Protocol of the Session on November 7, 2018

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Herr Minister, Christopher Vogt möchte auch gern mitfahren. - Herr Minister, Sie haben schon gesagt, dass wir in der Juli-Tagung bereits darüber gesprochen haben. Auch da hatten wir Ihnen ganz klar signalisiert, dass wir die Zusammenarbeit mit dem UNHCR ausdrücklich begrüßen. Ich möchte daran erinnern, dass wir unter der Vorgängerregierung auch ein Aufnahmeprogramm hatten und dass die Zusammenarbeit sehr gut gewesen ist. Es ist außerordentlich zu begrüßen, dass dies weitergehen soll.

Dem Bericht ist aber auch zu entnehmen, dass das IOM mit Gesprächen und Aufträgen in den Ländern beauftragt werden wird. Ich möchte ganz deutlich sagen, dass das keine unabhängige Organisation ist. Es ist eine Organisation, die einen ganz klaren Auftrag hat, die nämlich als Dienstleister für Staaten fungiert. Das heißt, die Arbeit, die IOM da leistet, hängt stark vom Auftrag des Landes ab. Das kann ein humanitärer Auftrag sein, muss es aber nicht. Von daher geht es hier darum, den Auftrag ganz klar zu formulieren, damit das Ziel erreicht wird, das wir uns alle gemeinsam vorstellen.

Lieber Herr Innenminister, nicht nur das Land geht mit gutem Beispiel voran. Auch unsere Kommunen, einige Kommunen zumindest, möchten hier mit gutem Beispiel vorangehen. Hierbei geht es um schutzbedürftige Menschen, die in den Städten aufgenommen werden sollen. Sie wollen ein sicherer Hafen werden. In Flensburg, Kiel, Lübeck, aber auch in Pinneberg sind dafür Menschen auf die Straßen gegangen. Es gibt bereits einige Beschlüsse in den Ratsversammlungen von Städten, die Menschen, die in Seenot geraten sind, gern unterstützen und bei sich in der Kommune aufnehmen wollen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie haben sich auch ganz klar gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung ausgesprochen. Auch diese Kommunen brauchen unsere Unterstützung. Auch sie brauchen die Zustimmung des Bundesinnenministers, damit sie Menschen zusätzlich in ihren Kommunen aufnehmen können.

Wenn wir denn schon mal in Berlin bei Herrn Seehofer sind und einmal für das Land und einmal für die Kommunen kämpfen - wie gesagt, Sie haben mich da an Ihrer Seite -, würde es mich sehr freuen, wenn wir das gemeinsam hinkriegen würden; denn wir wollen damit ein ganz klares Zeichen setzen, dass sich Schleswig-Holstein insgesamt seiner Aufgabe bewusst ist und weiter ein humanitäres und weltoffenes Bundesland bleiben möchte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine beiden Vorrednerinnen haben bereits ausgeführt, was alles noch in den Kommunen passieren muss, damit die Menschen hier auch vernünftig aufgenommen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mal ein bisschen Tacheles: Es geht um die nächsten vier Jahre, in denen wir 500 Menschen aufnehmen wollen. Wir haben im Jahr 2015 35.000 Menschen hier in Schleswig-Holstein aufgenommen. Das war in einem Jahr. Ich glaube, dass unsere Kommunen sehr wohl in der Lage sind - da mache ich mir, ehrlich gesagt, nicht ganz so viele Probleme, wie sie hier schon angesprochen worden sind -, Lösungen in Schleswig-Holstein zu finden. Ich denke, dass unser Hauptproblem eher darin liegen wird, dass wir sehr schnell Klarheit in Berlin brauchen. Da haben Sie unsere vollste Unterstützung. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Abgeordnete Aminata Touré.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden in Schleswig-Holstein 500 Personen aufnehmen. Wir müssen uns da nichts vormachen: Wir werden es auch mit Frauen und Kindern zu tun haben, die die schlimmsten Erfahrungen gemacht haben, die Traumatisierungen zur Folge haben. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Menschen bestmöglich zu versorgen und für ihre erfolgreiche Ankunft und Einbindung in unsere Gesellschaft zu kämpfen. Es wird für das Gelingen des Resettlement-Programms entscheidend sein, dass die aufnehmenden Kommunen gut vorbereitet sind. Ich bin - ähnlich wie du - sehr beeindruckt davon, wie viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker auf mich zukommen und fragen, ob man sich als

