Protocol of the Session on September 5, 2018

Wir sind schon der Lohnkeller der westlichen Bundesländer, und CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen das noch verstärken. Schlimmer geht es nicht, meine Damen und Herren.

Was die Menschen brauchen, sind Sicherheit und Planbarkeit auch im Arbeitsleben. Wenn es aber in Zukunft unmöglich gemacht werden soll, dass in einer Ausschreibung die Übernahme von Personal eingefordert werden kann, dann haben die Mitarbeiter schlechte Karten. Öffentliche Aufgaben werden regelmäßig immer wieder ausgeschrieben, und damit stehen die Mitarbeiter immer wieder vor dem Totalverlust ihrer Existenz, wenn die Übernahmemöglichkeit nicht festgeschrieben bleibt. Die Leute, die für den Staat Aufträge ausführen, sollen in Zukunft in einer prekären Situation verbleiben, damit man Löhne immer weiter drücken kann. Der Staat entledigt sich somit der Aufgaben und fördert so Lohndumping und Perspektivlosigkeit. So funktioniert Jamaika-Politik, aber bitte nicht mit uns!

Die soziale Absicherung von Mitarbeitern ist der Landesregierung und den Koalitionären egal. Es ist aber auch erstaunlich, dass dem grünen Regierungspartner sogar Umweltstandards egal sind. Bisher sind diese vorgeschrieben. In Zukunft sollen diese

nur noch erfüllt werden, wenn man Lust dazu hat. Die Grünen übernehmen damit die Argumentation, dass das Einhalten von Umweltstandards Bürokratie ist. Das lässt tief blicken, und ich sage Ihnen ganz klar: Das ist nicht die Umweltpolitik, die wir als SSW vertreten.

Das Tariftreuegesetz hat eine kluge Regelung. Man kann ein Präqualifikationsverfahren durchlaufen und dann immer wieder ganz einfach mit der entsprechenden Bescheinigung die Einhaltung von Umweltstandards nachweisen. Das geht also ganz einfach und ohne große und überbordende Demokratie, liebe Grüne. Das hätte man auch beibehalten können.

Das Vergaberecht muss eigentlich nur drei Kriterien erfüllen: Es muss wirtschaftlich sinnvoll sein das geht nur durch fairen Wettbewerb und nicht durch Lohndumping -, es muss sozial gerecht sein das geht nur mit Perspektiven für die betroffenen Mitarbeiter -, und es muss nachhaltig sein - das geht nur durch verbindliche Umweltstandards. All das fehlt im Gesetzentwurf der Landesregierung völlig. Daher ist es gut, dass es durch den Änderungsantrag des SSW eine Alternative zu diesem Gesetzentwurf gibt.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Aber gern.

Vielen Dank, Herr Kollege Harms. - Wenn Sie gestatten, habe ich sogar zwei Fragen. Die erste Frage betrifft die Übernahmen. Das habe ich nicht ganz verstanden. Sie fordern jetzt, dass bei einem Wechsel eine verpflichtende Übernahme der Beschäftigten stattfinden muss. Ich frage mich, warum dies unter Rot-Grün-Blau nicht in das Gesetz reingeschrieben wurde. Welcher der drei Koalitionspartner hat das damals verhindert? Das würde mich interessieren.

Die zweite Frage: Sie sprechen sich dafür aus, weiterhin alles Mögliche an Standards verbindlich in das Gesetz zu schreiben. Das kann man so sehen. Die spannende Frage ist nur: Warum haben Sie Kontrollen nicht sichergestellt, denn es macht ja wenig Sinn, Dinge verbindlich festzuschreiben, wobei

(Lars Harms)

diejenigen, die sich daran halten, im Zweifel die Dummen sind, weil dies nicht kontrolliert wird? Warum haben Sie dies nicht in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen?

- Zur ersten Frage, lieber Kollege. Es war auch schon in der alten Koalition unsere Haltung, dass man das eigentlich festschreiben müsste. Es hat allerdings auch in unserer Koalition einen Kompromiss gegeben, der dazu geführt hat, dass wir es den Kommunen jeweils freigestellt haben, dies einzufordern. Das haben zumindest in Nordfriesland auch relativ viele Kommunen gemacht. Dabei sind wir gleich bei der Frage der Kontrolle.

