Der Verfassungsschutzbericht führt dazu vieles aus. Wer die Zahlen hinsichtlich ihrer Aussagekraft überprüft, wird ein ungefähres Gleichgewicht zwischen rechts- und linksextremen Straftaten finden, denn löst man den Komplex Propagandadelikte, und hier überwiegend ohne Tatklärung, das heißt ohne den Beleg eines Tatmotivs, aus dem Gesamtkomplex PMK rechts aus, das sind immerhin fast zwei Drittel, dann ziehen rechts- und linksmotivierte Delikte annähernd gleich. Das spiegelt sich auch in der Anzahl der politisch motivierten Gewalttäter wider, denn die unterscheiden sich nur um fünf Personen.
Wer sich politisch engagiert, der beteiligt sich an der politischen Willens- und Meinungsbildung und hat unseren Respekt und unseren Schutz verdient. Politisches Engagement in Kreistagen, in Landesund Bundesparlamenten darf nicht dazu führen, schutzlos der politischen Gewalt ausgesetzt zu sein. Wir fordern hier mehr Schutz für Politiker. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang Mai legte die Landesregierung den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 vor. Aus meiner Sicht ist er eine hoch interessante Lektüre, denn er gibt einen guten Überblick über diejenigen Kräfte, die es mit unserer Verfassung nicht gut meinen. Ich möchte mich daher zunächst ausdrücklich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes bedanken, die mit ihrer Arbeit jeden Tag einen unverzichtbaren Dienst für unsere freiheitliche-demokratische Grundordnung und damit auch für die gesamte Gesellschaft leisten.
In § 1 unseres Verfassungsschutzgesetzes ist die Aufgabe klar definiert: Der Verfassungsschutz hat die Landesregierung und die zuständigen Stellen über Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu unterrichten - wohlgemerkt „zu unterrichten“. Er hat keine exekutiven Befugnisse, und ich glaube, das ist auch richtig so.
Vielmehr kommt er seiner Aufgabe dadurch nach, dass er Personen, Gruppierungen und Parteien, die er als verfassungsfeindlich und sicherheitsgefähr
dend einstuft, beobachtet, Informationen sammelt und diese auswertet. Der Verfassungsschutz ist das Frühwarnsystem der Demokratie.
Deshalb ist mir auch noch einmal wichtig, Folgendes herauszustellen: Der Verfassungsschutz kann aufgrund der begrenzt vorhandenen Befugnisse unsere Demokratie nicht allein verteidigen. Dafür sind wir alle zuständig. Der Verfassungsschutz kann uns nur helfen, zu erkennen, wo unser demokratischer Rechtsstaat angegriffen wird. Deshalb ist es auch wichtig, den Verfassungsschutzbericht ernst zu nehmen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen.
Legt man die Verfassungsschutzberichte der letzten Jahre nebeneinander, so fällt auf, dass sich die Arbeit des Verfassungsschutzes aus der realen Welt in das Internet verlagert hat. Hier lauern mittlerweile die größten Gefahren für unsere Verfassung. Die Digitalisierung macht es den Verfassungsfeinden zunehmend leichter, die kruden Ideen beispielsweise über soziale Medien, Messenger-Dienste, spezielle Webseiten oder auch Spielplattformen zu verbreiten. Wenn also Extremisten digitale Technologien nutzen, um neue Räume zu besetzen, dann müssen wir ihnen folgen, denn unsere Demokratie muss auch im Cyberraum wehrhaft sein.
Insofern war es klug, unseren Verfassungsschutz bereits im Jahr 2018 mit 20 zusätzlichen Stellen auszustatten. Die Stellen waren aber auch erforderlich, um die Aktivitäten des Verfassungsschutzes im Bereich des Rechtsextremismus zu verstärken. Der Bericht und die vielen unerträglichen Ereignisse in den vergangenen Monaten machen sehr deutlich, dass wir hier sehr wachsam sein und unseren Rechtsstaat verteidigen müssen.
Mehr als 1.000 Personen gehören in SchleswigHolstein der rechtsextremistischen Szene an. Rund ein Drittel von ihnen gelten als gewaltbereit und treten auch immer wieder in Erscheinung, sei es durch Aufkleber, Musikveranstaltungen oder Straftaten wie Sachbeschädigungen, Bedrohungen oder Körperverletzungen, wie sie etwa durch Mitglieder des Aryan Circle Nord aus Bad Segeberg begangen wurden. Wir müssen genau hingucken, auf dass die Dinge uns nicht entgleiten, denn oft reicht - wie auf Seite 59 im Bericht zu lesen - nur eine Person mit konsequentem Führungswillen und mit in der Szene anerkanntem Charisma aus, um das vorhandene Personenpotenzial zu reaktivieren und zu aktivieren.
Dies zeigt: Die Arbeit des Verfassungsschutzes ist wichtiger denn je, zumal auch der Islamismus die Sicherheitslage maßgeblich beeinflusst. So wurden dem islamistischen Personenpotenzial in Schleswig-Holstein 2019 immerhin 715 Personen zugeordnet, von denen 650 Personen dem Bereich des Salafismus zugerechnet werden können, der besonders bei jungen Erwachsenen eine hohe Attraktivität aufweist.
Meine Damen und Herren, aus Zeitgründen kann ich leider nicht weiter auf die vielen anderen im Bericht genannten Gruppen eingehen. Es lohnt sich aber, einmal nachzulesen, was dort unter anderem zur „Roten Hilfe“, einem Verein, dessen Ansinnen es ist, Gewaltbereite in ihrem Kampf gegen die bestehende Ordnung zu unterstützen, geschrieben steht. Der Verein führt regelmäßig Veranstaltungen mit dem AStA an der CAU in Kiel durch.
Lassen Sie mich noch einige wenige Worte zu dem Antrag der AfD verlieren. In Ihrem Antrag fordern Sie die Ächtung der linken Gewalt. Gut so! Sich gegen linke Gewalt auszusprechen und diese zu verurteilen, ist keinesfalls verwerflich. Gewalt kann und darf niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein - weder von links noch von rechts.
Genau hier liegt das Problem in Ihrem Antrag. Es gibt kein einziges Wort zu den Problemen, die wir mit der Identitären Bewegung, den Reichsbürgern und der rechtsextremistischen Szene haben. Dies wundert mich nicht, denn dies ist das trübe Becken, in dem Sie fischen.
Lesen Sie im Verfassungsschutzbericht nach, welche Gefahren von diesen Gruppen ausgehen. Auch habe ich bisher keinen Antrag von Ihnen gesehen, in dem Sie sich gegen Rechtsextremismus aussprechen. Solange Sie dies nicht tun, habe ich doch erhebliche Zweifel an der wirklichen Intention Ihres Antrages, und so bleibt uns nichts anderes übrig, als diesen abzulehnen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Der diesjährige Verfassungsschutzbericht ist nicht geeignet, diejenigen zu beruhigen, die sich jeden Tag für eine starke Demokratie einsetzen. Das ist auch gar nicht seine Aufgabe. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist leicht nach oben gegangen. Die Zahl der Gewalttaten, das hat die Ministerin ausgeführt, hat sich dabei um mehr als 40 % erhöht. Die größte Gefahr geht dabei weiter ganz klar von rechts aus.
Das Gewaltmonopol des Staates gilt. Auch aus der vermeintlich besten Motivation heraus hat niemand - wirklich niemand! - das Recht, Ankläger, Richter und Henker in einer Person zu sein.
Auch rechtsextreme oder rechtspopulistische Aussagen von Politikerinnen und Politikern legitimieren nicht zur Selbstjustiz. Es ist viel wichtiger und auch effektiver, sie für ihr Reden und Handeln in der Öffentlichkeit zu stellen und Kontra zu geben im politischen Raum. Wir haben es heute leider auch gesehen: Brandanschläge haben nur zur Folge, diesen Leuten eine Bestätigung ihrer Selbstinszenierung als Opfer zu geben. Sie sind nicht dazu geeignet, ihren Einfluss in der Öffentlichkeit zu begrenzen.
Gewaltkriminalität ist nicht nur strafbar, sondern auch kontraproduktiv. Dass der Verfassungsschutzbericht auch in diesem Jahr über einen weiteren Verfall der NPD im Bund und im Land berichtet über die NPD haben wir in der Vergangenheit viel mehr gesprochen -, kann dabei keine Beruhigung sein, denn wer nach Rechtsaußen offen ist, wird seine Stimme nicht mehr an den bedeutungslosen und bankrotten Kleinverein NPD geben. Er wird sich unter den Flügel eines Herrn Höcke flüchten, der schon übt, wie man Regierende ins Amt bringt. Dass das Ganze nach all dem wichtigen und richtigen Protest nur eine Halbwertzeit von drei Tagen hatte, lässt hoffen. Trotzdem ist die Gefahr nicht gering.
Es waren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die in diesem Land entscheidend daran mitgewirkt haben, dass es einen antifaschistischen Grundkonsens gibt, einen Grundkonsens, der Konsequenzen aus den Verbrechen des NS-Regimes gezogen hat. Ich bin stolz darauf, dass es in unserer Gesellschaft eine bunte Vielfalt an Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen gibt, die sich gegen
Antifaschismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Stigmatisierung des Labels „Antifa“ durch rechte Agitatoren, aber auch durch Liberale und Konservative hilft dem Antifaschismus ebenso wenig wie die Gewalt einiger Gruppierungen, die die Straßenkämpfe vergangener Zeiten kopieren wollen. Unser Antifaschismus ist friedliebend und sollte auf dem Banner einer jeden demokratischen Partei stehen.
