Protocol of the Session on March 6, 2019

Eines müssen wir uns dabei stets klarmachen: Die Informationen, die vom Verfassungsschutz an die Waffenbehörde weitergegeben werden, werden nicht nur der Waffenbehörde gegenüber offengelegt, sondern auch gegenüber den Extremisten, die wir hier bekämpfen wollen. Deswegen muss auch insoweit eine Abwägung erfolgen, ob es nicht andere bekannte Tatsachen gibt, die die Unzuverlässigkeit begründen können, ohne dass ich auf vertrauliche Informationen des Verfassungsschutzes zurückgreifen muss. Wir sollten über diese sicherheitspolitischen Aspekte im Innen- und Rechtsausschuss noch einmal gemeinsam diskutieren und versuchen, eine Lösung zu finden, die dem Rechnung trägt.

Einig sind wir uns im Ziel: Extremisten und Feinde unseres Staates dürfen keine Waffen besitzen. Wer sich als Feind unseres Landes erweist, soll sich nicht mit Erlaubnis des Landes bewaffnen können. Das regelt das Waffengesetz schon heute. Ob die bestehenden Regelungen weiter verschärft werden müssen und welche Fernwirkung solche Lösungsansätze haben, darüber sollten wir gemeinsam diskutieren - mit einem lösungsorientierten Ansatz. Ich bitte daher um Überweisung beider Anträge in den Innen- und Rechtsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Der SSW zielt darauf ab, ein Waffenverbot für Personen auszusprechen, die vom Verfassungsschutz als extremistisch eingeordnet werden. Dass es dem SSW eigentlich darum geht, Reichsbürger und Rechtsextremisten zu entwaffnen, wird in der Begründung deutlich. Andere gefährliche Extremisten aus dem linken Spektrum wie zum Beispiel die Kriminellen der Antifa werden hier genauso wenig genannt wie islamisch motivierte Extremisten. Wir gehen einmal davon aus, dass Sie die mit erfasst sehen wollen. Aber gut. Keine Waffen in den Händen von Extremisten ist ja zunächst eine gute Idee. Die örtlichen Waffenbehörden hätten demnach bei der Verfassungsschutzbehörde entsprechende Informationen einzuholen. Ist

(Jan Marcus Rossa)

dort ein Bürger als extremistisch eingestuft, erfolgt eine weitere Einstufung der kommunalen oder städtischen Waffenbehörde, der zufolge dieser Bürger als unzuverlässig im waffenrechtlichen Sinne gilt.

Bedarf es nun einer solchen Verschärfung des Waffengesetzes? Diese Frage lässt sich aus Sicht der AfD-Fraktion mit Nein beantworten, denn derartige Waffenverbote sind bereits rechtlich möglich; das hörten wir schon. „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Entscheidungsfindung“ war eine Aussage von Dozenten in meiner Ausbildung. § 5 Waffengesetz mit den Absätzen 2 und 3 ist hier mehrfach genannt worden. Er stellt fest, dass die erforderliche Zuverlässigkeit Personen regelmäßig dann nicht besitzen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen und unterstützen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Hinzu kommen noch vorsätzliche Straftaten, Verstöße gegen das Waffenrecht oder auch frühere Mitgliedschaften in verbotenen Vereinen oder verfassungswidrigen Organisationen. Das ist eine nicht abschließende Aufzählung. Sie mögen es vielleicht anders sehen; aber die Behörden haben aus unserer Sicht bereits jetzt ausreichend Handhabe zur wirksamen Versagung von waffenrechtlichen Erlaubnissen.

Und wie sieht es mit der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit von Reichsbürgern aus? Das Verwaltungsgericht Dresden urteilte am 10. September 2018 in seinem sogenannten Reichsbürger-Urteil, dass allein wegen der Zugehörigkeit zum Kreis der Reichsbürger „keine abschließende Prognose zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit“ begründet werden kann. Erforderlich ist nämlich auch bei diesem Personenkreis stets eine Würdigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere des konkreten Verhaltens der individuellen Person. Tatsächlich weist diese sogenannte Reichsbürgerszene nur teilweise zusammenhängende Ideologien, Strukturen und Organisationen auf. Die kruden Ausprägungen der Reichsbürgerideologie lassen vor allem Rückschlüsse auf den Geisteszustand ihrer Anhänger zu. Das allein sagt jedoch noch nichts über deren waffenrechtliche Zuverlässigkeit aus.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jan Marcus Rossa?

Ja, sehr gerne.

