Protocol of the Session on May 4, 2010

Bevor ich darauf im Einzelnen eingehe, möchte ich die aktuell angekündigten Gesetzesänderungen im Koalitionsvertrag zu den sicherheitspolitischen Debattenverläufen des Jahres 2007 ins Verhältnis setzen. Nach dem Koalitionsvertrag verabschiedet sich die CDU im Bereich der inneren Sicherheit von wesentlichen Eckpfeilern ihrer ehemaligen Gesetzesarchitektur. Alleine die Ankündigungen des Ministers zur Umsetzung des Papiers mit dem Verzicht auf die Grundlage einer präventiven Online-Durchsuchung, der Streichung der Befugnisse zur erkennungsdienstlichen Behandlung von Kindern, der Abschaffung der präventiven Telekommunikationsüberwachung, der Abschaffung der Befugnisse zur Videoüberwachung durch die Ortspolizeibehörden oder der Streichung der Befugnisse zur automatisierten Kennzeichenerfassung treiben doch jedem echten Christdemokraten aus Schrot und Korn wahre Horrorszenarien vor die Augen.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn ich die Argumentation der CDU noch vor weniger als zwei Jahren zugrunde lege, lässt diese Rolle rückwärts nur einen einzigen Schluss zu: Das Land wird schon in absehbarer Zeit ein wahres Eldorado für den Einfall von Gesetzesbrechern sein. Das Land entzieht der Polizei notwendige und unabwendbare Eingriffsbefugnisse und öffnet so Tür und Tor für Terror und Kriminalität, so Ihre damaligen eigenen Argumente.

(Zuruf von der CDU.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir uns falsch verstehen - ich will Sie als CDU ob Ihres koalitionsvertraglichen Einlenkens auf nachweislich und nachlesbar ausnahmslose SPD-Position nicht kritisieren. Ich kritisiere die CDU lediglich ob ihrer Beliebigkeit, auch und gerade in Sachen Sicherheitsgefühl und Ängste der Bevölkerung. Das Spiel, das Sie damals bei der Umsetzung dieser Punkte aufführten, war offenbar ein falsches Spiel. Den Beweis liefern Sie jetzt selbst.

(Beifall bei der SPD.)

Sie haben Ihre eigenen Positionen über Bord geworfen. Ihre Begründungen aus dem Jahr 2007 lesen sich im Nachgang wie blanker Hohn. Am 25. April 2007, bei der Ersten Lesung all der Eingriffsbefug

(Abg. Pauluhn (SPD) )

nisse, die Sie nun zurückführen möchten, sagte die damalige Innenministerin Frau Kramp-Karrenbauer noch mit Verve in der Stimme und Abscheu vor den schlimmen Schönrednern aus der Opposition, den Blick wie so oft an die Decke des Hauses gerichtet: Hinter dieser Debatte, lieber Herr Kollege Pauluhn, steht doch die Behauptung, nichts von dem, was in diesem Gesetz steht, würde dazu beitragen, die öffentliche Sicherheit zu gewähren, zu erhöhen und die öffentliche Ordnung zu gewährleisten. - Dabei habe ich damals nur das gesagt, was Sie jetzt selbst umsetzen.

Sie fuhr mit dem Beweis der Unumgänglichkeit der Einführung der Kfz-Kennzeichenerfassung fort: Wenn wir einen Schwerverbrecher, den wir im Bereich der Fahndung so schnell wie möglich schnappen und von der Straße wegbekommen, festnehmen, erhöht das doch die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger. Sie müssten doch auch für die Einführung dieser Kennzeichenerfassung sein! - Das Protokoll vermerkt an dieser Stelle jubelnden Applaus der CDU.

