Protocol of the Session on September 15, 2010

Das Wort hat für die FDP-Landtagsfraktion Herr Abgeordneter Christoph Kühn.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir verabschieden heute ein echtes Vergabe- und Tariftreuegesetz. Somit haben sich Ihre Hoffnungen und Erwartungen, Kollege Linsler, erfüllt. Von daher könnten Sie ja heute unserem Gesetz glücklich zustimmen.

Mit der Verabschiedung dieses Tariftreuegesetzes befinden wir uns unter den ersten Bundesländern und wir haben - der Kollege Wegner hat es eben schon angesprochen - Wort gehalten als Regierungsfraktion. Wir haben das Gesetz zu Beginn des Jahres angekündigt und wir werden es heute verabschieden. In vielen Debatten, die wir bereits zu diesem Thema geführt haben, wurden alle Argumente

ausgetauscht. Ich möchte noch einmal die Wichtigsten aus Sicht der Liberalen zusammenfassen.

Das Gesetz hat aus unserer Sicht folgende Ziele zu erfüllen: Vermeidung von Wettbewerbsverzerrung, Einhaltung der Tarifautonomie und ein möglichst geringer Bürokratieaufwand. Diese Ziele haben wir mit diesem Gesetz erreicht. Die Auswertung der Anhörung hat uns dazu veranlasst, weitere Optimierungen an unserem Gesetzentwurf vorzunehmen. So haben wir erstens das Gesetz auch für grenzüberschreitende Tätigkeiten ausgelegt. Für Projekte des ÖPNV hört unser Vergabe- und Tariftreuegesetz nicht an den saarländischen Landesgrenzen auf. Bei länderübergreifenden Leistungen ist von den Vergabestellen eine Einigung über die Anforderungen nach den §§ 3 bis 11 nötig. Es wird somit gewährleistet, dass auch bei überregionalen Verkehrsprojekten ein Tariflohn an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezahlt wird. Zweitens haben wir durch die Aufnahme von weiteren Präqualifizierungsverfahren die Rahmenbedingungen für solche Unternehmen gelockert, die sich häufig an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Bieter werden häufig von Vergabeverfahren ausgeschlossen, weil sie entweder einzelne Nachweise vergessen haben oder diese nicht mehr aktuell sind. Dieses Risiko wird nun durch die weiteren Präqualifizierungsmaßnahmen minimiert. Drittens haben wir das Saarländische Vergabe- und Tariftreuegesetz an bundesgesetzliche Regelungen angepasst. Die Möglichkeit des Wettbewerbsausschlusses ist deshalb auf eine Dauer von ein bis drei Jahren angesetzt worden. Diese wirksamen Sanktionsmaßnahmen sind auch notwendig, damit das Vergabe- und Tariftreuegesetz kein zahnloser Tiger wird.

Ich will kurz auf die vom Kollegen Roth angesprochenen 10 Prozent eingehen. Auch wir haben die Möglichkeit der Kontrolle, wenn das Angebot abweicht. Diese 10 Prozent - Sie hatten die Lohnkosten angesprochen - kommen jedoch nicht nur durch die Lohnkosten zusammen, deshalb war uns diese 10-Prozent-Grenze einfach zu niedrig. Es gibt in jedem Unternehmen unterschiedliche Kostenstrukturen und unterschiedliche Gewinnabsichten. Deshalb kann man diese 10 Prozent nicht ansetzen.

Meine Damen und Herren, bei aller Einigkeit mit der Opposition - es wurde bereits angesprochen - gibt es einen wichtigen Punkt, der uns unterscheidet, und damit sind wir bei der vorhin angesprochenen Tarifautonomie: Wir stehen zu der Tarifautonomie. Es ist aus unserer Sicht keineswegs Aufgabe der Politik, ausgehandelte Tariflöhne zu werten oder Gewerkschaften zu bevorzugen. Ich nehme Bezug auf Verdi, weil sie immer zitiert wird; auch Verdi hat mal klein angefangen. Würden wir heute argumentieren und agieren, wie Sie es wollen, wäre Verdi heute nicht so groß geworden, wie sie es jetzt ist.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) )

(Zuruf des Abgeordneten Roth (SPD).)

Dabei wäre es aber nicht geblieben, auch die haben mit ein paar Mitgliedern angefangen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Roth (SPD) : Nee! Weiß er, wovon er redet? Weitere Zurufe.)

Oder durch den Zusammenschluss. - Aber auch die Vorgängergewerkschaften haben mal klein angefangen. Von daher, Herr Kollege, weiß ich schon, wovon ich rede.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das vorliegende Gesetz der Regierungsfraktionen ist gut, praxisorientiert und schützt wirksam die Interessen der saarländischen Unternehmer und ihrer Belegschaften. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Claudia Willger-Lambert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bedauerlich, wenn vonseiten der Opposition diesem Gesetzentwurf nicht zugestimmt wird. Dieses Gesetz stellt auf jeden Fall - auch aus Sicht der Opposition - einen wesentlichen Fortschritt dar. Ich bin jedenfalls froh, dass wir heute dieses Gesetz verabschieden. Es ist ein umfassendes Gesetz, umfassender als das, was ich vorher für möglich gehalten habe, weil es Bau-, Liefer- und Dienstleistungsverträge beinhaltet. Ein fairer Wettbewerb ist gewährleistet, es sind teilweise abschließende Regelungen für den ÖPNV und für den grenzüberschreitenden Verkehr zu finden. Es sind soziale und ökologische Standards vereinbart, die uns sehr wichtig sind und die bisher zu kurz gekommen sind. Wir haben mit dieser Vereinheitlichung auch mehr Transparenz geschaffen.

