Protocol of the Session on January 23, 2019

(Zurufe Christopher Vogt [FDP] und Serpil Midyatli [SPD])

Sie müssen mal eine Frage beantworten, Herr Koch, Herr Kumbartzky und andere: Werden Sie eine weitere Regionalplanung vorlegen? Sie haben diese Frage nicht beantwortet; aber die Öffentlichkeit hat ein Recht auf diese Antwort. Geben Sie eine Antwort. - Danke schön.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.

Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine breite Mehrheit hier im Landtag erwartet, dass wir der Windenergie genügend Raum geben. Ich glaube, da sind wir uns auch alle einig. Wir haben von der Energiewende und Bedarfen gehört. Wir erwarten aber gleichzeitig eine höchstmögliche Rechtssicherheit der Pläne bei geringstmöglicher Belastung der Menschen und der Natur, bei höchstmöglicher Planungssicherheit für

(Lars Harms)

die Windbranche und bei Entlastung der kommunalen Ebene von ihren Planungspflichten. Meine Damen und Herren, es sind riesige Herausforderungen, die immer unter Zeitdruck bewältigt werden mussten und müssen. Wir werden dies selbstverständlich tun; aber es ist - bei aller Emotionalität, die wir heute erlebt haben - hilfreich, sich insbesondere der Fakten und der Rechtsfolgen zu erinnern.

Nach dem OVG-Urteil vom Januar 2015 befindet sich Schleswig-Holstein im Hinblick auf die Windenergie noch immer in einem planungsrechtlichen Übergangszustand. Mit diesem Problem ist Schleswig-Holstein allerdings nicht allein. So sind in den letzten Jahren auch Raumordnungsansätze anderer Länder beziehungsweise anderer Planungsregionen in ganz Deutschland erfolgreich beklagt worden und mussten daraufhin novelliert werden. Dabei hat die Rechtsprechung auch in anderen Bundesländern immer detailliertere Anforderungen an eine Konzentrationsplanung definiert.

Unser OVG hat die Teilfortschreibung des Regionalplans, lieber Herr Dr. Dolgner, vom 6. November 2012 durch den Ministerpräsidenten Torsten Albig veröffentlicht.

Herr Minister, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Dr. Dolgner?

Ja.

Herr Minister, das ist richtig. Es ist dann im Amtsblatt, nachdem die neue Landesregierung vier Monate im Amt war, am Ende der zweiten Regionalplanung unter der Küstenkoalition verkündet worden.

(Zuruf)

- Nein! - Die Frage ist ja, wer die Verantwortung für die eigentliche Planung trägt: Geplant worden ist es seit 2010 von SchwarzGelb. Ich habe das nicht als Murks bezeichnet, aber es sollte uns schlicht und ergreifend als Murks dargestellt werden, und zwar die grundsätzliche Planung. Wenn man in das OVG-Urteil hineinschaut: Bürgerbeteiligung und nachträgliche Änderungen sind alle unter der Verantwortung von Schwarz-Gelb gelaufen, was wir - ich gestatte mir diese Schlussbemerkung - damals auch gar nicht kritisiert haben, weil das Verwaltungsgericht die

Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Wenn man jetzt aber sagt, wir hätten einen Murks erkennen müssen und nicht aufgehalten - -

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Fehlende dritte Anhörung!)

- Was Ihnen auch nicht bekannt war, weil Sie nachweislich keine dritte Anhörung geplant hatten, und zwar noch unter Schwarz-Gelb. Der damalige Innenminister wird das sicherlich noch wissen.

- Lieber Herr Dr. Dolgner, ich möchte mich überhaupt nicht weiter zu Ihren Aussagen äußern. Ich habe nur festgestellt, dass die Veröffentlichung am 6. November 2012 erfolgt ist, mehr nicht -

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

ohne eine Wertung, wie die Regierungen vorher zusammengesetzt waren oder Sonstiges. Das wird jeder von Ihnen im Zweifelsfall nachschauen, wer wann mitgewirkt hat. Auch das ist selbstverständlich. Ich wollte es nur zur Klarheit noch einmal erläutern.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser OVG hat die Teilfortschreibung unter anderem deshalb - meine Damen und Herren, damit kommen wir jetzt wieder zu den Fakten zurück - für unwirksam erklärt, weil nach Planänderungen auf eine erneute Anhörung verzichtet worden ist. Sehr geehrter Herr Präsident, ich bitte, aus dem damaligen Urteil einmal zitieren zu dürfen. Das Zitat lautet:

