Das Verbot, das den Konsum und die Gesundheitsrisiken in Deutschland verhindern soll, ist gescheitert; denn Realität ist: Wer in Deutschland kiffen will, der kifft leider in Deutschland. Nach der Statistik gibt das auch leider schon jeder siebte Minderjährige in Deutschland zu. Und wo holt man sich im Zweifelsfall Cannabis? Beim Dealer. Der Dealer fragt nicht nach dem Alter, er fragt nicht nach Allergien, er kann keine Angabe über den THC-Gehalt machen, er sagt auch nicht, dass es mit Blei, Rattengift oder Quarzsand gestreckt ist. Im Zweifelsfall fragt er aber, ob man noch etwas Härteres will. So ebnet die Illegalität Cannabis den Weg als vermeintliche Einstiegsdroge.
Wir sind der Meinung, dass eine kontrollierte Abgabe und ein Modellprojekt dafür sorgen können, dass einerseits die Minderjährigen davon abgehalten werden, diese Drogen zu konsumieren, und andererseits die Erwachsenen, die sie konsumieren wollen, zumindest wissen, was sie an Schadstoffen zu sich nehmen. Das wäre eine wirksame, uns in diesem Land voranbringende Suchtpolitik.
Ich denke und hoffe, dass jeder in diesem Haus eine bessere Präventionsarbeit haben möchte. Dies ist aber schwer, wenn ich Gelegenheitskiffer kriminalisiere. An wen soll man sich denn wenden, wenn
man Fragen hat? An meinen Arzt oder Apotheker? An meine Lehrkraft? An die Polizei? Das funktioniert doch so nicht! Deswegen brauchen wir dringend wissenschaftliche Erkenntnisse aus einem Modellprojekt, um die bestmögliche Lösung im Umgang mit Cannabis zu finden. Hierfür soll der geforderte Modellversuch Grundlagen schaffen. International kann man schon nach einigen Ländern hinüberschauen, so zum Beispiel in die USA und nach Kanada. Aber es ist - auch für gesamtgesellschaftliche Akzeptanz - wichtig, dass wir in Deutschland eigene Erhebungen durchführen.
„Verlassen Sie Ihren ideologischen Weg! Man muss sich fragen: Wie ist die Welt um mich herum? Was findet eigentlich tagtäglich statt? Wie wollen wir diesen großen Markt kontrollieren? Schließlich ist dieser große Markt Realität.“
- Der Zitatgeber fühlt sich schon angesprochen. Dieses Zitat zum Thema Online-Glücksspiel stammt vom CDU-Vordenker Hans-Jörn Arp.
Lieber Hans-Jörn Arp, das war ein Plädoyer für eine zukunftsgerichtete Sucht- und Präventionspolitik in diesem Land. Die brauchen wir auch bei diesem Thema.
Wir appellieren vor allem an die CDU und SPD auf Bundesebene: Geben Sie sich endlich einen Ruck. Holen Sie die Konsumenten aus der Kriminalität. Legen Sie den Dealern das Handwerk, und machen Sie den Weg für ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt in diesem Land frei. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
schlagen zwei Herzen in meiner Brust, zum einen das des Kriminalbeamten, der - für Sie möglicherweise überraschend - tatsächlich Sympathie für eine Idee aufbringt, die zu einer Entlastung kriminalpolizeilichen Handelns führen kann. Strafrechtliche Repression im Konsumfeld illegaler Drogen - Cannabisprodukte gehören zweifelsohne dazu - ist in der deutschen Rechtsprechung zwiespältig geregelt, und sie wird bundesweit sogar noch zwiespältiger umgesetzt. So ist der Konsum erlaubt, der Besitz hingegen ist strafbar. Meine Damen und Herren, das ist schon Polizeischülern kaum noch zu vermitteln. Die Strafverfolgung auf diesem Teilgebiet der Drogenkriminalität bindet Kräfte, ohne dass ein echter Effekt verzeichnet werden kann. Aber die Formel „Kein polizeilicher Erfolg - gleich Straffreiheit - gleich legal“ kann hier nicht der Weg sein.