Es ist ein rechtlich sehr schwieriges Thema, das man sehr differenziert betrachten muss. Verschiedene Probleme, die wir gerne lösen würden, können wir auch nicht lösen. Deshalb ist an einigen Stellen wirklich Ehrlichkeit gefragt.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Was haben wir davon, wenn ein größeres Bauvorhaben nicht weitergehen kann, weil eine Vergabe beklagt wird? Was sollen wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen, wenn dadurch Verzögerungen eintreten? Wir brauchen daher ein praxistaugliches Gesetz. Dieses Gesetz ist europarechtskonform und ist kompatibel mit den bundesrechtlichen Regelungen.

Verschiedene Hinweise, die wir im Rahmen der Anhörung bekommen haben, sind aufgegriffen und eingearbeitet worden.

Es sind zusätzliche Möglichkeiten der Präqualifizierung geschaffen worden. Das hilft gerade den kleineren und mittleren Unternehmen, damit sie keinen zu großen bürokratischen Aufwand haben. Sie können dadurch flexibler agieren. Auch das ist eine wichtige und wesentliche Änderung gewesen. Es ist sehr bedauerlich, wenn es als marginal dargestellt wird, als etwas mehr oder weniger Unbedeutendes.

Es gibt noch eine ganze Reihe von Problemen, die vor Ort gelöst werden müssen, das ist auch aus der Stellungnahme des Landkreistages sehr deutlich geworden. Wie schafft man es zum Beispiel, eine gemeinsame Vergabe und einen Vergabepool zu realisieren, um sich gegenseitig zu unterstützen? Ich glaube, das geht nur, wenn wir gemeinsame Absichten positiv formulieren. Es müssen vor Ort Gemeinsamkeiten geschaffen werden. Es geht nicht, dass wir als Gesetzgeber verordnen, dass bestimmte Sachen gemacht werden.

Wünschenswert ist auch mehr Fortbildung, weil schwierige Sachverhalte zu beurteilen sind. Ebenso geht es um Arbeitsgruppen, die man möglicherweise für das Beschaffungswesen einrichtet, oder um Ansprechpartner bei der Landesregierung. Gerade eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit halten wir für durchaus anstrebenswert und für sehr wichtig. Unterstützende Maßnahmen vonseiten der Landesregierung sind also geplant. Mehr Kontrolle kann auch für andere Vorhaben wünschenswert sein. Wir wünschen uns zum Beispiel mehr Kontrolle, wenn es um den Bereich Nichtraucherschutz in den Gaststätten geht. Dann ist es aber auch wichtig, ehrlich zu sein und zu sagen: Wer macht es wo und wer bezahlt es? Ich bin mir sicher, wenn wir so etwas in das Gesetz reinschreiben würden, gäbe es unter Umständen von kommunaler Seite vehementen Protest, wenn wir nicht sagen würden, wie das finanziert wird.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Versuchen Sie es doch mal!)

Kontrollen sind nicht ausgeschlossen, sie sind durchaus erwünscht, aber die Finanzierung und die Organisation müssen geregelt werden, damit ein sinnvolles Werk entsteht.

Ich möchte noch eins ganz deutlich machen: Wir haben diesen Gesetzentwurf nicht deswegen eingebracht und die Beratungen durchgeführt, weil wir dringend nach Möglichkeiten suchen, wie dieses Gesetz umgegangen werden soll, sondern wir haben uns sehr ernsthaft damit auseinandergesetzt. Es geht ausschließlich darum, einem moralischen Anspruch, den ich für öffentliche Auftraggeber insgesamt sehe, hier Genüge zu tun. Was den Mindestlohn anbelangt, denke ich, so sehr ich mich mit Min

(Abg. Kühn (FDP) )

destlohnforderungen anfreunde, dass er auf Bundesebene zu fordern ist. Ein saarländischer Mindestlohn, wozu soll dies denn führen?

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Wegen der Branchentarife!)

Das ist etwas, was ich in dieser Weise nicht unterstützen kann. Es gibt Forderungen, dass wir einen repräsentativen Tarifvertrag festlegen. Warum sollen wir das eigentlich unbedingt festlegen müssen? Warum ist man hier nicht in der Lage, einen Branchentarifvertrag abzuschließen? Das ist die richtige Forderung. Es kann doch nicht sein, dass wir als Landesgesetzgeber uns über Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen einfach hinwegsetzen, die derzeit noch nicht in der Lage sind, einen Branchentarifvertrag zu verabschieden.

(Zuruf der Abgeordneten Ries (SPD).)

