Protocol of the Session on June 17, 2020

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Reform des Polizeirechts beschäftigt uns schon eine ganze Weile. Unsere Beamtinnen und Beamten mit Polizeibefugnissen leisten tagtäglich einen ungemein wertvollen Dienst für unsere Gesellschaft. Ihnen kommt eine entscheidende Rolle zu beim Schutz des Rechts auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Sie verdienen daher einen umfassenden Eigenschutz, gleichzeitig müssen aber auch Polizeibefugnisse im Spannungsverhältnis zu den Grundund Freiheitsrechten stets eng ausgelegt und interpretiert werden.

Es ist daher nur folgerichtig und geboten, die entsprechende Rechtsgrundlage regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls anzupassen. Dies macht man am besten im Dialog mit den Betroffenen, man nimmt sich dafür Zeit, und das hat man hier auch gemacht.

Der Ruf nach einer klaren Neuregelung kam aus den Reihen der Polizei selbst und kochte nicht zuletzt vor dem Hintergrund des kürzlich verabschiedeten und viel diskutierten Antidiskriminierungsgesetzes in Berlin wieder hoch. Hier ist das letzte Wort bestimmt noch nicht gesprochen, aber das nur am Rande.

Nachdem die meisten anderen Bundesländer diesbezüglich inzwischen Neuregelungen verabschiedet haben, diskutieren nun auch wir final über den vorliegenden Gesetzentwurf, der unserer Landespolizei Handlungs- und Rechtssicherheit geben sowie erweiterte Befugnisse einräumen soll. Im Folgenden werde ich auf die Kernpunkte näher eingehen.

Erstens: der sogenannte finale Rettungsschuss. Mit dem Gesetzentwurf wird dieser als individuelle Gewissensentscheidung gesetzlich geregelt. Selbstverständlich wünscht sich keine Polizistin und kein Polizist, jemals in eine derartige Ausnahmesituation zu geraten, und glücklicherweise kommen solche Schusswaffeneinsätze nur sehr selten vor, was insgesamt für unsere Gesellschaft spricht. Dennoch ist es richtig, den Beamtinnen und Beamten an dieser Stelle für den Fall der Fälle die nötige Rechts- und Handlungssicherheit zu geben, wie sie es in den allermeisten anderen Bundesländern inzwischen auch vorfinden.

Zweitens: die Erprobung des Einsatzes sogenannter Distanz-Elektroimpulsgeräte, Taser, sowie die Nutzung von Bodycams. Hierzu gab es ausführliche Diskussionen und schließlich eine Pilotstudie, deren Durchführung ich ausdrücklich unterstützt habe. Gleichzeitig müssen wir uns allerdings auch der Problematik dieser Ausrüstungsgegenstände bewusst sein. Taser können im Hinblick auf die Gesundheit von Zielpersonen schwierig sein, Bodycams im Hinblick auf den Datenschutz. Beide können und sollen andererseits aber auch präventiv wirken und zur Deeskalation in einer heiklen Situation beitragen, allein durch den Hinweis, dass gegebenenfalls gefilmt wird. Daher wünschen wir uns vom SSW diesbezüglich eine mündliche Anhörung, in der an der Studie beteiligte Polizistinnen und Polizisten von ihren Einsätzen berichten und darlegen können, welche Ausrüstung sie unter welchen Bedingungen überhaupt benötigen.

Drittens: die Ausweitung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Diese ist für uns selbstredend ein besonderes Anliegen, schließlich ist hierfür insbesondere das Gemeinsame Zentrum der deutschdänischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Padborg seit Jahren ein Paradebeispiel. Dennoch möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass weiterhin ungleiche Bedingungen gelten. Polizeifahrzeuge und Beamtinnen und Beamte in Uniform dürfen bei einem Verfolgungseinsatz die Grenze überqueren, wobei in Dänemark eine Begrenzung von 30 km/h gilt, während dänische Beamte so weit nach Deutschland fahren dürfen, wie sie wollen und wie es nötig ist. Nach all den Jahren der vertrauensvollen Zusammenarbeit könnten Kopenhagen und Berlin über eine Vertragsanpassung nachdenken. Ansonsten sind die Ergänzungen in Bezug auf die Zollvollzugsbeamtinnen und -beamten sowie die Einsatzmöglichkeiten ausländischer Polizeikräfte beziehungsweise deutscher Polizeikräfte im Ausland natürlich zu begrüßen.

(Claus Schaffer)

Die geografische Lage Schleswig-Holsteins als Transitland macht die kontinuierliche Intensivierung enger Zusammenarbeitsstrukturen notwendig. Kritisch anmerken möchte ich jedoch folgenden Punkt: Der Polizei sollen anlasslose Anhalte- und Sichtkontrollen in Grenzregionen und auf Transitstrecken ermöglicht werden. In der Ausformulierung muss sichergestellt werden, dass diese Befugnis nicht negativ ausgenutzt werden kann, Stichwort: Racial Profiling. Noch einmal: Das Hegen eines Generalverdachts - egal gegen welche Person oder Berufsgruppe - ist grundsätzlich immer falsch, und Missstände müssen aufgedeckt und beseitigt werden.

