Protocol of the Session on March 27, 2019

(Zuruf Dennys Bornhöft [FDP] - Sandra Redmann [SPD]: Zeugen Sie jetzt überall Kinder, oder was ist Ihre Lösung?)

Wir wollen unsere Gesellschaft von Grund auf familienfreundlicher gestalten. Bezahlbare Betreuung von Kindern ist dabei sicherlich ein Baustein, aber eben nur einer.

(Sandra Redmann [SPD]: Zwangszeugung! So klingt das!)

(Claus Schaffer)

Wir wollen mehr. Wir wollen eine Willkommenskultur für Kinder. - Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

(Birte Pauls [SPD]: Unfassbar schlecht! - Be- ate Raudies [SPD]: 21, 22, 23! - Heiterkeit SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! - Ich habe gezählt!

(Heiterkeit SPD)

Wir merken immer mehr, dass Landespolitik sehr vielfältig ist.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt Themen, die eher kontrovers sind und sich für einen Schlagabtausch eignen, und es gibt Themen, die so zentral sind, dass sich taktische Spielchen oder gegenseitige Vorwürfe eigentlich verbieten. Für den SSW gehört die frühkindliche Bildung ganz klar zu den letztgenannten, denn hier wird das Fundament für ein gutes Leben und damit auch für unsere Zukunft gelegt.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Natürlich werden in den Debatten zu Kita-Finanzen und Reformbedarf immer wieder unterschiedliche Schwerpunkte deutlich. Einige haben vor allem die Qualität im Blick, andere haben die Beitragsfreiheit als oberstes Ziel und wollen die Eltern von KitaKindern entlasten, einige wollen die Entlastung der Kommunen. Doch wenn es um den Ausbau der Betreuungsplätze oder um eine verbesserte Personalsituation und damit um mehr Mittel für Bau- und Betriebskosten geht, dann waren und sind sich alle demokratischen Parteien einig. Damit ist klar, dass alle die Notwendigkeit sehen, die frühkindliche Bildung nicht nur auszubauen, sondern auch weiterzuentwickeln. Es wird deutlich, dass alle den Wert der frühkindlichen Bildung anerkennen. Nach der letzten Rede muss ich sagen: fast alle. - Aber das ist eben so.

(Beifall SSW)

Diese Erkenntnis ist unheimlich wichtig. Sie ist leider nicht ganz selbstverständlich. Ich will nur noch einmal an die Diskussion über das Betreuungsgeld,

die sogenannte Herdprämie, erinnern. Sie ist gar nicht so lange her. Für den SSW kann ich da nur sagen: Zum Glück reden wir heute über die Weiterentwicklung unserer Kitas und nicht über die Frage, ob solche Einrichtungen grundsätzlich sinnvoll sind.

(Beifall SSW)

Zum Glück bekennen wir uns alle zum Ziel, Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege stärker zu fördern. Das ist ein echter Gewinn - trotz unterschiedlicher Auffassung darüber, welchen Weg man hier im Detail gehen soll.

Der SSW setzt sich traditionell für die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung und die Entfaltung unserer Kinder ein. Da braucht es vor allem gute Betreuung in den Einrichtungen. Der Kita kommt hier eine zentrale Rolle zu. Uns liegen mittlerweile mehrere Langzeitstudien vor, die eindrucksvoll zeigen, wie wichtig genau diese frühen Bildungsangebote für die Entwicklung der Kinder sind.

Viele Defizite gegenüber Gleichaltrigen können ausgeglichen werden. Deshalb sage ich ganz deutlich: Nur weil das, was hier schon an Erziehungsarbeit geleistet wird, vielleicht nicht immer messbar ist, ist diese Arbeit nicht weniger wertvoll.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ein guter Teil von dem, was den Kleinen als Grundlage vermittelt wird, geht nämlich deutlich über die klassischen Lerninhalte der Grundschule hinaus. Schon Drei-, Vier- oder Fünfjährigen werden grundlegende soziale Kompetenzen vermittelt wie zum Beispiel Empathie oder die Fähigkeit zur Kommunikation oder Kooperation. Das sollte niemand als unbedeutenden Kleinkram abtun. Diese Kompetenzen entscheiden im Zweifel über Erfolg oder Misserfolg in der Schule oder in der Ausbildung und in der Arbeitswelt. Deshalb halte ich es für unheimlich wichtig, dass wir diese Dinge noch stärker als Bildungsauftrag formulieren.

