Protocol of the Session on January 19, 2011

(Beifall von der LINKEN.)

Die Landesregierung darf nicht beim Personal sparen, wenn es um die Gesundheit der Bevölkerung geht. Meine Damen und Herren, diese Einschätzung bekommt durch die aktuellen Vorkommnisse noch einmal einen ganz anderen Stellenwert.

Lieber Herr Verbraucherschutzexperte von der CDU, Sie haben eine Presseerklärung abgegeben. Gestatten Sie mir, Herr Präsident, dass ich daraus zitiere: „Sowohl personell als auch technisch ist der Bereich der Lebensmittelkontrollen im Saarland sehr gut aufgestellt, ein neues Dioxinlabor ist nicht nötig, zumal im Bedarfsfall die Zusammenarbeit mit RheinlandPfalz gut funktioniert.“

(Beifall und Zurufe „Bravo!“ von CDU und FDP.)

Herr Kollege Hans, als Sie diese Erklärung abgaben, hatten Sie sicherlich noch nichts von den Ergebnissen gehört, die sich im Saarland bei den sage und schreibe zehn Routinekontrollen auf Dioxin ergeben haben. Uns liegt das jetzt vor; Frau Ries hat es eben schon geschildert. Die Kontrollen stammen aus dem Mai, dem Juni und letztlich auch von An

(Abg. Schramm (DIE LINKE) )

fang September. Und erst am 26. Oktober wurden die Proben nach Speyer geschickt.

(Abg. Ries (SPD) : Angeblich! - Abg. Linsler (DIE LINKE): Hört, hört!)

Ich will Ihnen das jetzt noch einmal erklären, allen, die das eben noch nicht kapiert haben:

(Abg. Ries (SPD) : Genau!)

Die im Mai und im Juni gezogenen Proben wurden erst vier beziehungsweise fünf Monate später zur Untersuchung geschickt. Allein das ist schon ein Skandal im Skandal!

(Beifall und zustimmende Zurufe von der LINKEN und bei der SPD.)

Bis zum 13. Januar 2011 lagen aber immer noch keine Ergebnisse vor. Das ist nicht nur ein Skandal im Skandal, das ist der Super-GAU!

(Lachen des Ministers Weisweiler. - Vereinzelt Beifall von der Opposition.)

Aber auch nach Bekanntwerden des Dioxin-Skandals Ende des Jahres 2010 wurden keine zusätzlichen Stichproben gezogen. Man hat keine zusätzlichen Stichproben gezogen, weil man sich halt auf die anderen Ministerien verlassen hat. Schlimmer geht’s nimmer!

Ungeheuerlich und skandalös ist des Weiteren, dass anlässlich der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz am 12. Januar der Berichterstatter der Landesregierung auf die Frage nach zusätzlichen Stichproben bei Lebensmitteln dahingehend geantwortet hat, es stünden hierfür derzeit überhaupt keine Laborkapazitäten zur Verfügung, und das gar europaweit. Wir haben diese Aussage überprüft, und sie wurde als Lüge der Regierung entlarvt.

(Abg. Hinschberger (FDP) : Was?!)

Bereits das erste von uns im Rahmen einer profanen Google-Recherche binnen Sekunden ermittelte und sodann kontaktierte Prüflabor stünde für Untersuchungen zur Verfügung. Ich halte hier ein Angebot der SGS Institut Fresenius vom 17.01., also zwei Tage alt, in Händen, wonach Ergebnisse von Dioxinanalysen bereits nach drei Arbeitstagen nach Eingang einer Probe vorliegen. Ich frage angesichts dessen die Beteiligten: Was soll hier eigentlich vertuscht werden? Soll Ihnen die Fraktion DIE LINKE noch Mitarbeiter vermitteln, damit die Untersuchungsaufträge für Prüflabore ausgefüllt werden können?

(Große Heiterkeit bei den Oppositionsfraktionen. - Lachen bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Schmitt (CDU) : Besser nicht!)

