In einem baldigen Spitzentreffen der beiden Regierungsfraktionen zu Beginn der nächsten Woche das darf ich sagen - werden wir unsere Argumente noch einmal auf den Tisch legen und eine gemeinsame Linie nach außen vertreten, da bin ich sicher. Dabei werden wir uns die vorliegenden Herausforderungen genau anschauen und eine Zukunftsentscheidung für die Bildungspolitik und für dieses Land treffen. Darauf können die Eltern im Sinne ihrer Kinder hoffen. Auch ich setze darauf - ich gebe zu, mit ein bisschen Eigennutz - als Vater einer sechsjährigen Tochter. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Pauluhn, Sie haben jetzt eine Top-Down-Variante probiert. Ich gönne Ihnen auch diesen kleinen Höhenflug ein Jahr nach der letzten Wahl, aber wir sehen uns in vier Jahren wieder. Es geht darum, bildungspolitisch Position zu beziehen!
Wir werden sehen, was die nächsten Jahre bringen. Sie haben ganz schön um den heißen Brei herumgeredet, wie Sie in dieser Frage wirklich aufgestellt sind.
Dann versuchen wir doch, gemeinsam zur Sache zurückzukehren. Die Grundschule, das hat wirklich jeder verstanden, ist die wichtigste Schule. Dort werden die Weichen für die spätere Schullaufbahn gestellt. Es geht ganz klar darum, in dieser Grundschulzeit die Lust am Lernen - Sie haben Ihre Tochter als Beispiel genannt, genau so - und die Motivati
on für die Schule zu wecken. Die meisten von Ihnen, die sich für Bildungspolitik interessieren, kennen sicherlich Reinhard Kahl, der als Bildungsforscher und Journalist bekannt ist, er hat sehr viel zu dem Thema publiziert. Er hat recht, wenn er sagt: „Lernen braucht Belohnung, nicht Demütigung. Das ist die Erfahrung, die weiterbringt.“ - Ich glaube, das verstehen auch alle.
Deshalb wird auch zu Recht die Frage aufgeworfen, warum ausgerechnet in der Grundschule Versetzungsentscheidungen anstehen müssen, während auf der anderen Seite für das Gymnasium ein erfolgreicher Modellversuch „Fördern statt Sitzenbleiben“ auf den Weg gebracht worden ist. Herr Minister Commerçon, ich finde Ihr Papier „Gemeinsam lernen in der Grundschule“ sehr gut. Wir haben viele Inhalte, die zwischen unseren Parteien deckungsgleich sind. Ich kann das voll unterschreiben. Es geht in dieser Frage vollkommen in die richtige Richtung. Sie sitzen aber leider nun in dieser Koalitionsfalle. Es ist eine Falle, weil Sie das alles mit dieser CDU nicht umgesetzt bekommen. Genau so ist es.
Kolleginnen und Kollegen, das Thema ist mir insgesamt zu wichtig, da sind wir wieder beieinander, deshalb wage ich einen kleinen Diskurs auf die Diskussion. Es ist nämlich bedauerlich, dass immer wieder dieselben ideologischen Totschlagargumente in dieser Debatte fallen, wenn es um die Überwindung - ich sage bewusst „Überwindung“ - des Sitzenbleibens geht. Ich nenne einige Begriffe, die gefallen sind: „Kuschelpädagogik“ - das kennen wir alles - und „leistungsfeindlich“ bis hin zum Spruch „es hat ihm oder ihr nicht geschadet“. Dann werden irgendwelche Pseudopromis zitiert, die irgendwann eine sogenannte Ehrenrunde gedreht, aber ausgeblendet haben, dass es nicht ehrenvoll war, dass die Betroffenheit doch da ist und es eben eine schwierige Situation ist für die, die das in der Schule durchleben müssen. Ganz besonders platt - das möchte ich doch hier loswerden - hat die CDU-Protagonistin Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz, zum Glück ist sie in der Pfalz, argumentiert: „Schule ohne Sitzenbleiben ist wie Fußball ohne Absteiger.“ - Das finde ich wirklich unmöglich, Herr Meiser, das sage ich ganz klar. Wir wollen Schüler nicht als Absteiger abstempeln, sondern wollen möglichst viele zum Lernerfolg führen. Darum geht es wirklich, das ist der Unterschied.
