Protocol of the Session on September 22, 2017

Mir ist klar, dass das Thema im bald beginnenden Kommunalwahlkampf ein wichtiges Thema sein wird. Das Versprechen, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen, hört sich verlockend an. Aber zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass damit noch nicht das Geld für die Sanierung einer Straße auf dem Gemeindekonto ist. Ich hoffe, die Parteien bringen im Kommunalwahlkampf diese Ehrlichkeit auf.

(Zurufe SPD)

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Straßenausbaubeiträge sind zweifelsfrei eines der emotionalsten Themen der Kommunalpolitik. Das wissen alle, die schon einmal Kommunalpolitik gemacht haben. Die Meinungen dazu gehen bisweilen weit auseinander, auch in der Landespolitik. Es gibt kaum ein Thema, das so stark polarisiert. Da mag aber auch damit zu tun haben, dass diese Beiträge, wenn sie insbesondere von älteren Hausbesitzern aufgebracht werden sollen, tatsächlich existenziell gefährdend sein können.

Meine Damen und Herren, solche Worst Cases sind keine Ausnahme. Deshalb glaube ich, es lohnt sich, sich einen Kopf darüber zu machen, wie man gerade diesen Personen helfen kann. Allerdings unterscheidet sich die finanzielle Lage natürlich von Kommune zu Kommune. Das muss man auch beachten. Es gibt Kommunen, die sich einen Verzicht auf diese Gelder leisten können, und es gibt Kommunen, die das nicht so einfach können.

Aus diesem Grund hat der Gemeindetag in der letzten Wahlperiode interveniert und klargestellt, dass man wieder eine Regelung haben wollte, die eine Erhebungspflicht vorsah. Die Begründung war recht einfach. Man wollte nicht, dass ein und dieselbe Sache in den Kommunen unterschiedlich behandelt wird, und man wollte natürlich auch nicht, dass man auf kommunaler Ebene unendliche Diskussionen zu diesem Thema bekommt.

Auf Wunsch des Gemeindetages hat damals die Küstenkoalition deshalb das Gesetz wieder geändert. Auch wir als SSW waren nicht unbedingt begeistert davon, weil wir 2008 für dieses Gesetz gestimmt hatten,

(Vereinzelter Beifall CDU)

aber, meine Damen und Herren, auch damals hat man sich schon Gedanken darüber gemacht, wie man es hinbekommen könnte, dass die Lasten trotzdem nicht so groß wurden. Man hat deshalb die Möglichkeit geschaffen, wiederkehrende Ausbaubeiträge in vorher festgelegten Regionen zu erheben. Die Last sollte auf möglichst viele Schultern verteilt werden können. Die konkrete Umsetzung zur Finanzierung wollten wir den Kommunen nicht vorschreiben. Das war die damalige Haltung, weil man auf den Gemeindetag zugegangen ist.

Nun besteht vonseiten der regierungstragenden Fraktionen der Wunsch, die Erhebungsflicht wieder aufzuheben. Das spiegelt im Prinzip das wider, was wir schon 2008 gesagt und auch mit unseren Stimmen beschlossen haben. Dabei geht es darum, den Kommunen Spielraum zu geben und ihnen unterschiedliche Möglichkeiten an die Hand zu geben. Ein solches Vorgehen können wir als SSW immer noch begrüßen. Es ist nämlich besser, die Ausbaukosten von Straßen beispielsweise über die Grundsteuer auf alle zu verteilen, als einzelne wenige überaus hart zu belasten.

Nichtsdestotrotz geht es aber bei einem solchen Gesetzgebungsverfahren auch darum, die Erfahrungen aus der Praxis genau zu analysieren. Dabei geht es um die Frage, wie die Kommunen das derzeitige Gesetz angewendet haben und welche Entwicklung sich in den letzten Jahren bemerkbar gemacht hat. Wir denken hierbei insbesondere an die wiederkehrenden Beiträge und die Fragen: Wo wurde dies eingeführt? Wie wurde dies eingeführt? Welchen Effekt hat es gehabt? Auch das mögen wir im Gesetzgebungsverfahren näher ergründen. Am Ende mag herauskommen, dass die Gemeinden auf Ausbaubeiträge verzichten können, dass sie aber auch die Möglichkeit haben, auf verschiedene Art und Weise weiterhin Ausbaubeiträge zu erheben. Entscheidend dürfte dabei sein, was die Gemeinden selbst wollen. Um dies zu ergründen, ist eine Anhörung auch gedacht.

Grundsätzlich finden wir es richtig, den Gemeinden Handlungsfreiheit zu gewähren,

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

(Ines Strehlau)

aber sie müssen diese Handlungsfreiheit auch haben wollen. In der Vergangenheit war dies bisher nicht der Fall, aber wir können dies jetzt natürlich auch anhand des Gesetzentwurfes mit den Gemeinden und anderen Beteiligten neu diskutieren. Wir würden uns sehr freuen, wenn am Ende tatsächlich die Möglichkeit eines Verzichts auf Ausbaubeiträge herauskommen würde.