Das Gesetz ist so ausgerichtet, dass der Auftraggeber dies zu kontrollieren hat, sofern er sieht oder den Verdacht hat, dass da etwas schiefläuft. Wir wollten ja gerade keine überbordende Bürokratie, sondern wir haben gesagt: Es muss nicht jeder Mist kontrolliert werden, sondern es muss nur dann kontrolliert werden, wenn man einen Verdacht hat. Das tun die Auftraggeber dann auch. Das sind die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben. Die Auftraggeber haben das gemacht und dann entsprechend gehandelt.

Zu Ihrem Argument, jetzt werde Bürokratie abgebaut: Die gab es vorher schon nicht. Das ist kein bürokratisches Verfahren, das ist kein bürokratisches Gesetz. Insofern glaube ich, dass es wirklich Sinn macht, dieses Gesetz weiterzuführen.

(Beifall SSW und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ein letzter Punkt: Der Minister fragte vorhin: Wie können Sie auf dieses Gesetz stolz sein? - Ja, Herr Minister, ich bin tatsächlich stolz auf dieses Gesetz. Das hat auch seinen Grund, weil viele Arbeitnehmer und ihre Familien durch dieses Gesetz hier eine Zukunft hatten und tatsächlich ihren sozialen Standard und ihren Lebensstandard haben halten können. Ich kenne diese Menschen. Ich habe sie kennengelernt, ich habe mit ihnen gesprochen, und es macht mich persönlich glücklich, dass ich durch meine politische Tätigkeit mit habe dazu beitragen können, dass die eine oder andere Familie tatsächlich hier eine Zukunft hatte,

(Befall SSW und SPD)

dass sie hier ihr Häuschen bauen konnte, dass sie hier leben konnte, dass sie hier ehrenamtlich tätig werden konnte, weil ihre Mitglieder nicht arbeitslos wurden. Ich glaube, das ist schon etwas, worauf man stolz sein kann.

Ich sage ganz ehrlich: Ich bin auch stolz darauf, dass es mir und vielen anderen, die dieses Gesetz

mitgetragen haben, gelungen ist, auch kleine und mittelständische Unternehmen auf eine Basis zu stellen, sodass sie eine Chance hatten, in einem fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu konkurrieren. Das wird jetzt wieder abgeschafft, und das ist die reine Katastrophe für diese Unternehmen. Die kleinen und mittleren Unternehmen müssen die Tarife bezahlen. Die großen können sich die Leute auch von außen holen und zu Billigtarifen hierherschleppen. Das ist eigentlich nicht das, was eine Landesregierung vorantreiben sollte. Das Tariftreuegesetz muss erhalten werden. Das ist die einzige Lösung.

(Beifall SSW und SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch schnell eine Zwischenfrage? - Gut.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 19/861 sowie den Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/886 an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Religionsfreiheit an öffentlichen Schulen sicherstellen

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/877

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für den SSW Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich ist die Frage des Religionsunterrichts ja ziemlich klar in unserem Schulgesetz geregelt. Die Teilnahme am Religionsunterricht in Schleswig-Holstein ist freigestellt. Ab 14 Jahren können sich Jugendliche abmelden, bei jüngeren Kindern können das die Eltern für sie übernehmen. Damit soll natürlich keine Freistunde entstehen, sondern Kinder und Jugendliche sollten stattdessen an einem gleichwertigen Unterricht teil

(Lars Harms)

nehmen können. In unserem Bundesland ist das der Philosophieunterricht.

Weil wir von verschiedenen Stellen angesprochen worden sind, dass dem nicht so ist, haben wir uns als SSW mir unserer Kleinen Anfrage an das Bildungsministerium gewandt. Wir wollten wissen, an wie vielen öffentlichen Schulen und für wie viele Schülerinnen und Schüler evangelischer, katholischer, jüdischer, muslimischer oder anderweitiger Religionsunterricht erteilt wird.

Wir wollten wissen, an wie vielen öffentlichen Schulen und für wie viele Schülerinnen und Schüler anstelle des Religionsunterrichts gleichwertiger Unterricht in der gleichen Klassenstufe erteilt wird. Um alle möglichen Eventualitäten mit in das Gesamtbild der Situation aufnehmen zu können, fragten wir schließlich nach der Erteilung nicht gleichwertigen Unterrichts in anderen Fächern und nach Fällen, in denen die Beschulung komplett anderweitig gelöst wird.