Herr Minister, die von Ihnen übermittelten Daten der zehn Routineproben werfen noch weitere Fragen auf. Wo haben Sie zum Beispiel die Proben gezogen? Welcher Futtermittelhersteller hat geliefert? Gibt es bei diesen Proben Ergebnisse zur PCB-Belastung? Wenn ja, wie sind sie ausgefallen? Die Antworten auf alle diese Fragen sind nicht nur für die Abgeordneten im saarländischen Landtag wichtig, sondern vor allem für die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Lande.

Der nächste Skandal kommt, die nächste Sauerei im wahrsten Sinne des Wortes - wartet schon: Sogar in Bio-Eiern, auf die in den vergangenen Wochen verstärkt zurückgegriffen wurde, sind aufgrund verseuchten Maises erhöhte Dioxinwerte festgestellt worden, dies zwischenzeitlich in neun Bundesländern. Und was haben Sie, Herr Minister, im Saarland bisher getan? Nach der Ausschusssitzung in der vergangenen Woche haben Sie durch die Lebensmittelkontrolleure Informationsblätter mit den Chargennummern von verseuchten Eiern an den Handel verteilen lassen. Dies hätte drei Wochen früher erfolgen müssen!

An der gestrigen Sitzung haben Sie, das muss man auch erwähnen, teilgenommen und gemeinsam mit Ihren Amtskollegen ein 14-Punkte-Programm verabschiedet. Das Lebensmotto unseres Landes lautet, wie wir alle wissen, „Hauptsach, gudd gess“. Wir sind uns wahrscheinlich auch alle darin einig, dass wir keine Gifte im Essen haben wollen und dass wir es nicht zulassen dürfen, dass schwarze Schafe der Lebensmittelindustrie unser Genussempfinden vergiften. Es ist daher nur zu hoffen, dass die Inhalte des gestern verabschiedeten Programms schnellstens umgesetzt werden, dies allerdings ohne Zulassen der Ausnahmeregelungen, die jetzt schon wieder in die Diskussion gebracht worden sind. - Ich danke Ihnen.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

Das Wort hat der Abgeordnete der CDU-Fraktion Tobias Hans.

Sehr verehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2011 beginnt verbraucherschutzpolitisch sicherlich nicht ganz so glanzvoll, wie wir uns das alle gewünscht hätten. Das hat, liebe Kolleginnen Ries und Schramm, nicht unbedingt mit Ihren Redebeiträgen zu tun, die wir hier eben gehört haben.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Aber mit dem Handeln des Ministers!)

Anstatt sich auf das Thema verbraucherschutzpolitisch mit dem notwendigen Ernst einzulassen,

(Abg. Schramm (DIE LINKE) )

(Abg. Ries (SPD) : Das ist eine Frechheit! - Zuruf von der LINKEN: Unverschämt!)

gerieren Sie sich hier als Verbraucheraufhetzer und als Skandalisierer, und das, obwohl es im Saarland einfach keinen Skandal gibt.

(Abg. Ries (SPD) : Es ist doch ein Skandal, dass das noch vertuscht wurde!)

Und das ist unlauter!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Kolleginnen und Kollegen, was sich zunächst, gegen Ende des vergangenen Jahres und zu Beginn dieses Jahres, so anhörte, als handelte es sich um ein paar verseuchte Eier und einen kleinen Betriebsunfall, hat sich mittlerweile bundesweit zum größten Lebensmittelskandal seit der BSE-Krise in den Neunzigerjahren entwickelt. Das kann man, so glaube ich, hier mit Fug und Recht behaupten.

