Meine Redezeit ist leider vorbei. Von daher: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich beantrage namentliche Abstimmung über unseren Antrag. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war derjenige, der den Vertretern des Richterbunds und der Neuen Richtervereinigung die entscheidende Frage gestellt hat, und zwar zweimal, nämlich ob die Vorschrift aus dem SPD-Änderungsantrag geeignet ist, Abschiebehaft für Minderjährige rechtswirksam zu verhindern. Die Antworten waren eindeutig, aber ich lasse mich hier nicht auf ein weiteres Derailing ein. Das kommt immer aus dem Handbuch der kleinen Rhetorik: Wenn ich in der Sache nicht entscheiden möchte, dann greife ich den Gegner so lange an, bis er sich in irgendeiner Weise auf die anderen Themen einlässt.
Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass das bei der Anhörung als verfassungswidrig eingestuft worden ist, weil es nämlich gegen höherrangiges Bundesrecht verstößt?
- Ja, das habe ich wahrgenommen, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass eine Richterin an einem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht und sowohl Richterverein als auch Richterbund in Schleswig-Holstein für mich maßgeblich waren. Ich erkenne an, dass das für Sie nicht maßgeblich ist, das ist überhaupt kein Problem. Deshalb kommt ja auch dieser Antrag. Das bedeutet nicht, dass man Ihre Position übernimmt, dass man aber Ihr Problem löst.
Das ist ja Ihre Positionierung, jedenfalls haben Sie dies so gesagt, und ich glaube Ihnen, was Sie sagen. Ich denke nicht, dass Sie etwas anderes meinen. Sie wollen eigentlich auch keine Kinder und Jugendlichen in Haft, Sie sagen aber, wie Professor Fischer, dass der Bundesgesetzgeber dazu zwingt, das zu tun. Dafür gibt es eine ganz einfache Lösung: Wenn wir rechtlich unklare Fragestellungen haben, dann ist es die vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers, rechtliche Klarheit zu schaffen.
Das kann man machen. Es gibt im Griechischen den schönen Spruch: Hic Rhodus, hic salta. Sie kennen den Spruch. Deshalb ist das auch keine Frage einer längeren Evaluation. Ich nehme Ihre Auffassung ernst und sage: Vielleicht irre ich mich ja, vielleicht irrt sich die Neue Richtervereinigung,
vielleicht irrt sich die Richterin am Oberverwaltungsgericht, vielleicht irrt sich der Richterbund, der nicht nur SPD-nah ist, vielleicht irrt sich auch der Deutsche Anwaltsverein, der übrigens auch unserer rechtlichen Auffassung war. Vielleicht hat Herr Fischer komplett Recht. In dem Fall, dass er Recht hat, sagen wir, und ich bekenne mich dazu, politisch zu reden: Weil wir in der Sache keine Kinder und Minderjährigen in der Haft haben wollen, akzeptieren wir Ihre Rechtsposition. Wenn Sie das Ergebnis aber nicht wollen, dann ändern wir die Rechtsposition. Wir sind Gesetzgeber, nicht -ausleger. Der Bundestag ist Gesetzgeber, und über den Bundesrat kommt man da ran.
Deshalb können Sie jetzt dieser Initiative zustimmen, wenn Sie das nicht wollen. Dann haben Sie die Rechtsfrage gelöst.
Man merkt, dass Sie damit offensichtlich Schwierigkeiten haben. Das kann die CDU auch gern sagen. Herr Harms hat ja richtigerweise gesagt, dass es nach seinem Dafürhalten Gründe geben kann, Minderjährige mit in Haft zu nehmen und dass er deshalb diese Ermächtigungsgrundlage im Aufenthaltsgesetz behalten wolle, bis er eines Besseren belehrt sei, dass es dafür eine andere Lösung gibt.
Wir sind ja nicht der Auffassung, dass es parlamentarische Mehrheiten für einen Antrag gibt, Abschiebehaft komplett abzuschaffen. Das hat die Kollegin Aminata Touré gesagt. Da wäre ich sofort dabei. Die Kollegin braucht nicht zu lächeln, über die Formulierung im letzten Koalitionsvertrag haben die Kollegin Luise Amtsberg und ich gar nicht lange debattiert. Das haben wir gemeinsam gemacht. Das war für uns gar keine politische Fragestellung. Lars Harms war auch dabei.
Natürlich wollen wir die Abschiebehaft abschaffen, aber wir haben hier einen Versuch gestartet, den gedachten Minimalkonsens zu machen, und dann macht man auch nur den Minimalkonsens. Das hat die Kollegin Midyatli hier auch vorgetragen. Wir haben uns den Minimalkonsens, den wir in der Anhörung vernommen haben und der besagt: „Natürlich wollen wir keine Kinder und Jugendlichen in Haft nehmen, wir weisen Ihren Vorwurf zurück“, zu Herzen genommen. Wir haben gesagt: Okay, wir gehen davon aus, dass die Jamaika-Koalition wirklich keine Kinder und Jugendlichen in Haft nehmen will und dass Sie ganz ehrlich meinen, dass das Aufenthaltsgesetz des Bundes das ist, was Sie daran
Wozu wollen Sie mit ganz viel Steuergeld eine Haftanstalt mit Spielplatz bauen, wenn Sie das tatsächlich wirklich nicht wollen? Sie können hier jetzt Ihren Willen ausdrücken. Sie können weitermachen mit Ihrem Gesetz, weil ja nicht sicher ist, dass sich die Bundesratsinitiative durchsetzt.