(Serpil Midyatli)

Kommune freiwillig melden kann, Menschen über das Programm aufzunehmen, oder aber auch Menschen aufzunehmen, die in Seenot geraten sind und die bestimmte Nationalstaaten nicht bereit sind, aufzunehmen, und in Kauf genommen wird, dass die Menschen im Mittelmeer sterben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb beeindrucken mich entsprechende Signale aus den Kommunen. Das ist in diesen Tagen nicht selbstverständlich. Es macht mir deutlich, dass die humanitäre Haltung unseres Bundeslandes nicht nur eine Entscheidung politischer Amtsträgerinnen und Amtsträger ist, sondern dass diese auch von den Menschen vor Ort begründet und getragen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leisten im Vergleich zu den weltweiten Flüchtlingszahlen natürlich nur einen kleinen Beitrag, den man in Prozenten gar nicht ausmachen kann. Denn man muss sich vor Augen führen, dass 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Entgegen der gefühlten Wahrheit sind die meisten Menschen nicht in Europa oder womöglich in Deutschland auf der Flucht, sondern zu 85 % in Nachbarstaaten des globalen Südens. 44.000 Menschen - das sind mehr als die Hälfte in meiner Heimatstadt Neumünster - fliehen tagtäglich vor Krieg und Verfolgung. Diese Zahlen machen deutlich, dass die internationale Staatengemeinschaft in der Pflicht ist, dieses Leid zu mindern. Deshalb ist es absolut notwendig, dass wir als Bundesrepublik dem UN-Migrationspakt zustimmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt FDP und SSW)

Die Lösung ist natürlich nicht, dass die Angelegenheit ausschließlich über Resettlement-Programme laufen kann; vielmehr müssen die Ursachen im Kern bekämpft werden. Aber es kann eben auch eine bequeme Antwort sein, dass sich Staaten wie Dänemark, Österreich und die Vereinigten Staaten von Amerika aus der Verantwortung ziehen und sagen: Wir nehmen erst dann wieder auf, wenn die Flucht- und Migrationspolitik grundsätzlich geklärt sind. Das ist aber keine Antwort auf die akute Situation, auf die realen Lebensbedingungen von Menschen auf der Flucht. Weil sich entscheidende Partner aus dem Resettlement-Programm herausziehen, weiß ich, dass die Hilfsorganisationen, wie die des UNHCR, den Beitrag Schleswig-Holsteins wohlgemerkt als Bundesland - sehr begrüßen.

Lassen Sie mich noch eines sagen: Ich weiß, dass viele Menschen zu Recht davon genervt sind, dass sich die wahrnehmbaren Debatten in der Politik für

eine lange Zeit ausschließlich um die Flüchtlingspolitik gedreht haben, dass die Bundesrepublik an diesem Thema fast zerbrochen ist, dass man den Eindruck gewinnt, dass für andere Themen weder Raum noch Zeit ist. Aber das Problem ist eigentlich, dass die Fluchtdebatte in weiten Teilen mit der falschen Ausrichtung geführt wurde und dass sie dadurch vor allem den Rechten in dieser Republik geholfen hat. Dadurch sind andere Debatten und Dinge in der Öffentlichkeit schlichtweg untergegangen.

