Die Tatsache, dass solche Fälle in einem so hochtechnisierten Land wie Deutschland überhaupt möglich sind, ist wirklich unglaublich. Aus Sicht des SSW gibt es also Gründe genug, dem Antrag der SPD zu folgen. Deshalb noch einmal vielen Dank für euren Antrag.
Man könnte davon ausgehen, dass es bei Medizinprodukten, die für den menschlichen Körper bestimmt sind, strenge Zulassungsregeln und Kontrollen gibt, doch leider ist das eben gerade nicht der Fall. Im Gegenteil, im Antrag wird völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass es an allen Ecken und Enden an Kontrollen fehlt.
Wenn Implantate sogar zum Tod führen können, gibt es doch offensichtlich viel zu niedrige Zulassungshürden. Es ist aber Tatsache, dass der überwiegende Teil dieser Produkte nicht einmal klinisch an Menschen getestet wird. Es genügt, wenn der Hersteller einige selbst erhobene Daten vorlegt. Die Zertifizierung gibt es dann von einem privaten Unternehmen, das der Hersteller auch noch selbst be
zahlt. Verlässliche und unabhängige Kontrollen sind in diesem System also eher die Ausnahme als die Regel. Für mich ist das ein krasses Beispiel dafür, dass Gewinninteressen über das Wohl der Patientinnen und Patienten gestellt werden.
Natürlich sollen wir hier nicht naiv sein. Allen dürfte klar sein, dass sich dieses Grundproblem durch unser gesamtes Gesundheitswesen zieht. Implantate sind aber nun einmal keine schlichten Gehhilfen oder Verbandsmaterial, sondern deutlich sensiblere Produkte. Deshalb ist die Tatsache, dass sich der entsprechende milliardenschwere Markt weitestgehend unabhängigen Kontrollen entzieht, nicht hinnehmbar. Deshalb haben für mich nicht nur die Hersteller, der Handel und die Krankenhäuser, sondern auch die Politik eine klare Verantwortung, die Betroffenen vor diesen Gefahren zu schützen.
Das, was im Antrag gefordert wird, müsste längst selbstverständlich sein. Doch statt im Sinne der Patientinnen und Patienten zu handeln und umfassende, zuverlässige Kontrolle zu organisieren, wird dieses Problem kaum angegangen, obwohl es regelmäßig zu Skandalen kommt und trotz der Tatsache, dass es hier jedes Jahr zigtausend Verdachtsfälle auf Gesundheitsschäden gibt.
Aus meiner Sicht muss sich die Bundesebene endlich ernsthaft mit diesem Thema befassen. Das, was der Bundesgesundheitsminister hier anbietet, ist jedenfalls völlig unzulänglich. Es reicht nicht, genauer darauf zu achten, wie die Patientinnen und Patienten mit den jeweiligen Implantaten klarkommen. Sie müssten schon vor der Operation verlässliche Informationen über die jeweiligen Produkte bekommen.
Das sieht auf Landesebene schon besser aus. Ich will gern betonen, dass wir die geplante Aufstockung beim zuständigen Landesamt für soziale Dienste begrüßen. Zumindest bei den hier ansässigen Herstellern wird damit hoffentlich effektiver geprüft, ob die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen eines Medizinproduktes erfüllt sind.
Das ist ein wichtiger Schritt, aber es ist eben nur ein kleiner Teil der Lösung. Für uns ist vor allem die Bundesebene in der Pflicht. Die Verantwortlichen in Berlin müssen sich endlich bewegen und für annähernd gleiche Sicherheitsstandards wie bei Medikamenten sorgen. Entsprechende Initiativen werden
Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat zu einem Kurzbeitrag der Abgeordnete Heinemann von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte die Gelegenheit nutzen, um noch das zu sagen, was bisher nicht gesagt worden ist. Es gibt bei den Medizinprodukten vier Risikoklassen. Zur ersten Klasse gehören Brillen und Rollstühle. Ich bin erstaunt darüber, dass Rollstühle dazugehören, weil sie geradezu lebensgefährlich sein können, wenn sie nicht qualifiziert sind, aber sie gehören zur geringsten Risikoklasse.
Zur mittleren Klasse gehören Zahnfüllungen, Hörgeräte und Ultraschallgeräte. In dieser Klasse gibt es vielleicht die geringste Todesrate. Bei Zahnfüllungen ist das strittig, aber sei es drum.
Die großen Risiken findet man bei Okularlinsen, bei den Röntgengeräten und, man staunt vielleicht, aber sie können in der Tat sogar tödlich sein, bei den Kondomen. Auch sie gehören zur Hochrisikoklasse.
Zur höchsten Risikoklasse gehören Hüft- und Knieimplantate, Bandscheibenimplantate, Herzschrittmacher, Herzkatheter, Insulinpumpen, Brustimplantate und so weiter. Um es deutlich zu machen: Wir reden hier eigentlich hauptsächlich über die letzte Klasse, weil bei den anderen Klassen, zum Beispiel bei den Kondomen, in der Praxis bereits sehr strenge Regulierungen vorhanden sind.
