Protocol of the Session on June 17, 2015

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wie viele Industriebetriebe haben denn zugemacht? Welche?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, das sollten Sie sich noch einmal in aller Ruhe zu Gemüte führen. Die Debatte ist nicht neu, Sie kennen sie. Es tut vielleicht auch ein bisschen weh.

Die Frage der Weiterentwicklung unserer Industrie und damit die Sicherung und die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sind für die Zukunft unseres Landes als eigenständiges Bundesland von zentraler Bedeutung. Die Industrie gehört zum Kern unseres Landes. Wir verfügen über eine robuste Struktur produzierender Unternehmen, die einen wesentlichen Beitrag zu regionaler Wirtschaftskraft leisten. Wir wollen, dass dies so bleibt. Diese Regierung arbeitet daran, dass dies so bleibt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ökologie als Aufgabe zur Wahrung unserer Umwelt und unserer Zukunft und Ökonomie als eine Grundlage für Arbeitsplätze zur Gestaltung von Zukunft, ob in Familie oder im Beruf, dürfen sich nicht ausschließen. Sie sind zwei Seiten einer Medaille.

Mit ihrem Thesenpapier zur Industriepolitik hat die Wirtschaftsministerin ein Leitbildprozess für eine offene Industriepolitik gestartet. Ein so detailliertes Gesamtkonzept für die Industriepolitik hat es im Saarland bislang noch nicht gegeben. Das nenne ich Zukunftsarbeit. Das ist Zukunftsgestaltung. Hier werden in einem industriepolitischen Gesamtkonzept die wichtigsten Komponenten für eine zukunftssichere Industrielandschaft aufgezeigt. Ob beim Thema Industrie 4.0, ob der Weiterentwicklung des Automotive-Sektors, der Stahlindustrie als Schlüsselbranche unserer Wirtschaft, ob beim Thema Fachkräftesicherung oder auch beim Thema Wachstum und Beschäftigung in unserer Industrie durch gute Infrastruktur - diese Landesregierung hat einen klaren Blick, wie dieses Land gestaltbar bleibt, wie Arbeitsplätze gesichert und ausgebaut werden können und damit Lebensgestaltung in Familie und Beruf am Standort Saarland zusammenfinden. Ich finde, das ist der richtige Zukunftsansatz für unser Land. Wenn man sich alleine das Themensetting noch mal vergegenwärtigt - das sind nicht nur Worthülsen, da wird ja gearbeitet und etwas getan, da wird etwas präsentiert -, kann man sich doch als Opposition nicht hinstellen und sagen, diese Landesre

(Abg. Pauluhn (SPD) )

gierung habe keinen Plan von Zukunft für dieses Land. Das Gegenteil ist richtig.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Mit Blick auf das Thema Ökologie ist auch klar, dass unsere Umwelt nicht auf der Strecke bleiben darf. Das ist doch selbstverständlich. Die Natur benötigt auch ungestörte Räume, solche, die von menschlichen Eingriffen verschont bleiben und sich damit frei entfalten können. Einen solchen Raum geben wir dem neuen Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Für das Saarland ist dieser Nationalpark ein Glücksfall, er bedeutet den Aufstieg in die Champions League der Naturschutzzonen. Ein Nationalpark ist international die höchste Kategorie, höherwertige Naturerhaltungsgebiete gibt es nicht. Dass das jetzt seinen Abschluss fand und der Park sozusagen am Start ist, ist auch dem Einsatz von Umweltminister Reinhold Jost geschuldet, dem ich an dieser Stelle für seine Arbeit einmal ausdrücklich danken möchte. Lieber Reinhold, du hast hier etwas in Gang gesetzt, wovon grüne Politik über viele Jahre nur geträumt hat.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns mit diesen Aufgabenstellungen die begonnene erfolgreiche Arbeit dieser Landesregierung weiterführen und sie als Fraktionen unterstützen. Ich bin zuversichtlich, dass, wenn dieses Parlament zusammenarbeitet und wenn diese Landesregierung diesen Weg weiter geht, diesem Land auch eine gute Zukunft bevorsteht. Den Wandel erfolgreich gestalten - das ist unser Auftrag. Wir haben bereits in den letzten drei Jahren unserer Regierungszeit viel erreicht und werden auch in der verbleibenden Zeit das Notwendige umsetzen und gestalten, nicht gegen die Menschen, sondern mit den Menschen. Dazu sind wir aufgerufen, dazu sind wir gewählt. Und diesen Auftrag nehmen wir an. - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun für die Fraktion der PIRATEN Herr Fraktionsvorsitzender Michael Hilberer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Morgen im Rahmen der Regierungserklärung wortreich wenig Neues gehört. Kollege Hans, Sie haben am Ende Ihres Beitrages ein schönes Bild gefunden vom Zug, der quasi auf dem saarländischen Weg steht, befeuert ist, nur noch bestiegen werden muss, und dann geht es voran in die Zukunft. Diese Regierungserklärung und die Debatte, die sich darum entspinnt, weckt in mir diese Zuversicht nicht. Ich habe vor dem inneren

Auge eher das Bild von einer kohleschluckenden Bimmelbahn, die im Bahnhof steht, die nicht vorankommt, aber viel Rauch macht.

(Beifall und Heiterkeit bei den Oppositionsfraktio- nen.)

Allerdings hat die Debatte tatsächlich meine Befürchtung genährt, dass der saarländische Weg, wie er hier beschrieben wird, ein sicherer Weg ist, unser Bundesland auch in Zukunft regelmäßig und noch öfter als heute auf Platz 16 von 16 Bundesländern zu bringen. Denn man muss heute nach drei Jahren Großer Koalition im Saarland, nach drei Jahren einer erdrückenden Mehrheit von CDU und SPD in diesem Hause konstatieren: Eine Gestaltungskraft, die dahinterstecken könnte - zumal mit einer Großen Koalition im Bund, die sich erfreulich für die Regierung hier darstellt, weniger erfreulich für die Bundesrepublik -, böte die Chance, grundlegende Probleme grundsätzlich anzugehen. Das war der Auftrag, den der Wähler Ihnen erteilt hat. Die grundsätzliche Lösung schwieriger Probleme, das ist der einzige Grund, warum man eine Große Koalition überhaupt einsetzt. Das sagen alle Umfragen.

Was haben wir jetzt stattdessen? Kleine Trippelschritte hin zu einer Verwaltung des Status quo, mit viel Rücksicht auf zu viele Befindlichkeiten, die zwei große Volksparteien offensichtlich in diesem Land erfüllen müssen. Deshalb ist wohl kein großer Wurf möglich. Das ist schade, das ist bedauerlich. Da braucht das Saarland etwas Neues.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Entsprechend ist die heutige Regierungserklärung, da braucht man sich nichts vorzumachen. Es ist offensichtlich so, dass die Nerven blank liegen. Wir haben das vorhin gesehen beim Zwischenruf des Kollegen Ulrich, der für die Verhältnisse dieses Hauses durchaus angemessen war und nicht besonders beleidigend. Und dann kommt direkt diese Entgleisung der Ministerpräsidentin als Antwort darauf. Das zeigt, wie blank die Nerven wirklich liegen. Auch ich bin übrigens der Meinung, dass wir, um die gute Stimmung hier zu wahren, eine Entschuldigung hören sollten.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Schauen wir uns die Regierungserklärung mal ein wenig näher an. Was haben wir denn wirklich? Was wir haben, ist eine Prozessbeschreibung und kein Zukunftsbild. Sie beschreiben nämlich den Prozess, wie hier bei gegebenen Mitteln ein systematischer Rückbau des Saarlandes - verknüpft mit der vagen Hoffnung, irgendwie den Status quo zu halten durchgeführt werden soll. Kommende Probleme werden an der einen oder anderen Stelle zwar angerissen, Lösungen aber nicht genannt. Vor allem hören wir nichts Neues, nichts, was uns in der Debatte

(Abg. Pauluhn (SPD) )

wirklich weiterbringen würde. Noch einmal: Es gibt kein Zukunftsbild.

Ich möchte jetzt auch mal eine kleine Metapher wagen. Dieser Supertanker Saarland schlingert weiter durch dieses unsichere Fahrwasser. Was ich in dieser Regierungserklärung lese, ist, dass Sie sich darum kümmern, wie man das Deck besser schrubben könnte, statt sich um einen neuen Kurs zu bemühen. Das ist der Sache nicht angemessen. Das bringt uns an der Stelle nicht weiter. Denn die Saarländerinnen und Saarländer treibt am Ende eine wichtige Frage um, das ist die Frage: Wird es meinen Kindern in diesem Land einmal besser gehen, als es mir heute geht? Wenn ich diese Regierungserklärung höre und einmal nachdenke, was wirklich drinsteht, dann ist die Antwort darauf leider: „Nein.“

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Vielleicht noch ein Nein, aber wir schauen mal, dass es nicht ganz so schlimm wird. Das trägt nicht, damit kann ich das Land nicht voranbringen für einen dringend notwendigen Reformprozess, und das begeistert auch nicht. Dieses Land braucht mehr Zukunft, das sind wir den Saarländerinnen und Saarländern auch schuldig.