„Nehmen Sie das Beispiel Hooligans - -“ Ich begrüße unseren ehemaligen Kollegen Georg Jungmann,

(Heiterkeit und Zurufe)

heute Staatssekretär im Innenministerium. Vor einer Woche haben wir uns am Flughafen getroffen, da hat er mir berichtet, dass diese Hooligan-Datei gerade eingedampft wurde. In mehreren Reden zum Einzelplan 03 der Vorjahre war das immer von ihm selbst als ein Vorzeigeprojekt der saarländischen Sicherheitsstruktur angesprochen worden, jetzt musste er es selbst mit beerdigen. Ironie des Schicksals, lieber Kollege Jungmann. - „Nehmen Sie das Beispiel Hooligans, die wir in der entsprechenden Datei als gewaltbereite Täter führen. Müssen wir erst warten“, fragte damals Frau Kramp-Karrenbauer, „dass sie in das Fußballstadion einfallen und dort Menschen verletzen, wenn wir vorher die Möglichkeit haben, sie über die Kfz-Kennzeichenerfassung daran zu hindern, überhaupt ins Stadion zu kommen?“ Oder: „Wir müssen feststellen, dass heutzutage international tätige Terroristen nicht mehr per Fax oder Brieftaube miteinander kommunizieren, dass sie vielmehr die Segnungen des Internets nutzen. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns doch auch über präventive Online-Durchsuchungen Gedanken machen.“ Wo ist denn da Ihre Position? - So damals der Vorwurf an die Opposition.

Als wenn es damit nicht schon genug gewesen wäre, führte am 12. September 2007, zur Zweiten Lesung und Verabschiedung besagter Eingriffsinstrumente im Saarländischen Polizeigesetz, der Nachfolger von Frau Ministerin Kramp-Karrenbauer, der heutige Fraktionsvorsitzende der CDU und damalige Innenminister, Klaus Meiser, aus: Wir dürfen doch

nicht, wenn wir im Rahmen einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung tragen, ob jetzt bei Terrorismus oder Graffiti, immer wieder die Diskussion führen, wir würden uns in Richtung eines Überwachungsstaates bewegen, lieber Kollege Pauluhn. Also, meine Damen und Herren von der CDU, es gelang damals zumindest, Ihrer eigenen Partei Ihre Position zu vermitteln. Dagegen ging die Vermittlung bei den Koalitionspartnern offensichtlich gründlich in die Hose. Soviel zur Standfestigkeit der CDU in angeblich so wichtigen sicherheitspolitischen Fragen. Diese Regierung ist eine Regierung der Beliebigkeit.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das manifestiert sich nicht allein in dem Koalitionsvertrag, es manifestiert sich auch in diesem Haushalt. Der erste Haushalt dieser Landesregierung zementiert trotz der auf den ersten Blick guten Einstellungsquote von 115 jungen Polizistinnen und Polizisten einen faktischen Personalabbau bei der saarländischen Polizei. Ich gehe davon aus, dass Einstellungsquoten auch im Bereich der Polizei 2011 und in den Folgejahren, wenn überhaupt, nur marginal über der diesjährigen Zahl liegen können - die Schuldenbremse lässt grüßen - und dass der haushalterische Personalbestand mit den Kräften im Einsatz natürlich nicht übereinstimmt. Diejenigen, die sich noch in der Ausbildung befinden, stehen ohne jeden Zweifel der operativen Ebene erst in absehbarer Zeit zur Verfügung. Insofern korrespondieren, um den heutigen Personalbestand bei rund 2.700 Kräften zu halten, die Einstellungsquoten des Jahres 2010 mit den Ruhestandsversetzungen für das Jahr 2013. 2013 gehen aber nach Plan nicht 115, sondern mindestens 135 Bedienstete in den Ruhestand. Setzt man also die Ruhestandsversetzungen zu den entsprechenden Neueinstellungen ins Verhältnis, so stellt man fest, dass bereits die Einstellungsquoten der Vorjahre - man höre und staune - einen faktischen Personalabgang in Gang gesetzt haben. So korrespondieren 57 Einstellungen aus 2007 mit 115 geplanten Ruhestandsversetzungen aus dem Jahr 2010, 85 Einstellungen im Jahr 2008 - da war der Ausgleich gegeben - mit 84 Ruhestandsversetzungen 2011, 105 Einstellungen 2009 mit 135 geplanten Ruhestandsversetzungen 2012, 115 Einstellungen 2010 mit 133 geplanten Ruhestandsversetzungen 2013. Im Saldo kommt man durch die Einstellungsquoten auf einen echten Stellenabbau bei der Polizei durch die Regierung Peter Müller von zirka 100 Kräften in den letzten drei Jahren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich lasse gerne eine Zwischenfrage zu.