Die Dioxinfunde, die erhöhten Werte, die gefunden wurden, zerstören nicht nur weiter das Vertrauen der Verbraucher in unsere Lebensmittel, sondern könnten am Ende auch zahlreiche Bauern in den Ruin treiben. Die Bauern stehen letztlich ja nur am Ende der Kette. Möglicherweise werden sogar die Landwirte betroffen sein, die überhaupt nicht von den Dioxinbelastungen betroffen waren, deren Höfe vielmehr nur gesperrt wurden, weil man einen Verdacht hatte. Diese Landwirtinnen und Landwirte werden sicherlich nur ganz geringe Chancen auf eine Rückerstattung durch die Verursacher dieses Skandals haben.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Dann müsst ihr da rangehen! - Zuruf der Abgeordneten Ensch-Engel (DIE LINKE).)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns erneut der Frage stellen, und insoweit stimme ich Frau Kollegin Ries durchaus zu, ob unsere Lebensmittel Mittel zu einem gesunden Leben sein sollen oder aber zu einem Mittel zum Zweck verkommen sind, zum Zweck der möglichst günstigen Sättigung. Der deutsche Verbraucher ist ja insoweit ein seltsames Wesen. Er wünscht sich natürlich günstige Nahrungsmittel, diese sollen dann aber auch noch auf absolut hochwertigem Niveau sein, mindestens den gleichen Kriterien entsprechen, die für die Lebensmittel im Bioladen nebenan gelten, wo es aber das doppelte kostet.

Lebensmittel werden aber auch noch in anderem Sinne als Mittel zum Zweck genutzt, dienen dem Zweck der Förderung des Reichtums einzelner, in einer langen und unüberschaubaren Kette von Lebensmittelerzeugern versteckter Akteure. Dies, meine Damen und Herren, geschieht vor allem auch auf dem Rücken der Tiere, die elementarer Bestandteil unserer Schöpfung und eben auch des Lebenskreis

laufs unserer Erde sind, aber behandelt werden wie Teile einer Produktionsindustrie, einer „Industrie“, die mittlerweile sogar mit den gleichen Fetten „geschmiert“ wird, die in den Werkshallen nebenan zum Einsatz kommen.

Das beschwört dunkle Erinnerungen an die BSE-Krise der Neunzigerjahre herauf, als Tiermehl an Pflanzenfresser verfüttert wurde. Weil wir solche Dinge nicht wollen, Kolleginnen und Kollegen, weil sich diese Fragen aufdrängen und weil ein immer komplexer werdendes Erzeugersystem im Lebensmittelbereich eine systembedingt niedrige Transparenz bietet, muss Lebensmittelsicherheit, muss der Verbraucherschutz, muss die Lebensmittelüberwachung eine wichtige Aufgabe unseres Staates sein! Sie verdient unsere Unterstützung.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Kolleginnen und Kollegen, Deutschland wird ja wenn man den internationalen Vergleich betrachtet vergleichsweise selten Opfer von Lebensmittelskandalen. Das mag jetzt all denjenigen ein schwacher Trost sein, die durch die Dioxinfunde verunsichert oder betroffen sind, aber wir müssen uns ganz genau anschauen - und das hat bisher keiner meiner Vorredner getan -, woher überhaupt die ganzen Richtwerte im Bereich Dioxin kommen. Es gibt über 40 verschiedene Dioxine, das reicht vom SevesoGift, das wirklich hochgiftig ist, bis hin zu Dioxinen, die, wie Sie, Frau Kollegin Schramm, richtig sagen, sehr wenig erforscht sind. Wir müssen uns einmal anschauen, wie das überhaupt geregelt ist.

Seitenlange Verordnungen der Europäischen Union legen fest, wie viel Dioxine Lebens- und Futtermittel enthalten dürfen. Eier zum Beispiel, Sie haben es richtig gesagt, dürfen nicht mehr als 3 Pikogramm in einem Gramm Fett aufweisen. Ein Pikogramm ist der billionste Teil eines Gramms. Geflügelfleisch hat Höchstgrenzen von 2 Pikogramm pro Gramm Fett, bei Schweinefleisch ist es 1 Pikogramm pro Gramm Fett, Fisch hat 4 Pikogramm pro Gramm Fett und bei Fischleber hat die Europäische Union erst kürzlich den erlaubten Wert von 8 Pikogramm auf sage und schreibe 25 Pikogramm erhöht.