Wenn es um Bildungsqualität geht, habe ich schon mehrfach auf das Beispiel Dänemark hingewiesen. Hier ist man bei der Definition und der gesetzlichen Verankerung von Kita-Qualität weiter und vor allem auch konkreter. In Schleswig-Holstein reden wir in diesem Zusammenhang vor allem von Betreuungsschlüssel oder Öffnungszeiten. Aber Qualität definiert sich durch viel mehr als die Frage, wie viel Personal für wie viele Kinder zuständig ist. Qualität misst sich auch an inhaltlichen Fragen.

(Claus Schaffer)

Gerade in einer zunehmend digitalisierten Welt werden Themen wie Natur und Naturereignisse eine wachsende Bedeutung zukommen. Natur erlebbar zu machen und damit Zusammenhänge zu erkennen, wird zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Auch Körper und Bewegung sind Themen, die in den Lehrplänen der Kitas in Dänemark einen wachsenden Raum einnehmen. Auch das gehört zur Qualität.

Die Entwicklung der sozialen Kompetenzen ist weiterhin eine der ganz großen Herausforderungen in der frühkindlichen Bildung - eine Aufgabe, die für die Kita-Fachkräfte in den letzten Jahren nicht leichter geworden ist. Wir wissen, dass die zunehmend eingeschränkten Möglichkeiten, kognitive Erfahrungen zu machen, für viele Kinder schwerwiegende Konsequenzen haben. Dazu gibt es in Dänemark eine Langzeitstudie. Es ist schon erschreckend, wenn man liest, welche Konsequenzen fehlende kognitive Erfahrungen haben.

Der Mangel an kognitiven Reizen führt zu erheblichen Defiziten. Hierzu zählt eine reduzierte Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung, aber auch eine verringerte Stresstoleranz. Außerdem führt diese Entwicklung zu einer zunehmenden Anfälligkeit für Depressionen, zu emotionalen Störungen und vor allem zu reduzierten sozialen Kompetenzen. Das alles zeigt deutlich, dass die Anforderungen an die Erzieherinnen und Erzieher komplexer geworden sind.

Bei alldem habe ich die vielseitige persönliche Entwicklung der Kinder, die kulturellen Ausdrucksformen und Werte und die sprachliche Entwicklung gar nicht erwähnt. Auch diese Aufgaben füllen den Alltag der Erzieher richtig aus. Damit stellen sich auch die Fragen, wie diese Aufgaben gelöst werden können und vor allem wie die gesellschaftlichen Erwartungen an Kita aussehen. Hier erlebe ich in Dänemark eine ganz andere inhaltliche Debatte über Kita-Qualität, als wir sie bei uns zurzeit führen. Doch auch wenn wir im Vergleich zu Dänemark etwas hinterherhinken, gehen wir mit der aktuellen Reform und der engeren Definition von Qualität in die richtige Richtung.

(Beifall SSW)

Vor allem den Grundsatz, dass die Voraussetzung für eine gute frühkindliche Bildung ein faires und transparentes Finanzierungssystem ist, teilen wir ausdrücklich.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir alle wissen, dass gerade eine gerechte und transparente Finanzierungsstruktur ein hoch gestecktes Ziel ist. Grundsätzlich halte ich den Weg über eine Definition von Standardqualitäten als Voraussetzung für eine öffentliche Förderung absolut für richtig. Vor allem die kommunale Familie bekommt damit mehr Planungssicherheit, nicht zuletzt durch den planbaren Finanzierungsanteil des Landes pro betreutem Kind. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht alle zufrieden sind, aber nach der vorliegenden Planung werden sowohl die Landes- als auch die Bundesmittel steigen. Das können wir ganz grundsätzlich nur begrüßen.

Trotz der Tatsache, dass alle Betroffenen zu Wort gekommen sind, hätten wir uns aber in der Frage der Elternbeiträge klarere Signale gewünscht. Derzeit spüre auch ich ringsum sehr viel Unsicherheit, gerade wenn es um den Wegfall des Krippengeldes geht. Die Aussage, dass die Eltern mittel- bis langfristig stärker entlastet werden, hilft ihnen heute wenig. Hier sehe ich ganz klar die Kommunen in der Pflicht. Sie müssen durch ihre wachsenden Spielräume auch dafür sorgen, dass die Betreuung bezahlbar bleibt oder zumindest günstiger wird.