Am Ende - das darf man nicht vergessen -, gäbe es dann insgesamt vier Möglichkeiten, die die Kommunen zur Verfügung haben. Die erste Möglichkeit ist, dass sie Beiträge direkt als Einmalbetrag erheben. Das ist allerdings die schlechteste Variante. Die zweite ist, dass man wiederkehrende Beiträge innerhalb einer abgegrenzten Region erhebt. Die dritte ist, dass man auf die Ausbaubeiträge verzichtet und die Verteilung der Lasten auf alle über die Grundsteuer vornimmt. Die vierte Möglichkeit ist der völlige Verzicht auf Ausbaubeiträge, ohne dass dies kompensiert werden muss, wenn die Gemeinde nicht auf entsprechende Gelder angewiesen ist.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir hätten dann vier Möglichkeiten und viel Freiheit und Flexibilität für die Gemeinden. Natürlich müssen wir auch wissen: In den Gemeinden und in der Kommunalpolitik wird es dann harte Diskussionen auch mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern geben. Ich glaube aber trotzdem, dass es wert ist, diesen Gesetzentwurf ganz in Ruhe zu diskutieren und zu schauen, ob diese vier Möglichkeiten nicht etwas wären, was man den Gemeinden an die Hand geben sollte. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Herr Minister Hans-Joachim Grothe, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht gedacht, dass mich dieses Thema so schnell wieder einholt, denn das Thema Straßenausbaubeiträge, und hier spreche ich wirklich aus Erfahrung, ist eines der meistbeklagtesten Themen in den Kommunen. Es gibt auch in der Bevölkerung erheblichen Streit über dieses Thema. Insofern ist es sicherlich selbstverständlich, dass uns das Thema in der politischen Diskussion immer wiedervorgetragen wird.

Zur Klarstellung: Die Rechtsprechung wiederholt seit vielen Jahren, dass die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, und wir sprechen hierbei ganz bewusst von Straßenausbaubeiträgen und nicht von nicht durchgeführten Unterhaltungsmaßnahmen, verfassungsgemäß ist.

(Beifall Dr. Kai Dolgner [SPD])

Über die Frage der Verfassungsmäßigkeit brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. Das ist lang und breit durchgeklagt worden. Insofern ist die derzeitige Anwendung rechtmäßig.

Aber - das ist auch eine politische Frage, die ich selbst als langjähriger Bürgermeister erlebt habe ist es auch richtig, sie verpflichtend zu erheben ohne Wahlfreiheiten? - Wir haben vorhin von vier Möglichkeiten gehört: Einmalbetrag, wiederkehrende Zahlung, Verzicht und Abrechnung über die Grundsteuer sowie allgemeiner Verzicht. Es gibt noch eine weitere Variante, das ist die Frage der langfristigen Ratenzahlung mit Zinsstundung. Es gibt ein Portfolio, was die Kommunen an der Hand haben. Aber die derzeitige Rechtsprechung sieht eine sehr stringente Weise vor. Deshalb ist die Frage, ob die Landesregierung oder das Parlament von der verpflichtenden Erhebung von Straßenausbaubeiträgen Abstand nehmen will. Es hat eine Petition hier im Land gegeben, die nach sehr kurzer Zeit über fünfeinhalb Tausend Unterschriften und am Ende fast 18.000 Unterschriften erzielt hat. Das ist allerdings nicht repräsentativ für ein Land unserer Größenordnung, aber es ist ein Signal und ein Indiz.

Aber nicht nur die betroffenen Bürgerinnen und Bürger kritisieren diese Zwangsabgabe, wie sie von ihnen zum Teil genannt wird. Sicherlich ist dieses auch für manche dieser Bürgerinnen und Bürger ein existenzielles Problem, das im Einzelfall auftreten kann. Das stimmt. Aber auch in den Gemeinden selbst besteht eine unterschiedliche Meinung zu diesem Thema. Natürlich möchten einige Kommunen die Straßenausbaubeiträge pflichtig weiter erhoben haben, weil sie eben nicht mit den Bürgerinnen und Bürgern in eine kommunalpolitische Debatte gehen wollen. Es ist viel einfacher, die Verantwortung dann beim Landesgesetzgeber zu suchen und zu sagen: Wir würden ja, aber die in Kiel haben …!

(Beifall CDU und vereinzelt FDP - Beate Raudies [SPD]: Da klatscht ihr noch?)

Das ist immer eine Plattform. Das ist eine Aussage, die wirklich immer wieder kommt. Insofern ist die Frage: Wollen wir nicht auch die Kommunen - das sage ich bewusst - in die Pflicht nehmen? Wenn sie

(Lars Harms)

die örtliche Gemeinschaft regeln und organisieren wollen, dann gilt dieses nicht nur für bestimmte Rosinen, die man sich herauspickt, sondern man muss die Gesamtheit regeln.

