Protocol of the Session on June 17, 2015

Sie müssen sehen, dass es in der bundesweiten Diskussion im Moment eine Fokussierung der Debatte insoweit gibt, als man sich sowohl bei den Bundestagsfraktionen, den Regierungsfraktionen im Bund, als auch in Rückkopplung mit den Landesfinanzministerien sagt: Es geht jetzt darum, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Es geht darum, die Kritik des Bundesverfassungsgerichts zu heilen, bezogen auf genau die Vorschriften, die das Bundesverfassungsgericht gerügt hat. Diese müssen verfassungskonform neu gestaltet werden. Darauf allein konzentriert sich im Moment die bundesweite Diskussion. Das sehe ich im Moment in der bundesweiten Diskussion auch einzig als kompromissfähig an. Weitergehende Überlegungen anzustellen würde im Moment aus unserer Sicht überhaupt nichts bringen; das wären verschenkte Res

(Minister Toscani)

sourcen, weil völlig klar ist, dass es auf der Bundesebene zurzeit nur für eine punktuelle Korrektur der vom Bundesverfassungsgericht gerügten Bestimmungen eine Mehrheit gibt.

Fünfte Zusatzfrage?

Nein. Keine Zusatzfrage.

Es wurden vom Fragesteller nicht alle möglichen Zusatzfragen gestellt, zwei Zusatzfragen sind noch möglich. Möchte eines der anderen anwesenden Mitglieder des Landtags eine oder mehrere Zusatzfragen stellen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Frage erledigt.

Wir kommen nun zu der von der DIE LINKE-Landtagsfraktion beantragten Fragestunde zum Thema Whitesell.

Fragestunde zum Thema: Whitesell (Antrag- steller: DIE LINKE-Landtagsfraktion)

Die DIE LINKE-Landtagsfraktion hat form- und fristgerecht zwei Fragen gestellt. Ich rufe Frage 1 auf, gestellt durch Herrn Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine:

Welches Konzept hat die Landesregierung für das insolvente Unternehmen Whitesell, insbesondere, wie wird sich die Landesregierung konkret einbringen, damit für eine erfolgreiche Unternehmensfortführung und für eine langfristige Sicherung der Arbeitsplätze Sorge getragen ist?

Zur Beantwortung erteile ich Frau Ministerin Anke Rehlinger das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich von dieser Stelle aus die Vertreter des Betriebsrats, die Beschäftigtenvertreter der Firma „Noch-Whitesell“, bei uns im saarländischen Landtag begrüßen. Ich möchte die gestellte Frage wie folgt beantworten:

Zunächst einmal möchte ich ganz grundsätzlich darauf hinweisen, dass wir nicht nur darüber nachdenken, wie wir uns künftig konkret um die Sicherung des Standorts kümmern können, dass wir das vielmehr bereits sehr intensiv und sehr aktiv in der Vergangenheit getan haben. Dieses Thema war ja auch schon Gegenstand einer Fragestunde in diesem Hohen Hause. Schon damals habe ich darauf hinge

wiesen, dass sich sehr schnell nach Übernahme der Acument-Unternehmensgruppe durch den US-amerikanischen Konzern Whitesell herausgestellt hat, dass sich der neue verantwortliche Gesellschafter, um es einmal sehr vorsichtig zu formulieren, nicht unbedingt in allererster Linie den Gemeinwohlinteressen, insbesondere auch nicht den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und auch nicht dem Ansatz eines strategischen Unternehmertums an diesem Standort verpflichtet fühlt. Er hat vielmehr durch seine Geschäftspolitik zum Ausdruck gebracht, dass es ihm allein um Profitmaximierung geht. Dementsprechend hat er auch seine Geschäftspolitik gegenüber den OEMs ausgerichtet. Das hat zu Umsatzeinbrüchen in nicht unerheblichem Maße geführt, in deren Konsequenz wir uns letztlich einem Insolvenzantrag gegenübersahen.