(Beifall SSW, FDP und Katja Rathje-Hoff- mann [CDU])

Vonseiten des Landes halte ich das klare Bekenntnis zum Ziel der Beitragsfreiheit weiterhin für unheimlich wichtig. Deshalb werden wir hier genau hingucken. Wir werden das auch bei dem versprochenen Wunsch- und Wahlrecht tun. Bei entsprechenden Kapazitäten sollen Eltern ja in Zukunft einfacher einen Platz außerhalb ihres Wohnorts wählen können. Das sollte durch die umgestellte Förderung möglich sein. Hier bleibt zu hoffen, dass diese zusätzlichen Kapazitäten dann auch im nötigen Umfang geschaffen werden und dass diese Plätze den Eltern vor allem auch zeitnah zur Verfügung gestellt werden, denn wir kennen Familien, die ganz konkret vor Problemen stehen. Es wäre zu wünschen, dass diese gelöst werden, solange sie noch etwas davon haben.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Für den SSW gibt es keine Alternative zu einer frühkindlichen Bildung von hoher Qualität. Sie sichert unseren Kindern gut Startchancen. In diesen ersten Lebensjahren wird nicht weniger als die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben gelegt. Die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher sorgt im Idealfall dafür, dass fehlende Kompetenzen früh erkannt und entsprechend vermittelt werden. Das heißt doch ganz klar, dass das, was wir hier als Gesellschaft investieren, sich ohne Zweifel immer wieder auszahlt.

(Flemming Meyer)

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Oder anders gesagt: Das, was wir hier versäumen, muss später mit einem wesentlich größeren Aufwand nachgeholt werden, wenn es dann überhaupt nachgeholt werden kann.

(Beifall Birte Pauls [SPD])

Aus diesen Gründen sollten wir auch in Zukunft gemeinsam daran arbeiten, diesen Bereich zu stärken. Wir sind aber auch weiterhin der festen Überzeugung, dass Bildung kostenfrei sein sollte. Das gilt auch für die frühkindliche Bildung. Deshalb muss die Gebührenfreiheit weiterhin unser Ziel sein.

Eckpunkte sind Eckpunkte, und damit sind sicherlich noch nicht alle Probleme gelöst. Viele Fragen sind noch offen, das ist ganz klar. Trotzdem kann ich in diesen Eckpunkten viele Dinge erkennen, die auch wir immer wieder gefordert und die wir auch in Gang gesetzt haben. Deshalb denke ich, das ist schon der richtige Weg. Wir werden uns weiterhin konstruktiv einbringen, denn sicherlich gibt es viele Dinge, die noch besser werden können. - Jo tak.

(Beifall SSW und Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einiges möchte ich noch ergänzen. Ich möchte mich auch bei den Abgeordneten der Jamaika-Koalition, beim Ministerium und bei den anderen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss dafür bedanken, dass wir das so erörtern konnten. Ich glaube, das macht deutlich, dass es kein Weiter so geben kann. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das bestehende Kita-System in seiner jetzigen Form nicht mehr fortgesetzt werden sollte. Es gibt ein Wirrwarr an Vorschriften und Erlassen. Wir haben sieben Fördererlasse. Herr Koch, Sie haben es eben gesagt, wir haben 13 Regelungsbereiche und 32 Kriterien der Zuweisung von Landesmitteln. Da blickt kein Mensch mehr durch. Deswegen ist es richtig, dass diese Reform angeschoben wird und dass wir uns jetzt mit den Eckpunkten beschäftigen.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Jeder weiß, dass die Kita-Beiträge im Land so unterschiedlich sind wie in keinem anderen Land. Ich

sehe oben auf der Tribüne die Beteiligten. Deshalb ist es gut, dass alle Betroffenen an einen Tisch geholt worden sind. Das war genau das richtige Verfahren, um eine breite Mehrheit für diese Reform zu schaffen. Die Landeselternvertretung war dabei. Deren Vertreter waren vorher noch nie dabei. Sie haben konstruktiv mitgearbeitet und sich mit uns ausgetauscht. Das ist hervorragend gewesen. Es waren auch Vertreter der Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände dabei, die 75 % der Träger stellen. Auch sie waren mit am Tisch, ebenso wie natürlich die Vertreter der kommunalen Landesverbände.

Da gab es nicht nur eitel Sonnenschein, das kann man offen zugeben. Das war durchaus schwierig, und wir hatten Diskussionen, vor allem mit dem Gemeindetag. Die hätte ich mir gern erspart, aber das gehört zur Wahrheit dazu, das gehört auch zur Demokratie dazu, und das gehört dazu, um einen vernünftigen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen.