Protocol of the Session on July 20, 2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne wieder die Sitzung. Bevor wir mit der Tagesordnung fortfahren, rufe ich einen Punkt außerhalb der Tagesordnung auf:

Aufhebung der Immunität eines Mitgliedes des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 19/103

Da unser Landtag längere Zeit mit keinem Immunitätsverfahren befasst war, will ich Ihnen kurz das Verfahren schildern. Nach § 44 unserer Geschäftsordnung überweist die Präsidentin oder der Präsident Ersuchen in Immunitätsangelegenheiten unmittelbar dem Innen- und Rechtsausschuss. Über den Bericht des Ausschusses entscheidet der Landtag ohne Aussprache. Zu Beginn der 19. Wahlperiode hat sich der Landtag Grundsätze für die Behandlung von Immunitätsangelegenheiten gegeben, durch die bis zum Ende der 19. Wahlperiode be

schränkt auf bestimmte Fallgruppen die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten beschlossen wurde. Soweit Sachverhalte betroffen sind, die nicht unter diese Fallgruppen fallen, bedarf es eines Einzelbeschlusses des Landtages, um die Immunität einer oder eines Abgeordneten aufzuheben.

Zum Sachverhalt: Mit Schreiben vom 3. Juli 2017, hier eingegangen am 12. Juli 2017, hat die leitende Oberstaatsanwältin in Kiel bei mir die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Volker Schnurrbusch beantragt. Es geht um gerichtliche Durchsuchungsbeschlüsse, für deren Vollzug die Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Landtages erforderlich ist. Wir haben in der konstituierenden Sitzung Grundsätze für die Behandlung von Immunitätsangelegenheiten beschlossen. Danach hat der Landtag bestimmte Ermittlungsverfahren und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen gegen Abgeordnete generell genehmigt. Ich habe den Vorgang daraufhin intensiv geprüft.

Da in dem vorliegenden Fall die Grundsätze nicht Anwendung finden, muss das Plenum jetzt die Entscheidung treffen, wie es in Artikel 31 der Landesverfassung vorgesehen ist. Deshalb habe ich den Vorgang gemäß § 44 der Geschäftsordnung dem für Immunitätsangelegenheiten zuständigen Innen- und Rechtsausschuss zugeleitet, der in seiner heutigen Sitzung den Vorgang beraten und dem Plenum eine Beschlussempfehlung zugeleitet hat.

Diese Beschlussempfehlung wird jetzt durch Frau Berichterstatterin Barbara Ostmeier vorgetragen. Ich erteile der Berichterstatterin das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Innen- und Rechtsausschuss ist heute ein Schreiben des Landtagspräsidenten in einer Immunitätsangelegenheit mit der Bitte zugeleitet worden, die Angelegenheit im Ausschuss zu beraten und dem Landtag dazu eine Beschlussempfehlung zuzuleiten.

Der Ausschuss ist dieser Bitte gefolgt und hat nach ausführlicher Beratung in seiner eben stattgefundenen Sitzung Folgendes beschlossen: Bei Enthaltung der AfD mit den Stimmen der übrigen Mitglieder empfiehlt der Ausschuss, die Immunität des Abgeordneten Volker Schnurrbusch betreffend den beantragten Vollzug richterlicher Durchsuchungsanordnungen Aktenzeichen 43 Gs 2648/17, 43 Gs 2649/17 und 43 Gs 2650/17 - mit der Maßgabe aufzuheben, dass nur elektronische Geräte beschlagnahmt werden dürfen mit der Maßgabe, dass

(Vizepräsident Rasmus Andresen)

über den Tatvorwurf hinaus weitergehende Erkenntnisse nicht verwertet werden dürfen.

Die schriftliche Vorlage wird dem Plenum in Kürze vorgelegt werden. - Vielen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Aussprache findet gemäß § 44 der Geschäftsordnung nicht statt.

Ich gehe davon aus, dass Sie aufgrund der mündlichen Berichterstattung damit einverstanden sind, dass wir jetzt zur Abstimmung schreiten können. Ich sehe, das ist der Fall.