Vielen Dank. Sie zitierten gerade die Verwaltungsgerichtsentscheidung vom 10. September 2018. Ist Ihnen bewusst, dass es mittlerweile eine Entscheidung des OVG Dresden gibt, mit der diese Entscheidung doch deutlich abgewandelt wurde? Dort heißt es unter anderem:

„Diejenigen, die der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland verneinen und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung grundsätzlich nicht als für sich verbindlich anerkennen, geben Anlass zu der Befürchtung, dass sie auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen werden.“

Das widerspricht dem Urteil des Verwaltungsgerichts, das Sie gerade zitierten. Das OVG ist da schon deutlich weiter.

- Das OVG ist da in der Tat deutlich weiter, wenn ich Ihnen darauf kurz antworten darf. Aber auch dort wird von einer Annahme gesprochen und nicht von einer Tatsachenfeststellung.

- Die aber ausreicht.

- Es gibt - da stimme ich Ihnen allen wieder zu, und das gehört zur Wahrheit dazu - auch diese Extremfälle, bei denen es zu Gewalt von Reichsbürgern gegenüber Vertretern von Behörden gekommen ist, auch zu tödlicher Gewaltanwendung. In SchleswigHolstein gibt es diese Fälle nicht. Ein Generalverdacht ist daher nicht geboten. Auch die dargestellte hohe Affinität zu Waffen findet sich in den tatsächlichen Zahlen nicht wieder.

In Schleswig-Holstein werden 0,05 % der Waffenbesitzer den Reichsbürgern zugeordnet. Wir reden von 20 Personen. Es darf daher kein Automatismus sein, Personen, die vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wurden, waffenrechtlich als unzuverlässig zu erkennen. Es ist immer auf das konkrete Verhalten und auf Tatsachen abzustellen, und das ist auch möglich. Wie sehr eine Verfassungsschutzbehörde in rechtlicher Hinsicht einmal danebenliegen kann, durften wir erst kürzlich erleben. - Aber das nur nebenbei.

Eine Verschärfung des Waffenrechts wird nicht mehr Sicherheit vor Gewalt, Extremismus oder Terror bringen; denn es entspricht einfach nicht dem Selbstverständnis gewaltbereiter Extremisten, den Gebrauch von Waffen bei einer staatlichen Stelle anzumelden. Wichtiger wäre es aus unserer Sicht, die kommunalen und städtischen Waffenbehörden

(Claus Schaffer)

personell so auszustatten, dass waffenrechtliche Kontrollen verstärkt und konsequent umgesetzt werden; denn dass dies nicht in ausreichendem Maße geschieht, haben die bisherigen Ergebnisse deutlich gezeigt.

Der Alternativantrag der SPD geht da einen besseren Weg; denn er öffnet den Waffenbehörden eine weitere Informationsquelle, nämlich den Verfassungsschutz, und damit den Waffenbehörden eine breitere Basis, eine fundierte Entscheidung über die Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit festzustellen.

Unter dem Strich bleibt: Wir haben im Waffenrecht kein Normendefizit, sondern eher ein Vollzugsdefizit. Insofern freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss, der wir sehr gerne folgen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung hat das Wort der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, HansJoachim Grote.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe im Dezember letzten Jahres bei der Beantwortung der Großen Anfrage zur Reichsbürgerbewegung in Schleswig-Holstein verdeutlicht - und ich möchte noch einmal sagen, was hier im Raum gesagt wurde -: Wir wollen Extremisten im wahrsten Sinne entwaffnen. Darüber besteht, glaube ich, Einigkeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das betrifft auch und insbesondere die sogenannten Reichsbürger, und es betrifft jede Form von politischem Extremismus. Personen, die unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung entgegenstehen, die sie ablehnen, verdienen das Vertrauen nicht, in diesem Land mit Waffen umgehen zu dürfen. Wir müssen also Mittel und Wege des Rechtsstaats nutzen, um Extremisten den Zugang zu Waffen zu verwehren.

Dazu haben Bund und Länder inzwischen viel getan. Nie war es schwerer für Extremisten, legal an Waffen zu kommen. Insbesondere die jüngsten Verschärfungen des Waffenrechts zeigen, wie viel wir bereits erreicht haben. Künftig werden Personen bereits bei der Antragstellung im Nationalen Waffen

register gespeichert. Damit erfahren die Sicherheitsbehörden zum frühestmöglichen Zeitpunkt, dass jemand eine Schusswaffe erwerben möchte, und können rechtzeitig gegensteuern, falls es sich hierbei um Extremisten handelt. Auf dieses Thema gehe ich gleich noch einmal ein. Damit hat der Bund eine wesentliche Forderung der Länder umgesetzt.

Zudem wurde die Hürde gesenkt, ab wann jemand als waffenrechtlich unzuverlässig gilt. Zuvor war ein konkreter Nachweis nötig, dass jemand tatsächlich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder unterstützt. Diese Hürde war eigentlich viel zu hoch angesetzt. Deshalb haben wir im Bundesrat beschlossen, dass in diesem Fall ein begründeter Verdacht - was vorhin schon von Herrn Rossa angesprochen wurde - ausreichen soll. Der Bundesgesetzgeber hat daraufhin nachgebessert.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Sicherheitsbehörden gruppenweise über das Nationale Waffenregister abfragen können. Sie müssen nicht mehr jeden Extremisten einzeln auf Waffenbesitz überprüfen. Der Verfassungsschutz kann nun Übermittlungsersuchen für ganze Gruppen stellen und diese mit dem Nationalen Waffenregister abgleichen lassen. Das war vorher so nicht möglich.

Bei der Frage, wie mit Extremisten umzugehen ist, möchte ich bei dieser Gelegenheit die gute Zusammenarbeit mit den anderen Ländern betonen. Wir haben uns auf der Innenministerkonferenz klar positioniert. Auch hier heißt es: Keine Waffen in die Hände von Extremisten!

In allen sicherheitsrelevanten Bereichen und auf allen Arbeitsebenen stehen die zuständigen Behörden im Austausch und arbeiten sehr eng zusammen. Das hat sich gerade erst bei der Reichsbürgerbewegung gezeigt. Wir haben heute in allen Bundesländern klare Verfahrensregeln, wie mit Reichsbürgern umzugehen ist.

In Schleswig-Holstein gilt seit letztem Sommer ein Erlass, der den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit der beteiligten Behörden klar regelt und festlegt, dass Reichsbürger als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen sind. Ich habe erst im Dezember darauf hingewiesen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, der Bund und die Länder haben schon viel erreicht, um Extremisten den Zugang zu Schusswaffen so schwer wie möglich zu machen. Sicherlich gibt es noch weitere Bereiche, die eventuell strenger und umfassender reglementiert werden können. Darüber werden Sie im Innen- und Rechtsausschuss diskutieren. Auch das Thema Rückkopplung mit dem Verfassungs

(Claus Schaffer)

schutz sollte weiter diskutiert werden. Ich weise allerdings darauf hin, dass das förmliche Verfahren dazu bereits läuft. Der Bundesrat hat einen Gesetzentwurf zur Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden beschlossen, Bundesratsdrucksache 39/18 (B). Der Beschluss ist da. Der Gesetzentwurf liegt jetzt beim Bundestag, Bundestagsdrucksache 19/1715. Dieser ist aber noch nicht beraten. Insofern ist das Thema Einbindung des Verfassungsschutzes in die Informationskette aktuell in der Entscheidung beim Bundestag. Der Bundesrat und damit die Vertreter der Länder haben sich hierzu bereits klar positioniert. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/1316 sowie den Alternativantrag Drucksache 19/1331 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Enthaltungen? Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Bericht zur Lage Terrorismus in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1244

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich erteile das Wort für die Landesregierung dem Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland und damit auch SchleswigHolstein befinden sich kontinuierlich im Fokus islamistischer Terroristen. Die Festnahmen im Kreis Dithmarschen, bei denen am 30. Januar 2019 drei irakische Staatsangehörige durch Spezialkräfte unserer Polizei festgenommen wurden, haben erneut

gezeigt, dass sich an dieser grundsätzlichen Einschätzung der Sicherheitslage leider nichts geändert hat. Mit anderen Worten: Es besteht auch weiterhin jederzeit die Gefahr eines islamistischen Anschlags, auch in diesem Land.

Den Festnahmen im Kreis Dithmarschen gingen intensive Aufklärungs- und Ermittlungsarbeiten der Verfassungsschutz- und Polizeibehörden voraus. Daraus ergaben sich schließlich der Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, also eines möglichen Anschlags, sowie der Verdacht von Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz.

Auf diesem Erfolg können wir uns jedoch nicht ausruhen, meine Damen und Herren. Es geht uns nicht darum, uns alle in falscher Sicherheit zu wiegen. Im Gegenteil: Eine der gefährlichsten islamistischen Gruppen weltweit, der sogenannte Islamische Staat, hat aufgrund des militärischen Drucks im Irak und in Syrien seine Propaganda- und Medienarbeit weiter erheblich verstärkt. Er wirbt unentwegt für Anschläge insbesondere in westlichen Ländern sowohl mit Sprengstoff und Waffen als auch insbesondere mit Fahrzeugen - wie es zuletzt die festgenommenen Personen in Dithmarschen geplant hatten. Die Sicherheitsbehörden werden daher die islamistische Szene weiter fest im Blick behalten.

Daneben richten wir unser Augenmerk auf die Entwicklungen sowohl im rechts- als auch im linksextremistischen Bereich. Gewalt ist nach wie vor ein nicht zu unterschätzender Bestandteil der rechtsextremistischen Szene. Die Gefahr einer Entwicklung rechtsterroristischer Ansätze können wir daher definitiv nicht ausschließen.