Protocol of the Session on November 18, 2010

Wir sollten heute Morgen, davor warne ich, die Gelegenheit nicht nutzen, vermeintliche parteipolitische Vorteile aus dieser Diskussion zu ziehen. Das bringt den betroffenen Menschen vor Ort überhaupt nichts.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Fakt ist, dass alle, die in diesen Prozess in irgendeiner Weise integriert waren, ihre Fürsorge für das Unternehmen wahrgenommen haben. An erster Stelle ist die Landesregierung zu nennen. Mein Fraktionsvorsitzender Klaus Meiser hat eben schon darauf hingewiesen: Die Landesregierung hat die Instrumentarien, die ihr zur Verfügung gestanden haben, um diesem Unternehmen zu helfen, in großer Verantwortung eingesetzt. Auch das sollte einmal gesagt sein.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es wird immer wieder die Bürgschaft kritisiert. Aber was hätte denn die Landesregierung tun sollen? Hätte sie das alles weiterlaufen lassen sollen? Wo wären wir denn, wenn sie auf die Stimmen gehört hätte, diese Dinge an der Arbeitsplatzsicherung festzumachen? Das wäre mir natürlich auch lieber gewesen, aber es gab doch überhaupt keinen Handlungsspielraum, verehrten Damen und Herren. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir müssen in dieser Frage verantwortungsvoll mit der Wahrheit umgehen. Meine Position ist folgende: Hätte die Landesregierung diese Bürgschaft - aus welchen Gründen auch immer - nicht gegeben, dann würden wir heute mit Sicherheit nicht mehr hier stehen und über den Standort Büschfeld diskutieren. Das war mir als Politikerin des saarländischen Landtags, die ihre Heimatregion verantwortungsbewusst vertritt, das Wichtigste. Deswegen habe ich immer hinter

dieser Entscheidung gestanden. Das möchte ich an dieser Stelle sagen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Jetzt hören wir, dass nach all den schrecklichen Hiobsbotschaften der letzten Wochen und Monate für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Silberstreif am Horizont zu sehen ist in Form von Finanzspritzen in Millionenhöhe für den Standort Büschfeld. Das ist für mich das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich jemals bekommen habe.

(Beifall von den Regierungsfraktionen - Zurufe von der Opposition.)

Ich denke, das ist auch ein positives Signal für die Familien mit ihren Kindern.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Ihr hättet die 13 Millionen nicht den Heuschrecken hinterherschmeißen sollen!)

Die Voraussetzungen für ein geordnetes Insolvenzverfahren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind geschaffen. Das bietet SaarGummi eine Riesenchance, aus dieser Insolvenz herauszukommen. Herr Professor Bierbaum, Sie haben auf die untypische Situation hingewiesen, dass ein Insolvenzverfahren auch eine Chance bieten kann. Aber in diesem Falle, was SaarGummi anbetrifft, hat dieses Insolvenzverfahren eine positive Wirkung gehabt. Ein geordnetes Verfahren kann auf den Weg gebracht werden, von dem ich glaube, dass es den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zum Wohle gereichen wird. Ich bin sehr optimistisch. Man hört, dass strategische Investoren Gewehr bei Fuß stehen, dass namhafte Interessenten bei SaarGummi einsteigen wollen. Das hat natürlich auch einen Grund. Wer die Hochwäldler kennt, weiß, dass sie zuverlässig sind, dass sie gute Arbeit verrichten und dass sie sehr, sehr fleißig sind. Ein Investor, der dieses Unternehmen übernimmt, hat allein schon einen Gewinn durch die guten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ort in Büschfeld.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine Bitte ist: Wir sollten jetzt alle an einem Strang ziehen und nicht kritisieren,

(Lachen bei der LINKEN)

wir sollten versuchen, zum Wohle der strukturschwachen Region Hochwald, zum Wohle des Standorts Büschfeld und in allererster Linie zum Wohle der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer Zunge sprechen, damit dieses Unternehmen in eine gute Zukunft geführt wird. Auch da stehen wir alle in der Verantwortung. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall von den Regierungsfraktionen.)

