Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/83 sowie den Alternativantrag Drucksache 19/202 (neu) dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist das einstimmig so beschlossen.
a) Verbraucherinnen und Verbraucher im Dieselskandal schützen: Einführung der Musterfeststellungsklage
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete der SPD, Kerstin Metzner, zu ihrer ersten Rede im Schleswig-Holsteinischen Landtag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste! Wir stellen hier einen Antrag zu einem Thema, das wir uns vor dem 18. September 2015 nicht vorstellen konnten. Jahrelang wurde für Dieselfahrzeuge geworben. Es wurden Steuernachlässe gewährt. Die deutsche Automobilindustrie warb mit umweltfreundlichen Abgaswerten - bis zu dem Tag X, an dem ein Kartenhaus zusammenbrach.
Deshalb fordern wir die Landesregierung erstens auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher im Dieselskandal die Kosten tragen. Millionen Autofahrer in Deutschland sehen sich betrogen. Die Konzerne suggerieren, dass durch mögliche Klagen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie Schaden erleiden würde. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.
Die Konzerne müssen endlich erkennen, dass eine ehrliche Aufarbeitung notwendig ist. Nicht die Umweltstandards haben der Industrie geschadet, sondern die unehrliche Marktpolitik der Autoindustrie.
Die Qualitätsmängel deutscher Fahrzeuge müssen abgebaut werden. Sonst werden wir international den Anschluss verpassen. Dabei hilft keine Flickschusterei durch irgendwelche Nachbesserungen wie von der Jamaika-Koalition gefordert.
Wir fordern die Landesregierung zweitens auf, sich dafür einzusetzen, dass die Produktion emissionsfreier Fahrzeuge schnell realisiert wird, damit die Beschäftigten in der Automobilindustrie keine Sorge um ihre Arbeitsplätze haben müssen. Wir als SPD sehen natürlich, welchen Stellenwert die Autoindustrie als Arbeitgeber in Deutschland hat. Der Dieselskandal hat auch hier in Schleswig-Holstein Auswirkungen auf die Zulieferindustrie und den Fahrzeughandel.
Die Lobbyarbeit der milliardenschweren Konzerne darf nicht dazu führen, dass wir die Augen vor den eigentlichen Ursachen verschließen. Nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher und nicht die Werktätigen am Fließband tragen die Verantwortung, sondern die Vorstände in den Unternehmen.
In den Konzernen sind gravierende Managementfehler begangen worden. Wenn unsere Automobilindustrie nicht bald aufwacht, riskieren wir, dass der Markt an die Chinesen oder die Amerikaner verloren geht.
Wir fordern die Landesregierung drittens auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die Kommunen bei der Einhaltung der Emissionswerte zu unterstützen. Anfang September hat Bundeskanzlerin Merkel die Bürgermeister von besonders schwer betroffenen Kommunen nach Berlin eingeladen und ihnen Hilfe zugesagt. Punktuelle Lösungen, wie auch hier von der Koalition gefordert, helfen nicht dauerhaft. Wir haben dringenden Handlungsbedarf. Kiel liegt beim Stickoxidausstoß auf Platz 4 der bundesweiten Rangliste.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir fordern die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene entschieden für die Einführung der Musterfeststellungsklage einzusetzen. Vielleicht erinnern sich einige hier im Plenum an den Film „Erin Brockovich“ mit Julia Roberts. Dieser Film beruht auf einem realen Fall. Eine Anwaltsgehilfin deckte einen Umweltskandal auf, bei dem Chrom über viele Jahre wissentlich ins Grundwasser geleitet wurde. Sie verhalf den Geschädigten über eine Sammelklage zu ihrem Recht.
Auch hier in Deutschland könnten die Bürger - wie im Film - die Möglichkeit zur Klage gegen die verantwortlichen Konzerne erhalten. Bundesjustizminister Heiko Maas hat bereits Ende 2016 einen Gesetzentwurf zur Musterfeststellungsklage vorgelegt. Verbraucherverbände und andere Interessenvertreter könnten stellvertretend für viele Kunden Schadenersatzansprüche gegen Konzerne geltend machen, und zwar dort, wo ein Einzelner keine Chance hat. Wie die Bundeskanzlerin in diesen Tagen voller Stolz verkündete, blockiert sie das Gesetz ganz bewusst seit fast einem Jahr. Damit wird den Millionen Geschädigten die Möglichkeit genommen, wie zum Beispiel in Amerika oder in den Niederlanden ihre Verbraucherrechte in Gemeinschaft einzuklagen.
Sehr geehrte Landtagskollegen und Landtagskolleginnen, zum Ende dieses Jahres läuft die Verjährungsfrist für die ersten Betroffenen aus.
Unterstützen Sie unseren Antrag im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Vertrauen auf die deutsche Automobilindustrie gesetzt haben, also auch in Ihrem eigenen Interesse! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auch auf der Tribüne! Die Automobilbranche ist existenziell für die deutsche Wirtschaft. Das weiß jeder. Deutsche Autos sind in der ganzen Welt gefragt und machen die Hälfte des Exportüberschusses aus. 800.000 Arbeiter und Angestellte sind in dieser Schlüsselindustrie beschäftigt. Die Branche betreibt 40 % der gesamten Forschung und Entwicklung in der deutschen Industrie. Der größte Automobilclub hat fast 20 Millionen Mitglieder.
