Protocol of the Session on August 25, 2010

Für uns spielt die Wahlfreiheit der Eltern in den Überlegungen eine große Rolle. Das ist ein zentraler Aspekt. Wir werden daher den Eltern so ausdifferenzierte Angebote vorlegen und diese mit ihnen so intensiv diskutieren, dass sie ihre Wahlfreiheit auch tatsächlich nutzen können.

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

An die Adresse der Opposition gerichtet möchte ich sagen, dass wir hier eine Debatte beginnen, die mit sehr großer Verantwortung verbunden ist. Man sollte daher hier nicht unberechtigte Ängste schüren, sondern immer wieder die gemeinsamen Ziele deutlich machen. Sie sagten, dass Sie eine Paketlösung wollen. Eine Strukturdebatte soll nach Ihrer Auffassung nur bei entsprechender Qualitätsverbesserung geführt werden können, die tatsächlich vorhandene Qualitätsverbesserung stellen Sie aber in Abrede. Angesichts dessen erscheint mir der Hinweis angebracht, dass Sie schon aufpassen müssen, wie Sie ihr Paket schnüren. Wir alle hier stehen in der Verantwortung. Abhängig auch vom jeweils eigenen Einfluss auf den Verlauf der Debatte werden notwendige Strukturveränderungen ermöglicht oder aber für lange Zeit verhindert. Die langfristige Verhinderung der notwendigen Strukturveränderungen kann aber im Grunde niemand hier verantworten. Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Lothar Schnitzler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister hat uns einen Katalog von Ideen und angedeuteten Maßnahmen präsentiert. Zu diesem Katalog könnten wir zunächst einmal sagen, dass in ihm viel Gutes enthalten ist, viel Wahres angesprochen wird. Uns stellt sich aber die Frage, wie viel an Qualitätsverbesserung und welche wirklich strukturell wirksamen Veränderungen tatsächlich dahinterstehen.

Ich möchte hier speziell zu dem Thema Ganztagsschule etwas sagen, weil das in der Betrachtung etwas, wie ich finde, oberflächlich dargestellt wurde. Es ist richtig und notwendig, dass Schule sich den gesellschaftlichen Veränderungen entsprechend verändern muss. Deswegen kann man sagen, dass uns die Dauerbaustelle Schule auch in Zukunft begleiten wird. Aber wir müssen natürlich dafür sorgen, dass die Ganztagsschule und deren Ausstattung den Veränderungen der Gesellschaft Rechnung trägt. Ich erinnere nur daran, dass die sich stark verändernde Arbeitswelt eine Flexibilität von Arbeitnehmern erfordert, die den Eindruck erweckt, als wäre der bindungslose Single der ideale Arbeitnehmer, der auf alle möglichen Veränderungen der Arbeitszeit, der Arbeitsplätze und der -orte reagieren kann. Es stellt sich die Frage, wie man Familie und Schule so gestalten kann, dass die berufliche Tätigkeit gerade auch von Frauen möglich ist unter Berücksichtigung dessen, dass die Kinder dann auch entsprechend betreut, aber auch gebildet werden. Da empfehle ich Ihnen, Herr Minister, sich einmal die Ganz

tagsschulen in Saarbrücken oder Saarlouis anzuschauen, wie an der Wiedheck oder auf dem Rastpfuhl Schulen organisiert wurden, die diesen Bedingungen Rechnung tragen. Da kann man sehen, welche qualitative und personelle Ausstattung eine Schule nach unserem Verständnis haben müsste.

Die veränderte Familiensituation mit einer hohen Scheidungsquote und mit einem hohen Anteil an Einzelkindern erfordert es, dass sich die Schule verändert. Die Schule ist mehr als ein Lernort, das haben Sie richtigerweise gesagt. Sie ist mittlerweile auch ein starker Bezugspunkt, ist der Ort, wo das soziale Leben von vielen Kindern sich abspielen muss, weil die Familien aufgrund ihrer Struktur und Situation gar nicht mehr in der Lage sind, die Erziehung der Kinder zu übernehmen.

Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von der Vereinzelung und Verinselung der Kindheit. Damit ist gemeint, dass Einzelkinder weder in der Nachbarschaft noch in der Verwandtschaft Kinder finden, die altersgemäß als Spielkameraden infrage kämen. Man hat den Eindruck, dass der Computer mehr und mehr die reale Spielwelt und die realen Kontakte von Kindern ersetzen muss, weil sie einfach nicht mehr die Möglichkeiten haben, mit anderen Kindern zu Hause spielen zu können. Freies Spiel in der Nachbarschaft oder in der Umgebung ist heute kaum noch möglich. Die Straßen sind von Autos zugeparkt, freie Plätze zum Spielen sind bei dichter Bebauung kaum noch zu finden.

Wenn man sich diese Punkte ernsthaft anschaut, ist klar, dass die Schule darauf reagieren muss. Wir brauchen deshalb Ganztagsschulen, die darauf reagieren, nicht nur durch ein differenziertes Lernen, sondern auch indem sie soziale Erfahrungsräume anbieten, die Kinder zusammenführen und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln. Deshalb ist es unverständlich, Herr Minister, dass Sie die Projektmittel gestrichen haben, die Vereine in die Schulen bringen, damit dort auch von außen entsprechende qualitative Angebote für Kinder gemacht werden können.

Sie haben kein Wort zu einem kostenfreien warmen Mittagessen für Kinder gesagt, denn das wäre -

Herr Abgeordneter Schnitzler, ich darf Sie an Ihre Redezeit erinnern und Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ja, Herr Präsident. - Sie haben auch die fehlende Schullaufbahnempfehlung angesprochen. Dabei sind Sie nicht darauf eingegangen, dass wir jetzt noch nicht sagen können, ob das nicht dazu führt, dass mehr Kinder fehlplatziert eingeschult wurden

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

und dadurch am Ende des fünften Schuljahres vielleicht vermehrt Kinder wechseln. Das werden wir abwarten müssen. An diesem Punkt, denke ich, haben Sie das Ganze zu früh gelobt.

Noch ein letzter Punkt. Sie haben auch kein Wort gesagt zu Förderpersonal und Fördereinrichtungen im Sinne von Schulsozialarbeit oder zu psychologischer Betreuung. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Das Wort hat für die CDU-Fraktion Frau Abgeordnete Gisela Rink.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Großen und Ganzen - mit kleinen Ausnahmen - erleben wir heute eine Bildungsdiskussion, die sehr stark von Sachlichkeit geprägt ist; ich bemerke das ausdrücklich sehr positiv. Nicht passend dazu empfinde ich den Antrag der SPD-Landtagsfraktion zum Bereich der Ganztagsschulen.

(Zuruf des Abgeordneten Maas (SPD).)

Herr Fraktionsvorsitzender Heiko Maas, bleiben Sie ganz ruhig! Es geht um den Inhalt. Ich werde gleich auf den Inhalt dieses Antrages näher eingehen. Vielleicht wird Ihnen dann bewusst, dass es besser wäre, wenn Sie sich an der Sachlichkeit orientieren würden, bevor Sie Anträge stellen, auch wenn Sie dieses Thema immer sehr polemisch diskutieren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir diskutieren heute die Chance, gemeinsam eine moderne, leistungsfähige und gerechte Bildung für unsere Kinder einzuführen. Es wurde oft das Wort "Qualität" genannt. Dies ist unser Ziel: allen saarländischen Schülerinnen und Schülern unabhängig von der sozialen Herkunft - ich betone das ausdrücklich die besten Chancen zu eröffnen, einen möglichst qualitätsvollen Schulabschluss zu erreichen.

Ein zweiter Punkt wurde heute schon häufig erwähnt, aber ich will es ausdrücklich noch einmal betonen: Wir möchten ein Höchstmaß an Wahlfreiheit sowohl für die Bildungsgänge der Kinder, als auch im Bereich der Ganztagsschule. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Schulstruktur, die langfristig trägt, den Schulfrieden sichert und einen großen gesellschaftlichen Konsens erhält.

(Beifall des Abgeordneten Schmitt (FDP).)

Dies alles sind die Ziele, und ich hoffe, dass wir gemeinsam in sachlicher Diskussion einen Weg finden, diese Ziele zu verwirklichen.

