Protocol of the Session on January 23, 2019

Herr Nobis, was ist die Alternative? Die sind Sie uns schuldig geblieben. Es gibt eigentlich nur zwei große Alternativen. Entweder man setzt auf Kohle. Dann wird wieder jeder Kohlearbeitsplatz mit 100.000 € pro Jahr subventioniert, gezahlt - Sie würden es so formulieren - vom deutschen Steuerzahler. Damit schaffen Sie Umweltschäden, die wiederum - so würden Sie formulieren - vom deutschen Steuerzahler bezahlt werden.

(Zurufe SPD)

Sie wollen anscheinend Umweltgifte fördern und die Leute gleichzeitig trotzdem bezahlen lassen. Das ist keine echte Alternative.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Deswegen offshore!)

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Nobis?

(Jörg Nobis)

Herr Harms, ich weiß nicht, ob Sie mir zugehört haben. Ich habe von offshore statt onshore gesprochen. Wir sind nicht gegen den Windkraftausbau, aber an Land kommen wir an Grenzen. Wir merken, dass die Bevölkerung da nicht mehr mitmacht. Es gibt Einwände. Warum gehen wir nicht auf See? Was hat das mit Kohlestrom zu tun?

Sie waren gestern beim Offenen Kanal nicht dabei, deswegen sage ich es Ihnen: Selbst wenn der Windkraftausbau ungebremst und ungezügelt fortgeführt wird, erreichen wir erst in zig Jahren die Energieleistung, die wir jetzt dadurch verlieren, dass wir die Kernkraftwerke abschalten. Klimatechnisch, aus grüner Sicht ist das alles Unfug. Wir müssen erst einmal die Leistung ersetzen, die durch die Kernkraftwerke wegfällt. Da wird noch nichts an CO2 eingespart.

(Zurufe SPD)

- Liebe Kollegen, darf ich kurz antworten? - Ich will Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben. Es ist klar, dass wir auch offshore ausbauen wollen; übrigens machen wir das. Es gibt eine Initiative, dass man noch mehr zulassen will, als derzeit geplant ist, um hier weiterkommen zu können. Nur offshore allein reicht aber nicht.

Sie haben die Energiewende als „Windkraftsozialismus“ diffamiert. Das ist nicht richtig. Es geht nicht nur um Windenergie, sondern es geht um die Richtungsentscheidung, ob wir die alten Energieformen weiterführen wollen. Wenn man das vertritt, muss man auch ehrlich sagen, dass man für Kohle eintritt - ich habe Ihnen schon gesagt, warum das nicht in Ordnung ist - oder für Atomstrom.

Wenn man Atomstrom haben will, sollen die Konzerne bitte schön ordentliche Rückstellungen bilden und sich gegen die Schäden versichern, die sie verursachen können. Dann könnte man kein einziges Atomkraftwerk mehr wirtschaftlich betreiben. Auch diese Energieform wird subventioniert, wie es schon in der Vergangenheit der Fall war, und das wird auch wieder - so würden Sie formulieren vom deutschen Steuerzahler bezahlt. Ich kaufe Ihnen nicht ab, dass das eine Alternative sein soll.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Nobis?

Herr Harms, stimmen Sie mit mir überein, dass wir zunächst einmal den Netzausbau vorantreiben müssen, damit der Strom tatsächlich ins Netz eingespeist werden kann und der deutsche Stromkunde nicht Strom bezahlen muss, den es nie gab oder der irgendwo im Ausland verramscht wurde?

(Zurufe)

Jetzt hat der Abgeordnete Harms zur Beantwortung das Wort.

Lieber Kollege Nobis, es ist richtig: Wir müssen den Netzausbau voranbringen. Warum müssen wir ihn voranbringen? - Weil wir die Energiewende brauchen. Sonst bräuchten wir auch den Netzausbau nicht. Insofern vielen Dank, dass Sie das endlich eingesehen haben.

(Vereinzelter Beifall SSW und SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt zur Windenergieplanung. Ja, in der Tat schmerzt es mich ein bisschen mit anzusehen, dass wir immer noch nicht weitergekommen sind. Ja, das ist Stillstand, auch wenn wir im letzten Jahr vielleicht 40 Anlagen per Ausnahmegenehmigung genehmigt haben. Das ist nicht das, was wir uns erhoffen und was wir in den vergangenen Jahren im Schnitt erreicht haben. Da waren es zwischen 160 und 200 Anlagen. Das muss man einfach wissen.

Da bremsen wir die Wirtschaft in Schleswig-Holstein aus. Das ist auch für Arbeitsplätze ein Riesenproblem. Gerade in meiner Region, aber auch in der Rendsburger Region oder in der Region rund um Norderstedt hat das eine gewisse Relevanz, um es einmal freundlich zu formulieren. Wenn es um die Investoren vor Ort geht, die in den Gemeinden Steuern zahlen, dann wissen wir alle, worüber wir reden.

