Als AfD-Fraktion haben wir deshalb einen Antrag eingebracht, der Sofortmaßnahmen vorsieht. Eine davon ist, die Klassenstärke dieser Schulen auf 18 zu beschränken. Das soll sicherstellen, dass die Lehrkräfte überhaupt die Möglichkeit haben, sich um jedes Kind zu kümmern - übrigens auch und genauso gerade um diejenigen Schüler, die besonders in großen Klassen allzu oft übersehen werden, schlicht weil sie zu unauffällig sind. Wenn die Eltern dieser Kinder nicht sicher sind, dass auch ihr Kind gesehen wird, melden sie es ab, und der vom Verein „Schulen am Wind“ beschriebene Teufelskreis beschleunigt sich abermals, sodass es im schlimmsten Fall sogar Rest- oder Ghettoschulen geben kann. Es gilt also, diesen Schulen an prekären Schulstandorten - Schulen, die eben „am Wind“ sind - bedarfsgerecht zu helfen und sie zu fördern.
Um hier kurzfristig helfen zu können, schlagen wir vor, dass gemeinsam mit den Leitern dieser Schulen zunächst einmal der Status quo erhoben wird: Wie viele Schüler sprechen nicht ausreichend gut deutsch? Wie viele können nicht durch das Elternhaus unterstützt werden? Wie viele haben sonderpädagogischen Förderbedarf? Wie viele gelten als sogenannte Unterrichtssprenger? Wie hoch sind die Quoten der Klassenwiederholungen, der Migranten, der Schulschwänzer, der Schulabbrecher, und so weiter und so fort?
Diese Erhebung kann mittelfristig eine Grundlage für einen Sozialfaktor bilden, der es erlaubt, eine zusätzliche Zuweisung von Lehrkräften und geeigneter Maßnahmen schwerpunktmäßig und gezielt vorzunehmen.
Dass ein Alarm wie der vom Verein „Schulen am Wind“ kommt, dürfte nicht weiter überraschen. Überraschend ist dafür umso mehr die Reaktion der SPD, die in ihrem Alternativantrag ebenfalls die Erstellung eines Sozialfaktors fordert. Sie nennen das dann eben Sozialindex, wir nennen es Sozialfaktor. Meine Damen und Herren, was für eine Alternative?
Aber sei es drum: Es ist gut, dass Sie wie wir die Notwendigkeit sehen, dass hier rasch und zielführend gehandelt werden muss. Beschämen sollte Sie allerdings dabei die Frage, warum Sie zu den Problemen der betroffenen Schulen in den letzten Jahren geschwiegen haben; denn auch wenn es hart klingt: Die Forderungen des Vereins „Schulen am Wind“ sind nichts weniger als ein Zeugnis dafür, wie sehr Sie besonders die Gemeinschaftsschulen
Und sogar noch mehr: Sie haben diese Schulen alleingelassen, so sehr, dass sich die Schulleiter erst jetzt nach der Wahl gemeldet haben. Bitte behaupten Sie nicht, dass Sie das alles nicht gewusst oder geahnt hätten. Dann würde ich Ihnen allerdings einmal die Lektüre der Bücher Ihres Parteifreundes Heinz Buschkowsky empfehlen. Der beschreibt nämlich die Erfolge sozialdemokratischer Bildungspolitik in allen Einzelheiten.
Jetzt noch zum Alternativantrag der Jamaika-Koalition: Sie sprechen sich für einen entsprechenden Bildungsbonus aus. Das geht in die gleiche Richtung. Ich bitte Sie: Wer A sagt, muss noch lange nicht B sagen, der kann auch erkennen, dass wir jetzt schneller und rascher handeln müssen. Wir sollten jetzt gegensteuern. Ich bin sicher, dass wir alle die Alarmsignale der „Schulen am Wind“ gehört haben.
Ich appelliere deshalb an Sie, über die Parteigrenzen hinweg einen Sozialfaktor auf den Weg zu bringen. Ob Sie dabei unseren Antrag oder den Alternativantrag der SPD unterstützen, ist zweitrangig. Hauptsache ist, dass jetzt die Weichen gestellt werden, dass sie rasch gestellt werden. Denn in Schleswig-Holstein wollen wir alle keine Restschulen und erst recht keine Gettoschulen. - Vielen Dank.
