen. Zum Beispiel hat eine der Behinderten die Frage gestellt: „Wieso darf man Babys mit Down-Syndrom bis kurz vor ihrer Geburt abtreiben? Ich will nicht abgetrieben werden, ich will leben.“ Das macht es deutlich. Ich kann nur sagen, der Lebenswille von geistig behinderten Menschen ist ungebrochen. Ich werde nachher noch auf ein paar schöne Beispiele hinweisen, die deutlich machen, wie wichtig es ist, dass wir mit vollem Respekt hinter diesen Menschen stehen und dass wir sie als gleichwertige Mitglieder unserer Gesellschaft anerkennen.
Bei den Frühen Hilfen haben wir in den letzten Jahren sehr viel investiert. Liebe Monika Bachmann, ich bin dir und deinem Haus sehr dankbar, dass du gerade da für behinderte Menschen und auch ihre Familien immer ein offenes Ohr hast. Wir sind im Moment dabei, was die Frühförderung angeht, die eine oder andere Veränderung vorzunehmen. Die Frühförderung, wie wir sie im Saarland praktizieren, ist die beste in der Republik, und wir sind gut beraten, weil wir ganz nah an den Menschen, an den Familien dran sind, diesen Weg weiterzugehen. Ich habe die herzliche Bitte, lasst uns das zusammen eruieren, damit wir hier keine Dinge vornehmen, die nachher den Familien und ihren Kindern schaden würden. Ich glaube, durch diese Frühen Hilfen sind wir sehr frühzeitig dran, und das müssen wir uns bewahren und vielleicht sogar noch ein Stück ausbauen.
Unsere inklusiven Kinderkrippen und Kindergärten sind Lernorte, wie man sie sich nur wünschen kann, wenn Nicht-Behinderte von Behinderten lernen können. Mir hat vor Kurzem der Direktor einer Schule Folgendes mit auf den Weg gegeben: „Schaut in der Politik, dass ihr mehr diese Möglichkeiten der Zusammenkunft von Behinderten und Nicht-Behinderten schafft, denn dort lernen die Kinder noch in einer ganz besonderen Art und Weise Rücksichtnahme aufeinander, sie lernen Solidarität und sie lernen, dass die Starken den Schwachen helfen.“ Ich glaube, das ist ein Credo, das auch unsere Gesellschaft im ganz Besonderen ausmachen muss.
Ich möchte noch einmal betonen, dass wir in unseren Schulen auf einem guten Weg sind. Wo wir in unseren Regelschulen Menschen inkludieren können, machen wir das. Da haben wir eine Quote, die sich sehen lassen kann. Aber wir brauchen auch und das ist ein Stück weit der modernen Medizin geschuldet - unsere Förderschulen, weil es einfach Menschen gibt, bei denen das Inkludieren länger dauert. Manchmal beginnen wir in den Krippen minutenweise. Deswegen brauchen wir auch unsere Förderschulen für die Menschen, die im Moment noch nicht dazu in der Lage sind, weil sie einfach noch größere Defizite haben. Aber wir messen sie doch nicht an ihren Defiziten, sondern wir messen sie an dem, was sie können. Das ist in der Förderschule eher möglich und deswegen brauchen wir auch unsere gut ausgestatteten Förderschulen. Das ist kein Gegensatz, sondern das ist ein Miteinander, und das wird diese Große Koalition mit großem Elan weiter vorantreiben.
Jetzt bin ich bei einer Gruppe von Menschen, die keine Werkstatt besuchen können, weil sie nicht dazu in der Lage sind. Deswegen sind wir froh, dass wir für 600 Menschen in unserem Lande Tagesförderstättenplätze anbieten können. Es ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass in unseren Tagesförderstätten sehr Positives geleistet wird. Ich bin auch sehr dankbar, dass es da keinen Streit bei uns gibt. Es gibt Bundesländer, die im Moment überlegen, die Tagesförderstätten abzuschaffen. Nein! Für uns sind sie ein wichtiger Bestandteil. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir Tagesförderstätten ebenso brauchen wie unsere guten Werkstätten.
Ich komme zu unseren Werkstätten. Aktuell haben wir in unserem Land 3.600 Plätze in den Werkstätten. Wir sind breit aufgestellt. Wenn ich mir anschaue, was bei der WZB in Spiesen-Elversberg läuft, zum Beispiel im Bereich der Reinraum-Wäsche, wenn man dort sieht, wie die Behinderten arbeiten, dann kann man sich kaum vorstellen, dass unter diesen Anzügen behinderte Menschen stecken. Aber die leisten dort eine tolle Arbeit. Wir haben andere Betriebe wie das Haus Sonne in Walsheim, den Wintringer Hof oder aber auch den Wendalinushof. Dort sind Menschen in der Natur, sie arbeiten mit den Tieren, sie säen, sie ernten, sie bringen ihre Waren in den Hofladen, wo sie nachher verkauft werden. Sie sind somit in Kontakt mit den Menschen und das sind die Begegnungen, die wir brauchen. Das sind Orte der Inklusion und es gilt, diese Orte voranzubringen.