Was ist passiert? Die Küstenkoalition hat mit Unterstützung der damaligen Opposition eine Planung aufgestellt. Wir haben 6.500 Einwendungen bekommen. Wir haben gesagt: Verdammt, das erste Moratorium reicht nicht, wir müssen ausnahmemäßig ein zweites Moratorium machen, um die Einwendungen abzuarbeiten und dann schlussendlich eine gültige Planung zu haben. Das war unser Plan. Diesen

(Lars Harms)

Plan haben wir nicht zu Ende führen können. Insofern weiß keiner, was daraus geworden wäre. Unser Plan war, das Ganze spätestens 2018 abgeschlossen zu haben.

Dann - das ist der Casus Knacksus, da sind wir uneinig - kam eine neue Planung. Sie haben aufgrund dessen, was Sie im Wahlkampf versprochen haben, die Planung verändert. Ich will nicht bewerten, ob Sie Ihre Versprechen erfolgreich umgesetzt haben; das spielt keine Rolle. Es handelt sich um eine neue Planung. Aufsetzend auf der neuen Planung sind weitere 5.200 Einwendungen gekommen. Wir haben ein drittes Moratorium bekommen, uns steht jetzt ein viertes Moratorium bevor.

Unser Problem ist - das ist ein bisschen anders als bei einer gemeindlichen Planung -, dass wir im Prinzip Kettenmoratorien haben. Wenn die Gemeinde plant und sagt: „Ich mache einen Bebauungsplan, und da gibt es über einen gewissen Zeitraum eine Veränderungssperre“, dann sagt sie das vorher und jeder weiß, woran er sich zu halten hat. Hier aber ist es so, dass Stück für Stück immer neue Bestimmungen kommen, die dazu führen, dass ein Moratorium ausgesprochen und praktisch dieser Stillstand erzwungen wird.

Rechtlich ist unsere Sorge, dass es möglicherweise ein Unterschied ist, ob man eine rechtsgültige Planung mit den entsprechenden Hemmfristen macht oder ein Kettenmoratorium auf die Beine stellt. Wir glauben, dass es durchaus sein könnte - das weiß man vor Gericht und auf hoher See nie -, dass jemand, der klagt und sagt: „Ich will meine Mühle jetzt bauen - egal wo“, recht bekommt, dass dann die Privilegierung im Außenbereich greift und wir hier einen richtigen Wildwuchs bekommen. Das ist unsere Sorge. Diese Sorge können wir als Opposition auch äußern.

(Beifall SSW und SPD)

Das Zweite ist: Wir werden jetzt - losgelöst von dieser rechtlichen Gefahr - eine dritte Planung bekommen. Nach dem, was man so hört, ist das relativ sicher. Ist dem so und wir bekommen gegen Ende dieses Jahres wieder eine formalrechtlich neue Planung, gelten natürlich die gleichen Auslegungsfristen und so weiter und so fort. Das kennen wir alles. Das heißt, wir kommen mitten in das Jahr 2020 hinein. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht auch noch ein fünftes Moratorium brauchen - je nachdem. Das weiß man nicht; schauen wir mal. Das bedeutet aber, dass wir bestimmt bis Ende 2020 in diesem Bereich der erneuerbaren Energien keinerlei nachhaltige Entwicklung hinbekommen.

Das muss man so ehrlich sagen. Das ist die Konsequenz aus einer politischen Entscheidung nach der Landtagswahl 2017, die Planung noch einmal aufzumachen. Das ist etwas, das nicht wir, die wir unsere Planung in 2018 abschließen wollten, sondern Sie zu verantworten haben, weil Sie die Planung 2017 noch einmal aufgemacht und das Ganze noch einmal verlängert haben.

(Beifall SSW und SPD)

Meine Damen und Herren, drittens kommen wir jetzt in eine etwas merkwürdige Situation, denn in der Vergangenheit war es immer so - das sagt auch die gültige Rechtsprechung dazu -, dass man eine Planung aufstellen musste, die für alle zu gleichen Bedingungen rechtsgültig ist und in irgendeiner Art und Weise dazu führt, dass die Leute wissen, wie sie sich in den nächsten Jahren verhalten müssen, um die entsprechenden rechtlichen Kriterien zu erfüllen. Jetzt aber haben wir die umgekehrte Situation, dass wir derzeit keine rechtsgültige Planungsgrundlage haben und trotzdem mit Ausnahmegenehmigungen gearbeitet wird. Das ist eine schwierige Kiste, denn der eine bekommt eine Ausnahme, der andere nicht. Da kann man schon böse werden und auf den Gedanken kommen: Dann klage ich eben. - Auch hier besteht ein Klagerisiko.