Gerade aus dem linkspolitischen Spektrum erreichen uns immer wieder Vorstöße, zum Beispiel Schwarzfahren oder Ladendiebstahl aus dem Strafgesetzbuch herauszunehmen. Meine Damen und Herren, diese Tür sollten wir gar nicht erst aufstoßen.
Andere wiederum treibt der Gedanke, mit der staatlich kontrollierten Abgabe von Drogen Steuereinnahmen zu generieren. Auch das klingt zunächst verlockend. Man würde sich an Tabak- und Alkoholsteuer orientieren, und der Dealer um die Ecke bekäme es nicht mehr mit der Polizei, sondern mit dem Zoll zu tun. Die Konsumenten würden dann vom Staat zur Kasse gebeten. Wenigstens zielt der SSW-Antrag darauf ab, eingenommene Steuern in Aufklärung, Suchtprävention und in die Behandlung von Suchterkrankungen zu stecken.
Einmal abgesehen davon, dass es schon merkwürdig anmutet, dass staatliche Drogen krankmachen würden und wiederum staatliche Gelder in die Bekämpfung dieser Erkrankungen fließen sollten, sehe ich schon verfassungsrechtliche Konflikte im Hinblick auf die Abgabenbelastung und Krankenversicherungsleistung aufkommen.
Ich will Ihnen auch erklären, warum. Cannabisprodukte sind Drogen. Der Konsum ohne medizinische Indikation, ohne ärztliche Aufsicht ist gesundheitsschädlich. Ein langjähriger Cannabiskonsum kann zu psychischer Abhängigkeit, irreversiblen Persön
lichkeitsveränderungen sowie körperlichen Schädigungen führen. Insbesondere im jungen Alter kann dies zu irreparablen Veränderungen im Gehirn führen. Eingeschränkte kognitive Fähigkeiten, auch Antriebs- und Lustlosigkeit sowie depressive Erscheinungsformen sind hier zu verzeichnen.
Meine Damen und Herren, der „bocklose Kiffer“, der sich das Hirn weggeraucht hat, ist doch Realität. Das wissen doch alle, die noch ein wenig Erinnerung an die eigene Jugendphase haben.
Der Konsum von Alkohol und Tabak bereitet uns schon jetzt genug Sorgen. Immer mehr junge Menschen greifen immer früher zur Flasche oder zur Zigarette. Shisha-Bars schießen wie Pilze aus dem Boden und verleihen dem Tabakkonsum den Anschein des Neuen, des Modernen, des Weltoffenen und sind doch nichts anderes als weitere Anreize zum Tabakkonsum, noch dazu unter teils unhygienischen oder über den Konsum hinaus gesundheitsschädlichen Umgebungsbedingungen.
Laut Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte verstößt die Freigabe gegen den Schutzzweck des Betäubungsmittelgesetzes. Die kontrollierte Abgabe dieses Rauschmittels ist - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis - „weder medizinisch noch ethisch vertretbar“.
Lassen Sie uns aber gern über die therapeutischen Möglichkeiten von Cannabisprodukten sprechen. Denn hier tun sich zahlreiche neue Felder auf, die auch unter Medizinern einen immer größeren Akzeptanzraum einnehmen. Die erweiterte Leistungsanerkennung durch Krankenkassen kann und muss hier ein Thema sein, um therapeutisch wirksames Cannabis einer größeren Anzahl von Patienten mit einer größeren Anzahl an Krankheitsbildern zugänglich zu machen.