Was passiert in der Welt der Medizinprodukte? Man muss sich dazu nur einmal eine Anhörung bei der EU oder im Bundestag angucken, dann weiß man, wie Politikflüsterer und Interessenten dort mit Lobbyarbeit agieren. Dort wird alles klein- und weggebügelt. Es heißt: Wir haben alles, alles ist vom TÜV geprüft und wunderbar. Das wird dort allen Ernstes gesagt, und niemand kommt auf die Idee zu fragen, wie Medikamente eigentlich geprüft werden. Diese werden sehr streng und vor allem unabhängig geprüft. Sie werden von unabhängigen Instituten über lange Testreihen in Krankenhäusern mit Patientinnen und Patienten geprüft. Das heißt, wir brauchen andere Prüfverfahren als die, die de
Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr als eine Nutzen-Risiko-Analyse durch den TÜV. Wir brauchen eine Medizinproduktebewertung, die dem schon lange bestehenden Standard der Medizin im Medikamentenbereich gerecht wird.
Was können wir in Schleswig-Holstein noch tun? Der Gesundheitsminister hat sich auf den Weg gemacht und hier gute Ideen vorgetragen. Darüber hinaus brauchen wir natürlich Datenbanken der Medizinprodukte, insbesondere auch in unserer Verantwortung für das Land Schleswig-Holstein, denn in Schleswig-Holstein wird eine Reihe von Medizinprodukten hergestellt. Dazu müssen wir zumindest einmal sprechfähig sein. Ich freue mich, dass wir alle gemeinsam das so sehen, und ich erwarte, dass im Ausschuss ein Bericht über die Medizinproduktehersteller in Schleswig-Holstein unterlegt wird, damit wir einen Überblick darüber bekommen, wie wir selbst als Bundesland bei dieser Geschichte eine Rolle spielen.
Wir sollten bei der Anhörung, die wir sicherlich haben werden, nicht nur die Lobbyisten und Politikflüsterer, die ein Interesse an bestimmten Maßnahmen haben, einladen, sondern vor allen Dingen unabhängige Wissenschaftler, die sich fair und intensiv mit Medizin auseinandersetzen und frei von dem Risiko sind, Interessenvertreter zu sein.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen, dass Sie diesen Antrag unterstützen, und ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich bin das lebende Beispiel für Implantate. Seit 38 Jahren habe ich eine künstliche Herzklappe, und die zweite habe ich vor vier Jahren bekommen. Ich kann Ihnen sagen: Wenn man zu so einer Operation geht, dann fragt man nicht: Was ist das für ein Gerät? Hält das? Davon geht man eigentlich fest aus.
Wenn man heute hört, was Herr Neve gesagt hat, nämlich dass ein Fön besser geprüft wird, und auch das, was Frau Dr. Bohn gesagt hat, ist man im Nachhinein doch etwas entsetzt. Daher kann ich nur sagen: Es soll jetzt keinen Schnellschuss geben, aber ordentliche und intensive Beratungen im Ausschuss. Wir müssen auf Berlin und in Brüssel auf Europa höchsten Druck ausüben, damit wir gesicherte Geräte bekommen, sodass Patientinnen und Patienten, die vor einer wichtigen Operation stehen und gar keine anderen Möglichkeiten haben, nicht durch Fernsehberichte verunsichert werden. Derjenige, der zu so einer Operation muss, benötigt beste geprüfte Implantate, ansonsten würde zum Beispiel ich hier nicht stehen.
Liebe AfD, ich kann ganz ehrlich sagen: Auch wenn das eine neue Verordnung ist, so müssen wir dies doch überprüfen. Das dürfen wir nicht halbherzig machen. Das wird nicht ausreichen. Wir werden das nicht überbürokratisieren, aber das müssen höchste Standards sein.
Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Berichterstattung der vergangenen Wochen hat die Öffentlichkeit für ein Thema neu sensibilisiert, nämlich für das Thema der Qualität von Medizinprodukten und die Standards der Medizinprodukteüberwachung. Wenn wir ehrlich sind, ist das ein Thema, das nicht täglich auf dem Schirm ist. Es handelt sich um ein für die Sicherheit von Patientinnen und Patienten zentral wichtiges Thema.
Hauke Göttsch hat es gerade sehr persönlich dargestellt: Ich schaue einmal in die Runde. Patientinnen und Patienten können wir alle werden. Ich weiß auch nicht so ganz genau, was für eine Hüftgelenksschraube in meinem linken Bein verarbeitet wurde, aber bisher hält sie.