Eine Einigung über einen Branchentarifvertrag wäre wünschenswert. Ich finde die Diskussion sehr bedauerlich. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Linsler (DIE LINKE) : Claudia, du verstehst davon nichts.)

Das Wort hat die Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des heutigen Gesetzentwurfs findet eine aus meiner Sicht lange und in der Tat sehr intensive Auseinandersetzung und das Bemühen um Tariftreueregelungen im saarländischen Landtag ein vorläufiges Ende. Diese Bemühungen, dieses ernsthafte Interesse und das ernsthafte Sich-Miteinander-Auseinandersetzen ist in diesem Hause eigentlich seit 1997 erkennbar. Alle Landesregierungen, egal, welcher Couleur sie angehört haben, haben sich in ihrer Verantwortung jeweils um eine entsprechende Regelung bemüht.

Auch wir waren diesem Hause schon vor zweieinhalb Jahren kurz vor der Verabschiedung eines gemeinsamen Gesetzes, als dann durch das RüffertUrteil und das Ende der Legislaturperiode sich neue Zeitabläufe ergeben haben. Bisher ist in den Debatten sowohl im Plenum als auch in den Anhörungen im Ausschuss eigentlich immer spürbar gewesen, dass es allen Beteiligten um das Ringen um die beste Lösung geht. Da ist es umso bedauerlicher, dass dann, wenn es am Ende zum sogenannten parlamentarischen Showdown im Plenum kommt, der eine oder andere seine intellektuelle Redlichkeit, die er in Vier-Augen-Gesprächen durchaus an den Tag legt, an der Garderobe abgibt und in alte Freund

Feind-Verhältnisse und Schemata verfällt. Ich glaube, das tut der Sache wirklich Abbruch.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Linsler (DIE LINKE) : Ross und Reiter! - Abg. Schramm (DIE LINKE): Die schwätzt nur drumherum.)

Sehr geehrter Herr Kollege Roth, Sie haben schon bei der Einbringung des Gesetzes krampfhaft versucht, künstlich Gegensätze aufzubauen, wo keine sind. Sie haben damals der geneigten Öffentlichkeit versucht zu erläutern, dass der Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben, wesentlich weiter geht als der, den die Koalitionsfraktionen eingebracht haben. Sie haben dabei nicht erwähnt, dass der Paragraf, auf den sich der Koalitionsentwurf sozusagen bezieht, in Ihrem Gesetzentwurf nur wortwörtlich abgeschrieben worden ist.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Was?)

Das hat mit Redlichkeit nichts zu tun. Das ist der Versuch, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Deswegen ist er schädlich für die Debatte, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Auch wenn heute der Eindruck erweckt wird, die einen sind diejenigen, die nur ein Tarifgesetz wollen, damit es so ein Tariftreuegesetz dem Namen nach im Lande gibt, und die anderen sind die wahren Bewahrer, sozusagen die Gralshüter der wirklichen Tariftreue, dann ist auch das ein Gegensatz, der so nicht stimmt. Das kann man an vielen Punkten deutlich machen. Viele Punkte, die Sie angesprochen haben, sind nicht haltbar.

Ich darf beginnen beim vergabespezifischen Mindestlohn. Wir haben in der Anhörung die Expertise von Professor Hanau gehabt. Er hat klipp und klar gesagt, dass es höchste europarechtliche Bedenken gibt, wenn wir einen vergabespezifischen Mindestlohn einführen. Dass es diese Bedenken und Widersprüche gibt, sieht man auch in den Begründungen der entsprechenden Gesetze in Berlin und in Bremen. Berlin weist in seiner Begründung darauf hin, dass die Bremer Regelung über den Mindestlohn gegen das Inländerdiskriminierungsverbot der EGVergaberichtlinie verstoße. In Bremen wird gerade umgekehrt argumentiert.

Das zeigt, wir bewegen uns hier auf einem europarechtlich dünnen Eis. Man muss sich dann schon entscheiden, ob man ein Gesetz will, das der Symbolik Rechnung trägt, oder ein Gesetz, das rechtskonform und anwendbar ist. Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden, weil das im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liegt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

Das Gleiche gilt für den Bereich der Leiharbeitnehmer. Sie wissen genau, dass das Rechtsverhältnis bei Leiharbeitnehmern begründet wird zwischen denen, die sozusagen die Entleiher sind, und den Arbeitnehmern. Dieses Rechtsverhältnis ist abschließend im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt, bundesrechtlich. Das heißt, wir haben keinen Handlungsspielraum. Wir können hier nichts regeln. Im Übrigen haben das andere Länder eingesehen. Denn in Niedersachsen, Berlin, Bremen, in der Hansestadt Hamburg und in den Entwürfen von Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg und Thüringen ist genau auf die Regelung für Leiharbeitnehmer aus diesen Gründen verzichtet worden. Also tun Sie doch nicht so, als ob wir hier eine große Gruppe rechtsfrei stellen würden,

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Doch!)

deren Rechtsverhältnisse abschließend über Bundesrecht geregelt sind. Das erkennen andere Länder an. Das ist unredlich, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)