Ein Anlass für mich, hier noch einmal zu sprechen, war die Äußerung des Kollegen Schaffer von der AfD. Immer wieder mit dem Stigmata zu arbeiten, ist genau das Problem der Diskussion. Sie haben hier wieder vom „bocklosen Kiffer“ gesprochen. Das ist nicht die Realität, dieser Typ ist ein ganz kleiner Teil, der Ihnen vielleicht in den Kram passt und deswegen in Erinnerung bleibt, aber viele Menschen, die illegal und illegalisiert konsumieren, haben ihr Leben wunderbar im Griff. Sie wissen ganz genau, wann sie zur Arbeit gehen müssen, sie ha
ben verantwortungsvolle Berufe und sind in dieser Verantwortung auch hochkompetent. Wenn Sie immer wieder vom bocklosen Kiffer sprechen, dann ist das nicht die Diskussion, die wir führen, sondern wir führen eine Diskussion über Menschen, die ein ganz anderes Bild verdient haben.
Wir haben mittlerweile auch Verbände, die sich im Bereich der Cannabisaufklärung engagieren. Ich nenne Mien Hämp in Kiel, aber auch den Hanfverband, der ganz klar macht: Es geht nicht darum, dass die Leute sich die Birne dichtkiffen, wie Sie das gerade gesagt haben, sondern es geht um einen verantwortungsbewussten und verantwortungsvollen Konsum unter Erwachsenen.
Niemand stellt diese Frage strittig, aber das Problem ist: Wenn ich mich an meine Jugend erinnere, dann war es für mich leichter, mit 14 Jahren an Gras zu kommen als an Wodka, und das ist ein Problem. Das liegt daran, dass der eine Markt illegal ist und der andere legal. Die Altersprüfungen, die wir an der Supermarktkasse finden, finden beim Dealer schlichtweg nicht statt. Wir schicken die Leute da in Problemsituationen, aus denen sie später womöglich nur schwer herauskommen können.
Sie sprechen von den Patientinnen und Patienten. Ja, Cannabis spielt auch im medizinischen Bereich eine immer wichtigere Rolle, und es ist gut, dass hier einiges erreicht wurde. Aber wir haben genau wegen dieser Stigmata das Problem, dass sich viele Ärztinnen und Ärzte weigern, die entsprechenden Medikamente zu verschreiben, und zwar selbst die Medikamente, die überhaupt keinen Rauschzustand bewirken und nur einen medizinischen Effekt haben. Ich habe Leute kennengelernt, die Multiple Sklerose haben. Sie sagen: Leute, ich habe Medikamente in meinem Körper, damit könnte ich halb Kiel etwas antun, aber Cannabis ohne Rauschwirkung - ich arbeite in der Verwaltung - wird mir verboten. Die Ärzte verschreiben mir das einfach nicht. Das liegt genau an der Debatte, wie sie teilweise geführt wird, weil wir hier immer wieder eine Stigmatisierung haben.
Die Diskussion um Steuern und so weiter ist schön und gut, sie bleibt auch wichtig, und das bleiben gute Argumente, aber es geht in erster Linie wirklich um den Jugendschutz, der durch einen kontrollierten, legalen Markt, der die Leute an die Hand nimmt und die nötigen Mittel für Prävention und
Das Cannabiskontrollgesetz im Bund macht hier Vorschläge. Wir müssen sehen, ob es endlich Modellprojekte geben kann. Es gibt gute Vorschläge auch aus anderen Bundesländern. Die Behauptung, dass es kein wissenschaftliches Interesse am Görlitzer Park gebe, wo ein entsprechendes Modellprojekt angeregt wurde, muss die CDU im Bund erklären. Ich ärgere mich weiter darüber und hoffe, dass die Bewertung des Sozialministeriums in Bezug auf die Frage, welche Aufsichtsmöglichkeiten so ein Vorhaben in Schleswig-Holstein haben könnte, hier ein anderes Licht hineinbringt. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist 23 Jahre her, dass ich als Staatssekretär von Heide Moser verfolgt habe, welche Reaktionen es ausgelöst hat, als sie den Vorschlag gemacht hatte, einen Modellversuch zu machen und ihn wissenschaftlich überprüfen zu lassen, um herauszufinden, was dabei passiert. Das hat große Empörung und heftige Debatten hier im Landtag ausgelöst. Manches Argument habe ich heute wieder gehört.
Das Problem ist: Wenn man die Realität betrachtet, dann muss sich Politik auch immer an dem messen lassen, was man eigentlich bewirken will. Dabei ist der Vergleich zu anderen Dingen gar nicht passend. Wir wollen mitnichten, dass für Suchtmittel geworben wird, übrigens weder für legale noch für illegale. Das will kein Mensch, das sollten wir nicht wollen, aber wir wollen versuchen, zu verhindern, dass Jugendliche in Situationen kommen müssen, die wir ihnen ersparen sollten.
Wenn man bedenkt, wie lange es gebraucht hat, bis das als Heilmittel verschrieben werden konnte, dann ist das, ehrlich gesagt, kein Ruhmesblatt für diese Gesellschaft, dass wir für so etwas so lange brauchen, weil nämlich Menschen Hilfe vorenthalten wird. Es ist jetzt zwar zulässig, aber der Kollege Petersdotter hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art der Diskussion drum herum und das Stigmatisieren immer noch dazu führen, dass dies schwieriger ist, als es eigentlich sein sollte.