Oft wird die Debatte auch geführt, um von anderen Themen abzulenken. Dadurch ist das Potenzial zur politischen Spaltung der Gesellschaft gegeben, und man kann von politischen Fehlentscheidungen in anderen Bereichen ablenken. Das funktioniert überall - sei es in Deutschland, in anderen europäischen Staaten, in den USA, in Brasilien. Es funktioniert, und es ist schockierend. Über die Ursachen, weshalb es funktioniert, mit der Einwanderung so dermaßen Stimmung zu machen, müssen wir als Gesellschaft eine dringende Debatte führen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Debatte, um die es eigentlich geht, dreht sich schon lange nicht mehr um die sachpolitischen Fragen der Flüchtlingspolitik. Es geht vielmehr um die Frage, wohin wir uns als Gesellschaft bewegen, welche Grundwerte wir teilen, was wir als Konsens verstehen und ob wir uns zu allen europäischen oder in international geschlossenen Verträgen erwähnten Grundwerten bekennen, oder ob wir das nur dann tun, wenn wir davon monetär profitieren. Deshalb müssen wir diese Debatten führen, am besten nicht unter dem Deckmantel der Flüchtlingspolitik, sondern über jede einzelne Frage als solche.

Resettlement-Programme sind Wege eines gesicherten und geordneten Verfahrens, über die wir seit Jahren sprechen, und die wir uns doch eigentlich am meisten wünschen. Diese Wege stehen uns offen. Organisationen wie der UNHCR und IOM, die die Auswahl vor Ort in Zusammenarbeit mit Staaten - oder in unserem Fall mit einem Bundesland - organisieren, sind vorhanden. Es mangelt auf vielen Ebenen nur an der politischen Bereitschaft. Deshalb ist es ein immens wichtiges Zeichen, eine Aufnahmebereitschaft zu signalisieren und deutlich zu machen, dass man sich nicht aus der Verantwortung herauszieht - so, wie wir es hier in SchleswigHolstein machen. Deshalb bin ich sehr stolz, dass wir dieses Programm auf den Weg bringen. - Vielen Dank.

(Aminata Touré)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke dem Innenminister für seinen Bericht zum Landesaufnahmeprogramm, das nun auf den Weg gebracht ist. Angesichts des Elends und der Nöte, die Millionen von Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen, ist es für mich außerordentlich wichtig, dass Schleswig-Holstein mit dem Landesaufnahmeprogramm mit einem guten Beispiel vorangeht und einen Beitrag leistet, der über das hinausgeht, was auf EU-Ebene vereinbart ist.

(Vereinzelter Beifall FDP)

AfD und Rechtspopulisten werden in diesem Land nicht verhindern, dass wir besonders schutzbedürftigen Menschen wenigstens in bescheidenem Ausmaß Hilfe gewähren und diese Menschen in unserem Land aufnehmen - das sei hier auch betont.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Richtig ist, dass wir unser Landesaufnahmeprogramm in das EU-Resettlement-Programm einbetten. Ich will an dieser Stelle nicht auf den Hinweis verzichten, dass das Landesaufnahmeprogramm kein Resettlement im engeren Sinne ist, also keine Neuansiedlung ist, durch die ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland begründet wird. Wir bieten mit unserem Programm humanitäre Aufnahmen an, mit der für die Dauer der Schutzbedürftigkeit ein vorübergehender Schutz in diesem Land gewährt wird.

Dieser Unterschied hat seine Ursache im Bundesrecht, da Neuansiedlungen auf Landesebene rechtlich nicht möglich sind. Zwar bezeichnet die EU selbst ihr Programm als Resettlement-Programm; Tatsache ist aber - das haben unsere Nachforschungen dann am Ende ergeben -, dass es sich bei der überwiegenden Anzahl von Menschen, die im Rahmen des EU-Resettlement-Programms in Europa aufgenommen werden, um humanitäre Aufnahmen und nicht um Neuansiedlungen handelt.

Viel entscheidender - das ist die zweite Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen -, ist die Frage,

welche Menschen wir in unserem Land, in Schleswig-Holstein, aufnehmen wollen. Das wird in jedem Einzelfall, den wir dort zu behandeln haben, eine außerordentlich schwere Entscheidung werden, die für den einzelnen Menschen, der in die Auswahl kommt, existenziell ist. Deshalb bin ich dankbar, dass wir hier vom UNHCR in diesem Prozess unterstützt werden und das Innenministerium die Hilfe des UNHCR annimmt. Das EU-ResettlementProgramm sollte schwerpunktmäßig Flüchtlingen in Syrien, Äthiopien, Ägypten und Niger helfen. Dort ist die Flüchtlingssituation nach wie vor am schwierigsten, und Hilfsmaßnahmen haben besonders hohe Priorität. So ist die Einschätzung des UNHCR.

