Erlauben Sie mir, an dieser Stelle ausnahmsweise mit einem Zitat zu beginnen, einem Zitat des in Cambridge lehrenden Historikers Christopher Clark. Ich würde den Satz gern ergänzen: Schleswig-Holstein braucht ein lebendiges jüdisches Leben.
Jüdisches Leben ist Teil unserer religiösen und kulturellen Vielfalt, meine Damen und Herren, es ist auch Teil unserer schrecklichen Vergangenheit und unserer gemeinsamen toleranten, demokratischen und hoffentlich friedlichen Zukunft.
Deutschland wäre arm ohne die wunderbare jüdische Kultur. Ich bin glücklich über jedes Zeugnis jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein. Ich bin glücklich über ein Zusammenleben, das auf Nähe, Verständnis und Verzeihen aufgebaut ist und das in den Alltag, ja in die Normalität zurückgefunden hat
Ich danke deshalb im Namen der gesamten Landesregierung allen Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Landesverbände, allen Frauen, Männern, Jugendlichen und Kindern jüdischen Glaubens in Schleswig-Holstein, die mit uns leben und unseren Zusammenhalt mit ihrer Kultur bereichern.
Ich danke auch allen Menschen, die sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen für ein neu erblühtes jüdisches Leben in Schleswig-Holstein und in Deutschland einsetzen, in der Gemeindearbeit, im politischen Raum, in der Wirtschaft, an den Hochschulen, in der Kunst, der Musik und im Bereich der Kultur. Ganz besonders - gerade weil wir vor Kurzem sein Jubiläum gefeiert haben - danke ich auch dem Jüdischen Museum in Rendsburg. Es leistet viel für unser Verstehen. Das ist fundamental wichtig, gerade in einer Zeit, in der leider der Antisemitismus wieder lauter wird und seine hässliche Fratze zeigt.
Diesen Antisemitismus in all seinen Spielarten, meine Damen und Herren, den können wir in Deutschland nicht dulden. Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass sagen, dass für morgen, zum 9. November 2018, in Berlin eine Demonstration Rechtsradikaler angemeldet wurde: Was für eine Provokation! Ich finde, dem müssen wir uns mutig entgegenstellen.
Jüdisches Leben hat hier im Land nach der brutalen Vertreibung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten nur zaghaft wieder Fuß gefasst. Erst die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion in den 90er-Jahren ließ im Land neue Gemeinden wachsen, sodass das Land 1998 seinen ersten Vertrag mit der Jüdischen Gemeinde in Hamburg schloss. 2005 wurde dieser durch den Vertrag über die Förderung jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein ersetzt. Vertragspartner waren die mittlerweile hier ansässigen beiden jüdischen Landesverbände als Dachorganisationen der jüdischen Gemeinden.
Die bisherigen Landesleistungen betrugen damals 2009 - 420.000 € und seitdem 500.000 €. Die Landeszuwendung soll einen Beitrag zur Förderung des jüdischen Lebens in unserem Land leisten.
Aber das Geld, das muss man leider sagen, reichte bisher kaum für die wesentlichen Aktivitäten. Deshalb kündigten die Verbände den Vertrag zum Ende
des vergangenen Jahres fristgerecht, und er war neu zu verhandeln. Ergebnis ist das Ihnen nun vorliegende Zustimmungsgesetz, ein neuer Vertrag mit den Landesverbänden der jüdischen Gemeinden. Seit Januar erhalten sie 800.000 € jährlich - ein deutlicher Zuwachs. Außerdem wurde eine Dynamisierung vereinbart. Die Landeszuwendung wird analog zu den Verträgen mit der evangelisch-lutherischen Kirche und der römisch-katholischen Kirche jährlich dynamisiert.
Mit dem Vertrag erreichen wir eine Gleichbehandlung der jüdischen Landesverbände mit den beiden christlichen Kirchen. Besonders freue ich mich darüber, dass sich der Zentralrat der Juden in Deutschland außerordentlich positiv zu diesem Vertragswerk geäußert hat. Im Übrigen, dafür will ich an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich danken, hat er wesentlich dazu beigetragen, dass dieser Vertrag in dieser Form zustande gekommen ist.
Wir wollen, meine Damen und Herren - und damit komme ich zum zweiten Thema dieser Debatte -, damit auch ein deutliches Zeichen setzen, gerade in Zeiten steigenden, wachsenden Rechtspopulismus und Antisemitismus in Deutschland. Ein Zeichen setzen wir auch mit unseren Maßnahmen zur Antisemitismus-prävention und -bekämpfung an unseren Schulen. Es muss jedem und jeder klar sein: Antisemitismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen ist nicht hinnehmbar.