Für die Antragsteller des ersten Alternativantrags hat jetzt für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Martin Habersaat das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verein „Schulen am Wind“ wurde 2016 gegründet. Seit 2016 steht dieser Verein in Kontakt mit dem Bildungsministerium - erkennbar vor der Landtagswahl - und mit Parteien und Fraktionen. Viele Parteien haben unter anderem wegen der Forderungen von „Schulen am Wind“ reagiert und entsprechende Passagen in ihre Wahlprogramme aufgenommen. Das Wort „Bildungsbonus“ stammt zum Beispiel aus dem Wahlprogramm der Grünen zur letzten Landtagswahl. Die SPD schreibt in ihrem Wahlprogramm von einem „Sozialindex“ nach Hamburger Vorbild. Die Hamburger sind da
deutlich schneller gewesen, was die entsprechende Einführung angeht. Woran der Verein mit Sicherheit kein Interesse hat, ist, sich vor den Karren der sogenannten AfD spannen zu lassen.
Das sind Leiterinnen und Leiter von Gemeinschaftsschulen, und die stellen mitnichten die Schulreformen der Jahre 2007 bis 2014 oder ihre eigene Schulart infrage.
Das Wahlrecht der Eltern, an welche Schule sie ihre Kinder schicken wollen, ist ein hohes Gut, birgt aber in der Folge das Risiko der sozialen Entmischung.
Das wird durch die Politik der Landesregierung verschärft, die darauf hinausläuft, die Gymnasien im Wettbewerb mit den Gemeinschaftsschulen zu bevorzugen, beispielsweise durch Bonusstunden, die nur den Oberstufen von Gymnasien zur Verfügung gestellt werden und nicht den Oberstufen von Gemeinschaftsschulen. Ich verweise auf unsere letzte Debatte dazu im Bildungsausschuss.
Im Gegenzug droht die schwarze Ampel im Koalitionsvertrag auch noch an, Schrägversetzungen wieder zu vereinfachen. Das läuft ein bisschen auf das Motto hinaus: Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.
Es kommt nicht von ungefähr, dass der Landeselternbeirat der Gemeinschaftsschulen, schon bevor die ersten 100 Tage der neuen Regierung um sind, in einer großen Pressemitteilung um Hilfe ruft und von der aktuellen Bildungspolitik als „großem Sorgenpunkt“ schreibt.
Übrigens werden auch der von Ihnen angekündigte Bonus für kleine Grundschulen und die zusätzlichen Mittel für Ersatzschulen eher nicht den „Schulen am Wind“ zugutekommen.
Meine Damen und Herren, wir müssen ehrlich sagen: Integration, Inklusion und Differenzierung sind Aufgaben, vor die wir die Schulen in unserem Land in sehr unterschiedlichem Ausmaß stellen. Und wir müssen feststellen: Gemeinschaftsschulen
Aber sie brauchen natürlich ausreichende Ressourcen, um ihre heterogene Schülerschaft optimal zu fördern.
Niemand von uns kann ernsthaft wollen, dass sich Schulen zu „Restschulen“ entwickeln. Wenn Bewerber für Ausbildungs- und Arbeitsplätze aussortiert werden, nur weil sie von einer bestimmten Schule kommen - ich habe durchaus gelesen, was der Kollege Buschkowsky geschrieben hat -, wäre das der Bankrott unseres Schulsystems. Natürlich muss Bildungspolitik dagegen angehen.
Wir beantragen deshalb, dass die Landesregierung einen Sozialindex für die Schulen erarbeitet, der die Grundlage dafür ist, einen Schlüssel für eine zusätzliche Förderung dieser Schulen zu sichern, allerdings nicht nur auf Lehrkräfte beschränkt, sondern da muss es auch um Schulsozialarbeit gehen, da kann es auch um Geld gehen, und da kann es auch um weitere Hilfe gehen. Die Ausweitung der von der Küstenkoalition in der vergangenen Legislaturperiode eingeführten Schulassistenz kann ein Schritt in diese Richtung sein. Natürlich war auch die Ausweitung der Differenzierungsstunden für Gemeinschaftsschulen - in der letzten Legislaturperiode beschlossen - ein großer Schritt in diese Richtung.