Doch wenn es nach einem kleinen Verein aus Radolfzell am Bodensee geht, kann die Autobranche wohl bald einpacken, denn die Deutsche Umwelthilfe überzieht das Land mit Klagen wegen angeblicher Verstöße gegen den Verbraucherschutz. Dieser Verein hat 287 Mitglieder, nimmt Millionen von Euro durch Abmahnungen ein und gibt davon nur einen Bruchteil für Umweltschutzprojekte aus.
Mithilfe mancher Medien und Politiker, die meinen, sie hätten den Umweltschutz für sich gepachtet, entwirft dieser Abmahnverein ein Schreckensszenario nach bester grüner Manier, nach dem das böse Auto Tausende von Menschen tötet.
So wie bei der überstürzten Energiewende nach Fukushima kann die Menschheit angeblich nur gerettet werden, wenn sie dem todbringenden Kraftfahrzeug abschwört und die Industrie gleichzeitig Ablasszahlungen in Millionenhöhe leistet.
Ich wage an dieser Stelle die Prognose, dass es dieser Deutschen Umwelthilfe mitnichten um bessere Luft geht. Ihr geht es vielmehr um den Individualverkehr als Ganzes. Zuerst ist der Diesel dran, dann ist es der Benziner und danach das Elektroauto, denn Elektromobile haben bekanntlich nach wie vor eine erschreckend schlechte Umweltbilanz.
Dass sich das in Zukunft ändern kann, dafür steht die Innovationskraft der Autoindustrie. Schon im eigenen Interesse forschen Ingenieure an entsprechenden Technologien. Doch bis es ökonomisch
und ökologisch verträgliche Batterien für Elektroautos und eine ausreichende Infrastruktur für EMobilität gibt, sind Millionen von Menschen immer noch auf Benzin- und Dieselfahrzeuge angewiesen.
Die Grünen auf Bundesebene möchten jedoch bereits ab 2030 Fahrverbote für Verbrennungsmotoren einführen. Das sendet aus unserer Sicht ein ganz falsches Signal in Richtung der Verbraucher, die schon jetzt suggeriert bekommen, dass ihr nächstes Auto ohne Diesel oder Benzin auskommen wird.
Liest man den Alternativantrag der regierungstragenden Fraktionen, so wird deutlich, dass wir noch sehr weit von einer belastbaren Infrastruktur oder einer umweltverträglichen Produktion von Elektromobilen entfernt sind. Hier ist von Modellregionen und von Mobilitätskonzepten die Rede. Im Klartext geht es also um sehr viel Zukunftsmusik oder - bösartig gesagt, das tut mir leid - vielleicht sogar um viel heiße Luft.
Dass in diesem Antrag ausgerechnet auf Wasserstoff gesetzt wird, der bekanntlich nicht besonders energieeffizient in der Herstellung und auch nicht im Verbrauch ist, ist interessant. Es gibt den Verweis auf Biogas, das unter dem Verweis auf Monokulturen auch nicht gerade unumstritten ist. Dies lässt erkennen, dass hier grüne Wunschbilder den Ton angeben, die mit den realen Bedürfnissen von Pendlern, Spediteuren und dem gesamten übrigen Mittelstand nichts zu tun haben. Doch gerade die mittelständische Wirtschaft, die überwiegend mit Dieselfahrzeugen ausgestattet ist, ist von der Kampagne gegen den Diesel stark betroffen. Sollte es zu Fahrverboten kommen, droht hier ein massiver Verlust an Aufträgen.
Bei aller berechtigter Empörung über Tricksereien bei Volkswagen sollte man sich in der Diskussion über den sogenannten Abgasskandal den Blick nicht vernebeln lassen, denn entgegen Medienberichten, wonach Dieselabgase für zigtausend Todesfälle verantwortlich seien, hat der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gerade festgestellt, dass - ich zitiere - „ein Zusammenhang zwischen Todesfällen und bestimmten NO2Expositionen im Sinne einer adäquaten Kausalität nicht erwiesen“ sei.
Das sind die Fakten. Wenn die Deutsche Umwelthilfe behauptet, dass Kiel zu den am stärksten belasteten Städten in Deutschland gehört, dann stützt sich dies auf gerade einmal zwei Messstellen an stark befahrenen Straßen, bei denen die Grenzwerte leicht überschritten werden. Ja, hier gilt es gegenzu
steuern, das ist richtig, aber doch bitte nicht mit Fahrverboten. Hier können bauliche Maßnahmen Abhilfe schaffen. Es gibt modernere Busse, und städtische Fahrzeuge können nachgerüstet werden.
Die Diskreditierung des Dieselmotors und die nicht wissenschaftlich geführte Diskussion über Messwerte haben dazu geführt, dass die deutsche Schlüsselindustrie in eine Krise hineingeredet wird.