geäußert werden, genau das konterkarieren, sodass die konsequente Anwendung dieses Prinzips doch dann darauf hinauslaufen müsste, diese Initiative abzulehnen, zumal das, was jetzt schon durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeberseite und Betriebsräten möglich ist, im Rahmen des gegenwärtigen Arbeitszeitgesetzes erfolgt?
Meine Frage ist also, ob ich Sie richtig verstanden habe, dass man die Einschätzung der Kollegen von Jamaika nicht an ihren Worten festmachen muss, sondern an der Frage, ob sie einer Initiative zustimmen, mit der das Ziel verfolgt wird, Arbeitspausen zu verkürzen und Arbeitszeiten zu verlängern.
- Das ist völlig richtig; denn damit wird der Zweck, der im Arbeitszeitgesetz an erster Stelle genannt wird, in der Tat konterkariert; das ist so.
Lassen Sie mich aber noch auf einen Punkt eingehen. Das Arbeitszeitgesetz ist 1994 formuliert worden. Ich darf daran erinnern, dass Gesetze wie diese zwischendurch auch immer wieder mal geändert werden, zuletzt im Jahre 2016. Weil Sie sagten, 1994 habe man von Flexibilität nichts gewusst, möchte ich betonen: Im Arbeitszeitgesetz steht bereits drin: „flexible Arbeitszeiten zu verbessern“. Das wussten wir schon 1994, und das wissen wir immer noch. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon ziemlich vermessen, dass Sie, Herr Richert, sich hier hinstellen und sagen: ewig Gestrige und keine neuen Ideen. Ich habe explizit auch in meinem Redebeitrag sehr deutlich gemacht, wie wir uns vorstellen, was gerade in Zeiten des Fachkräftebedarfs und der Fachkräftesicherung nötig wäre. Das geht nicht mit weniger Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz, sondern mit mehr Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz.
Wenn Sie tatsächlich Flexibilität wollen, dann sollten Sie wissen: Es gibt bereits Vorschläge von uns zur Familienarbeitszeit; es gibt Vorschläge von uns zu Zeitarbeitskonten; es gibt viele Vorschläge zu dem, was wir hier gerade diskutieren. Eines sage ich sehr deutlich: Wenn die Babyboomer im Jahre
2030 in ihren wohlverdienten Ruhestand gehen wollen, dann werden wir in diesem Land noch über ganz andere Situationen reden. Deshalb müssen wir uns bereits jetzt auf den Weg machen und prüfen: Welches sind die Instrumente? Wie können wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren Jobs sichern, damit sie auch in ihren Berufen bleiben? Wir wissen jetzt schon, dass in vielen Care-Berufen die meisten Beschäftigten maximal drei, vier oder fünf Jahre bleiben und dann wechseln. Das heißt, auch jetzt schon sind die Belastungen sehr hoch, obwohl wir hier nicht die angebliche Flexibilisierung der Arbeitszeit haben.
Ich darf hier auch einmal als Mutter von zwei Kindern reden, die tagtäglich den Spagat zwischen Betreuungsplatz und Arbeitsplatz organisieren muss. Die Eltern wünschen sich tatsächlich weniger Arbeit und nicht mehr Arbeit. Sie wünschen sich tatsächlich, dass sie auch gemeinsam mit ihren Familien etwas organisieren können, zum Beispiel Urlaubstage. Das geht zum Beispiel dadurch, dass man bei der Kita-Reform über die Schließzeiten nachdenkt.
Wenn Sie in Deutschland und in Schleswig-Holstein familienfreundliches Arbeiten ermöglichen wollen, dann geht das über mehr Betreuungsangebote von den Kitas bis hin zur Grundschulversorgung.
Wenn Sie mit UV Nord reden und danach fragen, was gebraucht wird, was fehlt, dann sagen die: „Wir brauchen dringend mehr Betreuungsmöglichkeiten, damit die Familien entspannter arbeiten“.
