Was die Ausgaben angeht, weise ich noch auf die Zinsentwicklung hin, was ja auch bei Ihnen in der Diskussion ist. Die Zinsentwicklung kann dazu führen, dass alle Berechnungen, die bis jetzt erstellt wurden, über den Haufen geworfen werden müssen. Wir kommen dann nicht weiter. Sie haben zu Recht auf Europa hingewiesen und gesagt, niemand könne abschätzen, was da kommt. Ich kann Ihnen eines sagen: Spätestens nach der Bundestagswahl werden die Griechenland-Forderungen abgeschrieben, das sind einige zig Milliarden. Ich gehe auch Wetten mit Ihnen ein, wenn Sie bereit sind, Wetten einzugehen. Dies wird den Bundeshaushalt erheblich belasten. Deswegen werden die Spielräume auf Bundesebene, eine Entlastung für die Bundesländer zu erreichen, immer geringer. Hier ist vielleicht auch noch zu relativieren, was Frau Merkel zur Steuerpolitik gesagt hat. Aber das werden wir zu gegebener Zeit sehen. In jedem Fall sind dies alles Probleme, die nicht gelöst sind und die nicht unbedingt gute Perspektiven für die Zukunft eröffnen.
Sie haben sich positiv über die Saar-Wirtschaft geäußert. Tatsächlich sind die Kernbereiche wettbewerbsfähig aufgestellt. Aber die Konjunktur kann von
der Saar-Wirtschaft nicht gesteuert werden. Wir haben Probleme im Stahlbereich, im Automobilbereich und in einigen anderen Bereichen. Auch hier besteht das Risiko weiterer Einnahmeausfälle.
Heute ist von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, ein Satz in der Saarbrücker Zeitung zu lesen, der als Überschrift über Ihren Ausführungen hätte stehen können: „Das Ziel der Existenzsicherung des Saarlandes ist bei Weitem noch nicht erreicht.“ Das ist das, was eigentlich als realistische und - wenn Sie so wollen - wahrheitsgemäße Überschrift über Ihrer bisherigen Arbeit stehen sollte. Weiter sagen Sie in dem Zeitungsartikel: „Ich will eine Zukunft ohne Schulden.“ Ich habe schon darüber gewitzelt: Wir werden jetzt alle Kreditinstitute schließen, denn wenn es keine Schulden mehr gibt, brauchen wir auch keine Kreditinstitute mehr. Wir werden die Menschheit in irgendeiner Form umbauen müssen, denn es gab immer Schulden seit Bestehen der Menschheitsgeschichte. Die Saar-CDU schafft das sicherlich. Ich glaube aber, Sie sind jetzt etwas bescheidener geworden.
Wenn es Ihnen heute gelungen wäre, einen Vorschlag zu machen, wo man sagen könnte, die Hälfte des Weges - wir sind ja ganz bescheiden - zur Existenzsicherung des Saarlandes ist zurückgelegt, dann müssten wir Sie loben. Aber Sie haben noch nicht einmal die Hälfte des Weges zurückgelegt. Deswegen haben wir keinen historischen Meilenstein, sondern eine Regierung, die ihre Aufgaben nicht erfüllt.
Die Große Koalition ist - manchmal kann man das an einem bestimmten Punkt erkennen - eine Fehlkonstruktion. Diese Große Koalition könnte ihre Aufgaben nur dann erfüllen, wenn es gelänge, zwischen den beiden großen Parteien eine Übereinstimmung in der Steuerpolitik zu finden. Aber davon sind Sie weit entfernt. Damit werden Sie in den nächsten Jahren leben müssen. Sie werden das Ziel, die Schulden so in den Griff zu bekommen, dass die Existenz des Saarlandes gesichert ist, leider nicht erreichen.
Zur Begründung des Antrages der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Hubert Ulrich das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Sie haben heute eine Regierungserklärung angekündigt und in Ihren Augen auch gehalten. Aber aus unserer Sicht war das eher eine Rechtfertigungserklärung für
das, was Sie in diesem Lande als Politik vorgeben. Ich glaube eher, dass Sie versucht haben, mit dieser Art von Regierungserklärung Ihr schlechtes Gewissen ein wenig zu beruhigen. Ich glaube ferner, dass Ihr Koalitionspartner SPD an dieser Stelle ein noch viel schlechteres Gewissen hat vor dem Hintergrund dessen, was Sie hier zum Besten gegeben haben.
