Protocol of the Session on September 20, 2017

Und doch, meine Damen und Herren, sind die Zeiten heute andere als damals. Deshalb ist es gut und wichtig, dass wir heute erneut über unsere Geschichte reden und uns an sie erinnern wollen und das sage ich sehr deutlich - müssen. Angesichts der Rechtspopulisten, die hinter ihrer bürgerlichen Maske immer unverhohlener die Fratze der Rassisten und Nationalchauvinisten zeigen, ist die Erinnerung und nicht das Schweigen gerade auch über unsere jüngste Vergangenheit erste Bürgerpflicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Ein Blick in die Geschichte lehrt: Demokratie ist nicht selbstverständlich. Gleichheit, Freiheit und Solidarität wurden hart erkämpft von Menschen, die dafür verfolgt wurden und nicht selten sogar ihr Leben ließen. Das, meine Damen und Herren, sind die wahren Helden, an die wir uns erinnern und denen wir zu danken haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Ein Blick in die Plenarprotokolle - viele von uns haben das offensichtlich getan - bringt auch ein schönes Zitat der ehemaligen Abgeordneten Anke Spoorendonk zutage, die sich vehement für ein Haus der Geschichte starkgemacht hat, am liebsten in Schleswig, aber durchaus die finanziellen Realitäten des Landes kannte, mit denen sie als Ministerin viele Jahre später haushalten musste. Dieses wunderbare Zitat lautet:

„Wer arm ist, muss zumindest schlau sein.“

Wenn ein neues Museum also nicht in Sicht sein kann, so sollten wir an die Debatten von damals anknüpfend neue Wege gehen. Dabei sollten wir uns auf die neueste Geschichte konzentrieren - das ist

hier nicht einvernehmlich gewesen -, und wir sollten auch den Gedanken von wechselnden Landesausstellungen aufnehmen. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir damit schneller zum Ziel der Geschichtsvermittlung und auch zu der von mir vorhin angesprochenen Notwendigkeit kommen als mit illusorischen Neubauplänen und lähmenden Standortdebatten.

Die Weiterentwicklung medialer Vermittlungsmöglichkeiten und neue didaktische Herausforderungen müssen diskutiert werden. Kurz und gut: Wir brauchen ein neues Konzept, dessen Erarbeitung wissenschaftlich begleitet wird und das die finanziellen, aber auch musealen Voraussetzungen des Landes berücksichtigt. Ja, man kann sagen: So weit waren wir schon einmal. Aber man muss eben auch sagen: Weiter ging es bislang nicht. Deshalb finde ich es gut, wenn wir jetzt mit den nächsten Schritten beginnen, möglichst in einem breiten Konsens, und diese auch eng im Ausschuss begleiten und weiterverfolgen.

Die Kollegin Röttger hat gerade gesagt, sie bittet um Zustimmung. Ja, natürlich bitten wir um Zustimmung zu unserer Politik - das ist selbstverständlich -, aber wir sind uns einig, dass wir über beide Anträge weiter lange und intensiv im Ausschuss diskutieren wollen. Deswegen beantrage ich für die Jamaika-Koalition Überweisung an den Ausschuss. - Ich danke Ihnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass wir uns in der Sache einig sind. Schleswig-Holstein braucht ein landesgeschichtliches Angebot, das die Zeit vom 19. Jahrhundert bis zur jüngsten Vergangenheit abbildet. Es wurde schon mehrfach erwähnt: Bereits vor über zehn Jahren hat sich der Landtag mit diesem Thema auseinandergesetzt. Auch damals herrschte unter den Parteien Einigkeit über die Notwendigkeit. Ich möchte daran erinnern, dass es seinerzeit Dr. Ekkehard Klug war, der davon sprach, dass ein Haus der Geschichte ein Symbol der Landesidentität und ein touristischer Anziehungspunkt sein könne - womit er, wie ich finde, den Sinn eines solchen Vorhabens schon recht treffend umrissen hat. Denn die neuere

(Marlies Fritzen)

Geschichte des nördlichsten Bundeslandes verdient es, dargestellt zu werden, wie es in anderen Bundesländern auch getan wird.