„Nach Durchführung der zweiten Öffentlichkeitsbeteiligung wäre eine weitere Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich gewesen, denn der Planentwurf wurde durch die nachträgliche Streichung der Gebiete 248 und 308“

- Haale, Embühren - und die Aufnahme des Gebietes Rieseby/Saxtorf

„nochmals geändert. … Hiebei handelt es sich … um erhebliche Änderungen …. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine beschränkte Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 … ROG zulässig gewesen wäre.“

Und jetzt Achtung:

„Ein vollständiger Verzicht ist im Gesetz nicht vorgesehen und deshalb unzulässig ….“

(Minister Hans-Joachim Grote)

Meine Damen und Herren, daraus folgt, wenn wir substanzielle Änderungen aus was für Beweggründen auch immer vornehmen, so müssen wir auch eine erneute Anhörung durchführen, anderenfalls werden die Regionalpläne allein aus diesem Grund erneut scheitern. Das kann doch wirklich nicht das Ziel irgendeines Einzigen hier im Raum sein.

(Beifall CDU, FDP und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die zweite Anhörung wurde am 3. Januar dieses Jahres beendet. Wir haben es wiederholt gehört: Es sind mehr als 5.000 Stellungnahmen eingegangen. Die Auswertung und Abwägung der Stellungnahmen wird bis etwa Mitte des Jahres dauern. Es gilt auch in Anbetracht dieses Urteils wirklich Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Wir werden vor Gericht belegen müssen - belegen müssen! -, dass wir uns mit jedem für die Raumordnungsebene relevanten Argument auseinandergesetzt haben. Ich betone es noch einmal: mit jedem!

Das heißt, wir werden jede dieser Einwendungen detailliert überprüfen müssen. Eine kursorische Prüfung einiger Stellungnahmen lässt erwarten, dass wir zu nochmaligen Planänderungen kommen können. Sobald es über rein redaktionelle Änderungen hinausgeht, muss nach der Logik des OVG-Urteils eine weitere Anhörung erfolgen. Vor diesem Problem hätte übrigens auch jede andere, auch die Vorgängerregierung, gestanden, egal, was wir heute diskutieren.

Wir streben nun an - das haben wir öffentlich gesagt -, den dritten Planentwurf bis spätestens Ende 2019 zu erstellen und unmittelbar danach in die dritte Anhörung zu gehen. Je nach Ausgang dieses Anhörungsverfahrens könnte die Regionalplanung Windenergie Mitte 2020 somit zum Abschluss gebracht und dann dem Landtag ein entsprechendes Gesetz zugeleitet werden. Das ist unser Ziel, und daran arbeiten wir.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns nach dem OVG-Urteil in einer Situation, die planungsrechtlich gar nicht vorgesehen ist. Nur deswegen war es verantwortbar, und zwar durch alle Ebenen, ein Moratorium als Notmaßnahme in unser Landesplanungsgesetz einzuführen, übrigens - das soll nicht wertend sein - durch unsere Vorgängerregierung. Wir haben es auf den Weg gebracht. Das, was damals richtig und notwendig war, gilt heute gleichermaßen. Wir alle wissen, dass wir uns mit dem Moratorium von dessen Beginn an in einem verfassungsrechtlichen Spannungsfeld bewegen. Festzuhalten ist aber, dass die Verfassungsmäßigkeit des

Moratoriums an sich durch Landesverfassungsgericht sowie Oberverwaltungsgericht bestätigt wurde und dass die Verlängerung im Vorjahr ebenfalls durch das Verwaltungsgericht als verfassungsgemäß angesehen wurde.

Wenn wir nach der Logik des OVG eine erneute Anhörung für erforderlich halten, so folgt daraus leider zwingend, dass auch das Moratorium erneut verlängert werden muss, um eine weiter voranschreitende Windenergieregionalplanung zu schützen. Ich bin zuversichtlich, dass die vom Landtag beschlossene Kombination aus Moratorium einerseits und Ausnahmegenehmigung andererseits bis zur Planfeststellung durchtragen wird.

Sollte ein Gericht es allerdings für erforderlich erachten, das Moratorium dem Verfassungsgericht vorzulegen, dann droht damit nicht automatisch Wildwuchs - wie von Einzelnen in den Raum gestellt wird. Wir haben Rückfallmöglichkeiten, die weiterhin für eine geordnete Planung in diesem Land genutzt werden können. Wir könnten Windkraftanlagen außerhalb der geplanten Vorranggebiete auch durch Allgemeinuntersagungen oder Einzeluntersagungen nach § 18 Landesplanungsgesetz verhindern. Allerdings - das muss ich sagen - ist das mit einigen Nachteilen verbunden, weshalb dem Moratorium zweckdienlich unbedingt der Vorzug zu geben ist. Wildwuchs wird aber in keinem Fall entstehen. All das sollte allen hier nach den Debatten um die Einführung des Moratoriums hinlänglich bekannt sein.