Als Mutter möchte ich hier noch eines ganz deutlich sagen: Wir verbringen als Elternteil unglaublich gerne viel Zeit mit unseren Kindern; wir lieben es. Aber ganz ehrlich: Wir brauchen auch ein bisschen Ruhe und Pause für uns, für jeden Einzelnen, um sich zu regenerieren, sich zu erholen und wieder fit zu sein. Es kann nicht sein, dass die Familienfreundlichkeit und die Eltern ausschließlich daran gemessen werden, nur zu arbeiten oder sich um die Kinder zu kümmern. Schließlich ist man ja auch Mensch, will auch Mensch bleiben, muss sich hin und wieder aber auch mal erholen können. Daher reichen die Vorschläge, die Sie hier unterbreiten, nicht.
Lassen Sie uns gemeinsam nach Lösungen suchen. Denn dieses ist eines der drängendsten Probleme in Schleswig-Holstein und in Deutschland. Auch die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass unsere Wirtschaft dadurch geschwächt wird, dass wir in
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist wichtig, auch noch einmal einzuordnen, in welcher Realität wir uns befinden. Nicht einmal mehr 50 % aller Betriebe haben überhaupt noch tarifvertragliche Bindungen. Nicht einmal mehr 50 % der Betriebe auch in Schleswig-Holstein haben vertragliche Bindungen mit Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertretungen.
Wenn man sich dann hier hinstellt und sagt, das könnten doch die Tarifverträge regeln und das könnten die Gewerkschaften aushandeln, dann muss ich sagen: Nein, wir sind im Moment in einer Situation, dass dies in vielen Bereichen, in denen es keine Tarifverträge mehr gibt, gar nicht mehr möglich ist.
Zweitens. Hier wird immer so freundlich gesagt, es sei doch ergebnisoffen, wie man verhandele. Aber wie sieht denn die Realität aus? Die 12-StundenNachtschicht einer Krankenschwester, ob nun beim UKSH oder an einem anderen Krankenhaus in Schleswig-Holstein, ist Realität. Da geht es gar nicht um acht Stunden oder die Ausnahme, die Herr Kilian hier so wunderschön für die Hochzeitsfeier auf dem Land beschrieben hat. Nein, für die ist das Realität, und zwar jede Nacht, in der diese Krankenschwester arbeiten muss: 12 Stunden. Da kommt gar keiner auf die Idee zu sagen: „Ach komm, mach mal hier!“ oder was weiß ich, was Sie dazu erzählt haben. Nein, Sie konstruieren einfach Geschichten, damit Sie es nach hinten aufweichen können, damit Sie in diesem Bereich eine Loslösung bekommen können.
Herr Kollege Baasch, halten Sie es für eine „Geschichte“, dass die DEHOGA, aber auch Arbeitnehmer aus dem Bereich des Gaststättengewerbes darauf hinweisen, dass durch Überschreitung der Höchstzeiten entweder Festivitäten abgebrochen werden müssten oder eigentlich ein Austausch des Personals erfolgen müsste?
Der Vergleich mit einer branchenspezifischen Ausnahme im Gesundheitswesen mag in einer Landtagsrede vielleicht besonders pfiffig sein. Aber wenn Sie hier so tun, als ob das eine „Geschichte“ wäre, dann frage ich Sie: Halten Sie es für eine „Geschichte“, dass im Gaststättengewerbe regelmäßig Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz mit Einwilligung der Arbeitnehmer vorkommen?
- Sie konstruieren hier schon wieder etwas. Ich will Ihnen deutlich machen: Ich gehe nicht nur gern in Restaurants und trinke dort auch mal ein Bier, sondern ich rede dann auch mit den Inhabern und den Beschäftigten. Ich kenne ein großes Restaurant in Lübeck, das über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist. Da sagt mir der Eigentümer: „Das ist kein Problem für uns. Es gibt Gesetze, und an die müssen wir uns halten. Das regeln wir.“ Das können die regeln; sie müssen es nur wollen.