Was mir besonders Sorge bereitet, ist, dass sich die Zahl der antisemitischen Straftaten beinahe verdoppelt hat. Es blieb nicht bei Volksverhetzung und Schmierereien, sondern es kam auch zu Gewalt. Festzuhalten ist, dass 62 der 64 antisemitischen Straftaten auf das Konto rechter Täter gingen. Leider ist zu vermuten, dass es im nächsten Bericht einen erneuten Anstieg antisemitischer Straftaten zu verzeichnen geben wird. Der Antisemitismus, den wir im Zusammenhang mit Verschwörungserzählungen rund um Corona beobachten, ist beunruhigend und lässt Böses ahnen. Deshalb sage ich ganz deutlich: Jede antisemitische Straftat muss als solche erkannt und konsequent verfolgt werden.
Die AfD will sich mit ihrem Antrag mal wieder als unschuldige Märtyrerin der Demokratie darstellen, die der Landtag in seine schützenden Arme nehmen soll. Das werden wir nicht tun. Wer profaschistische Denktraditionen wie die „Konservative Revolution“ und Rechtsextreme in seiner Partei duldet oder sogar hofiert, gehört selbst in den Blick des Verfassungsschutzes.
Das, was ich eingangs zum Gewaltmonopol des Staates gesagt habe, ist für uns alle hier eine Selbstverständlichkeit. Da, wo kriminelle Akte, Gewalt oder Militanz begangen werden, muss der Staat eingreifen. Und ich hoffe, das tut er auch.
Den Verfassungsschutzbericht werden wir zur Kenntnis nehmen und sicher noch weiter diskutieren müssen. Die Diskussion wird nicht zu Ende sein, auch nicht nach dieser Debatte heute. Genau wie die Monitorings, die es gibt, sind unsere Beratungsstellen, die wir im Land haben, mindestens ge
„Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen …; Wenn wir irgendetwas beim Nationalsozialismus anerkennen, dann ist es die Tatsache, dass ihm zum ersten Mal in der deutschen Politik die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit gelungen ist.“
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Sütterlin-Waack, vielen Dank für Ihren Bericht. Dank auch an das Team von Herrn Albrecht für die großartige Arbeit.
Ich entnehme dem Bericht: Die gefährlichsten Feinde für unsere demokratische Gesellschaft stehen rechts. Das war aus meiner Sicht schon lange so. Aber es ist so, dass die Verfassungsschutzberichte der Vergangenheit, aber auch die jetzigen das noch einmal ganz deutlich akzentuieren, obwohl die Verfassungsschutzbehörden grundsätzlich immer noch der meiner Ansicht nach überkommenen These der sogenannten Extremismustheorie folgen, wonach in der Mitte der Gesellschaft die guten Demokratinnen und Demokraten sitzen, während sich links und rechts an den Rändern die Extremistinnen und Extremisten tummeln. Daneben gibt es noch die Islamisten und Salafisten, die ein Extremismus sui generis sein sollen.
Aber die Schwäche der Extremismustheorie ist, dass sie von ihrem Ansatz her nicht ausreichend berücksichtigt, dass extremistisches, minderheitenfeindliches, antisemitisches, rassistisches, autoritäres Denken und Handeln sehr wohl bis tief in die sogenannte Mitte der Gesellschaft einsickern und die Demokratie unterminieren kann. In der Sprache des Verfassungsschutzes wird dieses Phänomen mit dem Begriff „Anschlussfähigkeit“ seit einiger Zeit durchaus auch gesehen und gekennzeichnet.
Meine Damen und Herren, was stützt meine Ausgangsthese, dass der Phänomenbereich rechts letztlich für unsere Gesellschaft der gefährlichere Part ist? Dazu zunächst ein paar nackte Zahlen:
Der „Berliner Tagesspiegel“ und „ZEIT-Online“ beides wahrlich keine Presseorgane, die man der Antifa-Bewegung zurechnen könnte - haben vor einiger Zeit durch intensive Recherche eine Aufstellung veröffentlicht, wonach seit dem Jahr 1990 mindestens 169 Menschen in Deutschland - ich wiederhole: 169 Menschen! - aus eindeutig rechtsextremen Motiven getötet worden sind. Die Amadeu-Antonio-Stiftung kommt für den gleichen Zeitraum sogar auf 208 Todesopfer durch rechte Gewalt, 17 Fälle davon in Schleswig-Holstein.