Es ist ein bisschen merkwürdig, dass wir nun eher die Ausnahme statt eine Regel haben. Ein Moratorium ist eine Ausnahme, nicht die Regel. Die Regel bedeutet, dass man irgendwie eine Grundlage schafft, damit man bauen kann. Ein Bauverbot, das letztendlich ein Entwicklungsverbot ist, ist die Ausnahme. Von dieser Ausnahme schafft man dann wieder Ausnahmegenehmigungen, indem man sagt, dass einige privilegierte Menschen bauen dürfen, die nach dem, was in der Planung vorliegt, das Glück haben, in irgendeiner Art und Weise die Kriterien dafür zu erfüllen. Wir reden also eigentlich in dem Bereich nur noch über Ausnahmen. Das kann man nicht lange durchhalten. Irgendwann wird das irgendjemandem auf den Keks gehen, der sagen wird: Ich will aber endlich Rechtsgültigkeit und Rechtssicherheit haben. - Wir haben jetzt genau das Problem, es nicht geschafft zu haben, das in den letzten Jahren hinzubekommen.

Das Vierte ist die Frage: Was hat das für Auswirkungen? - Es führt dazu, dass wir glücklicherweise noch keine massiven Arbeitsplatzverluste haben. Wir haben aber auch nicht gerade einen massiven Aufbau; das kann man auch nicht sagen. Ich selbst kenne Firmen in dem Bereich, die glücklich sind, als Servicefirmen bundesweit unterwegs zu sein. Glücklicherweise gibt es noch 15 andere Bundes

(Lars Harms)

länder, in denen das anscheinend ein bisschen schneller geht. Das ist schön; aber wir wollen uns ja eigentlich ein bisschen weiterentwickeln und haben eine politische Verantwortung.

Die politische Verantwortung liegt darin, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Wenn eine so fortschrittliche Nation wie Deutschland und ein so tolles Land wie Schleswig-Holstein, das in dem Bereich mal Vorreiter war, nicht in die Puschen kommen, kann ich es auch von anderen nicht erwarten. Es handelt sich also auch um ein politisches Signal, das komplett in die Hose gegangen ist. Auch im Hinblick darauf müssen wir uns orientieren.

(Beifall SSW und SPD)

Meine Damen und Herren, wir können es sehen: Ab und zu an einem Freitag stehen ein paar junge Leute bei uns vor der Tür, die sich Sorgen um ihre Zukunft und die Zukunft dieses Planeten machen. Die stehen vor der Tür, demonstrieren und wollen uns klar machen: Leute, beeilt euch! Tut etwas, damit etwas geschehen kann! - Genau das geschieht in diesem Bereich eben nicht. Das kritisieren wir. Wir wollen, dass wir da besser werden - alle gemeinsam. Wir haben alle gemeinsam die Verantwortung, Windenergie und erneuerbare Energien voranzubringen. Das ist unsere politische Verantwortung, und wir finden, dass Jamaika da noch ein bisschen mehr Gas geben kann. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Thomas Hölck.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor der Wahl war klar, dass der Zubau von 10 GW onshore 2 % Landesfläche für die Nutzung von Windenergieanlagen an Land und größere Abstände zur Wohnbebauung nicht vereinbar sind.

(Beifall SPD)

Das war vorher bekannt. Trotzdem haben Sie, Herr Koch, größere Abstände versprochen. Sie haben auf meine Frage eben nicht die Wahrheit gesagt. Gucken Sie mal in der Drucksache 19/991 nach. Da hat die Landesregierung genau aufgelistet, wie viel Flächen hinzugekommen sind - nämlich 63. Unter diesen 63 Flächen sind nur 30 Flächen mit 1.000 m Abstand und 22 Flächen mit 800 m. Elf Flächen haben keine Auswirkungen auf die Abstände zur Wohnbebauung.

(Beifall SPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Sie haben nicht einmal dort einheitlich 1.000 m erreicht. Das OVG-Urteil sagt aus: Wir brauchen eine Einheitlichkeit der Planung. - Was wird vorgelegt? Sie haben Flächen vorgelegt, die zur einen Seite 800 m Abstand zur Wohnbebauung haben und zur anderen Seite 1.000 m. Das kann nicht rechtssicher sein. Sie gehen mit einer rechtsunsicheren Planung in das Verfahren. Sie gehen mit offenen Augen ins Verderben.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Wir haben den Wissenschaftlichen Dienst gefragt, unter welchen Voraussetzungen es möglich wäre, das Moratorium zu verlängern. Der Wissenschaftliche Dienst hat geantwortet, die weitere Verlängerung müsste aufgrund voraussichtlich eintretender Verzögerungen des Planungsprozesses, die auf sachlich tragfähigen Gründen beruhen, begründet werden. Sachlich tragfähige Gründe sind Gründe, die sich aus dem Verfahren entwickeln oder solche, die aus Gerichtsverfahren entstehen. Ein Regierungswechsel und neue Kriterien sind keine tragfähigen, sachgerechten Gründe.

(Zurufe Christopher Vogt [FDP] und Serpil Midyatli [SPD])