Das Kooperationsjahr Kindergarten und Grundschule ist natürlich ein Bereich, der uns als CDU

sehr wichtig ist. Wir haben schon sehr früh die frühkindliche Bildung ins Bewusstsein gebracht und sehr viele Maßnahmen unter dem CDU-Bildungsminister und der -Bildungsministerin auf den Weg gebracht. Es ist für uns eine Fortführung dessen, was wir immer wollten: frühes Lernen, frühkindliche Bildung und nun die stärkere Verzahnung der Schnittstelle Kindergarten und Grundschule auf der Grundlage des von der CDU eingebrachten Bildungsplans, der mit vielen Praktikern erarbeitet wurde. Ich glaube, dies ist ein ganz wichtiger Schritt.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Zum Bereich der Grundschule brauche ich nicht das zu wiederholen, was von den Rednern der JamaikaKoalition schon ausdrücklich gesagt wurde. Zum Bereich der Förderschulen erwähne ich ausdrücklich unser Drei-Säulen-Konzept, das im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist: eine Verstärkung der bereits vorhandenen Integrationsmaßnahmen, den Erhalt der Förderschulen in guter Qualität und der präventive Einsatz von Förderlehrern an Regelschulen. Das ist - das sage ich noch einmal ausdrücklich - orientiert am Wohl des Kindes. Ich denke, gerade in diesem Bereich sollten wir das Kind in den Mittelpunkt stellen.

Wir werden das Zwei-Säulen-System etablieren mit dem Gymnasium, das das Abitur nach insgesamt 12 Jahren anbietet, und der Gemeinschaftsschule, die das Abitur nach insgesamt 13 Jahren ermöglicht. Wir werden - das sage ich auch noch einmal - die beiden Schulformen ERS und Gesamtschule zusammenführen, ohne dass die beiden Schulformen ihre Identität verlieren.

Nun zum fünften Grundschuljahr - dem großen Diskussionsthema. Wir sagen ganz klar, dass es eine ergebnisoffene Diskussion geben wird. Ich halte dies für den richtigen Weg. Wir werden das fünfte Grundschuljahr diskutieren, wir werden es allerdings auf die Grundlage einer breiten Akzeptanz stellen. Ich glaube, hier können wir miteinander diesen Weg gehen.

Eines muss ich jedoch zu den Rednern der Opposition anmerken. Sie fordern die Gemeinschaftsschule mit eigener Oberstufe. Ich frage mich: Werden wir dann demnächst hier im Saarland Schulschließungen bei den Oberstufengymnasien haben? Wir bieten ja Oberstufengymnasien an und haben auch im Bereich der beruflichen Schulen ein sehr gutes Angebot. Hier gilt es aufzupassen, um nicht diese bewährte Schulstruktur zu zerschlagen. Frau Kollegin Spaniol, Sie sagen, die LINKE will alle Schulformen aus der Verfassung streichen. Die CDU sagt ganz klar: Das grundständige Gymnasium wird in der Verfassung festgeschrieben. Dazu stehen wir, das werden wir auch nicht zurücknehmen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) )

Lassen Sie mich jetzt kurz auf den SPD-Antrag eingehen. Ich muss ganz ehrlich sagen, er ist so polemisch, dass man im Grunde genommen gar nicht viel Zeit verlieren sollte, ihn zu diskutieren. Einige Anmerkungen möchte ich dazu jedoch machen. Sie reden die Freiwillige Ganztagsschule wieder schlecht, obwohl es eine immer größere Inanspruchnahme gibt, obwohl sich das Modell bewährt, obwohl wir weitere Gruppen haben. Genau diese größere Inanspruchnahme führte dazu, dass zusätzliche Gruppen eingerichtet und finanziell ausgestattet werden mussten. Sie sprechen die Kooperationen mit Vereinen an. Ich erlaube mir den Hinweis, den der Minister schon brachte: Diese wurden nur unter 50 Prozent in Anspruch genommen. Wir haben außerdem Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen. Ich habe das Gefühl, Sie wissen gar nicht, dass es noch andere finanzielle Quellen gibt, um Vereine in Schulen zu bringen, was uns immer sehr wichtig war. Es gibt derzeit über 120 Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen. Dies sind Kooperationen, von denen eine Freiwillige Ganztagsschule profitieren kann.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Auch im Bereich der Ganztagsschulen gilt für uns, wir wollen ein flächendeckendes qualitativ hochwertiges Schulangebot mit verschiedenen Ganztagsangeboten. Auch wenn die SPD sagt, es ist Flickschusterei. Verschiedene Ganztagsangebote bedeuten aber für die Eltern Wahlfreiheit und Wahlfreiheit ist uns ganz wichtig. Jeder soll die Möglichkeit haben, sein Familienleben so zu gestalten, wie er es für richtig empfindet.

