Protocol of the Session on September 20, 2017

(Beifall SSW, SPD und AfD)

Für die CDU-Fraktion hat zu ihrer ersten Rede im Schleswig-Holsteinischen Landtag Frau Abgeordnete Anette Röttger das Wort.

(Beifall)

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun stehe ich hier im lichtdurchfluteten Plenarsaal des Landtags zum ersten Mal am Rednerpult und bin begeistert. Ich bin umgeben von Abgeordneten aus dem ganzen Land, die unser Bundesland mitgestalten wollen. Jeder von uns hat seine eigene persönliche Geschichte im Gepäck.

Im vor uns liegenden Antrag geht es um die Konzeptionierung von Orten der schleswig-holsteinischen Landesgeschichte. Auch das begeistert mich. Ich habe mich schon immer als echte SchleswigHolsteinerin gefühlt und kenne viele Orte unseres Landes. Als Vertreterin der Hansestadt Lübeck bringe ich meine ganz eigene Geschichte mit in dieses Hohe Haus. Wer aus Lübeck kommt, hat an sich schon viel Geschichtliches im Gepäck, hat im altehrwürdigen Bürgerschaftssaal des Rathauses gesprochen und weiß um die Bedeutung der Deutschen Einheit genau an dieser Stelle. So passt es wohl auch, dass ich zu diesem Thema spreche.

Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass unsere Landesgeschichte sichtbar und erlebbar gemacht wird und dass wir dies auch gemeinsam am Anfang unserer Legislaturperiode auf den Weg bringen.

In der Zeit meiner knapp zehnjährigen Zugehörigkeit zur Lübecker Bürgerschaft hat sich in Lübeck als Königin der Hanse mit breiter Unterstützung ein Hansemuseum entwickeln können. Dieser Ort hat die Stadt bereichert und zieht inzwischen viele Touristen an. Davon können wir im Land und auf Landesebene lernen sowie profitieren.

Im vor uns liegenden Antrag wird die Landesregierung gebeten, bis Mitte 2018 zur Bewahrung und Vermittlung des kulturellen Erbes und der zeitgenössischen jüngeren Landesgeschichte ein Umsetzungskonzept für weitere Orte der schleswig-holsteinischen Landesgeschichte zu erstellen.

Neben den vorhandenen Angeboten zu diesem Thema halte ich Orte schleswig-holsteinischer Landesgeschichte für unverzichtbar. Denn es gibt dafür gute Gründe: Unser Bundesland als ein Land zwischen den Meeren mit seiner besonderen Lage zwischen Skandinavien und Mitteleuropa tut gut daran, seine Identität zu stärken. Es gibt vieles, was unser Land so einzigartig und liebenswert macht. Denken wir nur an den frischen Wind, der uns hier um die

(Jette Waldinger-Thiering)

Nase bläst, an die Besonderheiten der Naturräume, seien es das Wattenmeer, die Marsch oder die Holsteinische Schweiz. Oder denken wir an den guten Geschmack: von der roten Grütze über den Grünkohl bis hin zum Marzipan. Oder wir denken an unsere Sprache, die die Schleswig-Holsteiner sprechen, und an den unverwechselbaren Humor. Das alles bietet einen breiten Fundus für eine geschichtliche Erforschung.

Wenn man auf die Internetseite der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte schaut, sieht man: Diese beginnt diese mit den Worten: Am Anfang war alles einfach.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Am Anfang war das Wort!)

Die Geschichte des heutigen Bundeslandes Schleswig-Holstein beginnt als klare eiskalte Story. Das Land zwischen den Meeren ist fast reines Eiszeitland. Knapp 2,8 Millionen Menschen wohnen heute auf der Halde skandinavischen Geschiebes.

Inzwischen hat unser Land eine sehr bewegte Geschichte, und inzwischen weiß nicht mehr jeder Schleswig-Holsteiner, wie Schleswig und Holstein zusammengekommen sind.

Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten - nach diesem Motto sollten wir gemeinsam handeln. Ziel des Antrags ist es, die so vielfältige und interessante, in Teilen aber auch komplizierte Landesgeschichte erlebbar und sichtbar zu machen. Dafür sollten wir uns Zeit nehmen und ein zeitgemäßes Konzept entwickeln - im Interesse der Menschen, die wir dafür begeistern wollen.

