Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tausende von Todesfällen, 290.000 Patientinnen und Patienten, die in Amerika betroffen sind, Tausende von Fällen, auch in anderen europäischen Ländern - vielen Dank an die SPDFraktion für den vorliegenden Antrag. Ich finde es richtig, dass wir das als klaren politischen Handlungsauftrag verstehen. So kann es nicht weitergehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Patientinnen und Patienten in die Situation kommen, dass sie einen Herzschrittmacher, eine Knieendoprothese oder eine Aortenklappe brauchen, dann müssen sie sich darauf verlassen können und darauf vertrauen können, dass es ein gutes Produkt ist, dass es ihnen helfen und nicht schaden wird. Genauso ist es für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Auch sie müssen darauf vertrauen, dass ihnen das Produkt, was ihnen natürlich von Lobbyisten immer wieder angepriesen wird - es gibt etwas Neueres, es gibt etwas Besseres -, hilft und dass es nicht etwas ist, das schadet.
Jetzt komme ich gleich zum ersten politischen Punkt. Wie die Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten heute abläuft, ist viel zu lasch. Da muss nachgebessert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt da erste zaghafte Schritte von der EU, ein kleines bisschen mehr für Sicherheit zu sorgen. Aber ein kleines bisschen Sicherheit reicht für Patientinnen und Patienten nicht. Wir brauchen eine möglichst hohe Sicherheit. Deswegen brauchen wir eine Prüfinstanz, die nicht von Privaten geleitet wird, sondern von unabhängigen Fachleuten. - Das ist die erste politische Forderung. Das wünschen wir Grüne uns sehr: eine unabhängige Behörde, ein transparentes Verfahren. Das wäre gut für die Patientinnen und Patienten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was bisher so gemacht worden ist, wenn Patientinnen und Patienten zu Schaden kommen, kenne ich aus eigener Erfahrung in den Kliniken. Menschen, die dort arbeiten, machen Fehler; Produkte sind manchmal schadhaft. Wer bleibt ganz alleine mit den Schmerzen, mit der eingeschränkten Lebensqualität und manchmal mit den Familienangehörigen des Verstorbenen zurück? - Die Patienten und ihre Angehörigen. Das kann so nicht bleiben. Wir brauchen eine Haftpflicht für solche Situationen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Jetzt kommen wir noch zu einem weiteren Punkt. Es ist immer etwas schwierig, als Dritte zu reden; denn die Beispiele, die ich bei mir habe, sind gerade eben genauso vom Kollegen Stegner und vom Kollegen Neve gebracht worden. Deswegen lasse ich diesen Teil weg.
Es gibt noch einen weiteren Punkt. Wenn wir in den Informationsgesprächen, in den Aufklärungsgesprächen, die in den Kliniken geführt werden, dokumentieren, was dort alles in diesen Produkten drin ist, müssen die Patientinnen und Patienten das auch verstehen können. Es kann doch nicht angehen, dass Patientinnen und Patienten Unterlagen unterschreiben müssen, die sie nicht verstehen. Sie wollen ja operiert werden, sie wollen ja eine bessere Lebensqualität haben. Nachher heißt es: „Ja, ich weiß es auch nicht genau. Ich muss das jetzt unterschreiben. Aber was das eigentlich für mich bedeutet - -“ Da ist es wichtig, dass da mehr Transparenz hineinkommt. Auch da ist es aus meiner Sicht total wichtig, aus dem Skandal mit den Implant Files diese Konsequenz zu ziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wiederhole kurz vor Weihnachten gern meine Wünsche. Ich appelliere an die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion: Kämpfen Sie für mehr Transparenz. Kämpfen Sie für eine Haftpflicht und kämpfen Sie dafür, dass die Recherche mit den Implant Files nicht das Ende der Geschichte ist, sondern der Anfang einer Geschichte von besserer Qualität für die Patientinnen und Patienten und einer besseren Überwachung dieser Produkte. Kämpfen Sie auch für eine unabhängige staatliche Behörde, die frei ist von wirtschaftlichen Interessen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kürzlich erschienene Veröffentlichung von „Süddeutsche“, NDR und WDR zu den Implant Files sorgen für Unbehagen, teils auch Wut, insbesondere natürlich bei den Betroffenen. Die Implant Files werfen die Frage auf, inwieweit in Deutschland und in Europa unnütze oder gar schädliche Produkte im Gesundheitswesen auf den Markt gebracht wurden.
In den Berichterstattungen und auch im Antrag der SPD selbst wird auf die Zulassungsmethoden verwiesen, die verschärft werden müssen. Hier liegt ein Stück weit der Hase im Pfeffer. Wenn man sich das Medizinproduktegesetz in den §§ 4 ff. anschaut, stellt man fest, dass es in Deutschland gar kein Zulassungsverfahren im eigentlichen Sinne gibt. Geregelt wird lediglich, wie ein Medizinprodukt in den europäischen Staaten in den Verkehr gebracht werden kann.
Das läuft derzeit so ab, dass ein privates Institut, zum Beispiel TÜV, DEKRA oder viele andere, nur prüft, ob technische Normen des Produkts und des Materials eingehalten werden. Nach erfolgreicher Überprüfung erhält das Produkt ein CE-Zeichen. Diese CE-Kennzeichnung allein ist wiederum kein Gütesiegel bezogen auf die Leistungsfähigkeit oder
auf den Patientennutzen der Produkte. Dies wird sicherlich ein wesentlicher Punkt in der Anhörung und in der Debatte im Sozialausschuss sein. Es ist die Frage, ob und inwieweit hier andere Maßstäbe anzusetzen sind. Im Zweifel müssen wir in Richtung europäisches Recht schielen, weil dies die Grundlage ist.
Der neueren Presseberichterstattung war zu entnehmen, dass sich der Hersteller ein anderes Prüfinstitut in Europa suchen kann, falls ihm zum Beispiel bei einem deutschen Institut das CE-Siegel verweigert wurde. Kritisch wäre dies, wenn es zu unterschiedlichen Produkteinschätzungen zwischen den Prüfinstitutionen kommen würde und dadurch ein bereits einmal nicht zugelassenes Medizinprodukt nunmehr doch europaweit zugelassen würde. Dann wären die Anforderungen nicht einheitlich. Insbesondere bei sensiblen Produkten wie Herzschrittmachern ist ein einheitliches System zur Marktzulassung und -überwachung jedoch unerlässlich.
Des Weiteren wirft es zumindest Fragen auf, dass die benannten Stellen privatrechtlich von den Herstellern für die CE-Prüfung beauftragt und auch bezahlt werden. Bei dieser Rollenverteilung könnten Interessenkonflikte entstehen.
Die Zahl der Rückrufe von Medizinprodukten und anderer Vorkommnisse ist laut Techniker Krankenkasse in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Gab es im Jahr 2004 bundesweit noch rund 3.100 Risikomeldungen, hat sich die Zahl 2017 fast verfünffacht. Das liegt zum einen an der europaweit großen Menge von jährlich etwa 30.000 Neuentwicklungen. Das liegt aber auch daran, dass der Einsatz von Medizinprodukten steigt. Letzteres ist für die medizinische Versorgung und Lebensqualität der Bevölkerung prinzipiell auch richtig.
In Deutschland gibt es seit 2011 das sogenannte Endoprothesenregister. Hier werden - bisher leider nur auf freiwilliger Basis - Daten von implantierten Hüft- und Knieprothesen zusammengeführt. Damit soll die Qualität der Behandlung verbessert werden. Auch für andere Hochrisikoprodukte wie Herzschrittmacher oder Brustimplantate wäre ein solches Register sinnvoll.
Dadurch könnten Langzeitdaten gesammelt, verglichen und Patienten bei Produktrückrufen schneller informiert werden. Auf EU-Ebene ist solch eine Datenbank bereits in der Umsetzung, die hoffentlich möglichst einfach für Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten zugänglich sein
Nicht nur in der Prophylaxe, sondern auch im Nachgang, wenn jemand einen Schaden erlitten hat, gibt es Diskussionspunkte und Verbesserungsbedarfe. Melden Firmen, die fehlerhafte Medizinprodukte hergestellt haben, Insolvenz an, haben weder die Krankenkassen noch die betroffenen Patienten eine Möglichkeit, Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Die EU-Vorgaben klammern die Insolvenz bisher völlig aus.
Im Sinne der Absicherung der betroffenen Patienten, die teilweise durch lange Krankheit große finanzielle Einbußen und Einschnitte in der Lebensqualität erfahren, braucht es weiter gehende Lösungen als bisher.
Zu diskutieren ist - das klang gerade auch schon einmal an -, inwieweit zum Beispiel die Hersteller zukünftig zu einer Produkthaftpflichtversicherung mit ausreichender Deckung zu verpflichten wären.
Abschließend möchte ich herausstellen und betonen, dass das Sozial- und Gesundheitsministerium bereits gehandelt hat, bevor das Thema auf der bundes- und landespolitischen Agenda stand. Es hat das Personal für die medizinische Überwachung deutlich aufgestockt, indem es die Zahl der Vollzeitstellen von 12 auf nunmehr 26 mehr als verdoppelt hat. Die Landesregierung hatte das Thema also bereits voll auf dem Schirm.
Ich beantrage ebenfalls die Überweisung an den Sozialausschuss, damit wir weiter darüber diskutieren können. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Die AfD-Fraktion wird sich der Ausschussüberweisung anschließen. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. Wir sehen aber auch, dass neben dem Hauptanlass der Recherche zu Implant Files die tatsächliche Problematik ist, dass viel zu häufig fehlerhafte Medizinprodukte in Umlauf gekommen sind. In der
Vergangenheit gab es immer wieder Meldungen über massive und erhebliche Gesundheitsschäden bis hin zu Todesfällen. Das haben wir bereits gehört. Das ist sicherlich unumstritten.
Unsere Auffassung ist aber, dass die gesetzlichen Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene grundsätzlich ausreichend sind und dass es Stand heute keiner weiteren gesetzlichen Regelung oder Verordnung bedarf.
Nach über vier Jahren Verhandlung ist am 25. Mai 2017 die EU-Verordnung über Medizinprodukte in Kraft getreten. Sie löst die alte EWG-Verordnung ab. Sie gilt in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar und muss daher nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden.
Diese Verordnung enthält eine Vielzahl an Neuerungen insbesondere hinsichtlich der Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten. Es wird ein System einer einmaligen Produktnummer, eine Unique Device Identification, eingeführt. Dieses System wird die Rückverfolgbarkeit bestimmter Produkte in der Lieferkette für Hersteller und Behörden vereinfachen und so den schnellen und effizienten Rückruf von Medizinprodukten ermöglichen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Darüber hinaus wird gerade die klinische Überwachung nach dem Inverkehrbringen von Medizinprodukten erheblich erweitert. Es wird unangekündigte Audits, Stichproben und Produktprüfungen geben. Auch gibt es Neueinstufungen von Produkten nach Risiko, Kontaktdauer und Invasibilität. Schließlich werden auch neue Klassifizierungsregeln für Medizinprodukte eingeführt, um die Überwachung und Kontrolle zu vereinheitlichen. Das sind nur einige der wesentlichen Kernpunkte der neuen EU-Medizinprodukteverordnung.
Einer Initiative der Landesregierung im Bundesrat bedarf es daher aus unserer Sicht nicht. Tatsächlich notwendig ist es aber, die dünne Personaldecke im für die Überwachung zuständigen Landesamt für soziale Dienste aufzustocken. Das Problem ist nicht das Regelwerk, sondern die Kontrollsicherheit. Im Landesamt sind bislang erheblich zu wenige Mitarbeiter beschäftigt. Wir hörten gerade, dass die Zahl der Mitarbeiter um das Doppelte aufgestockt worden ist. Nur so können die neuen Anforderungen der Verordnung auch tatsächlich umgesetzt werden.
Aus unserer Sicht ist es für die Gesundheit der Bürger unseres Landes sinnvoll, dass die Überwachung von Medizinprodukten vernünftig in die Praxis umgesetzt wird und deren Wirksamkeit zu beobachten ist, anstatt das nächste gesetzliche Regelwerk anzu
stoßen. Dieses müsste ohnehin auf EU-Ebene verhandelt werden. Es würden erneut viele Jahre ungenutzt ins Land gehen.
Wir freuen uns auf die Ausschussberatung und werden uns dort gerne einbringen. Ich bin guter Hoffnung, dass wir für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und für die Gesunderhaltung einiges tun können. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich ehrlich bin, dann hat mich die Berichterstattung zu Mängeln bei Medizinprodukten tief erschüttert. Natürlich ist dieses Thema nicht neu. Aber das Ausmaß und das Leid, das in vielen Fällen verursacht wird, haben mich doch überrascht und schockiert. Dass bei Brustimplantaten und bei künstlichen Hüften gepfuscht wird, ist schon mehr als schlimm genug und nicht hinzunehmen. Wenn aber teilweise sogar Herzschrittmacher aus fehlerhaften Materialien bestehen und zum Tod führen können, ist das extrem fahrlässig und verlangt Handeln.