Protocol of the Session on June 20, 2019

Nein, liebe Kolleginnen von der AfD - das war wieder das generische Femininum -: Es geht Ihnen nicht um die öffentliche Sicherheit oder die Sicherheit unserer Feuerwehrleute. Ihr Antrag ist vielmehr ein weiterer Schritt auf Ihrem Kreuzzug gegen die Elektromobilität. Ihr Antrag ist überflüssig, und deswegen lehnen wir ihn ab.

(Beifall SPD, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Meyer [SSW])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir haben uns gewundert, dass dieser Antrag von Ihnen hier eingereicht wird. Ich glaube, 99 % der Besitzerinnen und Besitzer von E-Autos nutzen das E-Kennzeichen, weil es einfach - Frau Raudies hat das gesagt - ein paar Goodies mit sich bringt, die man gern mitnimmt. Aber in der Tat habe ich mich auch gefragt, wie man das besser machen kann. Ich weiß, dass heute fast alle Autos, die neu auf den Markt kommen, auch elektronische Emergency-Systeme haben, sodass man also in der Regel bei einer Verunfallung automatisch die Daten des Fahrzeugs an die Rettungsleitstelle übertragen kann. Das finde ich interessant, und dahin sollten wir unsere Aufmerksamkeit lenken.

Wichtig ist, dass tatsächlich zwischen Alarmierung und Abtransport Verletzter keine wertvolle Zeit zerrinnt, dass Rettungskräfte genau wissen, worauf sie sich einlassen und dass Menschen nicht in Lebensgefahr gebracht werden.

(Beate Raudies)

Autoinsassen nach einem Unfall zu befreien, ist natürlich eine komplexe Aufgabe. Wir haben natürlich nicht Probleme mit E-Autos, wenn die Sicherheitskräfte zum Einsatzort fahren. Ich weise darauf hin: Sprengkapseln können Airbags verzögert auslösen, starke Karosserien schützen beim Unfall, bremsen aber die Rettung, weil sie schwerer zu öffnen sind, die Lage von Akkumulatoren - dazu gehört auch im konventionellen Pkw die Batterie, die dort enthalten ist -, Energieleitungen für Strom. Wir haben auch immer noch Erdgasautos, die übrigens auch keine Kennzeichnung haben, Flüssigkeiten, Tanks für Benzin, Wasserstoff. Da gibt es eine ganze Reihe technischer Voraussetzungen. Deshalb ist die Idee der Rettungskarten, die hier genannt worden ist, unserer Meinung nach sinnvoll, aber auch die von mir erwähnte Digitalisierung kann hier helfen.

Es geht dabei nicht um ein Entweder-oder, sondern: viel hilft vielleicht auch viel. Ob man nun die Sicherheitskarte hinter der Sonnenschutzblende hat oder den QR-Code auf dem Tankdeckel, der auch schon erwähnt worden ist: Alles, was notwendig ist, damit Sicherheitskräfte schnell und klar wissen, worauf sie sich einlassen müssen und welche technischen Modalitäten sie vorfinden, ist bei der Fülle der Modelle nicht mit einer einheitlichen und allumfassenden Kennzeichnung zu machen, sondern sehr differenziert wahrzunehmen, wenn man wirklich helfen und die entsprechenden Rettungsmaßnahmen schnell einleiten will.

Ich habe zum Beispiel gesehen, dass die Hamburger Feuerwehr beim Löschen eines E-Autos neulich mit einem Container angekommen ist, in den sie das Auto eingetunkt hat, weil Rettungskräfte gesagt haben: Mit normalen Löschmitteln können wir gar nicht löschen, sondern müssen den Wagen tatsächlich komplett unter Wasser bringen, damit überhaupt eine entsprechende Wirkung erzielt werden kann. - Sie sehen also, dass Feuerwehrkräfte in der Tat auf Elektromobile und Autos reagieren.

Meine Damen und Herren, ich halte das insgesamt auch für ein Übergangsthema, denn der Bundesratsbeschluss vom 23. September 2016 sagt, dass ab 2030 in Deutschland keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Ich finde es auch des Schweißes der Edlen wert, dann tatsächlich in allen Fahrzeugen eine elektronische und digitalisierte Übermittlung von Fahrzeugdaten an die Rettungsleitstellen vorzusehen. Das macht Sinn, und dann haben wir nicht diese Papierwut, sondern im Zeitalter der Digitalisierung die richtigen Maßnahmen getroffen. Wir wissen vom iPhone, was technisch

alles möglich ist. Mir soll mal jemand erzählen, dass das bei der technischen Entwicklung des Elektroautos oder Wasserstoffautos nicht auch der Fall sein kann.

Meine Damen und Herren von der AfD, lassen Sie mich humorvoll enden. Sie stehen mit Ihrem Antrag auf der Stufe des Red-Flack-Acts in Großbritannien; ich weiß nicht, ob sie ihn kennen. Er stammt aus dem Jahr 1865. Damals musste vor jedem Pkw jemand mit einer roten Flagge gehen, um die Verkehrsteilnehmer vor dem nahenden Auto zu warnen. Es ist also ein bisschen rückwärtsgewandt, es nur auf dem Kennzeichen zu machen. Kommen Sie auch im Zeitalter der Digitalisierung an; es gibt sicherlich andere Techniken. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Kay Richert das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir von der FDP und von Jamaika wollen alternative, emissionsarme Mobilität technologieoffen voranbringen. Wir glauben auch daran, dass der technische Fortschritt unser aller Leben einfacher und sicherer machen kann.

