Im Gegenteil: Sie wollen hier kurz vor der Bundestagswahl - sic! - den Eindruck erwecken, die Grundstückseigentümer und Grundstückseigentümerinnen von der ungeliebten Abgabe zu entlasten. Tatsächlich verschieben Sie die Verantwortung nur in die kommunalen Vertretungen.
Entgegen anderslautender Versprechungen aller Fraktionen vor der Landtagswahl erstatten Sie den Städten und Gemeinden den Einnahmeausfall nicht, der aus diesem Verzicht folgt.
Dazu ist Ihr Gesetzentwurf auch noch handwerklicher Murks. Ich gebe zu: Der Zusammenhang zwischen Gemeindeordnung und Kommunalabgabengesetz ist nicht immer leicht zu verstehen. Aber hatten wir nicht erst im Frühjahr eine Anhörung zu dem Thema, in der alle angehörten Juristen auf diesen Zusammenhang hingewiesen haben? Da hätte es doch gereicht, die Anhörungsunterlagen zu lesen, oder ist das zu viel verlangt?
Außerdem ist Ihr Gesetzentwurf auch noch unvollständig, aber das könnte Absicht sein. Wille der Koalitionäre - das haben wir gerade wieder gehört ist es, dass der Verzicht auf die Erhebung der Beiträge nicht zu Nachteilen bei der Genehmigung des Kommunalhaushaltes führen darf. Wieso findet sich denn dazu nichts im Gesetzentwurf, sondern nur in der Begründung? Verbindlichkeit geht ein bisschen anders.
Viel schlimmer finde ich, dass der vollmundig versprochene finanzielle Ausgleich auf den SanktNimmerleins-Tag verschoben wird. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich aus dem Koalitionsvertrag:
,,Ziel ist es, dass die Kommunen im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in die Lage versetzt werden, ihrer Verpflichtung zum Ausbau kommunaler Straßen nachzukommen."
- Hört sich gut an? Dann darf ich die Herrschaften daran erinnern, dass das Landesverfassungsgericht eine Frist zur Nachbesserung des kommunalen Finanzausgleichs bis 2020 eingeräumt hat. Vor 2021 können Städte und Gemeinden dann wohl kaum mit zusätzlichen Mitteln rechnen.
Macht nichts, dann kann man die Grundsteuer oder die Hundesteuer erhöhen. Irgendwo muss es ja herkommen.
Ebenso laden Sie die praktischen Probleme der Umsetzung bei den Kommunen ab. Wie soll eine Stadt, die seit Jahrzehnten Beiträge erhebt, mit dieser Freiwilligkeit umgehen? Selbst wenn ich dabei unterstelle, die Kommune verfüge über ausreichende Einnahmen, um alle erforderlichen Investitionen - also nicht nur in Straßen und Kanäle, sondern auch in Schulen, Sportanlagen, Kindertagesstätten oder Feuerwehrfahrzeuge - zu finanzieren, frage
ich: Wie gestaltet sich denn dann der Übergang? Müssen Beiträge zurückgezahlt werden? Für welchen Zeitraum? Was ist mit den Ablöseverträgen, die manche Kommunen bereits geschlossen haben? Was ist mit den laufenden Ratenvereinbarungen oder den wiederkehrenden Beiträgen? Hierfür bietet ihr Gesetzentwurf nicht mal den Ansatz einer Lösung: Das Ding ist mit ,,Katze im Sack" noch vornehm umschrieben.
Sie kippen diese Probleme den Kommunalpolitikern und Kommunalpolitikerinnen vor Ort vor die Füße, die sich neben der nebulösen Finanzierung auch noch mit den absehbaren Protesten der Zukurzgekommenen herumschlagen dürfen. Wenn das Ihr Beitrag zur Förderung des kommunalen Ehrenamtes ist - na, vielen Dank dafür!
Frau Abgeordnete Raudies, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Vogt?
(Beate Raudies [SPD]: Danke! Ich gebe mir Mühe! - Heiterkeit - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Auch Leidenschaft muss man haben, Herr Kollege Vogt! - Weitere Zurufe)
Ich wollte Sie fragen, da Sie viel an der Form herumgekrittelt haben, was Sie immer gerne machen, ob Sie nun zum Inhalt zurückkommen.