Bereits zu diesem Zeitpunkt, bevor es zur Stellung des Insolvenzantrages kam, haben wir in Ansehung der von mir eben geschilderten Geschäftspraktiken versucht, uns in diesen Prozess einzuklinken. Das ist allerdings am Nichtwollen des Gesellschafters gescheitert. Es gab den Versuch der Kontaktaufnahme. Tatsächlich hat auch eine Kontaktaufnahme stattgefunden, die allerdings nicht von großem Erfolg gekrönt war. Das hat im Ergebnis dazu geführt, dass es ein Gespräch des Insolvenzverwalters mit dem Wirtschaftsministerium gab, in dem der Insolvenzverwalter darauf hingewiesen hat, dass es aufgrund der Geschäftspolitik unumgänglich erscheine, einen Insolvenzantrag zu stellen. Sogleich, schon zu diesem Zeitpunkt, haben wir zum Ausdruck gebracht, dass wir an diesen Standort glauben, dass wir an die Leistungsbereitschaft und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter glauben, dass wir an die Wettbewerbsfähigkeit glauben und dass wir deshalb alles in unserer Macht Stehende unternehmen würden, um diesen Standort zu stützen. Es wurde klar und deutlich gesagt, dass wir als Land bereitstehen, um im Fall einer Übernahmelösung mit unserem gesamten Instrumentarium helfend zur Seite zu stehen.

Nachdem klar war, dass ein Insolvenzantrag gestellt wird, hat die saarländische Landesregierung sehr schnell deutlich gemacht, dass wir der Gründung einer Transfergesellschaft zustimmen werden, dass wir aus dem Haushalt die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen werden. Es ist dann auch innerhalb kürzester Zeit, binnen zwei Monaten, eine solche Transfergesellschaft eingerichtet worden. Durch die Einrichtung der Transfergesellschaft sollte gewährleistet werden, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die keine Arbeitsaufträge mehr zur Verfügung standen, in diese Transfergesellschaft überführt werden können, um in ihr von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen profitieren zu können, um sie nach einem Profiling in den Arbeitsmarkt zu vermitteln beziehungsweise auch, für

(Minister Toscani)

den Fall einer Übernahmelösung, mit dem Ziel, dass sie gegebenenfalls auch noch einmal für das Unternehmen als gut ausgebildete Arbeitskräfte an diesem Standort zur Verfügung stehen.

Der Vollständigkeit halber möchte ich auch darauf hinweisen, dass die Whitesell-Gruppe ja mehrere Standorte hier in Deutschland hat, der Standort Beckingen ist nur einer von mehreren Standorten. Die saarländische Landesregierung war aber die einzige Landesregierung, die der Einrichtung einer Transfergesellschaft zugestimmt hat, obwohl es auch an anderen Standorten insbesondere von Gewerkschaftsseite die Forderung nach Einrichtung einer Transfergesellschaft gegeben hat. Wir haben damit, wie ich finde, in einem besonderen Maße zum Ausdruck gebracht, dass wir uns gegenüber den Beschäftigten in der Verantwortung sehen.

Seither gab es eine Reihe intensiver Gespräche im Wirtschaftsministerium, aber auch am Standort selbst, mit der Arbeitnehmervertretung, mit den Gewerkschaften, mit dem Insolvenzverwalter, aber auch mit an einer Übernahme interessierten Unternehmen. Anfang Juni ist uns erfreulicherweise ein Durchbruch gelungen: Wir hatten ja die etwas unerfreuliche Situation, dass der Insolvenzverwalter nicht über die notwendigen Assets verfügt hat. Das gesamte Betriebsvermögen, die Patente, alles, was dazugehört, war ja nach Luxemburg ausgelagert. Das ist nun erneut hier vorhanden und kann einer Übernahmelösung zugeführt werden. Die Verfügungsgewalt darüber befindet sich nunmehr in Händen des Insolvenzverwalters. Damit ist ein wesentliches Hindernis der Umsetzbarkeit einer Übernahmelösung aus dem Weg geschafft worden.

Im Moment, aktuell, stehen der Insolvenzverwalter, aber auch wir, in Gesprächen mit konkreten Übernahmeinteressenten, um über mögliche gezielte Unterstützungsmaßnahmen zu informieren, um gegebenenfalls auch Zusagen zu machen zu dem, was von unserer Seite vorstellbar erscheint, um aber auch zu hören, was von den Unternehmen noch nachgefragt wird, was noch erforderlich ist. Das sind Gespräche, die auf der Fachebene geführt werden, Gespräche, die der Staatssekretär führt, teilweise habe ich aber auch selbst mit den Übernahmeinteressenten gesprochen, um zu signalisieren, dass dieser Standort eine große Bedeutung für das Saarland hat und wir alles in unserer Macht Stehende dafür tun werden.

Zu dem Instrumentarium gehören Landesbürgschaften, die saarländische Förderbank, immobilienwirtschaftliche Geschäftsmodelle sind möglich, aber auch Investitionsförderung, je nach Größe des Unternehmens, das hier als Übernehmer infrage kommt, ob es ein Großbetrieb ist oder ein kleines und mittelständisches Unternehmen.