Insgesamt müssen wir alle Schularten im Blick haben. Es kann auch durchaus Grundschulen geben, die in einer solchen Lage sind, und ich kenne auch berufliche Schulen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Da darf der Blick nicht allein auf die Gemeinschaftsschulen gerichtet sein.
Der Antrag der Koalition, die Landesregierung mit einer Konzepterstellung zu beauftragen, gibt das möglicherweise her. Dem Antrag stimmen wir zu. Ob wir dem Konzept später zustimmen können, werden wir sehen.
Wir wollen aber nicht erst im Oktober 2018 wieder über das Thema sprechen. Deswegen bitten wir darum, unseren Antrag an den Bildungsausschuss zu überweisen und zum Anlass zu nehmen, schon vorher einmal im Bildungsausschuss darüber zu sprechen.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es sehr gut, dass wir dieses Thema am Anfang der Legislaturperiode aufgreifen. Es ist schon beschrieben worden: Es gibt dringenden Handlungsbedarf. Wir beschreiben die Probleme und Herausforderungen, um die es geht, sehr unterschiedlich: Schulen an prekären Standorten, Schulen mit besonderen Herausforderungen, Schulen mit Kindern aus sozial schwachen und bildungsfernen Schichten. Das sind Umschreibungen für dieses Thema, die wir in Anträgen finden.
„Schulen am Wind“ - auch das ist gesagt worden hat es konkret gemacht, Beispielschulen genannt, an denen man diese Herausforderungen hat, und konkrete Forderungen aufgestellt. Auch ich glaube, dass wir uns in der Vergangenheit zu wenig um solche Bereiche gekümmert haben.
Ich bin Kieler Abgeordneter und in Mettenhof groß geworden. Das ist ein „sozialer Brennpunkt“, wie man sagt. Ich bin im Bildungszentrum Mettenhof zur Schule gegangen.
Da hat man genau diese Themen in der Schule erlebt. Es wäre vermessen von mir zu behaupten, dass ich all diese Probleme am eigenen Leib erfahren habe, aber ich kenne das. Ich kenne Eltern, die nicht deutsch sprechen, wo die Kinder in die Situation kommen, ein bisschen früher erwachsen sein zu müssen. Ich kenne Kinder, die in einer alleinerziehenden Situation groß geworden und über den Tag auf sich gestellt waren. Ich kenne auch Familien, in denen Eltern alkoholkrank oder pflegebedürftig sind. Da muss man feststellen, dass diese Kinder in eine besondere Situation kommen.
An sozialen Brennpunkten findet sich das alles in einem Klassenraum wieder - nicht einmal, auch nicht zweimal, sondern oft betrifft es die Hälfte der Klasse oder mehr, die mit solchen Herausforderungen konfrontiert sind. Es ist richtig, dass wir dafür besondere politische Konzepte brauchen.
Ich will für Mettenhof einmal Zahlen nennen: 50 % der Menschen, die in Mettenhof leben, haben einen Migrationshintergrund, 20 % haben immer noch keinen deutschen Pass, 14 % der Menschen in Mettenhof sind trotz der wirtschaftlich guten Lage arbeitslos - in Kiel insgesamt sind es 7 %, also halb so viele -, und über 60 % der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren sind auf Transferleistungen angewiesen. Das heißt, über die Hälfte bekommt über die Sozialgesetzgebung zusätzliche Unterstützung. Das ist in anderen Stadtteilen Kiels anders; da sind es eher 30 %.
Ich sage aber auch - da gefällt mir das eine oder andere, was hier gesagt wurde, nicht -: Man muss für solche Stadtteile nicht alles schlechtreden.
Das sind keine schlimmen Orte, die nicht lebenswert sind. Ich selber habe meine Schulzeit dort sehr gern verbracht.