Sie bringen immer das Nachbarland Rheinland-Pfalz als positives Beispiel. Schauen Sie sich genau an, wie es in Rheinland-Pfalz ist. Erstens gibt es dort eine andere Finanzierung mit dem Personalbudget. Wenn Sie es durchrechnen, Herr Kollege Commerçon, werden Sie auf Zahlen kommen, die weit unter denen liegen, die wir den Gruppen anbieten. Ich habe eine Beispielrechnung durchgeführt: Bei zwei Gruppen in der Grundschule haben wir 10 Lehrerwochenstunden plus 60.000 Euro Personalkosten, die wir dem Träger zur Verfügung stellen. Eine Grundschule mit zwei Gruppen in RheinlandPfalz weist einen leicht höheren Lehrerstundeneinsatz auf - es sind 15 Lehrerwochenstunden -, aber dafür stehen nur 19.000 Euro zur Verfügung. Ich frage Sie jetzt, was ist das qualitativ bessere Angebot, wie kann der Träger damit besser umgehen, gebe ich ihm mehr Geld in die Hand oder gebe ich ihm mehr Personal? Ich finde es schlicht gesagt eine Unverschämtheit zu behaupten, dass wir im Saarland die Mindeststandards nicht erfüllen, die in Rheinland-Pfalz gewährleistet sind.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich zitiere aus Ihrem Antrag: „Dabei sind Mindeststandards zu wahren, wie sie in unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz bereits seit vielen Jahren erfüllt werden.“ - Ich zitiere jetzt aus der Homepage einer Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz: „Die Ganztagsschüler werden von 08.15 Uhr bis 16.05 Uhr an unserer Schule betreut. In den Bereichen Fördern und Hausaufgaben sind überwiegend Lehrer im Einsatz, die von außerschulischen Mitarbeitern unterstützt werden.“

(Zurufe des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

- Es geht weiter, Herr Kollege. Ich glaube, jetzt wird es interessant. „Unsere außerschulischen Mitarbeiter, es sind zum größten Teil Mütter von Kindern unserer Schule, aber auch Mitarbeiter wie Studenten, Ruheständler und viele andere mehr, erfüllen mit viel Einsatz unser Ganztagsschulangebot mit Leben. Der AG-Bereich wird fast ausschließlich von ihnen gestaltet.“ - Nun frage ich Sie, was ist das qualitativ hochwertigere Angebot? Ich kann nur sagen, unsere Personalstandards im Saarland sind höher als die von Rheinland-Pfalz. Aber ich möchte diese Schulen nicht schlechtreden; ich weiß, dass die außerschulischen Mitarbeiter Personen sind, die sehr engagiert diese Arbeit in den Ganztagsschulen übernehmen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich fasse zusammen. Wenn wir über Bildung diskutieren, wenn wir über Ganztagsschulen diskutieren, dann sollten wir doch bitte sachlich bleiben. Setzen Sie nicht irgendwelche Sachen aus Rheinland-Pfalz, die Sie mal gehört haben, einfach in einen anderen Kontext, sondern schauen Sie sich vor Ort um. Gehen Sie auf die Homepage der Ganztagsschulen. Das Beispiel war eine Ganztagsschule in Dierdorf, die, wie mir berichtet wurde, sehr gut arbeitet. Wir sollten eine sachliche Diskussion führen und nicht polemisch Dinge schlechtreden, nur weil sie uns einfach nicht ins Konzept passen. Ich wiederhole, wir wollen Qualität, wir wollen die Wahlfreiheit. Das ist für uns sehr wichtig. Ich kann Ihnen nur anbieten, gehen Sie gemeinsam mit uns den Weg für ein gutes bildungspolitisches Konzept in unserem Land, insbesondere zum Wohl unserer Kinder. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Ulrich Commerçon.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte war bis zum letzten Redebeitrag heute Morgen von einer großen Sachlichkeit geprägt.

(Abg. Rink (CDU) )

(Oh-Rufe bei der CDU.)