Protocol of the Session on November 15, 2019

Ich weise noch einmal darauf hin, dass ich hier das Rederecht erteile.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD und SSW)

Es geht hier nicht darum, die Redezeit von Herrn Baasch auszudehnen, indem Steilvorlagen aus der eigenen Partei gegeben werden. Zwei habe ich zugelassen. Jetzt lasse ich es nicht mehr zu. - Herr Baasch, ich möchte Sie bitten fortzuführen. Sonst entziehe ich Ihnen jetzt das Wort.

(Beifall CDU und AfD)

Liebe Frau Präsidentin, warum Sie mir androhen, das Wort zu entziehen, geben, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Aber ich werde trotzdem mit meinem Dreiminutenbeitrag fortfahren und auf zwei

Punkte hinweisen. Das eine bezog sich auf die Realität. Ich habe von der Krankenschwester gesprochen, dass es Realität ist, dass sie nachts 12-Stunden-Schichten macht, aber auch tagsüber, vor allem aber, was ich sehr belastend finde, 12 Stunden Nachtschicht. Natürlich sind auch in anderen sozialen Berufen geteilte Dienste, wo man morgens zwei, drei Stunden arbeitet, dann am Nachmittag oder am Abend noch einmal zwei oder drei Stunden arbeiten muss, Realität. Gehen Sie mal in ein Pflegeheim! Schauen Sie sich doch an, wie die Arbeitsbedingungen in einem Pflegeheim sind!

(Beifall SPD, SSW und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb, glaube ich, muss man andere Regelungen finden.

Ich will noch einmal das Jahr 1994 aufgreifen. Der Kollege Dunckel hat schon gesagt, dass sich die Arbeitsgesetzgebung verändert hat. Aber das ist nur die eine Wahrheit. Wir haben 1994 nie über Burnout, ausgebrannte Arbeitnehmer in diesem Sinne geredet. Auch das hat sich entwickelt. Wir müssen den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer viel stärker in den Blick nehmen. Genau das ist etwas, was wir in die Arbeitsgesetzgebung aufnehmen sollten.

Dann will ich noch an 1919 erinnern. 1919 war ein wichtiges Jahr in der deutschen Geschichte, nicht nur, weil wir das Frauenwahlrecht und die erste Demokratie bekommen haben. Es wurde auch der VFB Lübeck gegründet. Es ist die Arbeiterwohlfahrt gegründet worden, also ein ganz wichtiges Jahr. Aber es ist auch der Achtstundentag eingeführt worden. Ich finde, es ist notwendig, heute darüber zu reden, dass wir den Achtstundentag infrage stellen und sagen, sechs Stunden vielleicht in einer 30-Stunden-Woche sind gut. Oder wenn wir auf vier Tage in der Woche gehen, sind auch 7,5 Stunden an vier Tagen in der Woche in Ordnung. Ich glaube, in diese Richtung für Familienfreundlichkeit, aber auch für Arbeitssicherheit und die Zufriedenheit von Arbeitnehmern muss man diskutieren.

Herr Baasch, bitte kommen Sie zum Ende. Ich habe Ihnen großzügig noch eine Minute mehr gegeben.

Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Herr Dr. Stegner hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet.

Ich beantrage eine Unterbrechung der Sitzung und eine Sitzung des Ältestenrates.

Herr Dr. Stegner, ich würde gern aus § 53 unserer Geschäftsordnung zitieren:

„Die Präsidentin oder der Präsident kann mit Zustimmung der Rednerin oder des Redners Abgeordneten zu Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen das Wort erteilen. Die Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen müssen kurz gehalten sein.“

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Von diesem Recht, das einzugrenzen, habe ich jetzt Gebrauch gemacht. Ich lasse somit diesen Geschäftsordnungsantrag abstimmen. Wer diesem Geschäftsordnungsantrag von Herrn Dr. Stegner stattgeben möchte, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Geschäftsordnungsantrag abgelehnt.

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die Debatte um das Arbeitszeitgesetz so aufgebracht geführt wurde, überrascht mich dann doch. Ich widerspreche zunächst einmal der Behauptung, dass die Vertreter der Jamaika-Koalition hier geäußert haben, dass sie Rechtsbruch dulden. Das Gegenteil ist der Fall. Ich möchte daran erinnern, dass ich den Kollegen Schnurrbusch darauf hingewiesen habe, wie die Rechtslage ist und dass ich der Auffassung bin, dass diese Rechtslage zu beachten und streng einzuhalten ist.

(Beifall FDP und CDU)

An dieser Stelle noch einmal der Hinweis, Herr Schnurrbusch: Auch für Kleinst- und Kleinunternehmen ohne Betriebsräte gilt die Aufzeichnungspflicht des Arbeitszeitgesetzes und damit die Verpflichtung, die Arbeitszeit zu erfassen, da ich sonst die Aufzeichnungspflicht nicht erfüllen kann.