Ein Problem ist auch, dass man sich in dieser Debatte immer wieder hinter dem Schulfrieden versteckt. Ich meine jetzt nicht Sie, Herr Meiser, das ging noch, Sie haben dezent argumentiert, aber trotzdem die Vorschläge des Bildungsministers komplett abgelehnt. Das war wirklich moderat formuliert, aber es war letztendlich doch eine knallharte Ableh
Genau, das haben wir schon anders erlebt, aber heute passt es. - Wir hatten hier oft einen Disput um den Schulfrieden, wobei wir uns einig sind: Natürlich wollen alle den Schulfrieden wahren. Aber irgendwann muss doch klar sein, dass damit nicht alle Reformen blockiert werden dürfen. Diese Debatte ist ein Einstieg in eine neue Lern- und Förderkultur, darum geht es wirklich. Deswegen ist es so wichtig, darüber zu streiten, Kolleginnen und Kollegen.
In anderen Ländern sind alle schon wieder viel weiter als wir, aber wie gesagt, wir haben noch Hoffnung und warten ab. Wir wissen aber auch, dass gerade das schwierige Thema „Überwindung des Sitzenbleibens“ emotional diskutiert wird und noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist. Die Akzeptanz ist bei vielen Eltern, bei vielen Lehrern und auch bei Schülern noch längst nicht erreicht. Das hängt aber auch mit der Art und Weise zusammen, wie argumentiert wird und wie die Totschlagargumente vorgebracht werden. Das ist eben nicht im Sinne der Sache, es sind viele Vorurteile und Klischees im Spiel, das ist eigentlich bedauerlich. Es geht nämlich überhaupt nicht darum, Klassenwiederholungen bis zum Ende der Schullaufbahn abzuschaffen, sondern es geht vor allem darum, ein Scheitern in der Schule möglichst zu vermeiden und dafür die richtigen Instrumente zu finden.
Werfen wir einen Blick auf die Pädagogik. Dort wird diese Diskussion ganz anders geführt, oft viel niveauvoller und fassettenreicher. Das ist auch gut so. Da gibt es dieses Schwarz oder Weiß in der Art und Weise nicht. Kolleginnen und Kollegen, Klassenwiederholungen sind längst nicht mehr zeitgemäß. Das ist bildungspolitisch mittlerweile unbestritten. Ich sage noch etwas: Spaltprodukte wie zum Beispiel „Streber“ auf der einen Seite kontra „Sitzenbleiber“ auf der anderen Seite, das ist eine Wortwahl, die nicht mehr in die bildungspolitische Debatte gehört, weil das wirklich immer die ewig gestrigen Argumente sind.
Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht gilt die Klassenwiederholung als nicht effizient. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, und zwar schon alleine deshalb, weil die meisten Schüler nur in Teilbereichen Schwächen zeigen, wenn sie Schwächen haben. Dann bringt eine Komplettwiederholung - ich nenne es einmal so -, was den ganzen Stoff anbelangt, wenig, wenn nicht gezielt gefördert wird.
Danke, Jasmin. - Darum geht es nämlich: Schwächen gezielt zu beseitigen. Damit meine ich nicht die private kostenpflichtige Nachhilfe, denn dann stehen
wirklich viele schnell wieder vor dem Dilemma und vor den Lücken im System und rutschen ab. Auch das ist erziehungswissenschaftlich-pädagogisch nachgewiesen. Hier muss absolut umgesteuert werden. Es gibt ganz viele Instrumente, die endlich auf den Weg gebracht werden müssen. Es müssen Förderungen innerhalb von Lerngruppen kommen, mehr individuelle Betreuung. Wie oft haben wir das schon rauf- und runterdiskutiert, aber es ist wenig passiert. Zusätzliche Förderstunden am Nachmittag, betreute Kurse in den Ferien, alles das ist noch Zukunftsmusik. Wenn das käme, dann wären Klassenwiederholungen überflüssig.