Unsere historische Verantwortung, aber nicht minder unsere Auffassung von Menschenwürde und Religionsfreiheit, unsere Verbundenheit mit dem Judentum und unsere Dankbarkeit gegenüber den Menschen erfordern ein entschiedenes Eintreten gegen Antisemitismus. Da gilt es, auf allen Ebenen zu handeln.
Gemeinsam mit dem IQSH entwickeln unsere Fachleute ein Modul zur Ausbildung von Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern, das Extremismusprävention und Demokratiestärkung zum Inhalt hat. Vom nächsten Jahr an - ab Januar 2019 - erlernen Studierende entsprechende Grundlagen in den Pädagogikmodulen der Christian-Albrechts-Universität. Wir haben die Lehrkräftefortbildung in diesem Bereich ausgeweitet. Wir prüfen auch, ob wir die Fachanforderungen und die ergänzenden Leitfäden für alle Schularten mit Blick auf das Thema Antisemitismus und auch mit Blick auf den Staat Israel überarbeiten müssen. Aktuell diskutieren wir mit den Schulleitungen intensiv auch über diese Themen auf den Schulleiterdienstversammlungen.
Ich erinnere auch gerne an die Gedenkstättenarbeit und die wichtige Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte in Yad Vashem, wo wir bewusst jedes Jahr Lehrkräfte aus Schleswig-Holstein ausbilden.
Zudem gibt es in Schleswig-Holstein seit dem 1. August 2018 als präventive Maßnahme ein Gewaltmonitoring an Schulen. Dort erfassen wir auch, aus welchen Gründen Gewaltvorfälle stattfinden. Wir wollen an dieser Stelle auch für Transparenz sorgen. Ich kann aber auch an dem heutigen Tag sagen, dass bisher keine antisemitischen Vorfälle in Schleswig-Holstein gemeldet worden sind. Wir werden das Thema aber weiter im Blick behalten.
Meine Damen und Herren, Antisemitismus und Gewalt haben keinen Platz in Schleswig-Holstein. Wir freuen uns über ein lebhaftes, sichtbares jüdisches Leben und fördern dies nach Kräften.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erinnern in diesem Jahr an viele prägende historische Einschnitte in unserer Geschichte. Ich möchte heute mit meiner Rede am Anfang an die Reichspogromnacht erinnern, welche sich morgen zum 80. Male jährt.
Dieses Datum steht für eine menschenverachtende Brutalität sowie Grausamkeit gegen das jüdische Leben und die Menschlichkeit, welche sich wie eine Welle über Deutschland, aber eben auch über Schleswig-Holstein in der dunkelsten Zeit unserer Geschichte ergoss. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 versammelten sich in Kiel auf dem heutigen Rathausplatz, dem damaligen AdolfHitler-Platz, zahlreiche SA-, SS- und NS-Parteianhänger, um die Synagoge in der Goethestraße zu zerstören. Heute erinnert ein Mahnmal an diese Tat mitten in unserer Landeshauptstadt. In der gleichen Nacht wurden auch Privatpersonen angegriffen und wurde Eigentum zwangsenteignet und zerstört. In den folgenden Jahren folgten weitere Verfolgungen, Deportationen und Massenmorde.
Worte können das erlebte Leid kaum fassen. Der Zeitzeuge Leonhard Zimmak beschreibt sein Erleben in den letzten Kriegstagen wie folgt:
„Am 14. April 1945 wurden wir in Marsch gesetzt in Richtung Kiel und sind dort … wieder im KZ angekommen. … ich selbst war sehr viel gewöhnt, aber Kiel (das Ar- beitserziehungslager Hassee) war die Hölle, geleitet von Bestien in Menschengestalt.“
Die antisemitischen Strömungen und Verfolgungen, die daraus resultierende Flucht aus Deutschland und die Morde trugen dazu bei, dass sich die Zahl der Einwohner Schleswig-Holsteins mit einem jüdischen Glauben um zwei Drittel verringerte.
Es sind diese Ereignisse, die uns eine besondere Mahnung sein müssen. Wir haben eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Leben in Schleswig- Holstein.