(Beifall FDP und CDU)

Jetzt kommen wir zurück zu den eigentlichen Gegenständen des heutigen Tages. Das Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist ihre Verweigerungshaltung, in einen Dialog, in eine Diskussion über das Arbeitszeitgesetz einzusteigen. Ich möchte einen Gedanken, den Sie, Herr Baasch, angesprochen haben, aufgreifen. Sie haben gesagt, wir haben immer weniger Tarifbindung in diesem Land. Das ist in der Tat im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz und die Flexibilisierungsmöglichkeiten durchaus ein Problem; denn anders als Ihr Fraktionsvorsitzender hier heute glauben machen wollte, kann ich eine Arbeitszeitflexibilisierung mit dem Betriebsrat, die über die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes hinausgeht, nur vereinbaren, wenn es einen Tarifvertrag gibt. Wenn es diesen Tarifvertrag nicht gibt, weil es immer weniger Tarifbindung gibt, dann müssen wir uns als Gesetzgeber darüber Gedanken machen, wie Flexibilisierungen, die Sie ja für zulässig erachten, wenn die Arbeitnehmervertretung mitgewirkt hat, möglicherweise diesen Tarifvorbehalt nicht mehr haben, sondern dass die Betriebsparteien auch ohne einen entsprechenden Tarifvertrag betriebliche Regelungen finden können. Darüber lohnt es sich, zu reden, sich auszutauschen und Lösungen zu finden, die dann auf die Betriebe passen.

(Beifall FDP)

Ich habe aus dem Antrag der bayrischen Landesregierung auch vernommen - ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich das jemals verteidige -, ich habe festgestellt, dass sich auch die bayrische Landesregierung sehr deutlich an geltendes EU-Recht halten will und nur im Rahmen der EU-Arbeitszeitrichtlinie neue Regelungen plant. Das ist legitim und in Ordnung. Weiterentwicklungen von Gesetzen können nicht so schlimm sein, hier eine derart unsachliche Diskussion zu führen.

(Birte Pauls [SPD]: Unsachlich?)

- Die ist unsachlich in weiten Teilen, liebe Frau Pauls, weil hier vorgeworfen wird, dass wir, dass die Jamaika-Koalition, für eine Arbeitszeitverlängerung über acht Stunden hinaus eintritt. Das hat nicht ein Mensch gesagt.

(Beifall FDP)

Es geht darum, dass in Einzelfällen unter Berücksichtigung des Zeitausgleichs auch längere Arbeitszeiten möglich sind. Ganz ehrlich, schauen Sie in die betriebliche Praxis.

(Birte Pauls [SPD]: Ja eben! Genau!)

Ja, und es gibt die Bedarfe, und es ist heute schon möglich,

(Zurufe SPD)

und es ist eben gerade nicht erforderlich, hier die Arbeitszeit auszudehnen über die durchschnittlichen acht Stunden, mal sechs Tage macht 48 Stunden in der Woche, die gesetzlich zulässig sind. Das wird hier auch in Abrede gestellt. Wir wollen keinen Zehnstundentag im Durchschnitt einführen. Das ist nicht gesagt worden. Das sind Unterstellungen. Dagegen verwahre ich mich entschieden. Lassen Sie das einfach, und treten Sie in eine sachliche Diskussion um das Arbeitszeitgesetz ein!

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt wirklich intensiv der Debatte zugehört, und ich habe das Gefühl, es ist ein wenig eine Phantomdebatte, die wir hier führen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Es geht gar nicht darum, was der eine oder die andere sagt, und man hört sich nicht gegenseitig zu, was gesagt wird, sondern es geht immer nur darum, was man hören will - von allen Seiten. Das finde ich schade, weil ich glaube, dass das Thema Arbeitszeit - und das hat Frau Midyatli eigentlich, finde ich, sehr gut eingeführt - gesellschaftlich ein wichtiges ist. Dass sich daran etwas ändern muss ich habe zumindest bisher wahrgenommen, dass sich etwas ändern muss, weil die Praxis schlecht ist, gerade wenn wir an die 12-Stunden-Schichten in der Pflege denken -, darin sind wir uns doch einig. Wir als Jamaika-Koalition sind der Auffassung, dass es an der Zeit ist, darüber zu reden.

Nun haben die Bayern einen Vorschlag gemacht. Aus einigen Formulierungen kann man herauslesen, dass es zu einer Aufweichung kommen könnte. Ja, diese Befürchtung haben auch wir. Der Vorschlag enthält aber auch Ideen, wie man Familienpolitik, auch und gerade moderne Familienpolitik gestalten kann. Das ist doch schon einmal etwas. Auch Fragen, die sich in der digitalen Welt stellen, werden behandelt. Das alles sind Punkte, die wir angehen müssen.

Es ist doch nicht mehr so wie früher. In der KitaDebatte hören wir häufig, dass zehn oder zwölf Stunden Betreuungszeit benötigt werden, damit der Achtstundentag bewältigt werden kann. Das ist doch keine Lösung für Familien!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen auch einmal ohne Kind zum Frisör gehen oder einkaufen. Es kann nicht sein, dass wir unser gesamtes Leben nach folgendem Prinzip ausrichten: Mein Kind wird irgendwo fremdbetreut. Ich ackere mich zu Tode. Am Wochenende sind alle „alle“. Beziehung findet auch nicht mehr statt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Es geht uns darum - das nehme ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP ab -, das Arbeitsrecht zu modernisieren und nicht zu einem Ausbeutungsinstrument werden zu lassen.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- Deshalb wollen wir ja auch Änderungsanträge einbringen. Sie sind eingeladen, im Bundesrat mitzuwirken; auch die Länder, in denen Ihre Partei mitregiert, können Änderungsvorschläge einbringen. Das ist die Einladung, in einer Demokratie über einen Vorschlag zu diskutieren. Das finde ich toll, und das sollten wir tun.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Lars Harms?

Ja, gern.