Damals wurde das Projekt aus Kostengründen auf Eis gelegt. Ehrlicherweise können wir heute davor die Augen nicht verschließen. Es ist nun einmal das größte Problem. Wir haben während der Koalitionsverhandlungen beschlossen, dass wir uns diesem Thema widmen werden, und wir haben uns auch darauf verständigt, das Konzept eines Hauses der schleswig-holsteinischen Landesgeschichte zu realisieren. Wir sind auch bereit und willens, dieser papierenen Erklärung Taten folgen zu lassen.

Wenn das Land außerstande ist, die gesamten Kosten zu tragen, dann müssen wir eben schlichtweg neu denken und neue Wege in der Finanzierung solcher kulturpolitischer Projekte gehen. In Zeiten des Fundraisings und in Zeiten, in denen in Berlin zum Beispiel ein Stadtschloss entsteht, dessen Fassade allein aus Spendenmitteln rekonstruiert wird es geht immerhin um eine Summe von 105 Millionen € -, müssen wir uns Gedanken darüber machen, ob wir nicht stärker als bisher auf private Initiative und bürgerliches Engagement setzen wollen.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Finanzierung des Europäischen Hansemuseums in Lübeck, die nur mithilfe der Possehl-Stiftung möglich war. Das rege öffentliche Interesse, das sich immer wieder um das Projekt eines Museums der schleswig-holsteinischen Geschichte regt, sollte uns Ansporn sein, weitere Möglichkeiten wie das Einwerben von Drittmitteln und EU-Fördergeldern zum Schließen der Finanzierungslücke nutzbar zu machen.

Eine weitere wichtige Frage ist die Frage des Standorts, die wiederum mit der Frage der Kosten verbunden ist. Ich denke, dass wir uns einig sind, dass wir einen kompletten Museumsneubau wohl nicht finanzieren können. Das wurde auch schon in dem Bericht, der uns 2003 vorgelegt wurde, festgestellt. Damals wurde bereits Schloss Gottorf als Ausstellungsort favorisiert. Ich finde, das ist ein guter Vorschlag, und zwar nicht nur, weil in Gottorf eine fertige museale Infrastruktur vorhanden ist und sich auch thematisch an die Ausstellung anknüpfen ließe, sondern auch, weil gerade der gesamte Museumskomplex im Zuge des Projekts „Masterplan für Gottorf“ eine inhaltliche und bauliche Neuausrichtung erfährt. Es spricht also vieles dafür, Synergieeffekte zu nutzen und ein landesgeschichtliches Museum oder zumindest eine Ausstellung an Gottorf anzudocken.

Die Gelegenheit, das Museumsprojekt, das nun schon so viele Jahre angedacht wird, jetzt endlich voranzubringen, ist wirklich günstig. Frau Waldinger-Thiering hat das auch erkannt. Aber geklärt werden müssen die konzeptionellen Fragen, die man bei allem Elan nicht vernachlässigen darf, will man ein Angebot schaffen, das auch das Interesse folgender Generationen zu wecken vermag. Welche Ausstellungsobjekte sind vorhanden? Welche würden einer landesgeschichtlichen Ausstellung dauerhaft zur Verfügung stehen? Wie ließen sich thematische Schwerpunkte setzen? Und wie könnte man die Attraktivität - etwa durch Wechselausstellungen - dauerhaft sicherstellen?

Dies gilt es mithilfe von Experten zu diskutieren und zu klären, noch bevor darangegangen werden kann, öffentlich nicht zuletzt für finanzielle Unterstützung zu werben. Das 75-jährige Bestehen des Landes Schleswig-Holstein bietet tatsächlich einen schönen Anlass für dieses Projekt, aber ich glaube, wir werden wohl dem Wunsch des SSW an dieser Stelle nicht folgen können. Wir werden Sie wohl enttäuschen müssen, denn für eine solide Planung brauchen wir doch ehrlicherweise Zeit. Das haben auch Sie in anderen Bereichen immer eingefordert.

Wenn wir uns die Debatten der letzten Jahre ansehen, müssen wir sagen: besser spät als nie. Insofern stimme ich von unserer Seite der Ausschussüberweisung und der weiteren Beratung zu. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und AfD)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für den Antrag des SSW sind auch wir sehr dankbar, da sich die AfD schon in ihrem Grundsatzprogramm, das übrigens basisdemokratisch erarbeitet und beschlossen wurde, für die Erhaltung und Förderung einer vielfältigen kulturellen Landschaft ausspricht.