In Fachkreisen werden die damit verbundenen Fragen allerdings schon länger diskutiert. Ich kann mich an Ausschussberatungen zu Haushalten der Küstenkoalition erinnern, in denen es nicht immer nur Einigkeit zwischen Opposition und Regierung gab, bei denen ich mehrfach darauf hingewiesen habe, dass die Überwachung von Medizinprodukten eine staatliche Pflichtaufgabe ist und wir hier Nachholbedarf haben.
Liebe Frau Finanzministerin, ich bedanke mich ausdrücklich bei Ihnen, dass es möglich geworden ist, bei dieser staatlichen Pflichtaufgabe ein gutes Stück weitergekommen zu sein. Es ist nicht selbstverständlich, dass man mal eben eine Verdoppelung des zur Verfügung stehenden Personals beschließt. Diejenigen, die immer erzählen, die Verwaltung pumpe sich mit Personal auf, müssen sich entscheiden, ob etwas für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger getan werden soll und ihre Pauschalkritik an der öffentlichen Verwaltung gerechtfertigt ist. Wir als Koalition haben uns dafür entschieden, dass uns die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger wichtiger ist.
Lassen Sie mich die im Mai 2017 in Kraft getretene EU-Verordnung über die Medizinprodukte aufgreifen, die sogenannte Medical Device Regulation MDR. Diese Verordnung bestimmt mit einer Übergangsfrist bis 2020 deutlich höhere Anforderungen an das Inverkehrbringen von Medizinprodukten. Hier werden unter anderem strengere Verfahren insbesondere bei Hochrisikoprodukten gefordert. Ich danke dem Abgeordneten Bernd Heinemann ausdrücklich, dass er die Risikopyramide noch einmal dargestellt hat. Seitdem wissen Sie, welche Medizinprodukte in die höchste Risikostufe gehören.
Zudem gelten höhere Anforderungen an die klinische Bewertung beziehungsweise Durchführung unabhängig von der Risikoklasse des Medizinprodukts. Ebenso gelten strengere und detaillierte Anforderungen an die Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen von Medizinprodukten, ebenso eine erhöhte Anforderung an die sogenannten benannten Stellen. Dazu gehört auch die Pflicht der benannten Stelle, mindestens alle fünf Jahre unangekündigte Audits beim Hersteller durchzuführen, gegebenenfalls auch bei seinen Zulieferern beziehungsweise Subunternehmern.
hen in meinem Haus seit Längerem Pläne für eine Aufstockung des Personalbestands in der Medizinprodukteüberwachung. Ich sage es noch einmal: Es werden 14 neue Stellen geschaffen. Das haben Sie gestern mit dem Haushalt dankenswerterweise beschlossen. Insgesamt haben wir dann 26 Stellen für die entsprechenden Überwachungsaufgaben in Schleswig-Holstein.
Sie erkennen daran, dass wir den bestmöglichen Patientinnen- und Patientenschutz auch im Kontext der Medizinprodukte nicht nur ernst nehmen, sondern in die entsprechende Umsetzung gehen, übrigens nicht erst seit drei Wochen.
Ich begrüße die Beratungen im Ausschuss ausdrücklich. Am Ende konzentriert es sich - das haben die Kollegen Dr. Stegner, Dr. Bohn und Heinemann aus meiner Sicht sehr zutreffend zusammengefasst - auf die Frage, ob wir beim bisherigen Verfahren bleiben, nämlich dass Medizinprodukte durch eine benannte Stelle zertifiziert werden, oder ob es in Zukunft ein Zulassungsverfahren gibt, das durch eine staatliche Stelle, analog zum Arzneimittelbereich, stattfinden soll. Das ist eine der zentralen Fragen.
Herr Kollege Dr. Stegner, Sie haben die schwarzgelbe Koalition bis 2013 angesprochen. Ich will darauf hinweisen, dass auch der Koalitionsvertrag der Großen Koalition 2013 die Einrichtung eines verpflichtenden Implantateregisters vorsah, das ich ausdrücklich unterstütze. Damit können Sie dann tatsächlich feststellen, wer welches Produkt wann von welchem Hersteller hat, wer es verbaut hat, wer die Hüfte gelegt hat und woher sie kommt. In der Legislaturperiode 2013 bis 2017 ist vier Jahre lang gar nichts passiert. Jetzt wird unter Hochdruck gearbeitet. Ich höre aus dem Bundesgesundheitsministerium, Anfang 2019 solle der entsprechende Entwurf vorliegen. Sei es drum; auch wenn er erst 2019 vorliegt - es ist richtig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung nimmt die zu Recht hohen und noch einmal erhöhten Anforderungen der Medizinprodukte in jeder Hinsicht ernst. Das haben wir - das ist auch von anderen Rednern dargestellt worden inzwischen personell unterlegt. Schleswig-Holstein ist mit den Personalaufstockungen gut aufgestellt. Ich werde mich dort, wo es nachweislich Verbesserungsbedarfe und Verbesserungsnotwendigkeiten gibt, diesen mit Sicherheit nicht verschließen.