Die jetzt, wie ich finde, entscheidende Frage, die es noch zu beantworten gilt, ist: Wie sind die OEMs, wie ist die Branche der Automobilhersteller aufgestellt? Die Interessenten sind zahlreich; da sind meiner Auffassung nach auch sehr gute Interessenten dabei. Letztendlich spielt dort aber auch eine entscheidende Rolle, wie groß die Gewissheit ist, dass man relativ zügig wieder an entsprechende Aufträge mit den OEMs kommt. Auch da haben wir unsere Unterstützung zugesagt, Gespräche zu führen. Wir wollen auch im Sinne der Leistungsfähigkeit dieses Standortes für den Standort in Beckingen werben. Das ist sicher eine wichtige Entscheidungsgrundlage für einen potenziellen Übernehmer. Insofern stehen wir in ständigem Kontakt, um diesen Standort zu sichern, entweder als Stand-alone-Lösung, also nur für Beckingen, oder als Teil der Gesamtkonstruktion.

Wird eine Zusatzfrage gestellt?

Die Rückübertragung der Vermögenswerte aus Luxemburg - Hallen, Maschinen, Patente - ist wohl vom Insolvenzverwalter vorgenommen worden, wie ich der Presse entnommen habe. Sie haben gesagt: „Uns ist es gelungen.“ - Ist diese Rückübertragung zu Bedingungen erfolgt, wenn ja, wie sehen diese aus und sind sie der Landesregierung bekannt?

Wie Sie selbst schon richtig festgestellt haben, ist die Landesregierung nicht unmittelbar an den Gesprächen beteiligt, was diese Geschäftsfragen angeht. Mein Kenntnisstand dazu ist, dass das im Wege einer Verhandlungslösung zwischen dem Insolvenzverwalter und Whitesell selbst erreicht worden ist. Es gibt dort eine Reihe von Ansprüchen, die formuliert worden sind. Man hat sich darüber verständigt, welche Ansprüche gegebenenfalls übergehen und welche Vermögenswerte umgekehrt wieder in die Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters übergehen.

Das war meine Frage. Was für Ansprüche sind das und sind sie der Landesregierung bekannt? Wir sollten nicht noch einmal in eine ähnliche Falle tappen.

Der Höhe nach sind mir die Ansprüche nicht bekannt. Soweit ich darüber informiert bin, sind es Ansprüche, auch Schadensersatzansprüche, gegenüber BMW, die in den Händen von Whitesell liegen. Dafür sind, wie gesagt, Vermögensgegenstände übertragen worden.

(Ministerin Rehlinger)

Die dritte Zusatzfrage, bitte.

Wenn ein neuer Investor kommt, wie stellt die Landesregierung sicher, dass das ganze Spiel, das wir jetzt schon drei- oder viermal hatten, nicht wieder von vorne losgeht?

Ich nehme an, das ist die Frage 2, die Sie jetzt gerade stellen, denn die lautet sinngemäß genauso. Deshalb werde ich sie in diesem Sinne beantworten. Auch hier noch mal der Hinweis darauf: Das Land ist insofern nicht unmittelbar Beteiligter dieses Prozesses. Aufgrund der Situation und auch aufgrund des Insolvenzrechtes in seiner Ausgestaltung ist das Land noch nicht einmal Mitglied im Gläubigerausschuss. Das heißt, wir sind unmittelbar selbst gar nicht in der Lage, eine Entscheidung darüber zu treffen, wer der neue Betreiber, Inhaber, die neue Unternehmung an diesem Standort sein wird. Das heißt also, es steht nicht in unserer eigenen Entscheidungsmacht, darüber zu befinden.

Gleichwohl können wir natürlich sowohl gegenüber den Beteiligten als auch gegenüber den Interessierten in unseren Gesprächen zum Ausdruck bringen und das tun wir auch sehr deutlich -, dass für uns die einzig sinnvolle Nachfolgelösung hier eine strategische Nachfolgelösung ist. Es gibt eine gewisse Vermutung dahingehend, dass es vielleicht bei einem mittelständischen Unternehmer eher der Fall sein könnte, dass es sich um einen strategischen Investor handelt. Bei den Interessenten befinden sich auch einige mittelständische Unternehmen. Aber wir können keinen direkten Einfluss darauf nehmen, wer nun der neue Eigentümer des Unternehmens wird. Wir haben möglicherweise einen indirekten Einfluss durch Fördermittelvergabe oder die Instrumentarien. Den werden wir natürlich auch im gebotenen Maße zum Einsatz bringen.