Im großen Kontext haben wir genauso eine besondere Verbindung zum Staat Israel. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dies in ihrer viel beachteten Rede 2008 in der Knesset unterstrichen. Ich zitiere:
„Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar. Und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.“
Wir in Schleswig-Holstein sind uns dieser Verantwortung bewusst und lassen Worten auch Taten folgen. Heute verabschieden wir in zweiter Lesung einen neuen Staatsvertrag mit den jüdischen Landesverbänden, der die Unterstützung von jüdischem Leben auf neue Beine stellt. Insgesamt weiten wir die Förderung der jüdischen Gemeinden um 300.000 € aus. Daneben stellen wir im Rahmen des IMPULS-Programms weitere 500.000 € für Investitionen zur Verfügung. Viele jüdische Gemeinden sind in prekären - so will ich das sagen - Immobilien untergebracht, die unter Gesichtspunkten wie Ausstattung, aber auch Brandschutz und Sicherheit nur schwer hinnehmbar sind. Gerade hier in Kiel ist es schon absehbar, dass uns das Thema trotz der ge
Es geht uns aber auch darum, dem Antisemitismus unserer Zeit offen und entschieden entgegenzutreten. Offen judenfeindliche Äußerungen, aber auch direkte Angriffe auf jüdische Einrichtungen oder Restaurants in der jüngeren Zeit in Deutschland lassen uns aufhorchen und müssen uns eine Mahnung sein. Unser Antrag ist dabei ein wichtiger Bestandteil.
Gerade im Jahr der politischen Bildung 2019 ist hier ein Zeichen zu setzen. Wir wollen in den Schulen eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Judentum, den Besuch von Synagogen und Gedenkstätten fördern, gerade Lehrer für dieses Thema stärker sensibilisieren, Schulbücher genauer auf das Thema Antisemitismus überprüfen und den deutsch-israelischen Jugendaustausch weiter unterstützen.
Ich freue mich aber auch sehr, dass wir nicht nur Geld zur Verfügung stellen und Anträge stellen, sondern auch selbst als Schleswig-Holsteinischer Landtag tätig werden. Der Ältestenrat, aber auch die CDU-Landtagsfraktion, werden in den kommenden Monaten Reisen nach Israel unternehmen und dort auch den direkten Austausch pflegen. Ich freue mich sehr, dass der Ältestenrat die Gründung eines parlamentarischen Freundeskreises zur deutsch-israelischen Zusammenarbeit unterstützt.
Noch wichtiger ist für mich allerdings die Anmerkung, dass der Austausch mit jüdischem Leben in Schleswig-Holstein und die Zusammenarbeit mit Israel nicht allein auf die Vergangenheit ausgerichtet sein sollten. Israel ist ein spannendes und aufregendes Land. Nur zwei Themen möchte ich exemplarisch nennen, bei denen man eine mögliche Zusammenarbeit ausbauen kann:
Das Literaturhaus Schleswig-Holstein hat in diesem Jahr Israel zum Schwerpunktland für den Literatursommer ausgewählt. Die Auftaktveranstaltung in Lübeck war ein spannendes Zusammentreffen von Sprache, Worten und natürlich Kultur. Sie war eine Bereicherung für alle, die mitgemacht haben. Gerade Literatur und Kultur allgemein können verbinden. Es würde mich sehr freuen, wenn wir diese Bemühungen weiter verstärken.
Zum anderen ist gerade die Gründerszene in Israel besonders belebt, von der, so glaube ich, auch viele Start-Ups hier in Schleswig-Holstein profitieren können. Erste Verbindungen in die Kreativwirtschaft hier bei uns in Schleswig-Holstein gibt es meines Wissens schon. Das ist ein weiteres Feld der
Zusammenarbeit, was ja auch die Kollegen, die nach Israel reisen, entsprechend als Anregung mitnehmen können, um das, was schon besteht, weiter auszubauen.
Für uns muss es also nicht nur darum gehen, in die Vergangenheit zu gucken. Heute ist mit unserem Beschluss hier im Landtag ein guter Tag für das jüdische Leben in Schleswig-Holstein und die deutsch-israelische Zusammenarbeit. Von Tagen wie diesen wünsche ich mir noch mehr in der Zukunft.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Am 20. Oktober brachte der „DER SPIEGEL“ einen langen Artikel über den langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Pinneberg, wonach dieser seine Biographie einschließlich seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinschaft erfunden haben soll. Abgesehen davon, dass es ziemliche Unterschiede zwischen liberalem und orthodoxem Judentum und der Frage der Zugehörigkeit gibt, würde ich gern wissen, wie viele Leser dieses Artikels und der ungewöhnlich zahlreichen Berichte in der Landespresse erst einmal spontan gedacht haben: Da sieht man es doch einmal wieder, diese Juden!