Kulturpolitik ist tatsächlich eine der vornehmsten Aufgaben der Länder. Dass es in Schleswig-Holstein noch kein Haus der Landesgeschichte gibt anders als in Bayern und Baden-Württemberg, wo es bereits existiert -, ist ein Versäumnis, das es baldmöglichst aufzuholen gilt; denn nur wenn wir

(Anita Klahn)

wissen, woher wir kommen, erhalten wir Leitsterne für unsere gemeinsame Zukunft.

Das Wissen um die eigene Geschichte, die Traditionen, Sitten und Gebräuche stiftet Identität und stärkt die Verbundenheit mit der Heimat. Als die Klassenlehrerin meines jüngsten Sohnes vor einigen Jahren behauptete, dass Erdkunde und Geschichte entbehrliche Unterrichtsfächer seien, legte ich umgehend Protest ein. Denn auch für die Generation, die mit Computer und Smartphone aufwächst, wird es nicht ausreichen, einfach nur zu googlen, um sich über komplexe Zusammenhänge unserer Geschichte zu informieren.

Veranstaltungen wie der Tag des offenen Denkmals oder erste Tag der schleswig-holsteinischen Geschichte letztes Jahr in Rendsburg zeigen, wie spannend die Beschäftigung mit der Vergangenheit sein kann. Das wunderschöne Hansemuseum in Lübeck - wir haben es heute schon aus berufenem Munde gehört - ist ein voller Erfolg und sollte uns alle dazu ermutigen, die Geschichte Schleswig-Holsteins weiter zu erforschen, für ein breites Publikum aufzubereiten und selbstbewusst zu präsentieren.

Neben der großen Geschichte und der rein chronologischen Darstellung sollten auch und gerade die Regionalgeschichte, die Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie die Kulturgeschichte in Querschnittsbetrachtungen zur Geltung kommen, um den Schleswig-Holsteinern von heute und morgen ihr Land noch ein Stückchen näherzubringen.

Den Antrag des SSW können wir nur begrüßen und empfehlen daher dessen Annahme beziehungsweise Überweisung an den Bildungsausschuss, um dort gemeinsam über ein schlüssiges Konzept für das Haus der Geschichte zu beraten. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, das Wort.

Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Warum hat die Jamaika-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, ein Konzept für ein Haus der Geschichte zu erstellen? Warum brauchen wir ein solches Haus der Geschichte?

Geschichte ist ein bedeutender Teil unserer Kultur und muss auch kommenden Generationen zugänglich gemacht werden. Vor allem junge Menschen suchen heute nach Identität, sie suchen nach Wurzeln. Auch die Integration von Zuwanderern braucht Orte, die zum Kennenlernen unserer Kultur und Geschichte einladen. Anders kann Integration nicht gelingen. Wir brauchen Sammel- und Treffpunkte der kulturellen Erfahrung. Gerade in einer Zeit von Geschichtsverdrehung und dem sogenannten Postfaktischen brauchen wir gut gemachte Angebote besonders für junge Menschen, auch um sie urteilsfähig zu machen und damit sie immun werden gegen radikale Verführer.

Wer Zukunft gestalten will - das ist bereits gesagt worden -, muss Vergangenes kennen und reflektieren können. Aufarbeitung und eine zeitgemäße Darstellung der Landesgeschichte Schleswig-Holsteins sind dazu elementar. In einem Museum, in einem Haus, an einem oder an mehreren Orten - all das sind denkbare Varianten. Wir brauchen dafür ein Konzept, das in die Zukunft weist, denn es soll für Generationen tragen. Diese Landesregierung hat das auf ihrer Kulturagenda und dazu eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag getroffen - anders als die letzte Landesregierung, die die Idee leider nicht vorangebracht hat. Übrigens gehörte auch der SSW der alten Regierung an. Umso erfreulicher ist es, dass Sie Ihren Antrag hier heute eingebracht haben. Ich bin sicher, dass wir hier gemeinsam den Weg miteinander gehen können.

Es bleibt wichtig: Bewahrung und Vermittlung des kulturellen Erbes haben einen hohen Stellenwert für diese Landesregierung und dieses Parlament. Dazu bekennen wir uns offensichtlich alle. Die Notwendigkeit der Befassung mit unseren historischen Wurzeln, der Bedeutung unserer geografischen Lage, aber auch das Gedenken und die Erinnerungsarbeit zu fördern, ist größer denn je.

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu wörtlich:

„Die Entwicklung weiterer Orte spezifisch schleswig-holsteinischer Landesgeschichte, wie zum Beispiel das Danewerk oder die Idstedt-Stiftung, wird im Rahmen eines Konzepts ‚Haus der schleswig-holsteinischen Landesgeschichte‘ in einem bestehenden Museum erarbeitet.“

Erwähnt wurde: Dieses landesgeschichtliche Museum wird seit Langem in Schleswig-Holstein diskutiert, und die Kassenlage war immer so, dass es nicht realisiert werden konnte. Das Ziel war damals richtig, und es ist heute richtig, aber bedacht wer

(Volker Schnurrbusch)

den muss, dass sich in den vergangenen 15 Jahren Gesellschaft, Kommunikationswege, Rezeptionsgewohnheiten, Museumskonzeption und Museumsdidaktik wesentlich verändert und weiterentwickelt haben. Darauf muss ein solches Konzept zur Landesgeschichte reagieren. Wir haben also die Chance, in diesem Prozess neue Impulse aufzunehmen.

Es wäre natürlich supertoll gewesen, wenn man zum 75-jährigen Landesjubiläum ein solches Haus der Geschichte hätte eröffnen können. Man muss nur ganz realistisch sagen: Dann hätte man einfach früher damit anfangen müssen. Sie wissen, wie lange Planungsprozesse in unserem Land dauern. Das bedauern wir zwar sehr, aber auch wir können nicht zaubern. Deshalb lade ich Sie ganz herzlich dazu ein: Lassen Sie uns jetzt keine Schnellschüsse machen, sondern lassen Sie uns jetzt ein Konzept entwickeln, das trägt und das auch für die nächsten Generationen tragen kann.

Ich kann Ihnen versichern: Wir arbeiten seit Übernahme der Regierung genau an diesem Konzept. Wir führen seit Wochen Gespräche mit allen Institutionen des Landes, und wir haben Gott sei Dank einige, die dafür in Betracht kommen. Wir schauen: Was gibt es an Dokumenten? Was gibt es an Quellen? Was gibt es an Artefakten, die dafür in Betracht kommen können? Welche Institutionen, welche Häuser, welche Orte könnten hier überhaupt relevant werden?

Das ist kein trivialer Prozess, sondern ein anspruchsvoller. Wir müssen ihn auch wissenschaftlich begleiten. Das ist von Herrn Habersaat zu Recht angesprochen worden. Wir müssen auch fragen: Was sind denn die für uns relevanten historischen Orte, wo wollen wir damit hin? Ich finde, dass wir es uns und vor allem den Menschen in unserem Land schulden, diesen Diskussionsprozess auf einem anspruchsvollen Niveau zu führen.

Dieser Prozess bietet ganz große Chancen. Lassen Sie uns über eine offene Museumsarchitektur nachdenken. Lassen Sie uns auf vorhandene, authentische Orte zurückgreifen, aber eben auch die Chancen nutzen, die Digitalisierung und Vernetzung heute bieten. Museum muss man heute anders denken als noch vor 15 Jahren. Das wollen wir tun. Mir geht es darum, durch die Verortung von lokalen, analogen Orten, aber auch den digitalen ein vernetztes Konzept zu erstellen.

Wir verfolgen, wenn ich es richtig verstanden habe, ein gemeinsames Anliegen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir durch die Überweisung beider Anträge in den Ausschuss zu einem wirklich inten

siven Dialog kommen. Ich verspreche Ihnen, dass wir zeitnah ein Konzept vorlegen werden. Ich finde, das ist etwas, das wir dann im Land breit diskutieren müssen.

Und ja: Auch über Finanzierungswege muss man dann in diesem Zusammenhang nachdenken. Was wäre es für ein großartiges Ergebnis, wenn wir die Menschen in unserem Land dazu bringen würden, mit uns gemeinsam ein solches Haus der Geschichte für Schleswig-Holstein zu schaffen?

Ich freue mich darauf. Ich finde, es ist ein großartiges Projekt. - Vielen Dank.