Wenn hier gesagt wird, dass ständig Gesetzesbruch stattfinde, dann müsste man dem in der Tat nachgehen; denn das ist nicht zu tolerieren. Deswegen sollten Sie das hier nicht als Beispiel für irgendeine imaginäre Geschichte nehmen, sondern Sie sollten sich tatsächlich darum kümmern, dass Gesetzesbruch nicht stattfindet, anstatt damit irgendetwas zu rechtfertigen.
Ja, das kann ich mir vorstellen. Wenn man gut in der Fantasie lebt, dann ist die Realität tatsächlich ein Einbruch.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass Sie ein Restaurant in Schleswig-Holstein kennen. Ich möchte Ihnen aber vorschlagen, sich in wei
teren Restaurants und vielleicht auch einmal mit dem Hotel- und Gaststättenverband zu unterhalten. Es geht hier um ein tagtägliches Problem sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Es findet in Abstimmung beider Seiten miteinander tagtäglich eine Verschiebung der Arbeitszeitgrenzen statt, obwohl das eigentlich nicht legal ist. Dieses Problem ist der SPD auf Bundesebene sicher auch bekannt. Ich wüsste sonst nicht, warum darum im Koalitionsvertrag eine Regelung geschaffen werden sollte.
- Trotzdem bleibt für Sie das Nachdenken darüber, wie Sie dann den massenhaften Gesetzesbruch eindämmen wollen. Sie gehören zu einer Rechtsstaatspartei. Ich kann mir vorstellen, dass Sie auch daran arbeiten, dass Rechtsbruch nicht mehr stattfindet. Wenn Sie sich damit beschäftigen, haben Sie vielleicht erst einmal genug zu tun.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Dr. Dunckel?
Lieber Kollege Baasch, teilen Sie meine Auffassung, wenn es denn stimmt, dass es massenhaft Gesetzesbrüche gibt, wie Herr Kilian das andeutet, dass wir dringend das Aufsichtspersonal verstetigen und steigern müssen, das diesen Gesetzesbrüchen nachgeht?
- Genau das ist eine der Folgen. Wir müssen dafür sorgen, dass genau dieses mehr kontrolliert wird. Aber wir bräuchten auch eine starke Interessenvertretung im Bereich der DEHOGA, und zwar nicht nur durch die Arbeitgeber, sondern auch durch die Arbeitnehmer. Denn genau dort fehlen ganz viele Tarifverträge und tarifvertragliche Vereinbarungen.
Ich greife jetzt hier ein. - Herr Baasch, bitte, führen Sie Ihre Rede zu Ende. Ich möchte jetzt nicht, dass Sie gegenseitige Bestätigungen erhalten.
- Nein, es liegt in meinem Ermessen, das jetzt abzubrechen. Herr Baasch, Sie haben das Wort. Ich erlaube keine Zwischenfragen mehr.
Ich habe zwar viele Rechte, aber ich habe auch das Recht, mir eine Zwischenfrage meines Fraktionsvorsitzenden zu wünschen. Also bitte schön.
Herr Abgeordneter, ich habe eben wie Sie wahrscheinlich auch - - Insofern ist Ihr Dreiminutenbeitrag schon allein deshalb sehr wertvoll, weil wir nämlich den Zwischenruf aus der FDP-Fraktion gehört haben, man möge die Gesetze der Realität anpassen. Finden Sie es nicht auch kurios, wenn Rechtsstaatsparteien hier argumentieren, wenn Gesetze nicht eingehalten werden, dann müssen sie eben geändert werden? Das, finde ich, ist eine sehr problematische Rechtsstaatsauffassung. Das führt übrigens nach meiner Einschätzung dazu, wenn ich diese Bemerkung hinzufügen darf, dass man dann am besten wie beim Tariftreuegesetz solche Sachen aufhebt. Dann muss man sich nicht mehr mit den lästigen Inhalten befassen. Das scheint hier der Punkt zu sein.