Die Schwierigkeit für alle Investoren, die sich im Moment für den Standort interessieren, ist die Frage der Nachfolgeaufträge: Wie schnell komme ich in welchem Umfang an Nachfolgeaufträge? Und wie dick ist meine Kapitaldecke, um diese Durststrecke zu überstehen? Das spricht sicherlich eher für einen breiter und größer aufgestellten Konzern. Letztendlich muss aber die Abwägung sein, wie die Zukunftsfähigkeit dieses Standortes am besten abgesichert ist.

Herr Lafontaine, wir waren bei der Zusatzfrage 4. Haben Sie jetzt schon Frage 2 gestellt?

Wir können das zusammenführen. Ich will das ja nicht unnötig verlängern.

Dann muss ich die drei Zusatzfragen zur ersten Frage an das Parlament geben. Gibt es jemanden im Haus, der zur ersten Frage noch Zusatzfragen stellen möchte? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die erste Frage erledigt.

Dann stelle ich jetzt die erste Zusatzfrage zur zweiten Frage. - Heißt Ihre Antwort, dass ursprüngliche Ansätze unter Beteiligung von Saarstahl, dem Land und einem weiteren Gesellschafter nicht mehr weiterverfolgt werden?

Nein. Es gibt eine Reihe von Investoren, die ihr Interesse bekundet haben, eine Übernahme des Standortes zu vollziehen. Ich bin momentan sehr zuversichtlich, dass wir aus dem Kreis dieser Investoren auch einen guten strategischen Investor für den Standort finden können.

Noch mal meine Frage: Wir hatten bisher nur gute strategische Investoren, die auch von der Belegschaft und der IG-Metall euphorisch begrüßt wurden. Angesichts dieser Erfahrungen würde ich nicht - ich darf es so sagen - noch einmal in die Falle tappen, mit einer Insolvenz eines weiteren strategischen Investors konfrontiert zu werden. Ich würde eine Rückversicherung einbauen. Ich habe sie konzeptionell vorgeschlagen. Es ist richtig, dass Sie diesen Weg nicht gehen wollen und wie bisher auf einen strategischen Investor warten?

Ich möchte noch einmal differenzierend darauf hinweisen, dass die Frage, wie gut der letzte Investor war, zum Zeitpunkt der damaligen Entscheidung nicht so einhellig gesehen worden ist, wie Sie es gerade dargestellt haben, auch nicht vonseiten der IGMetall. Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass es dazu Diskussionen gab.

Zweitens bin ich nicht der Auffassung, dass wir, um hier ein vielleicht bestehendes Risiko zu vermeiden, dass sich ein Investor als nicht so gut erweist, wie man es sich wünscht, von vornherein auf halbstaatliche Lösungen zurückgreifen müssen, um einen Standort zu retten.

Die dritte Frage, bitte.

Darf ich daraus schließen, dass Sie aus der Erfahrung etwa bei der Stahlindustrie, wo wir davon abgesehen haben, strategische Investoren wie Krupp, Thyssen oder andere heranzuziehen, weil wir befürchtet haben, dass dann die Produktion hier geschlossen und verlagert wird, nicht die Lehre ziehen, dass eine Sicherheit eingebaut werden muss, dass die Produktion am saarländischen Standort garantiert sein muss?

Ich bin nicht der Auffassung, dass gute Erfahrungen der Vergangenheit zu jedem Zeitpunkt und auf jedes Anwendungsbeispiel projiziert werden können.

Sie haben bis jetzt keine Modelle vorgelegt, die Belegschaft zu beteiligen?

Wir haben keine Modelle vorgelegt. Es ist allerdings auch aus Reihen der Belegschaft nicht so vorgetragen worden, als gäbe es dazu das ernsthafte Interesse. Insofern, würde ich vorschlagen, wäre in allererster Linie ein Belegschaftsinteresse zu formulieren, bevor wir uns seitens der Politik mit dieser Frage auseinandersetzen.

Fünfte Zusatzfrage.

Es soll aber Belegschaften gegeben haben, die sich für Belegschaftsbeteiligungen interessieren. Aber Sie stellen fest: Ein solches Interesse besteht bei der Belegschaft in Beckingen nicht.

Ja.

Ich habe keine weiteren Zusatzfragen.