(Abg. Kuhn-Theis (CDU) )

Das Wort hat für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Dr. Magnus Jung.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass das Unternehmen SaarGummi heute in der Insolvenz ist, ist nicht die Folge von Staatssozialismus, sondern die Folge von Entscheidungen in der Privatwirtschaft. Privatunternehmer waren es, die diese Firma in die Insolvenz getrieben haben, Herr Kollege Meiser. Deshalb kann ich den Einstieg, den Sie in der Debatte gewählt haben, überhaupt nicht verstehen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Auch wenn es Privatunternehmen mit Kapitalinteressen waren, die diese Firma in die Insolvenz getrieben haben, ist es dennoch keine Privatangelegenheit, sondern eine Angelegenheit von großem öffentlichen Interesse, was dort geschehen ist und wie es in Zukunft mit den Arbeitsplätzen und der Wirtschaftsstruktur im Hochwald weitergeht. Deshalb ist eine Diskussion zu diesem Thema auch ein Zeichen der Solidarität der Abgeordneten des saarländischen Landtages mit den Beschäftigten, mit den Menschen im Hochwald.

Aber eine solche Diskussion kann sich nicht nur um das konkrete Beispiel drehen, denn SaarGummi steht pars pro toto für eine Fehlentwicklung in der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre generell. Es sind immer mehr Heuschrecken auf diesen Markt gekommen. Es gab immer mehr, für die nicht mehr der Mensch das Maß aller Dinge war, sondern der eigene Profit. Dieses Denken, das immer mehr um sich gegriffen hat, ist die Ursache dafür, dass solche Entwicklungen wie in Büschfeld überhaupt möglich waren.

Deshalb ist es auch unsere Verantwortung in der Politik, auf das Denken der Menschen einzuwirken, damit wieder andere Maßstäbe die Oberhand gewinnen, nicht nur in der gesellschaftlichen Debatte, sondern auch im Wirtschaftsleben. Der Mensch ist mehr als nur Mittel zum Zweck. Das muss die Devise unserer politischen Arbeit sein. Es wird Zeit umzudenken und es wird Zeit, den Rahmen wieder zu verändern. Wenn hier gesagt wird, die Rahmenbedingungen für die Hilfe des Staates sind nicht mehr so wie früher, deshalb können wir nicht helfen, dann frage ich: Wer ist für den Rahmen zuständig?

(Abg. Schmitt (CDU) : Die EU! - Weitere Zurufe von der CDU.)

Wir, die in der Politik aktiv Handelnden, sind für den Rahmen zuständig. Wenn der Rahmen nicht mehr passt, muss auch der saarländische Landtag sich dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen wie

der verändert werden. Das erwarten die Menschen von uns.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Worauf es jetzt ankommt, sind aber auch konkrete Hilfen für das Unternehmen vor Ort. Wir erwarten uns viel von den Unternehmen der Automobilindustrie, die wissen, dass sie hier einen stabilen Partner brauchen, der Liefersicherheit garantiert. Wir wissen, dass die Automobilindustrie weiß, dass sie strategische Partner braucht. Wir wollen deshalb in den nächsten Wochen und Monaten einen geordneten Prozess, zu dem auch die saarländische Politik einen Beitrag leisten kann. Hier geht es unter anderem um die Frage, ob es verhindert werden kann, dass in den nächsten Tagen und Wochen weiter Teile der Produktion von Büschfeld an andere Standorte verlagert werden. Die saarländische Landesregierung ist im Gläubigerausschuss vertreten, und ich fordere von dieser Stelle die Landesregierung auf, ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass es zu keinen weiteren Verlagerungen von Produktionseinheiten vom Standort Büschfeld an andere Standorte kommt.