Ich habe mit der Vertreterin vom UNHCR im Sommer die Frage erörtert, welche Regionen für Schleswig-Holstein in Betracht kommen würden, aus denen wir Menschen aus ihrer Not helfen wollen. Die Antwort kam am Ende schnell, und die Begründung war einleuchtend. Mit unserem Programm - so die Bitte des UNHCR - sollten wir insbesondere in Ägypten und Äthiopien gestrandeten, besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen helfen. Für diese beiden Regionen sprächen zwei Gründe, die ich hier kurz erwähnen möchte.

Zum einen ist der administrative Aufwand verhältnismäßig gering. Aufgrund der diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland, aber auch der Behörden in diesen Ländern vor Ort und aufgrund früherer Hilfsprogramme sind die Erfahrungen außerordentlich gut, sodass ein geringer administrativer Aufwand erwartet wird. Zum anderen sei aber gerade auch in Afrika ein besonders starker Handlungsdruck festzustellen, weil sich die Vereinigten Staaten unter der Trump-Administration in den letzten Monaten massiv aus der Flüchtlingshilfe zurückgezogen haben und davon insbesondere Flüchtlinge in Afrika betroffen sind.

Aus diesem Grund befürworte ich, dass wir unser Augenmerk auf besonders schutzbedürftige Menschen lenken, die in Ägypten und Äthiopien gestrandet sind.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Es freut mich deshalb sehr, dass die Landesregierung der Empfehlung des UNHCR insoweit gefolgt ist und sich die Aufnahme hier auf die Menschen in Ägypten und Äthiopien konzentrieren wird.

Wir bitten das Innenministerium, weil wir uns bei der Entwicklung des Landesprogramms eingebracht haben, uns in regelmäßigen Abständen über den Fortschritt dieses Programms zu unterrichten. Ich

(Aminata Touré)

kann Ihnen versichern, dass die migrationspolitischen Sprecher der Regierungsparteien dieses Programm aktiv unterstützen werden, wo und wann immer das vonseiten des Ministeriums gewünscht ist. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, bevor wir zum nächsten Redner kommen, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags unsere ehemalige Kollegin Herlich-Marie TodsenReese und den Vertreten des Beauftragten für Flüchtlings-, Asylund Zuwanderungsfragen, Herrn Torsten Döhring. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Im letzten Plenum vor der Sommerpause haben Sie uns das Landesaufnahmeprogramm beschert, zu dem uns jetzt ein Bericht der Landesregierung vorliegt. Im Sommer gab dieses vor, besonders schutzbedürftigen Personen den erforderlichen Schutz gewähren zu wollen. Sie setzen nun eine EU-Migrationspolitik um, die mit dem Begriff des EU-Resettlement-Programms den Schutzgedanken tatsächlich marginalisiert. Das Resettlement-Programm nennt Kriterien für die Einstufung in diesem Sinne, und nur ein Teil dieser Kriterien beschreibt tatsächlich auch eine akute Schutzbedürftigkeit.

Beinah ein halbes Jahr später ist in der Frage der Schutzgewährung nicht ein einziger konkreter Schritt unternommen worden. Niemand der in besonderem Maße Schutzbedürftigen - keine Frau und kein Kind - ist seither in den Genuss von Schutz gekommen.

Es geht dabei nicht wirklich um den Schutz von Menschen, denn Sie wissen nicht einmal, wem genau und aus welchem Grund Sie Schutz gewähren wollen. Diese Fragen sind allesamt noch offen. Dass wir uns da bitte nicht falsch verstehen: Die AfD will und wird Schutz gewähren,