Was man nun als Verbraucher von diesen Werten nicht erwarten darf, ist, dass sie uns irgendeinen Aufschluss geben darüber, wie gesundheitsgefährlich oder wie unbedenklich es möglicherweise ist, wenn man diese Grenzen über- oder unterschreitet. Diese Werte geben nicht an, wo es anfängt, gesundheitsgefährlich zu werden - sonst dürften nicht in der Fischleber 25 Pikogramm drin sein und in den Eiern 3 Pikogramm -, sondern sie sagen etwas darüber aus, wo eine Vermeidbarkeit von Dioxinen in Lebensmitteln anfängt und welcher Bereich in Lebensmitteln mehr oder weniger unvermeidbar von Dioxinen belastet ist.

(Abg. Hans (CDU) )

Meine Damen und Herren, es ist ganz klar: Niemand will Dioxin im Essen haben! Aber woher kommen die Dioxine? Sie kommen in erster Linie aus den Umweltsünden, die es bis zu den Neunzigerjahren in unserem Land gab. - Ich mache noch diesen Satz fertig, Frau Kollegin, dann gestatte ich Ihnen sehr gern eine Zwischenfrage. - Ich will ein Beispiel nennen. Noch 1990 setzte die Verbrennung von 6 Millionen Tonnen Abfall fast 300 Gramm Dioxin in die Luft frei. Heute wird bei der Verbrennung des Mülls weniger als ein Tausendstel dessen freigesetzt, obwohl die Müllmenge sich verdoppelt hat. Daran sieht man, woher das Dioxin kommt. Ist es erst einmal in den Boden eingedrungen, dauert es 50 bis 100 Jahre, bis auch nur die Hälfte dieses Dioxins im Boden abgebaut ist. Dies als grundsätzliche Bemerkung, damit auch einmal festgestellt wird, woher diese Belastungen überhaupt kommen. Jetzt, Frau Kollegin Ries, gestatte ich sehr gerne eine Zwischenfrage.

Abg. Ries (SPD) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege Hans, ist Ihnen bekannt, dass die Weltgesundheitsorganisation mitgeteilt hat, dass wir als Menschen schon über die Maßen mit Dioxinen belastet sind und dass alles Zusätzliche krebsauslösend sein kann? Sie versuchen, das etwas zu relativieren. Sind Sie der Meinung, dass die Länder China, Südkorea und Tschechien durch ihre Einfuhrverbote für deutsche Geflügel- und Schweineprodukte sowie Eier überreagieren, oder sind Sie nicht der Meinung, dass vorsorgender Verbraucherschutz heißt, dass man Stoffe, die nicht in Lebensmittel gehören, von ihnen fernhalten muss? Das können wir nur über Kontrollen.

Frau Kollegin Ries, ich stimme mit Ihnen überein und mir ist bekannt, dass wir bereits eine Menge an Dioxin in unseren Körpern angesammelt haben. Mir ist zum Beispiel bekannt, dass ein 25-jähriger Mann heute etwa 25 Pikogramm Dioxinbelastung pro Gramm Fett hat. Das sind durchaus erschreckende Werte. Die Frage ist aber: Wie viel von dieser Belastung können wir beeinflussen, wie viel ist unvermeidbar? Ich stimme mit Ihnen überein: Ja, wir müssen absolut alles daransetzen, um zu verhindern, dass zusätzliche Belastungen durch Dioxine auf den menschlichen Körper einwirken. Lassen Sie mich auf das eingehen, was Sie eben gesagt haben im Zusammenhang mit China. Es ist zu lesen, dass China ein Einfuhrverbot für deutsche Eier verhängt hat, obwohl wir genau wissen, dass gerade aus China die ehemaligen Lebensmittelfette, die in Frittenbuden benutzt wurden, zur Biodieselproduktion nach Deutschland gekarrt werden. Diese Fette landen dann möglicherweise auf einer Produktionsstraße in einem Betrieb, der auch Futterfette herstellt, und

sind vielleicht der Verursacher für die Dioxinverseuchung unserer Lebensmittel.

(Abg. Ries (SPD) : Die waren aber nicht für Lebensmittel vorgesehen, sondern für die Industrie!)

Da habe ich schon mit ein wenig Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass die Chinesen ein Einfuhrverbot für deutsche Eiprodukte verhängt haben, Frau Kollegin Ries!