Meine zweite Bitte oder Aufforderung an die Landesregierung: Von dieser Krise sind nicht nur die Beschäftigten am Standort selbst betroffen, sondern auch viele kleine und mittlere Unternehmen in der näheren Umgebung von Büschfeld. Der kleine Metallbauer, die Tankstelle, das Fuhrunternehmen, die Druckerei, viele dort, Unternehmen mit zum Teil nur zwei oder drei Mitarbeitern, haben fünf- und sechsstellige Beträge an Außenständen. Auch denen muss geholfen werden, damit sie in der Kette nicht ebenfalls in die Insolvenz geraten. Auch dies ist eine Bitte an die saarländische Landesregierung.

Alle müssen ihren Beitrag dazu leisten. In diesem Zusammenhang erwarten wir auch einen Beitrag des saarländischen Wirtschaftsministers. Dort, Kollege Hartmann, kann ich mir eine Frage nicht verkneifen: Wo waren Sie denn an diesem Samstagmorgen in der Betriebsversammlung? Das haben sich viele gefragt. Offensichtlich hatten Sie keine Zeit. Am Montag konnten wir nachlesen, wofür Sie an diesem Samstag Zeit hatten: zur Teilnahme an der Staatsjagd in Türkismühle. Das erinnert mich an andere Terminentscheidungen, die Sie getroffen haben. Das sollte sich in Zukunft ändern. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Fraktionsvorsitzender Oskar Lafontaine.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte heute geht es darum sich klarzumachen, dass eine Reihe von wichtigen Betrieben an der Saar Schwierigkeiten haben und dass die Landesregierung selbstverständlich gefordert ist, alle Anstrengungen zu unternehmen, um diese wichtigen Betriebe zu retten; denn es geht um Tausende von Arbeitsplätzen. Es sollte deshalb keine Mühe gescheut werden, diese Betriebe zu retten.

(Beifall bei der LINKEN und Teilen der SPD.)

Insofern begrüße ich, dass alle Fraktionen erklärt haben, sie wollen ihren Beitrag dazu leisten, dass das möglich ist. Was die inhaltliche Konzeption angeht, gibt es mittlerweile eine Gemeinsamkeit, die ich ebenfalls begrüße, dass nämlich Finanzinvestoren - der Volksmund nennt sie „Heuschrecken“ nicht mehr willkommen sind, weil sie eben keine strategischen Partner solcher Unternehmen sein können. Sie haben nur ein Interesse, das muss man ganz nüchtern sehen. Das Interesse besteht darin, einen maximalen Gewinn, eine maximale Rendite auf die investierten Mittel zu erzielen. Das deckt sich nicht mit dem Interesse einer langfristigen Sicherung des Standortes, wie wir immer wieder erlebt haben.

(Beifall bei der LINKEN und Teilen der SPD.)

Insofern ist es gut, dass dies quer durch die Parteien festgestellt worden ist. Ich weise aber darauf hin, dass bei anderen Betrieben, die im Gespräch sind, die Frage immer noch nicht geklärt ist, ob man auf Finanzinvestoren zurückgreift. Wenn man schon eine solche Betrachtungsweise hat, muss sie ausgeweitet werden und kann nicht nur für einen Standort gelten.

Deshalb lautet die zweite Frage, die ich hier stelle: Was sind eigentlich strategische Investoren? Diese Frage müssen wir beantworten. Wir haben das jetzt negativ beantwortet im Hinblick auf die Heuschrecken. Aber auch bei Zulieferern, die im selben Sektor oder in einem anderen Sektor arbeiten, kann man nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie unseren Erfordernissen an einen strategischen Investor entsprechen. An dieser Stelle möchte ich einen Ansatz, den wir seit Längerem vertreten, noch einmal in die Diskussion bringen. Der strategischste Investor für einen solchen Standort ist nach unserer Überzeugung die Belegschaft, denn sie hat das stärkste Interesse, dass Arbeitsplätze dauerhaft gesichert werden.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das ist natürlich ein Ansatz, der schon länger aus der Mode gekommen ist. Aber ich will hier noch einmal sagen: Wenn beispielsweise den Belegschaften Zugeständnisse abgepresst werden, wenn also das Geld der Belegschaften, das ihnen rechtmäßig zu