Die CDU und insbesondere die Sozialdemokratie Herr Maas wird schon wieder nervös - haben ja im Wahlkampf ganz große Erwartungen geweckt. Allen voran haben Sie vor die Klammer gezogen, wir werden das Land sanieren und erhalten. Vor allen Dingen, das gilt besonders für die SPD, haben Sie angekündigt, in dem ganz zentralen Bildungsbereich in diesem Land nicht zu sparen.
Allerdings ist der Kern der Regierungserklärung, die Sie, Frau Ministerpräsidentin, gerade vorgetragen haben, Sparen um des Sparens willen. So kam es bei uns an. Ziel von Politik muss es aber sein, ein Land zu gestalten und nicht nur zu verwalten. Das ist genau das, was Sie mit Ihrer Art von Politik tun. Wer ein Land wirklich erhalten will, der muss nach vorne schauen, der darf keine rückwärtsgewandte, ja fast schon ängstliche Politik machen. Frau Ministerpräsidentin, Sie wissen genau, dass das, was ich hier formuliere, eigentlich Ihr Kurs ist, nämlich sich möglichst wenig zu bewegen, um sich in den eigenen Reihen möglichst wenig Schwierigkeiten zu machen.
Diese Koalition hat keinen innovativen Ansatz, den wir aber dringend bräuchten, um das Land mittelund langfristig als eigenständiges Bundesland zu erhalten. Sie haben keine erkennbaren Ziele. Sparen alleine ist nun einmal kein politisches Ziel, sondern bestenfalls Mittel zum Zweck. Es gibt keinen Plan bei dem, was Sie hier vorgetragen haben. Deshalb sage ich, dass Ihre Regierungserklärung eine reine Rechtfertigungserklärung war - nicht mehr und nicht weniger.
Zentrale Themen, die auch im Saarland von großer Bedeutung sind, wie beispielsweise der Klimaschutz, von dem die ganze Republik und die ganze Welt redet und der eine große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes hat, wurden noch nicht einmal angesprochen. Beim Umweltschutz genau das Gleiche. Auch die Bildungspolitik hat in Ihrer Rede nur einen Stellenwert ganz am Rande eingenommen. Liebe Frau Ministerpräsidentin, diese Art von Erklärung halte ich für eine Bankrotterklärung für eine nach vorne gerichtete Politik.
Sie haben in Ihrer Regierungserklärung von Akzenten und Impulsen geredet. Allerdings haben Sie nicht erläutert, welche Akzente und Impulse Sie meinen. Man kann alles hineininterpretieren. Frau Karrenbauer, erklären Sie uns einmal, wovon Sie an
dieser Stelle reden! Sie reden immer nur von Sparen und Gestalten. Aber was gestalten Sie denn? Auch hier bleiben Sie im Nebulösen und völlig unkonkret. Leider gilt das für die gesamte Große Koalition, die ja eine veritable Zweidrittelmehrheit in diesem Hause hat. Ich glaube, an Ihrer Regierungserklärung ist erkennbar: Je größer die Koalition, desto kleiner sind die Ergebnisse, Herr Maas.
Ich finde es traurig, dass der DGB und die Arbeitskammer diese rückwärtsgewandte Politik auch noch unterstützen und diese Einsparungen ohne größeren Protest gewähren lassen. Ich glaube, das macht die ganze Vorgehensweise und die Situation eigentlich noch schlimmer.
Lobend erwähnen muss man hier die Rolle von Verdi. Kollege Lafontaine hat das eben bereits angesprochen. Verdi hat richtigerweise die Konsequenz gezogen und ist aus dieser Art von Verhandlungen und dem fantasielosen Streichkonzert ausgestiegen. Ich will erwähnen, dass die GEW - die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle spielt. Als die SPD in den Neunzigerjahren in diesem Land rund tausend Lehrerstellen eingespart hat, war noch Musik bei der GEW zu hören. Es gab Demonstrationen und große landesweite Proteste.
Was hat die GEW dieses Mal gemacht? Sie hat eine Protokollnotiz in die Verhandlungen hineingeschrieben. Das war es dann. Wenn die GEW wirklich mit dieser Art von Sparkurs, der elementar in ihren eigenen Bereich hineinreicht, so umgeht, dann macht sich eine Gewerkschaft wie sie irgendwann selbst zur Protokollnotiz - nicht mehr und nicht weniger. Die Funktionäre dieser Gewerkschaft haben an dieser Stelle den Kompass verloren. Das muss man an dieser Stelle einmal als Kritik an einer solchen Organisation sagen dürfen.