Der Beginn der Legislaturperiode ist der richtige Zeitpunkt, um ein solches Vorhaben auf den Weg zu bringen. Das im Antrag des SSW gesetzte Zeitfenster halten wir erstens für zu knapp bemessen und legen zweitens in der Sache auch Wert darauf, in der Konzeption offen heranzugehen, sodass auch Möglichkeiten der Digitalisierung denkbar bleiben. Ich bitte um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Vertreterinnen und Vertreter der Amtsverwaltung Oeversee.

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Martin Habersaat.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 12. Dezember 1913 beschloss der Stormarner Kreistag, ein Kreismuseum in Bad Oldesloe zu errichten.

(Beifall Tobias von Pein [SPD])

Umgesetzt wurde der Beschluss nie. In den 1990er-Jahren wurde das Vorhaben erneut diskutiert, allerdings konnten sich damals die Kollegen von der CDU zu einer Befürwortung nur unter der Maßgabe durchringen, dass ein solches Museum den Kreis kein Geld kosten dürfe. Bis heute gibt es keines.

Dem Haus der Landesgeschichte erging es ähnlich. Es tendiert auch dazu, dass seine Geschichte in eine unendliche übergeht. Die Landesregierung wird aufgefordert, bis Ende 2001 dem Landtag ein Konzept zur Errichtung eines Hauses der Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Neueren und Zeitgeschichte vorzulegen und darzustellen, wie die Einbindung in die schleswig-holsteinische Museumslandschaft gestaltet werden kann. Ebenfalls sollen Aussagen getroffen werden über Trägerschaft, Kooperationsmöglichkeiten, Mitwirkung des Landesmuseumsamtes, des Museumsverbandes und Zeitplan. Diesem Antrag hat der SchleswigHolsteinische Landtag in seiner Sitzung am 22. Februar 2001 einstimmig zugestimmt.

Wenn man in die dokumentierten Protokolle schaut, kann man sehen, dass die damaligen Kollegen Garg und Kubicki zumindest durch Zwischenrufe lebhaft an dieser Diskussion beteiligt waren.

(Zuruf SPD: Waren?)

Wo sind wir nun nach 16,5 Jahren? - Bei einem Büchlein mit rund 180 Seiten, von dem der Landtag vielleicht noch einige Archivstücke übrig hat und das immerhin Konzepte der damaligen Bewerberstädte Schleswig, Kiel, Büdelsdorf und Rendsburg enthält. Damit es niemand falsch versteht, sage ich: Büdelsdorf und Rendsburg hatten ein gemeinsames Konzept vorgelegt.

Der landesweite Kulturdialog, den Ministerin Anke Spoorendonk initiierte, war da schon zurückhaltender. In den „Kulturperspektiven für Schleswig-Holstein“ ist noch die Rede davon, die Vermittlungsarbeit der eigenen Geschichte mithilfe historischer Orte zu verstärken. Besonderes Augenmerk richtet die Landesregierung dabei auf die Stätten, die das Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors wachhalten. Außerdem stellt sie sich der besonderen Verpflichtung, die NS-Geschichte des

(Anette Röttger)

Landes aufzuarbeiten, und wird dazu Vermittlungsarbeit an authentischen Orten ermöglichen.

Ich bin nicht ganz sicher, aber ich vermute, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen, der von historischen Orten spricht, auch auf solche historischen Orte im Sinne von Anke Spoorendonk abstellt. Wenn er das nicht tut, habe ich nicht verstanden, was Sie wollen. Das bedürfte dann noch der Erläuterung.

Das große zeitgeschichtliche Projekt eines authentischen Lernorts ist in den letzten Jahren die Neulandhalle in Dithmarschen gewesen, für deren Erhalt sich zwar eine Lösung abzeichnet, die aber aufgrund ihrer Struktur und ihrer Lage wohl nicht infrage kommt, ein Haus der landesweiten Geschichte werden zu können.

Ein anderes großes Museumsprojekt, das in den letzten Jahren erweitert worden ist, ist das Freilichtmuseum Molfsee. Wir sollten nicht ausschließen, dass die in diesem Zusammenhang geschaffenen räumlichen Kapazitäten vielleicht für eine Erweiterung im Sinne eines Hauses der Landesgeschichte genutzt werden könnten.

Wir haben in unserem Wahlprogramm bemängelt, dass die Aufarbeitung und Darstellung der Landesgeschichte bei Weitem noch nicht abgeschlossen sind, und angekündigt, dass wir sie fortsetzen wollen. Wir haben in der Tat Landesausstellungen an unterschiedlichen Orten in Schleswig-Holstein in die Diskussion gebracht. Der SSW hat gesagt, das reiche ihm nicht.