steht, im Unternehmen investiert wird, um den Betrieb zu sanieren, dann stellt sich doch die Frage, warum man die Belegschaften nicht - zumindest im Rahmen dieser Mittel - an ihren Betrieben beteiligt? Wir plädieren auf jeden Fall dafür und raten dazu, in Zukunft diesen strategischen Ansatz zu verfolgen. Das gilt für Regierungen, aber auch für die beteiligten Betriebsräte und Gewerkschaften.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das braucht man gar nicht polemisch zu diskutieren. Das war lange Zeit eine Diskussion quer durch alle Parteien. Es ging um die Frage, wie man die Belegschaften an der Sicherung ihrer zukünftigen Existenz beteiligen kann. Wir halten dies für einen Schwerpunkt und wir raten dazu, Anstrengungen zu unternehmen, diesen Ansatz weiter zu verfolgen, auch wenn das anfänglich vielleicht nur in Form einer Minderheitenbeteiligung der Fall ist. Irgendwann kommt vielleicht einmal die Sperre. Man muss dann sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Aber das ist ein wichtiger Ansatz.

Ich komme nun zur Landesbeteiligung. Es ist ja nicht so, wie das hier gesagt worden ist, dass die Landesbeteiligung heranzuziehen wäre, damit man erklären kann, warum der Betrieb in Nöten ist. Es geht doch gar nicht mehr um die Frage, ob das Land sich engagiert oder sich nicht engagiert. Um das hier einmal klarzustellen: Das Land hat sich ja zweifach engagiert, einmal in Form einer Bürgschaft und zum anderen in Form des Kaufs des Betriebsgeländes. Das war ohne jede Einschränkung richtig. Was allerdings innerhalb der Belegschaft diskutiert wird - und das muss geklärt werden -, ist die Frage, ob das Geld angesichts der inneren Verrechnungsstruktur in diesem Unternehmen auch zur Sicherung des saarländischen Standortes verwandt worden ist. Das ist eine Frage, die auf jeden Fall aufgeworfen und geklärt werden muss.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Und damit Sie nicht immer nur meinen, ich wollte Ihnen ans Leder: Diese Problematik gibt es ja nicht nur bei SaarGummi in Büschfeld. Das war auch das große Thema bei General Motors, bei der Sicherung des Opel-Standortes. Man hat dort gesagt, wenn der Staat Geld gibt, dann muss man zumindest sicherstellen, dass das Geld nicht irgendwohin fließt, wo es nicht zum Investment gedacht ist. Das ist die Frage, die auch hier beantwortet werden muss.

Ich komme aus Zeitgründen zu einem letzten Punkt. Herr Kollege Meiser, was Sie hier gesagt haben zum EU-Recht, ist schlicht falsch. Ich muss das in aller Klarheit sagen. Man kann ja gegen staatliche Beteiligung sein. Das ist Ihr gutes Recht. Aber zu behaupten, die staatliche Beteiligung sei mit dem EU-Recht nicht vereinbar, widerspricht -

(Abg. Meiser (CDU) : Das habe ich nicht behauptet.)

Doch! Das haben Sie hier behauptet. Das widerspricht doch all dem, was wir in der letzten Zeit gesehen haben. Denken Sie an die HRE. Die EU hat doch nicht danach gekräht, als die HRE voll verstaatlicht worden ist. Denken Sie an die IKB. Danach hat doch niemand gekräht. Denken Sie an all die staatlichen Investments europaweit. Das ist einfach der Versuch, Sand in die Augen zu streuen. Das haben Sie hier versucht. Sie können ja sagen, das Land will sich nicht engagieren. Sie sollten aber der Belegschaft in Büschfeld nicht sagen, man kann sich nicht engagieren. Das ist nämlich eine glatte Lüge.

Herr Abgeordneter Lafontaine, ich darf Sie an Ihre Redezeit erinnern.