Protocol of the Session on September 21, 2017

Für den SSW gilt: Wir wollen keinen gesamteuropäischen Staat mit einer zentralen europäischen Regierung, sondern eine kooperierende EU, in der nationalstaatliche und regionale Besonderheiten angemessen und gleichberechtigt Berücksichtigung finden. Wir wollen eine Europäische Union der Regionen.

(Beifall SSW)

Ich freue mich, dass sich die meisten in diesem Plenarsaal vielleicht im Europaausschuss auf einen gemeinsam getragenen Antrag einigen können. Dann ist es ein solidarisches und vielleicht auch ein gutes Europa. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt folgen mehrere Dreiminutenbeiträge. Zuerst hat sich Frau Abgeordnete Regina Poersch von der SPD-Fraktion gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Beitrag der AfDFraktion, Ihre Hassrede, nicht unkommentiert lassen. Auch wenn ich jetzt eine Zurechtweisung durch das Präsidium riskiere: Pfui Teufel!

(Beifall SPD)

Jemand wie Sie sollte den Begriff „Europa“ nicht in den Mund nehmen. Das hier war eine ganze Menge Stammtisch.

(Jette Waldinger-Thiering)

Ein bisschen zu viel Stammtisch fand sich leider auch in dem Beitrag des Kollegen Holowaty. Ganz viel von dem, was Sie angeprangert haben, hat mit europäischem Verbraucherschutz zu tun. Davon haben Europäerinnen und Europäer eine ganze Menge Gutes. Machen Sie das bitte nicht lächerlich!

Der CDU fehlt der Schleswig-Holstein-Bezug im Antrag meiner Fraktion. Genau den muss man in Ihrem Antrag aber wirklich suchen. Fangen wir doch mal an, darüber zu reden, dass wir ein Nachbarland Dänemark haben, dass wir Grenzpendlerinnen sowie Grenzpendler haben, dass wir Menschen haben, die auf der einen Seite der Grenze leben und auf der anderen arbeiten. Reden wir darüber, was wir beitragen können, die Arbeitnehmerfreizügigkeit auszugestalten. Denn diese ist ein ganz zentrales Element der Europäischen Union. Das ist uns ganz wichtig, und das ist unser Beitrag zu einem sozialen und solidarischen Europa.

Ich bin froh, dass beide Anträge in den Ausschuss überwiesen werden. Denn dann können wir noch einmal reden. Reden wir doch über den Beitrag Schleswig-Holsteins zur Bekämpfung der Fluchtursachen. Reden wir über diese wichtigen Austausche von Schülerinnen und Schülern sowie von Studierenden. Davon steht in Ihrem Antrag leider kein Wort. Reden wir über soziale Sicherungssysteme. Reden wir über deren Koordinierung. Reden wir darüber, dass eine Beratungsstelle für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Europäischen Union nicht nur auf Osteuropa beschränkt sein sollte. Wenn wir Arbeitnehmerfreizügigkeit europäisch denken, müssen wir das auch europäisch machen.

Reden wir im Ausschuss über ein soziales und solidarisches Europa. Ich freue mich auf die Beiträge aller demokratischen Fraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Heiner Dunckel von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach so einem Beitrag der AfD ist es in der Tat schwer - die Kollegin hat es gerade gesagt -, einigermaßen sachlich mit der Frage von Europa umzugehen.

Wer es noch nicht gemerkt hat, dem sage ich - das auch zu Protokoll -: So geht Nationalismus, so geht antieuropäische Politik!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich eigentlich gedacht habe, dass im Antrag der regierungstragenden Fraktionen ein paar Sachen fehlen. Ich bin mir dabei nicht so ganz sicher. Wenn ich die Beiträge der Kollegen von der FDP und der CDU richtig werte, ist es mehr, als dass es nur fehlt. Ich glaube: Das eine oder andere wollen Sie auch nicht. Deswegen will ich an das eine oder andere erinnern.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie den Grundsatz, der in der Europäischen Union formuliert worden ist, dass es nicht nur um wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch um soziale Verantwortung geht, verinnerlicht haben. Ich möchte das an zwei bis drei Punkten deutlich machen, die ich überschaue, nämlich am Thema des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie anhand der Frage, wie wir mit den Arbeitsbedingungen und der Arbeitsumwelt umgehen.