Ich möchte nicht verhehlen, dass wir natürlich noch mehr Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt für die behinderten Menschen brauchen, aber dafür müssen wir auch werben. Das ist auch noch einmal ein ganz wichtiger Punkt: Wir müssen Betriebe motivieren, dass sie nicht nur die Schwächen, sondern auch die Verlässlichkeit dieser Menschen sehen. Deswegen kann ich nur sagen, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns mit Verve stellen müssen, damit wir, wenn möglich, diese Menschen auch in den ersten Arbeitsmarkt bringen.
Beim Wohnen bin ich sehr froh, dass wir durch die con_sens-Studie die Möglichkeit geschaffen haben, in den nächsten Jahren ein Mehr an stationären Plätzen zu haben. Dort haben wir im Moment einige Defizite, die sind erkannt worden. Monika Bachmann hat das selbst in die Hand genommen. Es werden in den nächsten Jahren sehr viele Plätze sowohl im stationären System als auch im selbstbestimmten Wohnen entstehen.
Beim selbstbestimmten Wohnen - für mich ein faszinierendes Thema - sind wir einem Trugschluss erlegen. Wir haben geglaubt, das man irgendwo in einer Stadt oder Gemeinde eine Wohnung anmieten und dort den behinderten Menschen hinsetzen kann. Das hat nicht funktioniert. Wir brauchen Gruppen. Warum brauchen wir Gruppen? Ich habe so etwas Geschwisterliches noch nicht erlebt. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Behinderten selbst diese Dinge miteinander absprechen, wie sie diese Konzepte selbst erstellen: Der eine kann kochen, der kocht dann für fünf oder sechs. Der andere kann mit Geld umgehen, der geht einkaufen. Wieder ein anderer kann saubermachen, der putzt. Jeder wird nach seinen Fähigkeiten eingesetzt. Ich würde mir so etwas auch für nichtbehinderte Menschen wünschen. Das kann ich klar und deutlich sagen. Vielleicht müssen wir mit der Inklusion hier noch einen anderen Weg gehen.
Ich will das nicht romantisieren, aber man kann sagen, dass da jeder nach seinen Stärken eingesetzt wird. Wo wir ein persönliches Budget entlohnen können, machen wir es. Da haben wir auch mehr Zahlen. Durch das Bundesteilhabegesetz kommen wir hier teilweise zu anderen Dingen. Auch das ist ein Weg, auf dem wir die Eltern und Betreuenden mitnehmen müssen, weil in diesem Punkt im Moment sehr große Ängste da sind. Deswegen dürfen wir die Menschen nicht verunsichern, sondern wir müssen sie auf diesem Weg mitnehmen.
Im Moment finden in Kiel die Special Olympics statt. Gestern Abend hat sich unser Sportminister Klaus Bouillon mit der saarländischen Delegation getrof
fen. Die Leute haben mir über WhatsApp Bilder geschickt, weil sie so stolz sind. Einer der Betreuer mit ihm habe ich gestern Abend noch telefoniert hat mir eine wunderbare Geschichte erzählt. Gestern war der Vorlauf im 400-Meter-Rennen. Sie sind losgelaufen und nach 100 Metern hat der erste einen Wadenkrampf bekommen. Die anderen sind nicht weitergelaufen, sondern sind zurück, haben ihn in den Arm genommen und mitgenommen. Man ist zusammen ins Ziel eingelaufen. Ich will noch einmal deutlich machen: Diese Menschen sollten wir nicht diskreditieren, sondern wir sollten Nächstenliebe leben. Einer hilft dem anderen. Das brauchen wir in dieser Gesellschaft.
Deswegen will ich zum Schluss klar und deutlich sagen: Der Zug der Inklusion ist zum Glück nicht mehr aufzuhalten. Ich habe deshalb die Bitte an alle in diesem Hause, dass wir uns vornehmen, diese Menschen und ihre Familien zu unterstützen. Das ist uns im Rahmen der Eingliederungshilfe viel wert. Wenn wir das tun, dann tun wir etwas für die Nächstenliebe, für uns als Gesellschaft. Ich möchte enden mit den Worten von Richard von Weizsäcker: „Es ist normal, verschieden zu sein. Es gibt keine Norm für das Menschsein.“ - Herzlichen Dank.