Das Moratorium ist nur in Kombination mit der Ausnahmesteuerung zulässig. Zum Jahresende 2018 waren in Schleswig-Holstein - Achtung! 2.959 Windkraftanlagen in Betrieb. 117 Anlagen standen vor der Inbetriebnahme. Zusammen haben diese Anlagen jetzt eine Gesamtleistung von 6,9 GW. 429 Windkraftanlagen erhielten seit Einführung des Moratoriums eine Ausnahme, darunter viele Repowering-Fälle. Die Bruttogesamtleistung dieser Anlagen beträgt rund 1,3 GW. Zugleich sind im Rahmen des Repowerings 314 Altanlagen stillgelegt worden, mit brutto rund 0,3 GW Leistung, viele von diesen außerhalb der Vorrangkulissen.

Das beweist zweierlei. Erstens. Wir haben es geschafft, unter dem Moratorium netto 1 GW Leistung hinzuzubauen. Zweitens. Die Flurbereinigung der Anlagen aus der Zeit vor den ersten Regionalplänen 1995 geht voran. Wir räumen sukzessive die Landschaft auf und kommen der geplanten gemeinsamen Konzentrationsplanung näher.

(Minister Hans-Joachim Grote)

Die Landesplanung orientiert sich bei der Ausnahmeprüfung an klaren Grundsätzen, die von Anfang an öffentlich transparent gemacht wurden. Eine Chance auf eine Ausnahme hatte bislang nur derjenige, der Anträge gestellt hat zu Anlagen, die in Vorranggebieten liegen, die sich vom ersten zum zweiten Entwurf bestätigt haben, bei denen also bereits eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hatte.

Mit der zweiten Anhörung kommen wir wieder einen Schritt weiter. Sobald sich neue Flächen des zweiten Entwurfs bestätigen, werden wir auch hier in Ausnahmeprüfungen und in Genehmigungen einsteigen. Ich betone aber ausdrücklich, meine Damen und Herren: Es besteht eine Chance auf eine Ausnahmegenehmigung, aber keine Garantie.

Derzeit erfüllen 233 Genehmigungsanträge in der Vorrangkulisse die Anforderungen für eine qualifizierte, vertiefende Aufnahmeprüfung. Rein rechnerisch haben wir derzeit mit den 233 Anträgen rund 780 MW im Genehmigungsverfahren. Aber - das ist ganz wichtig zu betonen - Antrag ist nicht gleich Genehmigungsfähigkeit. Es sind in verschiedenen Fällen neue Feinplanungen erforderlich. Es sind Anlagehöhen an die neue 3-H-Regelung anzupassen. In Einzelfällen sind Klageverfahren abzuarbeiten. Bisweilen liegen Änderungsanträge hinsichtlich der Anlagetypen vor. Weitere Hinderungsgründe ergeben sich derzeit aus dem Verfahren zu den Artenschutzgutachten, die entweder veraltet oder noch nicht erstellt sind. Das Gleiche gilt für Schallschutzgutachten.

Vorliegende Genehmigungsanträge entsprechen nicht in allen Fällen dem Maß, in dem sie genehmigt werden können. Eines kann ich Ihnen im Namen der Kolleginnen und Kollegen in der Landesplanung sagen: Unser erklärtes Ziel ist, möglichst Ausnahmegenehmigungen zu erteilen und Anträge nicht liegenzulassen und abzuwarten. Wir wollen, dass sich die Windenergie als Wirtschaftsgut in diesem Land weiterentwickelt. Daran arbeiten wir gemeinschaftlich, aber im Rahmen der von uns, der von Ihnen vorgegebenen Regularien.

Meine Damen und Herren, einige werfen uns einerseits Stillstand und Blockade des Ausbaus vor und malen andererseits das Horrorszenario eines Wildwuchses. Ich denke, ich konnte deutlich belegen, dass dies nicht den Tatsachen entspricht. Trotz der extrem schwierigen Rahmenbedingungen haben wir es geschafft, den weiteren Ausbau voranzubringen. Ich sehe keinen Stillstand. Ich sehe keinen Wildwuchs. Ich sehe Fortschritt in jeder Hinsicht. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall CDU, Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 auf:

Einführung eines Bildungsbonus für Schulen in Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/1060

Ich erteile das Wort für die Landesregierung der Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien.