Protocol of the Session on March 27, 2019

Nicht berücksichtigt sind die in der Anhörung häufig eingebrachten Einwände zur Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen gemeinsam mit zu erwartenden problematischen Abschiebefällen. Wir von der AfD-Fraktion haben die Erwartung, dass bereits im Gesetz festgeschrieben wird, dass Familien mit Kindern und Jugendlichen anders betrachtet werden als abzuschiebende Migranten, die sich zuvor durch Untertauchen oder Gewalt gegen die Abschiebung gewehrt haben. Selbiges gilt für Personen, die sich durch Selbstverletzung einer Abschiebung zu entziehen versuchen. Es gilt umso mehr für Abschiebungsfälle, bei denen im Vorfeld teils erhebliche Straftaten zur Abschiebung führten.

In Artikel 17 der Rückführungsrichtlinie ist vorgesehen, dass für zur Abschiebung in Haft genommene Familien eine gesonderte Unterbringung, die ein angemessenes Maß an Privatsphäre gewährleistet, erfolgen muss. Der Gesetzentwurf verspricht im Fall der Abschiebung mehrerer Angehöriger derselben Familie, dass ihnen auf Wunsch eine gemeinsame Unterbringung ermöglicht werden soll. Europäisches Recht mit einer Muss-Bestimmung kollidiert hier mit einer Soll-Vorschrift im Landesrecht.

Der Änderungsantrag beinhaltet immerhin sogar Ordnungsmaßnahmen nach § 14 des Entwurfs. Nicht nur die Anzahl der Ordnungsmaßnahmen ist verblüffend, auch die Unbestimmtheit im Vollzug lässt einen staunen. Beim Einschluss als Sanktio

(Jan Marcus Rossa)

nierung „schwerer oder wiederholter erheblicher Verfehlungen“ stellt sich die Frage, was schwere oder erhebliche Verfehlungen sind. Bei Beschränkung von Besuch, Konsumgütern und anderen Dingen setzt sich die Unbestimmtheit von Vollzugsmaßnahmen fort. Willkür und Intransparenz stehen nun in einem Gesetz geschrieben.

Jamaika hat - da wiederhole ich mich - ein unbrauchbares Gesetz für den Vollzug von Abschiebung geschaffen. Richter in Schleswig-Holstein werden den Vollzug meiden und Anordnungen eher nicht erlassen. Das Gesetz selbst dürfte einer verfassungsrechtlichen Prüfung kaum standhalten. Man gewinnt den Eindruck, dass genau das Ihr Plan war. - Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss schon sagen: Die gesamte Anhörung zum Abschiebungshaftvollzugsgesetz war fordernd und auch widersprüchlich. Ich habe Fragen gestellt und Verbesserungsvorschläge für ein Instrument gemacht, das ich aus tiefster Überzeugung ablehne. Ich habe es in diesem Zusammenhang schon oft gesagt: Für mich bleibt es einfach logisch, dass ein vergebliches Asylgesuch nicht zum Freiheitsentzug führen darf. Menschen, die nichts verbrochen haben, gehören nicht in Haft.

(Beifall SSW, SPD und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vor ziemlich genau einem Jahr hat die Landesregierung begonnen, die Abschiebehafteinrichtung mit den Schlagworten „Wohnen minus Freiheit“ zu bewerben, als wäre Freiheit ein Faktor, auf den man dann im Zweifelsfall auch einmal verzichten könne. Dem ganzen Unterfangen sollte dadurch ein humaner Anstrich verliehen werden. Mittlerweile klingt das in meinen Ohren fast höhnisch. In SchleswigHolstein wird eine Abschiebehafteinrichtung eingerichtet, die der Strafhaft viel zu ähnlich ist. Wir bekommen in Glückstadt eine Einrichtung, in der ein ganz bestimmtes Klima vorherrschen wird, eines, das es notwendig macht, per Gesetz ausdrücklich festzuhalten, dass die Untergebrachten Zigaretten rauchen und Kaffee trinken dürfen, eine Einrichtung, in der den Untergebrachten das Bargeld erst einmal abgenommen wird, in der die freie Bewegung auch innerhalb der Einrichtung eingeschränkt werden kann, eine Einrichtung, in der es möglich ist, Ordnungsmaßnahmen gegen die Untergebrachten auszusprechen, die die Nutzung von Telefon und Telekommunikation beschränken, Besuche ein

grenzen, Einkäufe untersagen und schließlich sogar den Einschluss möglich machen können. Wie das noch mit „Wohnen minus Freiheit“ vereinbar sein soll, entzieht sich nun wirklich völlig meinem Verständnis.