Neue Technologien bergen viele Möglichkeiten, aber natürlich auch neue Risiken und Herausforderungen, auf die wir vorbereitet sein müssen. Eine dieser Herausforderungen ist das Brandverhalten von Elektroautos. Weil hier andere Bauteile verwendet werden, unterscheiden sich die Brände von Elektromobilen und konventionellen Autos. Das sensible Bauteil scheint hier die Batterie zu sein, die aufgrund ihrer Größe und ihrer chemischen Zusammensetzung schwer löschbar ist.

Die Erkenntnis ist nicht neu und wird selbstverständlich bei der Ausbildung der Rettungskräfte berücksichtigt. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage stellt die Landesregierung hierzu fest:

„Der Umgang mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen wird sowohl in der Ausbildung freiwilliger als auch beruflicher Feuerwehrkräfte berücksichtigt. Der grundsätzliche Einsatzablauf bei Bränden von Elektro- und Hybridfahrzeugen unterscheidet sich nur in einigen wenigen Punkten von dem Vorgehen bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Bei ei

(Dr. Andreas Tietze)

nem Brandereignis mit einem betroffenen Elektrofahrzeug handelt es sich um eine durch die Feuerwehren in Schleswig-Holstein gut beherrschbare Lage.“

Ich empfinde es als beruhigend zu wissen, dass unsere Feuerwehren gut ausgebildet sind und wissen, was sie tun - auch im Falle eines brennenden Elektroautos.

(Beifall FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein brennendes Elektroauto ist also kein Problem, solange man es als Elektroauto erkennt. Der vorliegende Antrag fordert, aus diesem Grund die Kennzeichnungspflicht für alle Fahrzeuge mit alternativen Antrieben einzuführen, und möchte dies vorrangig über eine Änderung des Elektromobilitätsgesetzes erreichen.

Aber ist dieser Vorschlag auch zielführend? - Natürlich gäbe das „E“ auf den Nummernschildern den Rettungskräften schon einmal einen wertvollen Hinweis, dass es sich um ein Elektromobil handelt. Aber wissen sie dadurch auch, wo die Batterie in dem Auto sitzt? Wissen sie, wo sie Teile der Karosserie nicht durchschneiden dürfen, weil sich dahinter Elektroleitungen befinden?

Außerdem müssen nicht alle Fahrzeuge batterieelektrisch sein. Gibt es Unterschiede beim Brandverhalten zwischen batterieelektrischen Autos und anderen alternativen Antrieben? Brennt ein Wasserstofftank anders als eine Lithium-Ionen-Batterie? Was machen Sie, wenn das Kennzeichen aufgrund des Unfallgeschehens vielleicht gar nicht mehr am Auto oder unkenntlich ist?

Wir von der FDP und von Jamaika möchten die Einsatzkräfte umfassend unterstützen. Deswegen bitten wir die Landesregierung zu prüfen, ob und in welchem Umfang die für die Rettungskräfte notwendigen Informationen am oder im Fahrzeug vorgehalten werden können beziehungsweise abrufbar sind.

Bei Gebäuden gibt es hierfür sogenannte Rettungsoder Feuerwehrkarten, die Besonderheiten und Gefahren verzeichnen. Rückt die Feuerwehr also bei einem Brandereignis an, bekommt sie diese Feuerwehrkarte und weiß genau, wo die Gefahren in einem Gebäude, wo die Besonderheiten sind, wie man sich bewegen soll.

Solche Rettungskarten wären auch bei Fahrzeugen mit alternativen Antrieben vorstellbar: entweder analog oder in digitaler Form abrufbar. So unterstützen wir unsere Einsatzkräfte umfassend und

stellen die erforderlichen Informationen zur Verfügung. Darüber hinaus erwarten wir natürlich - ich denke, das erwarten wir zu Recht und auch nicht vergeblich -, dass mögliche Verbesserungen kontinuierlich eruiert werden und neue Erkenntnisse in die Ausbildung der Feuerwehren einfließen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neue Technologien bringen uns neue Möglichkeiten und neue Herausforderungen. Wir wollen die Chance mutig ergreifen und gleichzeitig dafür sorgen, dass unsere Einsatzkräfte auf die Risiken gut vorbereitet sind. Eine bloße Kennzeichnungspflicht erfüllt diese Ansprüche nicht. Ich bitte Sie darum herzlich, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Um die E-Mobilität als Teil der Energiewende in Deutschland voranzubringen und um sie attraktiver zu gestalten, wurde von der Bundesregierung im Jahr 2015 das sogenannte Elektromobilitätsgesetz - EmoG - auf den Weg gebracht. Über den Erfolg der Maßnahmen wollen wir heute nicht reden, aber das EmoG sieht unter anderem vor, Vorteile für Fahrerinnen und Fahrer von sogenannten Elektrofahrzeugen zu schaffen, beispielsweise durch reduzierte Parkgebühren, Fahren auf der Busspur oder die Ausnahme von bestimmten Zufahrtsbeschränkungen, die etwa zum Schutz vor Lärm und Abgasen angeordnet werden.