Meine Damen und Herren, wir müssen insgesamt transparent kommunizieren und rechtssicher formulieren. Wir vom SSW stehen diesem Gesetzentwurf grundsätzlich offen gegenüber und freuen uns auf die Erkenntnisse einer Anhörung mit praxiserprobten Polizistinnen und Polizisten. - Vielen Dank.

(Beifall Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dennys Bornhöft [FDP])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 19/2118 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht so. Dann ist einstimmig Ausschussüberweisung beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 41 und 69 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Linksextremismus ächten - Politische Gewalt gegen Politiker und Parteien darf nicht toleriert werden

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/2215

b) Verfassungsschutzbericht 2019

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/2158 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Landesregierung gilt: Im demokratischen Rechtsstaat gibt es keine Legitimation für Gewalt - gleich, von welcher Seite sie kommt und gegen wen sie sich auch immer richtet. Wer diesen Verfassungskonsens auch nur ansatzweise infrage stellt, rüttelt an den tragenden Säulen unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, denn das Gewaltmonopol liegt unverrückbar beim Staat. Gewalt darf nur von den dazu berechtigten staatlichen Organen im Rahmen der Gesetze ausgeübt werden.

Der neue Verfassungsschutzbericht zeigt sehr deutlich: Die Feinde unserer freiheitlichen Republik lauern in verschiedenen Ecken. Die Sicherheitsbehörden schauen daher auch stets wachsam in alle Richtungen, sie sind auf keinem Auge blind. Sie arbeiten auf der Grundlage unserer Verfassung und unserer Gesetze, und sie ergreifen die Maßnahmen, die notwendig und verhältnismäßig sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Verfassungsschutzbericht 2019 kann man sehr ausführlich lesen, dass die Gefahr durch den Rechtsextremismus weiterhin groß ist. Das Personenpotenzial hat zwar insgesamt leicht abgenommen, von 1.100 auf 1.060 Personen - es sind also 40 Personen weniger -, aber mit 360 gewaltorientierten Rechtsextremisten bleibt das Gefahrenpotenzial weiterhin hoch.

Ein prominenter Fall in diesem Zusammenhang aus dem vergangenen Jahr ist der eines Rechtsextremisten aus Sülfeld im Kreis Segeberg. Dieser Fall macht aber auch deutlich: Um Extremismus wirksam zu bekämpfen, brauchen wir neben wachsamen Sicherheitsbehörden auch immer eine starke Zivilgesellschaft.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Zahlen zum rechtsextremen Personenpotenzial sind aber bekanntlich nicht allein der entscheidende Indikator für die Sicherheitsbehörden, es sind vielmehr die verschiedenen und zahlenmäßig wachsenden Gruppierungen. Diese vernetzen sich verstärkt im Internet, heizen sich ideologisch auf und schrecken vor der konkreten Planung von Straftaten nicht zurück.

Eine noch größere Herausforderung stellen aber jene Verfassungsfeinde dar, die bisher nicht in festen und weitgehend bekannten Strukturen aufgefallen sind. Von diesen sich im Internet selbst radikalisie

(Lars Harms)

renden Personen geht eine reale Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus. Denn soziale Medien, Messenger-Dienste, Webseiten und Spieleplattformen werden mittlerweile bewusst genutzt, um mit wiederkehrenden Botschaften eigene Echoräume für Gleichgesinnte zu schaffen. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts habe ich auf diese neue Entwicklung bereits eindringlich hingewiesen. Deswegen verwenden die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern auf die Früherkennung dieses Phänomens auch besondere Energie.

Sie tun das übrigens in allen Bereichen des politischen Extremismus. Denn weiterhin stellt auch die salafistische Szene in Schleswig-Holstein einen Nährbodenfür islamistische Radikalisierungsprozesse dar. Das gilt vor allem für islamistische Terrororganisationen.

Auch der Linksextremismus bleibt im Blick des Verfassungsschutzes. Das weiterhin hohe Aggressions- und Gewaltpotenzial der Szene ist nicht zu unterschätzen. Straftatbestände von Beleidigungen über Sachbeschädigungen und Körperverletzungen bis hin zu Brandstiftungen sind dafür sichtbare Zeichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist ein hohes Gut. Sie ist der Garant für das friedliche Zusammenleben in unserem Land. Aber der vorliegende Verfassungsschutzbericht zeigt auch deutlich, dass sie verteidigt und geschützt werden muss. Gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern stellen wir uns diesen Herausforderungen.

Aber - das kann nicht oft genug betont werden - es bedarf natürlich auch einer aktiven Zivilgesellschaft, die mit friedlichen Mitteln für ihre Grundrechte eintritt. Denn allein durch Behörden und Gesetze wird unsere Demokratie nicht wehrhafter.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Deshalb kommt es jeden Tag aufs Neue auf das unermüdliche Engagement aller Menschen in unserem Land für ein Zusammenleben in Frieden und Freiheit an. Daher appelliere ich an dieser Stelle auch an alle Menschen in unserem Land: Bleiben Sie wachsam, denn das Wohlergehen unserer Demokratie betrifft uns schließlich alle! - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Abgeordnete! Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Bericht.