Dann gibt es die Erfahrungen aus anderen Demokratien, die sich damit auseinandergesetzt haben, und die kann man sich doch einmal ansehen. Insofern finde ich die Empörung und die Dinge, die da teilweise unterstellt werden, vollständig daneben. Gerade dann, wenn man den gefährlichen Drogen, den harten, illegalen Drogen nicht auch noch Zugänge verschaffen möchte, muss man hier schon Unterschiede machen.
Ich will noch einmal etwas sagen, was übrigens auch in dem Antrag steht: Natürlich geht es darum, Jugendliche in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken, sodass sie nicht zu einem Suchtverhalten greifen, wobei ich hinzufüge: Mancher Erwachsene ist kein gutes Beispiel in der Frage, Jugendlichen das zu vermitteln, nämlich dass es bessere Wege gibt als Suchtverhalten, um das zu erreichen, was man selbst für wichtig erachtet. Das lasse ich einmal beiseite, aber das ist in jedem Fall ein wichtiger Teil.
Ein Modellversuch ist ja eine sehr bescheidene Form, um zu testen, was dabei herauskommt. Es ist aber auch die einzig mögliche Form, um zu sehen, was in der Praxis passiert. Das ist ein Weg, der in die richtige Richtung führt.
Wenn zum Schluss die Koalitionsfraktionen einen Prüfauftrag beschließen wollen, um zu prüfen, ob sie das tun, was im Koalitionsvertrag steht, dann muss ich altmodisch als jemand, der schon Koalitionsverträge geschlossen hat, sagen: Ich prüfe das eigentlich, bevor ich den unterschreibe, und nicht erst ein Jahr später, nachdem er in Kraft ist.
Insofern finde ich, dass Sie dem wirklich zustimmen sollten. Das ist ein moderater Weg in die richtige Richtung. Sie sollten sich nicht weiter vertagen, denn auf die Dauer ist es nicht sehr spannend, ständig zu hören, wie toll das ist, dass man eine unterschiedliche Meinung haben darf. Irgendwann verlangt die Bevölkerung auch, dass von einer Regierung etwas entschieden wird. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte noch einmal auf den strafrechtlichen Aspekt eingehen. Ich finde die Debatten über das Thema, wie man sich durch den Konsum verschiedener
Substanzen schädigt oder nicht schädigt, immer sehr spannend. Sehr spannend ist übrigens auch, dass hier oft Aussagen wiederholt werden, die schon seit 25 Jahren wissenschaftlich widerlegt sind. Es gibt durchaus ganze Staaten, in denen der Cannabiskonsum legal ist. Es gibt jahrzehntelange Untersuchungen an ehemaligen schwedischen Rekruten, die über 40 Jahre liefen, auch zum Thema Sozialprognose und so weiter.
Ich kann das alles und die Sorgen anerkennen und durchaus auch anerkennen, dass jemand, der bekifft ist, vielleicht nur glaubt, bessere Ideen zu haben wenn man mit ihm redet, können einem da Zweifel kommen -: Aber das Strafrecht ist nach meiner Auffassung nicht dazu da, so etwas zu regeln. Wo ist der Unrechtscharakter von Selbstschädigung? Das ist doch die Frage, selbst wenn es eine Selbstschädigung ist, was es bei übermäßigem Konsum durchaus sein kann.
- Herr Kollege Koch, fangen Sie erst einmal an, Ihren eigenen Koalitionsvertrag an der Stelle ernst zu nehmen. Dann können wir über andere Dinge reden.
- Sie können mir gern eine Frage stellen. Dass wir beide unterschiedliche Wahrnehmungen zum Thema Logik haben, haben wir gestern durchaus erkannt. Sie haben zu einem Antrag argumentiert, den die SPD in dem Punkt gar nicht gestellt hat.
Selbstschädigung ist nicht sozial schädlich, sonst müssten Sie, Herr Kollege Koch, auf die Idee kommen, zum Beispiel meinen überhöhten Marzipankonsum zu verbieten, der durchaus zu Zivilisationskrankheiten führt. Wissen Sie, wie viele Menschen in Deutschland durch Diabetes II, einen erworbenen Diabetes, sterben? Das können Sie einmal mit der Zahl vergleichen, wie viele Menschen an Cannabis sterben. Ja, rein gesundheitstechnisch ist das Prob
lematischste an einem Joint der Tabak. Damit nehmen Sie nämlich gesundheitsschädigende Substanzen auf. Aber ich habe Ihnen doch eben zugestimmt.
- Als geborener Lübecker werde ich das auch nicht tun. Ich bin ja auch nicht dafür, den Marzipankonsum strafrechtlich zu verfolgen, damit man Ihre Logik nachvollziehen kann.
Ich bin dafür, Selbstschädigung durch Konsum strafrechtlich nicht zu verfolgen, weil es komplett absurd ist, seine persönlichen Moralvorstellungen durch das Strafrecht durchsetzen zu wollen, wenn Sie das nicht durch Überzeugung der Menschen schaffen. Dafür ist das Strafrecht nicht da, auch wenn es immer wieder einmal gern dafür missbraucht worden ist.
Herr Dr. Dolgner, wissen Sie, dass im psychiatrischen Landeskrankenhaus in Rickling die Anzahl der Plätze für die Cannabistherapie verdoppelt worden sind? Und haben Sie sich einmal mit einem Arzt aus diesem Krankenhaus über die Folgen von Cannabissucht unterhalten? Haben Sie das?