Kolleginnen und Kollegen, noch einmal abschließend: Das Sitzenbleiben gehört nicht in die Grundschule. Es gilt, endlich mehr zu fördern, statt auszugrenzen. Nur damit werden Schulabbrecherquoten ernsthaft und nachhaltig gesenkt. Damit muss man auch bei unseren Jüngsten in der Schule endlich anfangen. Darum geht es wirklich. Es ist im Moment fragwürdig, ob diese Koalition das jemals hinbekommen wird. Aber wenn doch, dann würde ich das sehr begrüßen und würde das positiv begleiten. Da das aber in nächster Zukunft nicht absehbar ist, werden wir nicht lockerlassen. Wir werden an diesem Thema dranbleiben im Sinne der Schülerinnen und Schüler. Ich finde, das Diskussionspapier war der richtige Schritt, genau diese Debatte im Land zu eröffnen. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren Kollegen! Ich denke, wir sind wieder bei einem Thema angekommen, das uns Abgeordneten im Landtag wichtig ist. Es ist die Bildung, vor allem die Bildung unserer Jüngsten, die bereits in der Grundschule beginnt und die Weichen für die spätere Zukunft stellt. Ich spreche heute als ehemalige Schülerin, die in der Schulzeit zwar nie sitzengeblieben ist, aber auch schon einmal einen blauen Brief erhalten hat. Ich kann sagen, da ist ein enormer Druck auf mich aufgebaut worden.
Dieser künstlich erzeugte Stress hemmt die Lernfähigkeit von Schülerinnen und Schülern. Wenn man weiß, dass die nächsten Noten, die man schreibt, vielleicht sogar die nächste Klassenarbeit, dafür entscheidend sein kann, ob man sitzenbleibt, ob man aus seinem sozialen Umfeld herausgerissen wird, von seinen Freunden getrennt in eine andere Klasse kommt, ist das ein Lernhemmer. Das blockiert und führt dazu, dass Noten oftmals schlechter werden, obwohl das Lernverhalten sich ändert und bessert.
Auch wenn die blauen Briefe meines Wissens nur etwas sind, was es an weiterführenden Schulen gibt, so bin ich mir sicher, wenn ein Grundschüler gesagt bekommt, er sei kurz davor sitzenzubleiben, wird der Druck, der auf ihm lastet, nicht minder sein, sondern eher noch etwas stärker werden, denn Sitzenbleiben wird in der heutigen Zeit immer als Strafe gesehen.
Sitzenbleiben kann eine Chance sein, aber nur, wenn es auf freiwilliger Basis passiert, wenn Eltern mit dem Schüler gemeinsam übereingekommen sind, dass eine Wiederholung für alle besser ist. Aber es verpflichtend zu machen, wird als Strafe angesehen. Das bringt niemandem etwas, am allerwenigsten den Schülern, die durch ein neues soziales Umfeld sich erst neu eingewöhnen müssen und eventuell darunter erst einmal leiden.
Schauen wir in ein anderes Bundesland, beispielsweise Berlin. Die sind im Bereich der Grundschule ein kleines Schrittchen weiter, ein bisschen revolutionärer als das Saarland. Da wird nicht nur auf das Sitzenbleiben verzichtet, sondern da wird, ähnlich wie es in Papierform des Bildungsministers war, ein jahrgangsübergreifender Unterricht angeboten. Da bleibt auch keiner sitzen. Das hat durchweg positive Ergebnisse gebracht. Ich finde, dass wir an der Stelle trotz Schulfriedens sehr wohl darüber debattieren sollten, ob es nicht vielleicht neue Erkenntnisse gibt, die man in die Diskussion einfließen lassen muss, um den Schulfrieden nicht nur zu wahren, sondern um den Schulfrieden durch weiterführende, revolutionäre Änderungen zu verbessern.
Genau das müssen wir. Ich bin sogar sicher, dass diese Diskussion heute im Plenum nicht vorbei ist, sondern dass es etwas ist, was wir im Ausschuss diskutieren sollten und auch müssen. Wir sollten alle Beteiligten einbeziehen, sowohl Schülervertretungen, Elternvertretungen und Lehrerverbände. Das ist eine Diskussion, die geführt werden muss. Ich bin mir sicher, dass wir da auf einen gemeinsamen Nenner kommen werden.