Zum Vorgehen der Koalitionäre im Innenausschuss sei gesagt, dass es vom demokratischen Vorgang her echt bitter war. Zwei Stunden, bevor der Ausschuss begann, bekamen wir den Änderungsantrag der Koalitionäre zugeschickt, der sechs volle Seiten von Änderungen umfasst hatte. Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass es nicht zu diplomatischen Verwerfungen mit Niedersachsen und Hamburg geführt hätte, wäre dieses Gesetz erst im Mai-Plenum von Ihnen beschlossen worden. Unsere Partner hatten ja den Letter of Intent.

Wir als Opposition hatten vor der Abstimmung weder die Gelegenheit, die aktuellen Änderungen rechtlich zu prüfen noch sie angemessen politisch zu bewerten, Änderungen, die so einschneidend in die Freiheitsrechte eingreifen, wie es irgendwie nur geht, wenn man bedenkt, dass sich eine dieser sechs Seiten der Fixierung der Inhaftierten - oh, Entschuldigung: der Untergebrachten! - widmet. Abschiebungshaft soll - auch die Landesregierung beteuert das immer wieder - das letzte Mittel zur Sicherung der Abschiebung sein. Beim SSW finden wir, dass es für Menschen, die sich einfach nichts haben zuschulden kommen lassen, immer mildere Mittel geben muss, die Rückkehrbeihilfe für Personen, die freiwillig ausreisen, an erster Stelle.

Deutlich kostengünstiger wäre die Stärkung der Rückkehrbeihilfe statt des Ausbaus der Abschiebehaft ohnehin. Mit einer fast schon lächerlich anmutenden Summe von durchschnittlich 1.000 € pro Person - das ist das, was wir bezahlen - können Sie gegebenenfalls mehr erreichen als mit dem Umbau einer gesamten Hafteinrichtung, über deren Kosten Sie immer noch keine belastbaren Angaben machen können. Sie würden damit tatsächlich Ausreisen umsetzen, die würden nämlich wirklich gehen. Das würde den Ausreisenden dann auch eine Perspektive in den Ankunftsländern ermöglichen, die Abgeschobene derzeit eben nicht haben.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben das Abschiebehaftgesetz durchgedrückt, das können Sie auch nicht schönreden. Es ist mehr als deutlich, dass es nicht dem Bild entspricht, das Sie selbst so angestrengt zu zeichnen versuchen, nämlich das der Besonnenheit, der Vernunft oder der Sorgfalt. Sie haben einst argumentiert, Sie würden sich einer bundesweiten Verantwortung stellen, da

(Claus Schaffer)

bei aber dafür sorgen, dass Ihre eigenen humanitären Zielvorstellungen das Leitbild der Unterbringung werden. Aber ich muss gestehen: Nach den Debatten, die wir hier geführt haben, kann ich das nicht erkennen. Dieses Gesetz führt nicht zu einer humanen Abschiebehaft, sondern zu einem klassischen Abschiebeknast, und das, obwohl es mildere Mittel gibt.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, HansJoachim Grote.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gerade eben mit den Kollegen gesprochen. Zum Thema Evaluation: Die läuft noch. Ein Großteil der Fragen ist inzwischen beantwortet. Bislang liegen nur Fehlmeldungen vor, und - Achtung! - auch aus Bayern liegt eine Fehlmeldung vor. Wir haben also noch kein Bundesland gefunden, in dem Kinder inhaftiert worden sind. Das endgültige Ergebnis, wenn alle Ergebnisse vorliegen, werden wir Ihnen natürlich zur Kenntnis geben.