Die Koalition will nun ein Konzept für ein Haus der schleswig-holsteinischen Landesgeschichte in einem bestehenden Museum vorbereiten. Das könnte funktionieren.

Wenn es beim Antrag des SSW um einen Prüfauftrag geht, der ergebnisoffen ist, könnten wir problemlos zustimmen. Allerdings würden wir auch dazu tendieren, in den Ausschussberatungen die Intention des Koalitionsantrags zumindest zu verstehen.

Wir haben Ihnen neben einer Finanzministerin auch einen konsolidierten Haushalt hinterlassen. Insofern sind Mittel vorhanden, um das Thema anzugehen. Wir freuen uns, wenn Sie so eine Prüfung nicht nur konzeptionell voranbringen, sondern hinterher auch umsetzen.

Wir hätten allerdings noch einige Fragen: Was sind denn weitere Orte, und wie können solche Orte umgesetzt werden? Was verstehen Sie unter der Um

setzung von historischen Orten? Was verstehen Sie unter digitalen Varianten historischer Orte?

Ich glaube, wir könnten, zumindest was die Frage der Prüfung und der Auftragserteilung an die Landesregierung angeht, leicht einen gemeinsamen Antrag finden, wenn Sie das wollen. Ich würde dafür werben, die Vorlage in den Ausschuss zu überweisen. Wenn Sie das nicht wollen, dann machen Sie es eben, wie Sie meinen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Marlies Fritzen das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Habersaat, ein Blick in die Geschichte und in die Plenarprotokolle der letzten Jahre zeigt, dass die Debatte über das Haus der Geschichte nicht zuletzt durch einen Fraktionsbeschluss der SPD-Fraktion beendet wurde. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Vereinzelter Beifall CDU)

- Ich habe noch nicht zu Ende geredet. Ich kann diesen Beschluss auch verstehen - ich glaube, alle haben ihn damals verstanden -, weil die damalige Haushaltslage an solche Vorhaben nicht denken ließ, obwohl alle Fraktionen, die damals im Landtag vertreten waren, also CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW, sich in sehr unterschiedlicher Weise dazu bekannt haben, dass wir so etwas wie - ich sage das ganz bewusst - ein Haus der Geschichte brauchen. Es hat sich jetzt auch wieder gezeigt, dass wir möglicherweise doch sehr verschiedene Vorstellungen davon haben, was wir wollten - müssten wir auf nichts Rücksicht nehmen -, und davon, was sich realisieren lässt.

Kurz zusammengefasst sind die Debatten von damals so: Es fehlte nicht am politischen Willen und auch nicht am gesellschaftlichen Engagement, es fehlte auch nicht an Ideen und Konzepten, sondern es fehlte an Geld. Jette Waldinger-Thiering, ich bin anders als Sie, Frau Kollegin, nicht der Meinung, dass sich die Haushaltslage heute wesentlich verändert hat. Wir sind immer noch Konsolidierungsland und, liebe Kolleginnen und Kollegen vom SSW, liebe Jette, wir kennen den Kulturetat. Wir haben neben Rheinland-Pfalz die rote Laterne in der Bun

(Martin Habersaat)

desrepublik Deutschland. Wir wissen, dass die Museen und Theater im Land derzeit alle nicht auskömmlich finanziert werden. Das begrenzt den Spielraum nach wie vor. Ich finde, das gehört zur Wahrheit dazu. Es ist heute nämlich nicht vieles anders als damals.

Auch damals wurde in dem zweiten Antrag, der vorgelegt wurde, über Kompromisse hinsichtlich eines realen Museumsbaus gesprochen. Man muss allerdings sagen, dass das nicht weiterverfolgt wurde. Es gibt immerhin das virtuelle Museum für die deutsch-dänische Regionalgeschichte. Es gab immer wieder Ideen für Wanderausstellungen zur Landesgeschichte und zu einzelnen Aspekten, wie sie im Moment zum Jahrestag der Revolution von 1918 für das nächste Jahr vorbereitet werden.

Und doch, meine Damen und Herren, sind die Zeiten heute andere als damals. Deshalb ist es gut und wichtig, dass wir heute erneut über unsere Geschichte reden und uns an sie erinnern wollen und das sage ich sehr deutlich - müssen. Angesichts der Rechtspopulisten, die hinter ihrer bürgerlichen Maske immer unverhohlener die Fratze der Rassisten und Nationalchauvinisten zeigen, ist die Erinnerung und nicht das Schweigen gerade auch über unsere jüngste Vergangenheit erste Bürgerpflicht.