Damit Sie vor einem möglichen Baubeginn Klarheit haben, ob sich die Streichung von § 62 Absatz 1 Satz 3 aus dem Aufenthaltsgesetz durchsetzen lässt, stimmen Sie hier und jetzt zu! Bekennen Sie hier Farbe! Alles andere - Angriffe mit Vorhaltungen aus der Vergangenheit und so weiter - dient nur einem einzigen Zweck, nämlich zu vernebeln, dass es hier um die Einschätzung geht, ob es notwendig ist, Kinder und Jugendliche in Ausnahmefällen in Haft zu nehmen, und dass man das Bundesgesetz entsprechend ändern muss. Das brauchen Sie nicht zu evaluieren. Wenn Sie es gar nicht vorhaben, dann streichen Sie die gesetzliche Grundlage! Das ist Politik. Sie evaluieren Gesetze, die Sie eventuell richtig finden, von denen Sie aber denken, dass ein Fehler enthalten sein könnte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit meiner unnachahmlichen Art wieder einmal versuchen, zur Versachlichung beizutragen.
In der Anhörung wurde auf meine Anfrage an Frau Dr. Bork völlig klar herausgestellt: Wir müssen unterscheiden zwischen Anordnung und Vollzug; wir Juristen unterscheiden da sehr genau. Die Anordnung ist so eindeutig wie nur irgendetwas bundesrechtlich geregelt, nur dort! Wir können an der Anordnung einer Abschiebehaft für Kinder und Jugendliche beziehungsweise deren Familien nichts,
aber auch gar nichts ändern. Wir können nur den Vollzug regeln. - Das habe ich Frau Bork gefragt, und sie sagte: Ja, das ist richtig.
Höre mir erst einmal zu! - Frau Bork hat auch gesagt, dass wir natürlich das gesetzgeberische Ermessen haben, nichts über den Vollzug in unser Gesetz zu schreiben. Das ist völlig unstreitig, und das ist auch richtig.
Was aber hätte das zur Folge? Wenn eine Richterin oder ein Richter in Mecklenburg-Vorpommern oder in Hamburg einen Abschiebehaftbefehl für eine Familie mit Kindern erlässt und diese Menschen hier untergebracht werden wollen, dann haben wir nichts. Dann müssen wir sagen: Wir dürfen Sie hier nicht aufnehmen. - Was hat das zur Folge? Sie werden wie bisher durch ganz Deutschland geschickt, möglicherweise in andere Haftanstalten, wo es viel, viel schlechter aussieht als hier beziehungsweise viel, viel schlechter, als es bei uns aussehen wird, wenn das umgesetzt wird, was wir planen.
Kollege Peters, wenn Sie mich jetzt überzeugt haben, was spricht dann dagegen, dem heutigen Antrag da geht es nicht einmal um ein Vollzugsgesetz, sondern darum, die Anordnungsgrundlage zu streichen - zuzustimmen? Warum können Sie dem heute nicht zustimmen?
Dazu will ich sofort kommen. - Eine Bundesratsinitiative hat bei den gegenwärtigen Verhältnissen im Bund, auch im Bundesrat, nur Sinn, wenn man sie ordentlich begründet.
raus, dass gesetzgeberisches Ermessen ausgeübt wird. Zu gesetzgeberischem Ermessen gehört unabdingbar die Prüfung der Frage, ob eine Vorschrift noch erforderlich ist. Diese Frage muss man faktisch - rechtsfaktisch - evaluieren und überprüfen.
Wenn man beweisen kann, dass in der gesamten Bundesrepublik praktisch null Prozent der Erlasse in diese Richtung gehen, dann hat man ein starkes Argument zu sagen: Das braucht man nicht. Deswegen können wir das aus dem Gesetz streichen. Aber das muss man erst einmal wissen. Dann hat man seine Position in der Bundesratsdebatte gestärkt. Das jetzt einfach so auf den Weg zu bringen hat null Aussicht auf Erfolg. Das wissen auch Sie ganz genau! Deswegen ist auch das wieder eine völlige Luftnummer.
Gelten diese Qualitätsstandards für Bundesratsinitiativen, die Sie jetzt setzen, für alle Bundesratsinitiativen dieser Koalition? Galt das auch für die gemeinsamen Bundesratsinitiativen - meistens sogar auf Betreiben der Grünen; einige haben wir gemeinsam unterschrieben - der alten Koalition? Gilt diese Abwägung auch für die Forderung, die wir zusammen seit 2009, damals noch unter einem anderen innenpolitischen Sprecher, erheben? Ich kann mich an einen gemeinsamen Antrag zur kompletten Abschaffung der Abschiebehaft erinnern. Ich habe bisher nirgendwo gefunden, dass man bezüglich einer Bundesratsinitiative all diese Erwägungen anstellen muss. Ich habe auch nicht festgestellt, dass das bisher theoretisch oder praktisch die Grundlage für Bundesratsinitiativen war. Wird das auch zukünftig die Grundlage für Bundesratsinitiativen von Jamaika sein, zum Beispiel beim „Spurwechsel“ und sonstigen Initiativen?