Dass Abschiebehaft ein politisch heißes Thema ich will nicht sagen, es sei ein umstrittenes Thema ist, zeigt doch auch die heutige Debatte eigentlich sehr deutlich. Wir haben es uns mit dem Gesetzentwurf aus diesem Grunde nicht einfach gemacht. Natürlich wird Opposition möglicherweise bestimmte Dinge anders sehen, Gruppen werden andere Ideen haben. Auch innerhalb der Koalition haben wir viel und intensiv über dieses Gesetz diskutiert. Wir haben insbesondere die schriftliche und mündliche Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss zum Anlass genommen, unseren ursprünglichen Gesetzestext noch einmal deutlich zu überarbeiten.

So ist nun im Gesetzentwurf gestrichen - Frau Ostmeier als Berichterstatterin hat es vorhin schon gesagt -, dass die Untergebrachten während der Nachtruhezeit standardmäßig in ihren Zimmern eingeschlossen werden. Unsere Regelungen für den Abschiebehaftvollzug unterscheiden sich damit noch einmal grundlegend von den Regelungen des Strafvollzugs. Ein Einschluss kommt nach unserem Gesetzentwurf ausschließlich dann in Betracht, wenn im Einzelfall schwerwiegend oder wiederholt und in erheblicher Weise gegen Pflichten und Anordnungen verstoßen wird.

Auch die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Fixierung wird ausdrücklich berücksichtigt. Fixierungen, die absehbar länger als eine halbe Stunde dauern, sind danach nur noch aufgrund einer richterlichen Anordnung zulässig. Die entsprechende Regel stellt also keine Verschärfung für den Abschiebehaftvollzug dar, sondern verbessert vielmehr die Rechtslage für die untergebrachten Menschen.

Auch an anderer Stelle haben wir den Gesetzentwurf noch einmal nachjustiert, beispielsweise haben wir noch einmal deutlich gemacht, dass die Untergebrachten in den Einrichtungen über eigenes Geld verfügen können. Das bedeutet, sie haben auch die Möglichkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Wir haben klargestellt, dass der Besitz von Nikotin und Koffein gestattet ist.

Ob sich unser Abschiebehaftgesetz in der Praxis bewährt hat oder ob gegebenenfalls Änderungsbedarf besteht, werden wir in zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes evaluieren. Auch das haben wir im Gesetzentwurf verankert. Insgesamt werden wir damit eine, wie ich finde, unter humanitären Gesichtspunkten ausgewogene und verlässliche Basis für den Vollzug der Abschiebehaft in Schleswig-Holstein schaffen.

Die Abschiebehaft ist und bleibt immer nur das letzte Mittel im Einzelfall, und die Durchführung der Abschiebung ist auch nur dafür da, um eben diesen Einzelfall zu sichern. Nach dem Aufenthaltsgesetz ist eine Abschiebehaft nur dann zulässig, wenn die Abschiebung ohne die Inhaftnahme aller Voraussicht nach scheitern würde. Es muss also definitiv Fluchtgefahr bestehen, und diese muss bei der jeweils zu inhaftierenden Person gerichtlich festgestellt sein. Die Verfahren der Ausländerbehörden bundesweit zeigen, dass die Instrumente der Abschiebung und der Abschiebehaft notwendig sind.

Wir wollen hierfür auch die Verantwortung - und das ist wichtig - selbst tragen. Wir wollen nicht die Personen, die in Abschiebehaft genommen werden müssen, quer durch die Bundesrepublik fahren. Genau dies wurde aber nach der Schließung der Einrichtung in Rendsburg getan. Statt von hier vor Ort eine Abschiebehaft zu vollziehen, haben wir zum Beispiel Menschen nach Eisenhüttenstatt verbracht. Wir wollen auch nicht auf alternative Vollzugsmöglichkeiten angewiesen sein, wie sie teilweise derzeit von einer Partei hier diskutiert werden, und eine Abschiebehaft in Justizvollzugsanstalten durchführen. Wir wollen die Rechte der untergebrachten Personen und die Unterbringungsstandards selbst be

(Lars Harms)

stimmen. Wir wollen eben Verantwortung selbst tragen. Ich kann es jedenfalls nicht mit meiner humanitären Überzeugung in Einklang bringen, in einem solchen Fall statt die notwendige Abschiebehaft nach unseren Prinzipien zu vollziehen, die Unterbringung in einer Einrichtung außerhalb Schleswig-Holsteins zu wählen, die nicht mit unseren Qualitätsstandards in Glückstadt auch nur vergleichbar ist. Wir müssen doch die Alternativen ehrlich gegeneinander abwägen. Eisenhüttenstatt, so wie es heute ist, versus Glückstadt, wie es möglicherweise nach unserem Gesetz dann sein wird: Ich finde, da kann es doch nur eine Antwort geben.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir eine rechtliche Grundlage, die die Ansprüche aller drei Koalitionspartner bündelt und in die viele Kompromisse geflossen sind, die sicherlich zu einem ausgewogenen Maß mit beigetragen haben.

Meine Damen und Herren, ich bin sicher, dass der Abschiebehaftvollzug in der geplanten Einrichtung in Glückstadt auf der Grundlage unseres Gesetzes so human wie eben möglich sein wird. Noch einmal: Wir müssen auch immer die Alternativen anderer Einrichtungen im Auge behalten, die wir ansonsten nutzen müssten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, ich schließe die Beratung.

Ich lasse über den Gesetzentwurf der Landesregierung mit der Drucksachennummer 19/939 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Vielen Dank. Die Gegenprobe! - Vielen Dank. Stimmenthaltungen kann es, glaube ich, nicht geben. Genau. Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDUFraktion, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPDFraktion, der AfD-Fraktion, der Abgeordneten des SSW und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein so angenommen.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Kay Richert [FDP])

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, begrüßen Sie mit mir Gäste auf unserer Besucherinnen- und Besuchertribüne. Es handelt sich zum einen um Mitglieder des SPD-Ortsvereins aus Eutin sowie um Mitglieder aus dem FDP-Ortsver

ein aus Ahrensburg und Umgebung. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen!

(Beifall)

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 6 und 7 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines kommunalen Beauftragten für Menschen mit Behinderung

Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1286

b) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Beauftragten für Menschen mit Behinderung auf kommunaler Ebene

Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Drucksache 19/1327 (neu) - 2. Fassung

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile zunächst dem Abgeordneten Lars Harms für die Abgeordneten des SSW als Antragsteller zu Punkt a) das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf für die Schaffung von kommunalen Behindertenbeauftragten vor. In den meisten Kreisen und einigen größeren Städten haben wir schon auf freiwilliger Basis solche Behindertenbeauftragten. Allerdings gilt das nicht immer und überall. Wenn wir uns den ländlichen Raum ansehen, sieht es dort noch recht dünn aus. Deshalb wollen wir, dass es in Zukunft überall einen kommunalen Behindertenbeauftragten gibt. Das gilt natürlich nicht für Kleinstgemeinden mit wenigen bis zu einigen hundert Einwohnern. Das würde nicht funktionieren. Aber hier soll es zumindest einen Beauftragten auf Amtsebene für alle amtsangehörigen Gemeinden geben.

Dann hätten wir die Sicherheit, dass wir überall im Land Schleswig-Holstein einen solchen Ansprechpartner für Bürger, Politik und Verwaltung hätten, der dann auch die Interessen von Menschen mit Handicap offensiv vertreten könnte.

Das ist übrigens auch der Unterschied zum Gesetzentwurf der AfD. Er ist in weiten Teilen wortgleich und eine Kopie unseres Gesetzentwurfs. SSW-Anträge zu kopieren, ist natürlich niemals schlecht. Aber man sollte das Original dann doch unverän

(Minister Hans-Joachim Grote)

dert lassen. Das ist leider bei dem Gesetzentwurf der AfD nicht der Fall.

In einem Punkt haben Sie dann doch den Antrag abgeändert. Bei uns „muss“ der Behindertenbeauftragte in den Kommunen verpflichtend eingeführt werden. Bei der AfD steht da nur, dass er eingeführt werden „soll“. „Soll“ heißt aber nichts anderes als „kann“, weil das eben nicht muss. Eingeführt werden kann er auch heute schon. Das zeigen die vorhandenen kommunalen Behindertenbeauftragten. Deswegen geht der Vorschlag der AfD auch klar am Ziel vorbei.