Die großkoalitionären Weichspüler von DGB und Arbeitskammer sitzen immer gleich dabei. Eugen Roth sitzt hier. Die werden ohne große Kritik die Hand für diesen hier eingeschlagenen Sparkurs heben. Man muss ihnen die Frage stellen, welchen Hut sie heute aufhaben: den Arbeitskammer-Hut, den Gewerkschafts-Hut oder den Hut der Großen Koalition? Ich finde, das ist eine Vermischung, die man so nicht gelten lassen kann. Sie sollten sich schon entscheiden, auf welcher Seite der Veranstaltung sie stehen.
Ich will keinen falschen Zungenschlag in meinen Redebeitrag hineinbringen. Um es klar zu sagen: Wir GRÜNE halten nach wie vor den Sparkurs im Saarland für notwendig. Am Sparkurs geht kein Weg vorbei. Vor dem Hintergrund der Schulden, die ja von
SPD und CDU - das muss man immer wieder klarstellen und erwähnen - in den letzten Jahrzehnten in diesem Land aufgebaut wurden, brauchen wir eine Schuldenbremse. Auch das ist für uns klar. Sie wissen, in unserer Regierungszeit haben auch wir GRÜNE die Schuldenbremse eingehalten. Wir haben sie eingehalten und haben trotzdem Akzente gesetzt. Das ist der wesentliche Unterschied zu dem, was die Große Koalition heute macht. Wir haben insbesondere im Bildungsbereich Akzente gesetzt. Wir haben auch bei der Energiewende Akzente gesetzt, um das Land an dieser Stelle entscheidend weiterzuentwickeln. Wir haben dies getan, nicht nur um neue Arbeitsplätze zu schaffen, nein, wir wollten den Kommunen auch die Möglichkeit eröffnen, ihre kommunalen Finanzen über erneuerbare Energien zu verbessern. Wir haben auch einen Wandel in der Verkehrspolitik eingeläutet.
Was macht diese Große Koalition beim Thema Energiewende heute? Sie halten an den alten Strukturen fest. Wir reden wieder über unsere Kohlekraftwerke. Die erneuerbaren Energien und die Energiewende spielen in Ihren Debatten ein Schattendasein; ich habe es eben gesagt. Das Wort kam in Ihrer Regierungserklärung nicht einmal vor. Es wird nicht darum gekämpft. Wenn es irgendwo Widerstand gibt, dann wird er zur Kenntnis genommen. Das war es dann. So kann man eine Energiewende in diesem Land nicht gestalten.
Der Tiefpunkt Ihrer Politik an dieser Stelle ist, dass Sie in Ihrem Koalitionsvertrag noch nicht einmal ein Einsparziel formuliert haben, wie viel CO2 das Saarland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einsparen will. Um es zu erwähnen: In unserer alten Koalition war ein Ziel formuliert. Wir wollten bis 2050 um 80 Prozent reduzieren. Bei Ihnen ist es noch nicht einmal erwähnt. Das heißt, die Klimapolitik hat diese Große Koalition komplett aufgegeben. Es wird nicht darüber geredet. Wir gehen wieder zurück in das zwanzigste Jahrhundert und machen genauso weiter, wie wir damals gearbeitet haben.
Aber das Schlimmste bei dem von Ihnen eingeschlagenen Kurs ist, dass Sie den zentralen Zukunftsbereich für das Land, nämlich die Bildungspolitik, komplett zusammensparen. Wenn man es addiert, dann entfallen über 40 Prozent aller Einsparmaßnahmen auf den Schul- und Hochschulbereich. Wir reden nicht von den tausend Stellen, die in den Neunzigerjahren von der Sozialdemokratie eingespart wurden. Dazu kommen noch die einhundert Grundschulschließungen. Die 10 Millionen, die da fehlen, sind umgerechnet weitere 200 Lehrerstellen. Jetzt setzen Sie noch einmal 600 Stellen darauf.
Uns war es in der Jamaika-Koalition gelungen, den massiven Einbruch etwas abzufedern, weil wir alle Lehrerstellen gelassen hatten. Das war in der Koalition vereinbart. Alles das drehen Sie wieder zurück mit einem hohen Preis für die Zukunft dieses Landes. Alle Erfolge, die von Klaus Kessler erzielt wurden, werden jetzt wieder relativiert und werden nach und nach wieder zurückgefahren. Ich will nicht sagen, dass auch wir GRÜNE nicht um Einsparmaßnahmen im Bildungsbereich herumgekommen wären. Die entscheidende Frage ist, wann man damit begonnen hätte.