Wer der Beschlussfassung des Innen- und Rechtsausschusses, Drucksache 19/103, jetzt eben mündlich vorgetragen durch die Frau Berichterstatterin, zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW, die Fraktion der FDP und die Fraktion der CDU. Wer enthält sich? - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. Wer ist dagegen? Bei Enthaltung der Fraktion der Mitglieder der AfD ist entsprechend beschlossen worden, und die Ausschussempfehlung ist angenommen worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich die Sitzung für circa 15 Minuten unterbreche.

(Unterbrechung 15:38 bis 16:30 Uhr)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne - nach dieser etwas ungewöhnlichen Unterbrechung - unsere nachmittägliche Sitzung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Neuordnung der Kita-Gesetzgebung

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/49

Beitragsfreie Kindertagesbetreuung einführen

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/93 (neu)

Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nach

Vereinbarung der Antragsteller die Fraktionsvorsitzende, Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist halb fünf, und wir steigen in den ersten Nachmittagspunkt ein. Ich hoffe, dass Sie oben auf den Plätzen nicht zu lange warten mussten.

Meine Damen und Herren, gerade jetzt, im Wahlkampf, hört man es allerorten: Gute Bildung ist der Schlüssel für fast alles - Bekämpfung des Fachkräftemangels, Wirtschaftswachstum, soziale Gerechtigkeit, Gesundheit, Vorgehen gegen Demokratiemüdigkeit und, und, und.

Gute Bildung beginnt vor der Schule. Ein Leitprojekt unserer Koalition sind deshalb die gute, bezahlbare Kita und die Steigerung der Kita-Qualität. Dafür werden wir bis Ende dieser Legislaturperiode 70 Millionen € aufwachsend zur Verfügung stellen. Mit diesen Mitteln wollen wir unter anderem den Personalschlüssel in den Kitas verbessern und insbesondere die zweite Kraft am Nachmittag verstetigen. Ein guter Personalschlüssel nutzt natürlich nur dann, wenn wir die entsprechenden Erzieherinnen haben; auch da müssen wir heran.

In der vergangenen Legislaturperiode haben wir den jährlichen Betriebskostenzuschuss des Landes von 100 Millionen auf über 230 Millionen € erhöht. Wir haben die Eltern mit dem Kita-Geld entlastet. Vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung war das ein echter Kraftakt. Trotzdem ächzen die Kommunen noch immer unter den steigenden Betriebskosten ihrer Kitas. Eltern in Schleswig-Holstein zahlen für den Kita-Besuch ihrer Kinder trotz Kita-Geld weiterhin mehr als in den meisten anderen Bundesländern. Ich komme aus dem Rand Hamburgs, einer Stadt mit beitragsfreier Kita. Es ist schon erstaunlich, was im benachbarten Wedel und anderen Kommunen teilweise gefordert wird.

Woran liegt das? Unsere Kita-Finanzierung ist über Jahre gewachsen und gleicht darum einem Dschungel. Die Regelungen für Elementarplätze, also für den Bereich der über Dreijährigen, sind gänzlich andere als die für den Krippenbereich. Die aktuelle Kita-Finanzierung berücksichtigt außerdem wenig die tatsächlich anfallenden Kosten. So werden zum Beispiel alle Krippenplätze in gleicher Weise vom Land nach einem Durchschnittssatz bezuschusst, unabhängig davon, ob halbtags oder ganztags. Hinzu kommen diverse Qualitätsprogramme, zum Beispiel Fachberatung, Sprachförderung und Fachkraft-Kind-Schlüssel am Nachmittag.

(Barbara Ostmeier)

Um Kommunen und Eltern spürbar zu entlasten und gleichzeitig bei der Kita-Qualität einen Schritt nach vorn zu gehen, brauchen wir eine grundlegende Reform der Kita-Finanzierung hin zu einem transparenten und dynamischen System. Darüber herrscht hier fraktionsübergreifend Einigkeit. Wir haben deshalb die Neuordnung der Kita-Finanzierung als eines der Leitprojekte in unserem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wir wissen aber auch, dass die Reform nur mit der kommunalen Familie gemeinsam gelingen kann und mit einer Aufstockung des Betriebskostenzuschusses des Landes an die Kommunen einhergehen muss. Wir wollen den Betriebskostenzuschuss deshalb um 50 Millionen € erhöhen.