Finden Sie es sozial gerechter, wenn Oma 10.000 € für ihr Häuschen bezahlen muss, weil die Straße saniert wird, als wenn alle Bürger das bezahlen müssen? Finden Sie es gerechter, wenn eine einzige Frau das bezahlen muss?
Wissen Sie, Herr Vogt, ich habe 23 Jahre in der Vertretung einer Stadt gesessen, in der Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Sie können mir glauben, dass ich diese Diskussion mit vielen Menschen geführt habe, unter anderem mit meinem eigenen Vater, und das war deutlich schwieriger als das, was ich hier mit Ihnen diskutieren muss.
(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW] - Hans-Jörn Arp [CDU]: Dann hätten Sie doch auf Ihren Vater hören sollen! - Hei- terkeit und Beifall CDU und FDP)
- Ich habe bei vielen Dingen auf meinen Vater gehört, und er wäre stolz auf mich, wenn er mich hier sehen könnte.
Bevor meine Redezeit ganz abläuft: Sie wissen ganz genau, welche Auseinandersetzungen den Kommunen künftig bevorstehen. Nicht umsonst hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung formuliert:
„Wir geben Kompetenzen an die Kommunen zurück in der Erwartung, dass die Kommunen die Spielräume, die wir ihnen geben, nutzen - im Angenehmen wie im Schwierigen.“
Frau Klahn hat in der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ vom 20. September 2017 - Herr Holowaty hat es erwähnt - gesagt: Wir tragen dem Wunsch der Bürger Rechnung, die die Petition unterschrieben haben. - Ich sehe Sie hier oben auf der Tribüne sitzen, Herr Gärtner. Lassen Sie sich kein X für ein U vormachen. Das, was hier passiert, ist nicht das, was Sie gefordert haben. Sie werden gerade hinter die Fichte geführt.
Die Koalition begründet ihren Änderungsantrag auch damit, dass sie den Kommunen mehr Gestaltungsfreiheit einräumen möchte. Aber wie sagte die Kollegin Ines Strehlau von den Grünen doch so schön im August 2012 in der Debatte zur Änderung des KAG?
„Was Sie mit ihren Gesetzen erreichen, ist Freiheit vorwiegend für wohlhabende Kommunen. Das Ganze geht aber zulasten der Schwächeren.“
Das sei nicht unsere Vorstellung von Gerechtigkeit in der kommunalen Familie. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit es die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen hier in Schleswig-Holstein gibt, führen wir diese Diskussion; ich hier zum dritten Mal im Parlament. Ob diese nun nach gerechten Verteilmechanismen erhoben werden können oder nicht, stellen wir hier jedes Mal wieder infrage.
Frau Raudies, es geht in unserem Gesetzentwurf nicht um eine Abschaffung, es geht um eine Freistellung.
Wenn Sie einen Blick in den Koalitionsvertrag werfen, dann werden Sie feststellen, dass die Finanzierung dessen nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben ist.
Ja, Straßenausbaubeiträge sind ein Weg der Finanzierung - das gestehe ich zu, das bestreite ich auch gar nicht, sie sind durchaus auch rechtlich zulässig -, aber sie sind weder der einzige noch der beste Weg. Denn die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen - das ist mehrfach schon angeführt worden verursacht bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Unmut und bei vielen Verwaltungen auch einen erheblichen Verwaltungsaufwand, und dieser steht mit Sicherheit nicht immer im Verhältnis zum Straßenausbau.
In der letzten Legislaturperiode haben mehr als 20.000 Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteiner eine Online-Petition zur Abschaffung unterzeichnet.
Eckhorst und Stockelsdorf sind nur zwei Gemeinden, die ich hier nennen will, in denen sich Bürgerinnen und Bürger ungerecht behandelt fühlen, da sie zu Straßenausbaubeiträgen herangezogen werden. Es handelt sich - auch das ist mehrfach gesagt - eben nicht um 10 € für falsches Parken. Wir sprechen von 1.000 € oder von 10.000 €.