Da wir selbst davon überzeugt sind, dass Sitzenbleiben eher eine Strafe ist als eine Chance, wenn es aus Zwang geschieht, und wir auch Belege haben, dass es sich negativ auswirkt, auf jeden Fall nicht positiv gesehen wird, stimmen wir dem Antrag von
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worüber reden wir heute und was ist passiert? Wir reden in den Schulen über Gott sei Dank inzwischen nur etwa 2 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die wiederholen, das heißt zwei von 100. Wir reden dabei zugleich über einen minimalen Anteil, wo dies nicht ein Stück weit einvernehmlich zwischen Eltern und Lehrern geschieht. Wir reden zweitens darüber, ob bei der Frage, wie wir das in Zukunft ausgestalten, ausschließlich das Freiwilligkeitsprinzip gelten soll oder ob wir sagen, es gibt Fälle, wo Uneinsichtigkeit herrscht und das Kind nicht gefördert wird, wenn es nicht Fächer wiederholt, Stoff wiederholt, und dort muss unabhängig entschieden werden können. Insofern will ich einmal deutlich machen: Wir reden nicht über das Phänomen, dass massenweise Kinder zurückgelassen werden und sitzenbleiben, sondern über verantwortliche Entscheidungen in Gott sei Dank wenigen Fällen.
Worüber reden wir zweitens? Und noch einmal: Was ist passiert? Die SPD, ihr Bildungsminister, hat zunächst einmal die Position markiert, wie die SPD in die Verhandlungen geht. Der Fraktionsvorsitzende der CDU hat dies ebenfalls getan. Das ist Politik. Das ist die Ausgangslage für das, was wir in den kommenden Tagen und Wochen zu leisten haben. Alle, die hier in einer Koalition waren oder sind, wissen, dass das bei allen Themen so geschieht. Wir liegen - das ist selbstverständlich für zwei große Volksparteien - in vielen Fragen auseinander, ob es um Lebach geht, ob es um Bildungspolitik oder um bestimmte Fragen im Sozialbereich geht, und sind dann in der Koalition gefordert, uns zu verständigen und zu einigen. Die Reihenfolge ist - der Kollege Pauluhn hat es richtig beschrieben -, dass wir uns hier natürlich nicht vorführen lassen, sondern dass wir das, worüber wir uns am Ende geeinigt haben, zur politischen Diskussion im Parlament stellen, in den Ausschüssen diskutieren und wir dann insgesamt als Parlament zu Ergebnissen kommen. Insofern ist heute mit Sicherheit nicht der Tag und auch nicht der Anlass zu sagen, dass man hier meilenweit auseinander liegt.
Auf eines können Sie sich verlassen, das will ich in aller Deutlichkeit sagen: Auch mit unterschiedlichen Standpunkten ist die politische Auseinandersetzung um den richtigen Weg mit unserem Bildungsminister
Ulrich Commerçon vertrauensvoll und fair. Ich weiß genau, dass das auch in diesen Fragen so sein wird. Wir haben noch vieles zu lösen, bei der Inklusion, bei der Frage der Lehrerstellen, bei der Frage, was wir insgesamt im Bildungssystem leisten können. Das ist viel zu wenig gemessen an dem, was wir gerne hätten. Aber gemessen am Haushalt ist es sehr viel, was wir leisten. Das ist ein schwieriger Weg. Aber, Kollege Ulrich, den gehen wir gelassen und in fairem Umgang miteinander.
Deshalb will ich heute zwei Punkte ansprechen und ein Stück weit Erinnerungskultur betreiben. DIE LINKE saß am Verhandlungstisch für die Verfassungsänderung. Ich kann mit am authentischsten beurteilen, wie diese Verhandlungen gelaufen sind. Gott sei Dank haben Sie zugestimmt. Wer aber weiß, von welchem Standpunkt die Kollegin Spaniol kam - Kollege Commerçon war dabei -, und dann erlebt hat, wie der Zampano verordnet hat, dass unterschrieben wird, der möge sehr demütig sein, wenn es um die Frage geht, wie seriös man sich in der bildungspolitischen Debatte bewegt.
Kollege Ulrich, erlauben Sie mir folgende Anmerkung. Sie werden erleben, dass CDU und SPD einigungsfähiger sind als GRÜNE mit GRÜNEN in diesem Haus, einigungsfähiger als zwei GRÜNE miteinander!