Entgegen dem, was hier gesagt worden ist, halte ich fest: Das sind gemeinsame einheitliche Standards und Grundsätze. Wir haben ein europäisches Arbeitsschutzgesetz. Dieses europäische Arbeitsschutzgesetz hat Vorrang gegenüber den nationalen Gesetzen. Das heißt: Die nationalen Gesetze haben dem zu folgen. Da ist gar keine Frage, ob wir diese Angleichung wollen oder ob das schwierig ist, denn der Grundsatz gilt. Die Richtlinien gelten. Diese müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Das ist einfach so.

Das heißt: Schon aus diesen Gründen müssen wir das gehört zu einem solidarischen Europa dazu das europäische Arbeits- und Gesundheitsrecht ausbauen, damit es auch in nationales Recht umgesetzt werden kann. Wir haben heute Themen wie psychische Belastungen in der Pflege gehabt. Insofern ist es gar keine Frage, ob wir es wollen oder nicht, letztlich ist das in der Europäischen Union auch schon geklärt und in den entsprechenden Richtlinien genannt.

Ein weiterer Punkt fehlt mir auch - ihn müssen wir durch den Brexit in besonderem Maße zur Kenntnis nehmen -, nämlich die Frage, wie wir mit der internationalen Wissenschaft umgehen. Wir lernen gerade, dass die Gefahr beim Brexit ist, dass die internationale Lehre und Forschung - Wissenschaft lebt durch Internationalität und den internationalen Austausch - gefährdet sind. Auch dabei fehlen mir zu

(Regina Poersch)

mindest in Ihrem Antrag deutliche Hinweise zur Freizügigkeit von Lehre und Forschung. Damit sind nicht nur Studierende, sondern auch Wissenschaftler sowie den Austausch zwischen den Ländern angesprochen. Das hätte ich in Ihrem Antrag gern genauer gesehen. Ich habe nur gesehen, dass Sie es ausgelassen haben. Ich würde mir wünschen, dass das entsprechend ergänzt wird. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und Rasmus Andresen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Als Nächste hat die Abgeordnete Eka von Kalben von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß: Wir alle haben uns bei Ihrem Redebeitrag, Herr Nobis, sehr zurückhalten müssen, damit wir nicht unparlamentarisch antworten. Es ist mir trotzdem ein Bedürfnis - ich finde es wichtig, das immer wieder deutlich zu machen - zu unterstreichen: Dass wir unterschiedliche Positionen zu Europa haben können, ist gar keine Frage. Das haben wir auch zwischen den anderen Parteien. Auch da gibt es unterschiedliche Positionen. Auch in unserer Koalition haben wir Gemeinsamkeiten, aufgrund derer wir einen gemeinsamen Antrag formulieren können, und andere Sachen, bei denen wir unterschiedlich sind. Das ist nicht das Problem. Darüber können wir uns austauschen. Das war auch in der Küstenkoalition so.

Aber was nicht geht und was ich entschieden zurückweise - ich habe mich eben darüber unterhalten, ob ich das Wort „Rassismus“ in den Mund nehmen darf, und habe gelernt, dass das dafür nicht passend ist -, ist, dass Sie Bevölkerungsgruppen als süchtig nach Geld bezeichnen. In dieser Form darf man wirklich nicht über andere Menschen reden. In diesem Parlament weise ich das ausdrücklich zurück.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Zweitens. Das ist etwas, das mir auch bei anderen Parteien in diesem Hause und auch schon in der letzten Legislaturperiode missfallen hat: Ich finde es falsch - ich bitte Sie, sich das in Zukunft wirklich zu überlegen -, wenn Parteien von „dem Bürger“ sprechen, den sie vertreten. Interessant ist zunächst, dass damit wohl nur der männliche Bürger gemeint ist. Wir vertreten alle Menschen in diesem Land.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wir werden von unterschiedlichen Menschen gewählt. Ich glaube, dass viele Menschen, die mich und meine Kollegen und Kolleginnen von den Grünen gewählt haben, sich von Ihnen in diesem Haus garantiert nicht vertreten fühlen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Als Nächster hat der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet aufgrund des Beitrags des Kollegen Holowaty, denn die Frage nach der Pizza Napoletana hat natürlich einen tieferen Hintergrund.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD]: Sehr wichtig!)