Mit diesen Anreizen verfolgte die Bundesregierung das Ziel, die Elektromobilität für den Individualverkehr zu fördern. Um in den Genuss dieser Bevorrechtigungen zu kommen, bedarf es bestimmter Voraussetzungen:

Erstens. Es muss ein Batterieelektrofahrzeug, ein von außen aufladbares Hybridelektrofahrzeug oder ein Brennstoffzellenfahrzeug sein.

Zweitens. Es bedarf einer deutlich sichtbaren Kennzeichnung dieses Fahrzeugs, was im Sprachgebrauch als E-Nummernschild bekannt ist. Diese besondere Kennzeichnung ist, wie wir wissen, freiwillig. Das heißt, wer sich ein Elektrofahrzeug im Sinne des Gesetzes kauft und es nicht mit einem E

(Kay Richert)

Kennzeichen versieht, verzichtet auf den Genuss der Bevorrechtigungen.

Es mag ja durchaus sein, dass es Menschen gibt, die auf eine solche Bevorrechtigung verzichten möchten, aber ohne die Zahlen zu kennen, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir hier bei Neuanmeldungen über große Stückzahlen sprechen. Aber sei es drum.

Generell gilt, dass es äußerst selten geschieht, dass Autos bei Unfällen in Brand geraten; die Brandursachen sind häufiger in technischen Defekten zu finden. Noch ist die Datenlage zu gering, um eine Aussage treffen zu können, ob Elektroautos schneller oder häufiger in Brand geraten als Autos mit Verbrennungsmotor. Klar ist aber, dass das Löschen von E-Autos eine Herausforderung für die Rettungskräfte ist, weil sie schwerer zu löschen sind.

Das bedeutet aber nicht, dass unsere Feuerwehren hier völlig unvorbereitet sind. Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage, Drucksache 19/1491, geht unter anderem hervor:

„Der Umgang mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen wird sowohl in der Ausbildung freiwilliger wie auch beruflicher Feuerwehrkräfte berücksichtigt.“

Weiterhin ist dort nachzulesen, dass unsere Feuerwehrkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung grundsätzlich für den Einsatzablauf bei brennenden Fahrzeugen geschult werden. Die Brandbekämpfung bei Elektro- und Hybridfahrzeugen unterscheidet sich demnach nur in wenigen Punkten von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Das heißt für mich: Unsere Rettungskräfte sind hier gut vorbereitet und werden nicht im Regen stehen gelassen. Das einmal grundsätzlich.

Grundsätzlich gehört zu einem Fahrzeugbrand auch, dass sich die eintreffenden Rettungskräfte erst ein Bild von der Lage machen, bevor sie anfangen zu retten, löschen oder bergen. Das gehört zur Grundausbildung bei jeder Feuerwehr. Zur Einschätzung der Lage gehört dann auch, herauszufinden, um was für eine Art Fahrzeug es sich handelt.

Wenn wir also davon ausgehen, dass das Fahrzeug keine entsprechende E-Kennzeichnung auf dem Nummernschild hat, wissen wir dennoch, dass die meisten Fahrzeuge auf der Heckklappe oder an der Seite eine Typenbezeichnung haben, die einen entsprechenden Hinweis zur Antriebsart gibt.

Mit dem vorliegenden Antrag schürt die AfD das Bild, dass von E-Fahrzeugen bei Unfällen eine erhebliche Gefahr ausgeht, weil E-Fahrzeuge keiner

Kennzeichnungspflicht unterliegen und im Falle eines Brandes nur schwer zu löschen sind. Es geht der AfD einzig und allein darum, die E-Mobilität in ein schlechtes Licht zu rücken - nicht mehr und nicht weniger. Dieser Antrag ist weder fachlich noch sachlich fundiert. Er blendet die Ausbildung und Kompetenzen unserer Feuerwehrkräfte aus. Es geht hier einzig und allein darum, E-Fahrzeuge zu diffamieren, weil sie Teil der E-Mobilität sind und damit Teil der Energiewende - und das ist ja bekanntlich in den Augen der AfD Teufelswerk.

(Beifall SSW und SPD)

Aus dem Grund lehnen wir den Antrag ab. Dem Alternativantrag stimmen wir zu. Wir haben heute Morgen darüber gesprochen, ob wir uns dem Antrag anschließen. Das können wir gut tun. Aber ich bin ein sehr sparsamer Mensch. Ich habe gedacht: Wenn wir uns jetzt noch anschließen, dann muss das Ganze noch einmal gedruckt werden. Das wollte ich dann nicht.

(Heiterkeit, Beifall SSW, SPD und vereinzelt FDP)

Aber klar ist: Wir hätten uns gern angeschlossen, und wir stimmen dem voll zu. - Jo tak.