Die alte Landesregierung und die Kommunen hatten sich bereits Anfang des Jahres in einem Letter of Intent darauf verständigt, die Kita-Finanzierung neu zu ordnen. Dieser Letter of Intent ist meines Erachtens ein gutes Fundament für die Reform.

Wir Grünen wollen aber, dass auch die Kita-Träger und die Landeselternvertretung in die Verhandlungen einbezogen werden. Gerade die Eltern tragen einen erheblichen Teil der Kita-Betriebskosten. Sie sind für uns ein sehr wichtiger Akteur.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Apropos Elternentlastung: Für uns Grüne ist Bildungsgerechtigkeit ein ganz zentrales Thema. Dazu gehört, dass der Kita-Besuch nicht vom Geldbeutel der Eltern oder vom Wohnort des Kindes abhängig sein darf. Aber genau das ist mancherorts Realität in Schleswig-Holstein. Die Neuordnung muss also nicht nur zu einem transparenteren System, sondern auch zu einem gerechteren Beitragssystem führen.

Wir sind uns innerhalb der Koalition, aber auch mit SSW und SPD einig, dass wir die Kita-Eltern stärker entlasten müssen. Wir werden damit beginnen, indem wir die Elternbeiträge deckeln. Die Elternentlastung darf aber nicht nur von oben kommen, sondern muss auch von unten wirken. Deshalb werden wir versuchen, die Sozialstaffelregelungen landesweit zu vereinheitlichen und zu verbessern.

Um dem Ziel vergleichbarer Elternbeiträge näherzukommen, haben wir uns innerhalb der Koalition darauf verständigt, 50 Millionen € zur Entlastung der Eltern einzusetzen. Das Kita-Geld werden wir aber erst durch die Neuregelung der Elternbeiträge ablösen und nicht schon vorher einstellen. Unser Fernziel bleibt die komplette Beitragsfreiheit.

Liebe SPD, zu Ihrem Antrag zur Beitragsfreiheit: Auch wir haben dieses Ziel im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wir sind aber der Meinung, dass wir, wenn wir seriös bleiben wollen, ein Konzept beziehungsweise einen Fahrplan nur dann vorlegen können, wenn wir eine Idee zur Finanzierung in dieser Legislaturperiode haben. Wir sehen derzeit nicht die Möglichkeit, das Ziel der Beitragsfreiheit in dieser Legislaturperiode zu erreichen. Deshalb konzentrieren wir uns in unserem Antrag auf die ersten Schritte. Wir verdeutlichen, was wir vom Sozialminister erwarten. Deshalb können wir dem Antrag der SPD leider nicht zustimmen.

Uns ist klar, dass wir der Landesregierung mit der Neuordnung der Kita-Finanzierung und unseren hohen Ansprüchen an diese keine leichte Aufgabe übertragen haben. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich die Landesregierung mit den Kommunen, den Kita-Trägern und den Elternvertretern bis April auf Eckwerte verständigen wird. Gute Bildung bedeutet gute Kita - eine Kita, in der Kinder glücklich sind, in die Eltern Vertrauen haben und in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne arbeiten.

Die Verhandlungen werden kein Strandspaziergang. Lieber Minister Garg, eine glückliche Hand! Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Serpil Midyatli.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein herzliches Willkommen auch an die Landeselternvertretung der Kindertageseinrichtungen, die heute im Hause vertreten ist!

(Beifall)

Ich muss Ihnen wirklich zugestehen: Nach einem Blick in Ihren Koalitionsvertrag schlägt mein sozialdemokratisches Herz höher. Es soll nämlich weiter investiert werden. Der Ausbau der Kita-Plätze soll weitergehen. Die Familienzentren sollen weiter ausgebaut werden. Die Betriebskostenzuschüsse an die Kommunen sollen weiter aufgestockt werden. Die zweite Kraft am Nachmittag soll weitergeführt und dauerhaft festgeschrieben werden.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Martin Haber- (Eka von Kalben)

So groß ist die Begeisterung für die Projekte der vorherigen Koalition!)

Wenn Sie mitgezählt haben: In jedem meiner Sätze kam „weiter“ vor. Die Kita-Politik der vorherigen Landesregierung scheint so gut gewesen zu sein, dass Sie wirklich in jedem einzelnen Punkt „weiter so“ machen. Sie haben keine neuen, eigenen Ideen.

(Beifall SPD und SSW)