Gefahren dürfen nicht schöngeredet werden, Straftaten dürfen nicht bagatellisiert werden, und der Drogenmissbrauch ist schon gar nicht zu fördern. Prävention und Suchthilfe sind ebenso wie die konsequente Strafverfolgung unsere Mittel der Wahl. Diese sind nach unserer Auffassung zu intensivieren. Denn auch darin stimmen wir sogar zu: Ein Weiter-wie-bisher kann es an dieser Stelle nicht geben. Das Modellprojekt Cannabisfreigabe lehnen wir jedoch ab. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird deutlich, dass es durchaus unterschiedliche Auffassungen in der Koalition gibt. Trotzdem: Wenn ich im Vorwege der Debatte lese, dass der Kollege Koch sagt: „Eigentlich haben wir den Koalitionsvertrag so gefasst, weil wir genau wussten, dass wir dies sowieso verhindern können, weil wir wissen, dass das alles irgendwie nicht geht“, dann frage ich mich schon: Was steht noch alles im Koalitionsvertrag, das nicht geht? - Die A 20 geht nicht, Windmühlenabstände gehen nicht, Kiffen geht nicht, es geht irgendwie gar nichts.
Ich finde, wir sollten uns auf die Dinge konzentrieren, die gehen, und ich glaube, das, was wir heute vorschlagen, geht. Deswegen finde ich es auch schade, dass die Koalition wieder mit einem Antrag kommt, der besagt: Wir wollen das mal prüfen. Was Herr Koch und die CDU-Fraktion vom Prüfen halten, das wissen wir nun. Es wurde vorhin schon verkündet, dass schon alles geprüft sei und dass das alles nicht gehe. Jetzt wollen Sie noch einmal prüfen, was nach Ihrer Auffassung nicht geht. Das finde ich schon etwas merkwürdig.
Ich glaube, da sind wir als SSW etwas stringenter. Mal ehrlich, schauen wir uns das mal an: Die Polizei hat einen Mörderaufwand, in diesem Bereich tätig zu sein. Geringfügige Mengen werden eh freigestellt, obwohl sich die Leute kriminell verhalten. Das kennen wir übrigens aus einem anderen Zusammenhang, denken wir nur einmal an die Schwangerschaftsberatung. Da gibt es das gleiche System. Das ist völlig irrsinnig, das ist völlig unsinnig. Wir müssen entkriminalisieren, und wir müssen vor allen Dingen den Sumpf der Beschaffungskriminalität und die Verbindung mit den harten Drogen eindämmen, und das geht nur, indem wir die Möglichkeit schaffen, dass man Cannabis legal konsumieren kann. Anders geht das nicht.
Meine Damen und Herren, ganz wichtig an unserem Ansinnen ist dies, und deswegen sagen wir auch, es soll einen Modellversuch geben: Wir wollen natürlich auch gucken, wie wir den Gesundheitsschutz besser hinkriegen. Das geht nicht nur dadurch, dass man nachträglich versucht, den Leu
ten, die darunter leiden, eine medizinische Hilfestellung zu geben. Klar will man das machen, aber es geht auch darum, Inhaltsstoffe, die schädlich sind, zu begrenzen. Das Cannabis von vor 30 Jahren ist ein anderes als das, was wir heute haben, und auch hier müssen wir als Staat im Sinne des Gesundheitsschutzes der Konsumenten eingreifen, von denen es in diesem Land wirklich genug gibt.
Ein weiterer Punkt, der auch ganz wichtig ist: Wir wollen, dass dieser Modellversuch kontrolliert ist. Das soll nicht irgendetwas ins Blaue hinein sein, er soll wissenschaftlich fundiert sein. Wir müssen in Deutschland selbst auch Erkenntnisse dahin gehend gewinnen, wie man es hier machen könnte. Andere haben das auch gemacht, andere haben das umgesetzt. Ganz wichtig ist das, worauf der Kollege Peters gerade eben hingewiesen hat: § 3 des Betäubungsmittelgesetzes lässt dies durchaus zu. Ich finde, wenn er dies zulässt, dann kann man auch dem Koalitionsvertrag folgen und das anpacken und nicht nur rumschnacken.
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Herr Harms, ja, mich hat die Äußerung des CDU-Fraktionsvorsitzenden in der „taz“ auch verwundert. Verwundert hat mich nicht nur, dass er sich in der „taz“ zitieren lässt, sondern auch die Art seiner Aussagen hierzu mit der Prämisse: Na ja, das kommt eh nicht durch. - Ich glaube, das ist ein Politikstil, der diskussionswürdig ist, aber darauf will ich nicht weiter eingehen.