Meine Damen und Herren, der Grund für diesen Antrag liegt bei Ihnen. Dieser Antrag ist in Ihrem Schweigen begründet, denn dieses Haus hat sich weder in dieser Legislaturperiode noch in der vorangegangenen explizit und bewusst zu einer Ächtung des Linksextremismus in unserem Land entschließen können.

Im Mai 2020 haben mutmaßliche linksextreme Täter das Familienauto der Fraktionsvorsitzenden der AfD-Kreistagsfraktion Ostholstein in Brand gesetzt und zerstört: eine Lokalpolitikerin, eine Demokratin, die zum Ziel politischer Gewalt wurde. Hier aber erfolgten nur Wegsehen, Schweigen und wortlose Zustimmung.

Meine Damen und Herren, Linksextremismus in Deutschland wird durch einen politischen und medialen Etikettenschwindel enormen Ausmaßes getragen.

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber diese Fassade bröckelt. Denn längst lassen sich die Taten nicht mehr unter dem Begriff Antifaschismus rechtfertigen. Bitte versuchen Sie auch heute gar nicht erst, die politische Gewalt der Antifa etwa als demokratisch-verpflichtendes Engagements gegen den Faschismus zu rechtfertigen. Beleidigen Sie bitte nicht unser aller Intelligenz, die Intelligenz der Zuschauer und der Menschen da draußen. Denn da ist wirklich niemand mehr, dem Sie dieses Märchen vom guten Gewalttäter, der in schwarzen Horden brandschatzend durch die Straßen zieht, noch erzählen können. Keiner, wirklich keiner, glaubt angesichts der G-20-Ausschreitungen, der zahllosen Anschläge der Antifa auf die Bahn, die Wohnungsunternehmen, die Polizei, den politischen Gegner und viele, viele Unbeteiligte mehr noch ernsthaft an den Kampf gegen den Faschismus. Die Antifa hat mit Faschismus etwa so viel zu tun wie der antifaschistische Schutzwall der DDR.

(Vereinzelter Beifall AfD)

Das hat auch der Verfassungsschutz erkannt. Er entlarvt im Kapitel Linksextremismus den Antifaschismus als Zugpferd, um sich Zugang ins bürgerliche Engagement zu verschaffen.

(Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack)

Die Strategie der Parole Antifaschismus ist übrigens keine Neue. Sie hat ihre Ursprünge in einer Zeit, die von Stalin und seiner Variante des Kommunismus das Leben und auch den Tod von Millionen prägte. Später waren es dann die Sozialisten der DDR, die alles und jeden unter dem Motto Antifaschismus zusammenpferchten und ideologisch in Schach hielten. Die Mauer, meine Damen und Herren, der antifaschistische Schutzwall, richtete sich deshalb auch nach innen, gegen die Menschen, die eben nicht im sozialistischen Paradies bleiben wollten, sondern nach Freiheit strebten.

Antifaschismus war und ist der ideologische Etikettenschwindel, um einen Systemwechsel hin zum Kommunismus oder Sozialismus zu erreichen. Das bestätigt auch der Verfassungsschutz: Denn tatsächlich gehe es den linksextremen Gruppierungen unter diesem Label um das Zerschlagen gesellschaftlicher Strukturen, die deren Auffassung nach zwangsläufig Faschismus und Rassismus hervorbrächten. Diese grundsätzliche Ablehnung des bestehenden Staatsgefüges bedeutet gleichzeitig auch eine Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Linksextremisten eine das gemeinsame Ziel, die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung revolutionär zu überwinden. An ihre Stelle solle eine sozialistische, kommunistische oder anarchistisch-herrschaftsfreie Gesellschaftsform treten. - Verfassungsschutz!

Hierin finden Sie auch die Motivation und Rechtfertigung der Antifa und eben des Linksextremismus im Allgemeinen. Meine Damen und Herren, die Antifa ist ohne jeden Zweifel verfassungsfeindlich. Die Symbole der Antifa sind die Symbole von Verfassungsfeinden. Das wissen Sie alle. Niemand hier im Haus kann hier noch glaubhaft erklären, dass er das nicht wisse. Sie alle wissen, wofür die Antifa steht. Sie alle wissen, was Linksextremismus für unsere Gesellschaft und für unsere Demokratie bedeutet.

Wenn sich also eine Bundesvorsitzende von der SPD, Saskia Esken, solidarisch mit der Antifa erklärt, mehr noch, erklärt, antifa zu sein, dann frage ich: Was bedeutet das für unser Land, wenn von einer Regierungspartei Solidarität mit Verfassungsfeinden erklärt wird? Was bedeutet es, wenn sich Jugendorganisationen der SPD und der Grünen solidarisch mit der Antifa erklären, ja sogar erklären, antifa zu sein? Was sagt das über die Grünen und die SPD selbst aus? Das ist Nachwuchsgewinnung aus den Reihen von Verfassungsfeinden.

(Zuruf Dennys Bornhöft [FDP] - Weitere Zu- rufe)