Abg. Hinschberger (FDP) mit einer Zwischenfrage:

(Abg. Pauluhn (SPD) )

Könnte es sein, dass diese übermäßig starken Abgänge, die jetzt so schwer zu kompensieren sind, dadurch verursacht werden, dass die entsprechenden Einstellungen unter der Lafontaineund Klimmt-Administration versäumt worden sind?

Werter Kollege Hinschberger, das kann nicht sein. Selbst wenn die Regierung Lafontaine 1.000 Polizisten mehr eingestellt hätte, wäre jetzt die gleiche Anzahl in den Ruhestand gegangen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich sehe zumindest aus heutiger Sicht keine Möglichkeit, wie diese Regierung auf der Grundlage des jetzt vorgelegten Haushalts 2010 plötzlich 2011 gegensteuern will. Der Anfang hätte bereits in den Vorjahren, spätestens in diesem Jahr gemacht werden müssen. Wir blicken in den letzten Jahren auf durchschnittlich mehr als 130 geplante Ruhestandsversetzungen bei der saarländischen Polizei. Nehme ich die Quote der bisher nicht geplanten meist vorzeitigen Ruhestandsversetzungen hinzu, komme ich auf eine Planungsgröße von deutlich mehr als 150 Abgänge pro Jahr bis 2020.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die jahrelangen Debattenbeiträge der Abgeordneten Günter Becker und Georg Jungmann, die Vorwürfe von Innenministerin Kramp-Karrenbauer und des Innenministers Meiser über den vollzogenen Personalabbau in den frühen Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts sind die Debattenbeiträge von gestern und vorvorgestern. Die Einstellungspolitik des heutigen Ministers Toscani und des heutigen Staatssekretärs Georg Jungmann manifestieren dagegen den Personalabbau von heute und morgen. Wir reden nicht mehr über die Legislaturperiode von Anfang der Neunzigerjahre, sondern wir reden heute über die Jahre 2010 und 2020, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Die letzte Polizeistrukturreform - noch unter Frau Kramp-Karrenbauer - ging von einer Planungsgröße von 2.900 Beamten aus. Diese Zahl wurde nie erreicht. Wir bewegen uns momentan bereits auf einem Level von etwa 200 Kräften darunter und steuern auf eine Zahl von 2.600 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu. Die heutige Organisationsreform baut aber auf einer Zahl von 2.900 Kräften auf - etwa der Zahl an Polizeikräften, die beim Regierungswechsel 1999 seitens der Regierung Müller übernommen wurde. Paradigmenwechsel bei der CDU auf ganzer Linie. Angeblich unausweichliche sicherheitspolitische Gesetzgebung verfällt nolens volens auf dem Altar von Schwarz-Gelb-Grün. Erstmals setzt in der neueren Geschichte dieses Landes ein Personalabbau bei der Polizei ein, der in dieser Geschwindigkeit noch gestern auch von mir kaum für

möglich gehalten wurde. Die Versprechen in die Organisation von vor der Wahl hatten gerade einmal eine Halbwertszeit von einem Jahr.