Sie sprechen in der Regierungserklärung rückblickend von vier Jahren konsequentem Konsolidieren. Aber auch das ist im Endeffekt nur die halbe Wahrheit. Es hilft natürlich ein extrem hohes Steuerniveau, das wir haben. Es hilft beim Konsolidieren auch die bisher ungekannte Phase eines Niedrigzinsniveaus, allerdings auch mit allen Risiken und Nebenwirkungen, die ein Niedrigzinsniveau mit sich bringt. Und es ist eben gerade meine Generation, die mit diesen Niedrigzinsen die Haushaltssanierung bezahlt. Denn durch Reformen, die es vorher schon in diesem Land gegeben hat, sind wir darauf angewiesen, privat für das Alter vorzusorgen. Genau diese Zinsen fehlen uns jetzt in der privaten Altersvorsorge. Die private Altersvorsorge unserer Generation finanziert die Haushaltskonsolidierung. Da wären höhere Steuern ehrlicher und gerechter gewesen.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Als ob das nicht genug wäre, fehlen auch noch Investitionen. So ist auch künftiges Wachstum gefährdet - für meine Generation und für die Generation meiner Kinder. Das mag eine Haushaltskonsolidierung auf dem Papier sein, aber es ist keine nachhaltige Konsolidierung der Finanzprobleme unseres Landes.

(Beifall von den PIRATEN, B 90/GRÜNE und vom Abgeordneten Prof. Dr. Bierbaum (DIE LIN- KE).)

Natürlich kosten Investitionen Geld, aber nicht nur. Es ist auch notwendig, Prioritäten klarer zu setzen, auch mal schmerzhaft zu entscheiden. Was ich hier

sehe, ist eher das Prinzip Gießkanne, aber mit immer weniger Wasser. Das ist keine Investitionskultur, die uns in die Zukunft führt. Da bleibt die Lokomotive in ihrem Bahnhof.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Es geht natürlich auch um die Finanzströme. Morgen gibt es einen ganz wichtigen Termin, der schon ganz lange als wichtig genannt wurde. Auch vor diesem Hintergrund enttäuscht die Regierungserklärung. Es ist in diesem Hause unstrittig, dass unser Bundesland zu wenig vom Kuchen abbekommt. Ihre Rede bestärkt mich in der Meinung, dass sich morgen nichts daran ändern wird. Auch im laufenden Jahr wird sich nicht viel ändern, zumindest nicht genug.

In dieser Regierungserklärung werden in aller Breite Detailerfolge geschildert. Ich nenne nur die BafögMittel und das Anerkennen der schwierigen Situation von Saarland und Bremen. Klar, das alles sind Detailerfolge. Die sind auch wichtig, aber es ist nicht der Wurf, den wir brauchen, um uns selbst aus dieser Abwärtsspirale zu befreien, in die wir eingetreten sind.

Die letzte Föderalismusreform hatte einen entsprechend langen Vorlauf. Verschiedene Konzepte sind im Vorlauf diskutiert worden. Das fehlt heute in dieser Form. Deshalb bin ich eben nicht zuversichtlich, dass morgen eine Einigung oder Ansätze dazu kommen und dass man sich innerhalb eines Jahres einigen wird. Das wäre das, was wir dringend brauchen, um in diesem Land weiterhin verlässliche Politik zu machen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Der Kollege Roth hat recht. Diese Landesregierung verhandelt auch nach unserer Ansicht zu zaghaft und zu defensiv. Ich habe das in der letzten Generaldebatte zum Haushalt „devot“ genannt. Das war natürlich zugegebenermaßen ein bisschen hart ausgedrückt. Aber warum habe ich das gesagt? Es ist so, dass wir in Deutschland keine Schuldenkrise haben. Es gibt keine deutsche Schuldenkrise. Wir haben momentan eine Föderalismuskrise. Wenn Bundesländer zur Debatte stehen, dann ist der Bundesstaat in einer Föderalismuskrise. Wenn uns große Bundesländer wie Bayern, Hessen oder BadenWürttemberg die Existenzgrundlage innerhalb der innerstaatlichen Finanzierung vorenthalten wollen, dann ist das eine Föderalismuskrise. Da darf man vom Saarland aus auch mal die Frage stellen: Wäre es bei unserem Föderalismus nicht sinnvoller, größere Bundesländer aufzuspalten, statt immer zu sagen, man brauche eine Fusion der kleinen? Sind die großen Bundesländer zu einflussreich? Sind sie zu mächtig? Vielleicht ist auch das ein Teil des Problems. Vielleicht müssen wir die Debatte einmal drehen, um klarzumachen, dass wir einen Anspruch