Wir hatten klar festgelegt: Vor den Jahren 2015 und 2016 gibt es keine Einsparpotenziale im Bildungsbereich. In unserem Koalitionsvertrag - da können Sie schreien, wie Sie wollen; das ist aktenkundig, das kann jeder nachlesen - war klar vereinbart: Jede Lehrerstelle wird in dieser Periode neu besetzt. Genauso hätten wir es auch gemacht. Allerdings gibt es hier sehr viel Wahlkampf-Rhetorik, aber nicht nur im Bildungsbereich, sondern auch im wichtigen Verkehrsbereich. Auch da ist von Ihnen nach wie vor eine Politik angesagt, die ins Desaster führt. Sie wissen, wir sind heute in diesem Land noch nicht einmal mehr in der Lage, das bestehende Landesstraßennetz zu erhalten. Wir müssten in diesem Bereich fünfmal so viel ausgeben, wie real im Haushalt steht, um das Netz zu erhalten. Was macht die Große Koalition? Sie will noch neue, unsinnige Prestigeprojekte wie die Nordumfahrung Merzig. Das ist überhaupt nicht zu finanzieren. In Zukunft haben wir einen Rückgang in der Bevölkerung. Das heißt, auch hier machen Sie eine Politik, die komplett ins Desaster führt. Auch das muss man hier an dieser Stelle benennen. Ich glaube, der nächste Verkehrsminister, die nächste Verkehrsministerin hier in diesem Land werden nicht antreten können, sie werden zwar in den Startlöchern stehen, sie würden am Ende aber in den Schlaglöchern stehen. Dahin führt Ihre Politik an dieser Stelle.
Im Finanzbereich gilt Ähnliches: Sie sparen den Finanzbereich in einem Ausmaß zusammen, dass uns Betriebsprüfer und Steuerprüfer fehlen. Das wird zu Einnahmeverlusten führen, auch das schieben Sie einfach weg.
Justizbereich: Die Resozialisierung im Saarland ist in Gefahr, auch das wird höhere Folgekosten haben. Das heißt, auch hier sparen Sie nichts, Sie legen noch drauf. Auch bei den Hochschulen - Kollege Lafontaine hat es eben angesprochen - massive Einsparungen. Der Präsident, Herr Linneweber, war im Ausschuss und hat dort sehr deutlich gesagt, wohin sich die Hochschule mit diesen massiven Einsparmaßnahmen entwickeln wird. Wir werden in den nächsten Jahren 4.500 Studenten weniger haben das sind die Zahlen des Herrn Linneweber -, 50 bis
60 Professuren werden wegfallen. Es besteht die Gefahr, dass ganze Fakultäten geschlossen werden müssen. Das ist Ihre Politik.
Peinlich ist für mich bei alledem immer wieder die Rolle der SPD. Sie hat viel klarer als die CDU im Wahlkampf gesagt, dass es keine Einsparungen im Bildungsbereich geben werde. Genau dort legen Sie aber die Axt an.
Diese Politik ist ein politischer Offenbarungseid. Den werden wir so nicht mitmachen. Alles in allem ist Ihre - - Hab ich zwölf oder vierzehn Minuten?
Noch anderthalb? Entschuldigung! Ich muss bei dieser ganzen Art von Politik an meine Tochter Mira denken. Die ist fünf Jahre alt. Wenn sie ihre großen Schwestern ärgern will, dann erklärt sie manchmal einen Tag zum Gegenteiltag. Dann erklärt sie immer das Gegenteil von dem, was sie meint, um damit irgendwo Punkte zu machen. Ich habe das Gefühl, Ihre Regierungserklärung ist auch eine Art Gegenteiltag. Sie erklären genau das Gegenteil von dem, was Sie real tun.
Alles in allem enthält diese Regierungserklärung keinerlei innovativen Ansatz. Hier geht es lediglich ums Sparen, Sparen, Sparen. Wohin sich das Land entwickeln soll, davon hört man nichts, außer Ihrer Forderung nach einem Altschuldentilgungsfonds - übrigens auch eine Forderung der GRÜNEN, die ist ja auch richtig.
Frau Ministerpräsidentin, wenn Sie glauben, dass Sie mit dieser Art Politik das Land nach vorne bewegen werden, dann glauben Sie auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. - Vielen Dank.