Was meine ich mit diesem letzten Punkt? Noch im Haushalt 2009, der im Dezember 2008 verabschiedet wurde, hatte man sich seitens der CDU gebrüstet, den Titel für Mehrarbeit und Überstundenvergütung mit einem Haushaltsansatz von 55.000 Euro in 2008 um 150.000 Euro auf 200.000 Euro zu erhöhen. Diese nachvollziehbare und richtige Forderung der Beamtenbundgewerkschaften, der im Wahljahr gerne nachgekommen wurde, erweist sich nun als wenig nachhaltig. Denn bereits im aktuellen Haushalt geht man gar unter die Marke von 2008 zurück und kürzt diesen Titel um 160.000 Euro auf 40.000 Euro. Dazu ein Beispiel am Rande. 2009 wurde mit einem Finanzaufwand von 350.000 Euro ungefähr 22.000 Überstunden abgebaut. Bei einem Überstundenberg von immer noch rund 215.000 Überstunden ist ein Haushaltsansatz von 40.000 Euro geradezu ein Witz. „Da rentiert sich“ - ich zitiere Herrn Dörr von der GdP, der steht nun kaum in Verdacht, Argumentationshelfer für die SPD zu sein - „noch nicht einmal ein Rundschreiben in die Organisation. Da macht man besser nichts.“ - Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, Sie sind gerade dabei, erworbenen Respekt aus den frühen Jahren ihrer Regierungszeit bei den Polizistinnen und Polizisten zu verspielen. Spielen Sie nicht mehr mit Zahlen der frühen Neunzigerjahre, sondern widmen Sie sich dem Zahlenwerk der heutigen Zeit. Das beginnt nicht erst mit dem heutigen Tag der Haushaltsverabschiedung, werte Kollegin Kuhn-Theis, sondern es begann schon vor zwei Jahren mit einer verfehlten Einstellungspolitik, die sich nicht an den Zahlen der Ruhestandsversetzungen orientiert hat. Das bedeutet Personalabbau bei der Polizei durch die CDU und jetzt durch Jamaika. Vielen Dank!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Danke, Herr Abgeordneter Pauluhn. - Das Wort hat jetzt Abgeordneter Günter Heinrich von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Pauluhn, das war ja ein kabarettreifer Auftritt.

(Zuruf von der SPD: Er hat doch CDU-Positionen vorgetragen!)

Sie kritisieren, es seien Positionen aufgegeben worden. Sie sprachen die Kennzeichenüberwachung und die Videoüberwachung an.

(Abg. Pauluhn (SPD) )

(Abg. Pauluhn (SPD) : Ja!)

Das sind Positionen, die im Koalitionsvertrag in der Tat aufgegeben worden sind.

(Zuruf von der SPD: Und das ist dann kabarett- reif?)

Das ist das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Wir haben Koalitionspartner, die Wert darauf gelegt haben, dass diese Positionen so aufgenommen wurden. Das ist das Ergebnis von Koalitionsverhandlungen.

Sie sprachen in dem Zusammenhang auch von „Beliebigkeit“. Ich darf dazu noch einmal den Kollegen Hubert Ulrich zitieren, der gesagt hat, dass Sie von der SPD-Fraktion bereit waren, jeden einzelnen Punkt Ihres Programms aufzugeben, nur damit Heiko Maas Ministerpräsident wird!

(Lachen des Abgeordneten Jost (SPD). - Abg. Pauluhn (SPD): Welchen denn? Nennen Sie mir einen! Nennen Sie Ross und Reiter!)

Jede Ihrer Positionen. Sie waren bereit, jede Ihrer Positionen aufzugeben.

(Anhaltend heftige Zurufe von der SPD. - Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sie waren bereit, sich dem Diktat von Hubert Ulrich zu unterwerfen, nur damit Heiko Maas Ministerpräsident wird.

(Zurufe der Abgeordneten Rehlinger (SPD) und Commerçon (SPD).)

Sie sprachen hier auch davon, wir verlören den Respekt bei der Polizei. Mein lieber Kollege Pauluhn, wir verlieren den Respekt bei der Polizei? Wir haben die Anhörung zum Haushalt durchgeführt. Wir haben die Vertreter der Polizei, der Gewerkschaften eingeladen. Wir haben die GdP angehört. Ich muss Ihnen sagen, dass Sie ja nicht einmal den Respekt derjenigen Polizeibeamten genießen, die Ihrer Partei angehören. Selbst die sagen, dass das, was in der vergangenen Legislaturperiode unter Peter Müller bei der Polizei gemacht worden ist, Anerkennung verdient. Selbst die sagen, dass sie das vorher so nicht erlebt hätten.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Lachen bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich weiß ja, dass Sie versuchen, wieder einen engen Kontakt zur Polizei aufzubauen. Ich weiß, dass Sie versuchen, sich dort wieder ein Standbein zu schaffen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen, weil man Ihnen die Position, die Sie vertreten, nicht glaubt.

(Abg. Pauluhn (SPD) : Noch zwei solcher Podiumsdiskussionen!)