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

und eine Verpflichtung gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern haben. Den müssen wir durchsetzen können.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Saarland und Bremen auszutrocknen kann auf jeden Fall keine Lösung unserer Probleme sein. Sie haben noch einige Themen angesprochen, die ich aufgrund der Kürze der Zeit leider nicht näher betrachten kann. Mir ist wichtig, dass wir über das Thema Flüchtlinge und Zuwanderung sprechen. An der Stelle möchte ich ein Lob voranstellen. Im Saarland wird viel getan, um Flüchtlingen eine Heimat zu bieten. Es sind viele Menschen auch aus diesem Haus, die sich stark engagieren. Auch in der Regierung ist das Engagement verbreitet. Es gibt wirklich den Versuch, Menschen, die zu uns kommen, in diese Gesellschaft zu integrieren. Gerade im Vergleich zu anderen Bundesländern stehen wir sehr gut da und brauchen uns nicht zu verstecken. Das sind gute Ansätze, auf die wir aufbauen können. An der Stelle ein Dankeschön!

(Verbreitet Beifall.)

Ich habe den Eindruck, dass es im Saarland eher so ist, dass die Chancen gesehen werden. Es ist wirklich eine Chance, dass Menschen zu uns kommen wollen, um ihr Leben mit uns zu gestalten. Genau diese Chance müssen wir noch stärker ausspielen, denn es ist wirklich eine Chance für wirtschaftliches Wachstum, das wir brauchen. Es ist auch eine Chance für kulturelle und soziale Bereicherung. Es ist eine Chance, auch bei einer schrumpfenden Bevölkerung nachhaltige Investitionen zu rechtfertigen.

Gerade das Programm, das Mittel zur Renovierung von Leerständen bereitgestellt hat, um Flüchtlinge unterzubringen, haben die Kollegen Jost und Bouillon in Rekordzeit aufgesetzt. Das ist ein richtig gutes Zeichen zu sagen, ja, wir nehmen diese Chance an und machen etwas daraus. Genau in diesem Sinne muss es weitergehen. Gerade vor diesem Hintergrund stünde es auch dem Saarland gut an, an vorderster Front zu stehen und auf eine Reform des Asylsystems hinzuarbeiten. Asylrecht ist nämlich immer noch das Problem Nummer 1 bei der Integration in unserem Land. Wir stellen immer noch viel zu sehr darauf ab, die Leute loszuwerden, anstatt sie bei uns zu integrieren, und alles Geld, was in die Integration geflossen ist, als verlorene Investition anzusehen. Das sollten wir uns in Zukunft nicht mehr leisten.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

In der Regierungserklärung kam die Debatte leider wieder auf das schnelle Abschieben. Genau das ist die falsche Geisteshaltung. Wir müssen dringend davon wegkommen.

Ich komme zum Fazit. Sie verharren im Jetzt. Die Saarländerinnen und Saarländer brauchen aber eine Landesregierung, die eben auch an die Zukunft denkt. Da bleiben Sie viel zu vage. Wir haben eine wortreiche Prozessbeschreibung gehört. Wir haben vernommen, dass es darum geht, den Status quo möglichst zu halten. Das ist für die junge Generation nicht attraktiv. Das ist kein Zukunftsbild, an dem man sich orientieren kann. Im Zweifel wird diese Generation mit den Füßen abstimmen. Das ist etwas, was wir uns garantiert nicht leisten können. - Es ist nicht alles schlecht, was diese Regierung tut, aber vieles ist noch nicht gut genug. So bleibt es für das Saarland leider dabei: Im Westen nichts Neues.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)