Denn solche Halbinformationen spielen den Antieuropäern in die Hände. Warum nimmt man das Beispiel des traditionell geschützten Produkts der Pizza Napoletana? Warum nicht bayrisches Bier, Kölsch oder Spreewaldgurken?

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Man könnte auch über andere geschützte Begriffe reden. Das ist ein langer Weg. Diese Begriffe werden übrigens auf Antrag der jeweiligen Region, Nation respektive der Schutzgemeinschaften geschützt. Es ist also nicht so, wie man auch in der Presse lesen kann, dass in Brüssel ein paar Leute zusammensitzen und sich überlegen: Wie könnten wir ein Rezept machen, das für alle gilt?

Vielmehr geht es darum, die regionalen Besonderheiten zu erhalten, die heimische Wirtschaft zu schützen und falsche Bezeichnungen vom Verbraucher fernzuhalten. Dafür ist das Verfahren gemacht worden. Das können Sie ganz schnell nachgoogeln, ich kann es Ihnen allerdings auch noch einmal erklären. Das gilt übrigens auch für Allgäuer Bergkäse, Allgäuer Emmentaler.

Pizza Napoletana ist im Übrigen eine Herkunftsund keine Rezeptbezeichnung. Denn daraus können Sie Pizza Margherita und sonstige Pizzaspezialitäten machen. Wer das Thema ein bisschen beherrscht, weiß, dass es sich um eine Herkunftsbezeichnung handelt. Deshalb habe ich auch von Lü

(Dr. Heiner Dunckel)

becker Marzipan gesprochen. Daher darf man Pizza Napoletana auch außerhalb von Neapel herstellen. Das dürfen Sie beim Kölsch nicht tun. Das müssen Sie im Rheinland herstellen und bayrisches Bier in Bayern. Das heißt: Unsere deutschen Schutzanforderungen an Brüssel waren sogar noch höher.

Interessanterweise findet man das nie auf der Liste der unsinnigen EU-Vorschriften, sondern beispielsweise das deutsche Reinheitsgebot. Das zeigt nämlich Ihr Unterton. Das haben Sie nicht bewusst transportiert, aber ich bitte Sie, wenn Sie es bewusst transportieren wollen, um Folgendes: Sie können natürlich sagen, dass Sie dagegen sind, dass in einem gemeinsamen Markt, den es nun einmal gibt, Schutzvorschriften für gewisse Produkte existieren. Das können Sie aufgrund einer sehr stark liberalen Haltung sagen. Dann müssen Sie es aber auch so sagen, dass Sie nirgendwo regionale Schutzvorschriften haben wollen.

Die Mitgliedstaaten wollen das. Die Regionen wollen das. Die Hersteller wollen das. Die Verbraucher wollen das. Ich bin ziemlich froh, dass ich weiß, wenn ich Feta im Supermarkt kaufe, dass dieser nicht aus Kuhmilch hergestellt ist, was früher der Fall war. Wenn „Feta“ auf der Packung steht, ist keine Kuhmilch drin. Das Ende der Verbrauchertäuschung haben wir unter anderem den Schutzvorschriften zu verdanken. Ich möchte die Schutzvorschriften beibehalten. Wir sollten sie nicht desavouieren. Das lässt Wasser auf die Mühlen derjenigen fließen, die sagen: Das ist alles dummes Zeug.

Abgesehen davon: Nehmen Sie die Richtlinie. Kochen Sie das Rezept einmal nach - es ist ein bisschen aufwendig vom Teig her -, dann werden Sie feststellen, dass es sogar besonders lecker ist. Ich danke Ihnen.

(Heiterkeit und Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir nähern uns der Mittagspause. Mir liegen bis jetzt noch weitere Dreiminutenbeiträge vor. Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dennys Bornhöft von der FDP-Fraktion.

(Lars Harms [SSW]: Keine Rezepte mehr!)

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich konnte gestern lesen, dass die AfD von sich behauptet, sie habe die Sommerpause gut genutzt, sie sei jetzt voll im Saft und die parlamen