(Beifall Klaus Schlie [CDU])

Wir haben es vorhin gehört: Die Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten heißt nicht nur erheben oder nicht erheben, sondern es gibt eine Vielzahl von Staffelungen. Ich glaube, wenn wir von kommunaler Selbstverwaltung sprechen, dann ist es durchaus überlegenswert, auch solche kritischen Themen in der Kommune zu besprechen.

Folgendes dürfen wir auch nicht vergessen: Momentan ist es Pflicht, zu erheben. Wenn aber der Verwaltungsaufwand bisweilen für die Erhebung der Beiträge in keinem angemessenen Verhältnis mehr zur Erhebung der Kosten steht, wenn es nicht nur um die immer wieder genannten zweistelligen Tausenderbeträge geht, sondern wenn es um Kleinstbeträge geht, dann ist der Verwaltungsaufwand - das dürfen wir auch nicht vergessen - für die Kommunen bisweilen sehr groß. Deshalb erscheint es sinnvoll, den Kommunen die Erhebung der Ausbaubeiträge freizustellen. Es sollte anhand der örtlichen, individuellen Verhältnisse selbst dort entschieden werden, ob sie die Beiträge erheben oder nicht. Es kann nicht sein, nur Ja oder Nein zu sagen und im Zweifelsfalle alles über die Steuern zu erheben. Es gibt Instrumente, das auf die Bürgerinnen und Bürger umzulegen; das Instrument der wiederkehrenden Beiträge, der langfristigen Stundung mit Zinsaussetzung beziehungsweise Zinsstreckung sind solche Instrumente. Das ist eine Leitlinie, ein Grundsatz, der im Koalitionsvertrag so festgelegt worden ist.

Eine Anmerkung - das ist vorhin schon einmal auch von Herrn Dr. Dolgner gesagt worden -: Die verpflichtende Erhebung muss an erster Stelle in der Gemeindeordnung geändert werden. Nur dort ergibt sich die Erhebungspflicht, im Kommunalabgabengesetz ist nämlich bloß das Wie, also die Erhebung und deren Verfahren geregelt. Nur die Abgabenordnung zu ändern, ist falsch. Es muss die Abgabenordnung, aber zunächst die Gemeindeordnung geändert werden.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Mit dem Gesetzentwurf von CDU, Grünen und FDP wird nichts verboten - niemandem. Es werden keine Grenzen gesetzt, sondern im Gegenteil: Es soll den Kommunen in Schleswig-Holstein ein Stück neue Gestaltungsmöglichkeit und damit auch

Eigenverantwortung übertragen werden. - In diesem Sinne vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die Gesetzentwürfe, Drucksachen 19/150 und 19/159, dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Schulen an prekären Standorten bedarfsgerecht fördern - „Sozialfaktor“ bei der Lehrerzuweisung einrichten

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/158

Alternativantrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/187 (neu)

Schulen mit besonderen Herausforderungen mit Bildungsbonus stärken

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/208

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Brodehl von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Mehrere Schulleiter von Kieler Gemeinschaftsschulen haben Alarm geschlagen. Sie haben sich gemeldet. Der von ihnen gegründete Verein „Schulen am Wind“ beschreibt die teils unhaltbaren Zustände in einigen ihrer Klassen, die einen geregelten Unterrichtsbetrieb kaum mehr zulassen. Er beschreibt, wie es gekommen ist, dass der Ruf und das Bildungsniveau ihrer Schulen immer weiter im Sinken begriffen sind. Der Verein macht Vorschläge, wie der Teufelskreis, dass leistungsorientierte Elternhäuser ihre Kinder teilweise quer durch die Stadt zu einer anderen Schule fahren

(Minister Hans-Joachim Grote)

und das Niveau der eigenen Schulen dann noch weiter sinkt, durchbrochen werden kann.

Als AfD-Fraktion haben wir deshalb einen Antrag eingebracht, der Sofortmaßnahmen vorsieht. Eine davon ist, die Klassenstärke dieser Schulen auf 18 zu beschränken. Das soll sicherstellen, dass die Lehrkräfte überhaupt die Möglichkeit haben, sich um jedes Kind zu kümmern - übrigens auch und genauso gerade um diejenigen Schüler, die besonders in großen Klassen allzu oft übersehen werden, schlicht weil sie zu unauffällig sind. Wenn die Eltern dieser Kinder nicht sicher sind, dass auch ihr Kind gesehen wird, melden sie es ab, und der vom Verein „Schulen am Wind“ beschriebene Teufelskreis beschleunigt sich abermals, sodass es im schlimmsten Fall sogar Rest- oder Ghettoschulen geben kann. Es gilt also, diesen Schulen an prekären Schulstandorten - Schulen, die eben „am Wind“ sind - bedarfsgerecht zu helfen und sie zu fördern.