Durch die Antworten der Landesregierung wissen wir jetzt: Die meisten von uns erfragten Daten werden nicht erhoben, und was nicht erhoben wird, stellt sich nicht als Problem für die Landesregierung dar. Dabei ist das Missverhältnis ja ganz offensichtlich: Wenn an 715 öffentlichen allgemeinbildenden Schulen und beruflichen Gymnasien evangelischer Religionsunterricht erteilt wird, aber nur an 314 Schulen anderer gleichwertiger Unterricht, würde ich jetzt erst einmal die Vermutung wagen, dass es auch an den andern 401 Schulen Schülerinnen und Schüler geben wird, die lieber Philosophie- als Religionsunterricht hätten. Aber aus welchen Gründen auch immer wird dieser eben nicht erteilt.

Fakt ist, an unseren Schulen wird Philosophieunterricht nicht im vorgeschriebenen Umfang angeboten, obwohl das im Schulgesetz so festgeschrieben ist. Damit gibt es auch keine echte Wahlfreiheit gegenüber dem Fach Religion. Wir sind der Meinung, dass es ein Fehler ist, den Philosophieunterricht stiefmütterlich zu behandeln. Wir sollten ihn hier nicht nur als Ersatz des Religionsunterrichts besprechen, sondern müssen ihn würdigen als das schwierige Fach, die Schule des Denkens, das es ist.

Uns ist in persönlichen Gesprächen auch zu Ohren gekommen, dass sich Eltern zieren, das Recht ihrer Kinder auf Philosophieunterricht einzufordern, weil sie nicht diejenigen sein wollen, die für den Extraaufwand sorgen. Das ärgert einen dann doch zu hören, dass scheinbar eine Art Gruppenzwang auf den Eltern oder Kindern liegt, der sie in ihrer Entschei

dungsfreiheit eingrenzt. Vom Landeselternbeirat der Gemeinschaftsschulen wissen wir, dass viele Eltern direkt an den Schulleitungen, die keinen Bedarf sehen oder sehen wollen, Philosophieunterricht anzubieten, scheitern.

Für uns gehört die freie Wahl beim Religions- oder Philosophieunterricht nun einmal auch zur Religionsfreiheit und damit zu nicht weniger als einem Grundrecht. Das macht es für uns durchaus zu einem ernst zu nehmenden Thema.

Deshalb fordern wir jetzt die Landesregierung auf sicherzustellen, dass ab dem Schuljahr 2019/2020 in jeder öffentlichen Schule, in der Religionsunterricht erteilt wird, parallel auch Unterricht in Philosophie als gleichwertiger Unterricht angeboten wird und dass in den Schulen rechtzeitig auf die Wahlfreiheit zwischen Besuch des Religions- und des Philosophieunterrichts hingewiesen wird. Deshalb haben wir auch Abstimmung in der Sache beantragt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW und SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Tobias Loose das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Antrag das erste Mal gelesen habe, ist mir die Zielrichtung nicht ganz klar gewesen. Ich muss zugeben, dass Ihr Redebeitrag mir das Problem, das Sie in dieser Situation sehen, deutlicher gemacht hat. Allerdings sage ich an dieser Stelle, dass die Überschrift Ihres Antrages „Religionsfreiheit“ aus meiner Sicht falsch gewählt ist, da es in Ihrem Antrag im Wesentlichen um den Ersatzunterricht geht, den der SSW hier zum Thema macht. Ich finde es schon wichtig, dass wir im Grundsatz unterscheiden. Das eine ist der Religionsunterricht, das andere ist Ersatzunterricht, bei uns in der Regel Philosophie.

Religionsunterricht ist durch das Grundgesetz geschützt und - das ist der wesentliche Unterschied „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften zu erteilen“. Es ist kein staatlicher Unterricht, der allein durch eine Landesverwaltung oder durch Abstimmungsprozesse entsteht, sondern es ist ein ganz wesentliches Element, dass die Religionsgemeinschaften daran beteiligt werden.

(Jette Waldinger-Thiering)

Für die CDU-Fraktion will ich an dieser Stelle einmal klarstellen, dass wir für den konfessionsgebundenen Religionsunterricht in Schleswig-Holstein sind. Für uns ist das der wesentliche Bestandteil der Religionsfreiheit in den Schulen.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

- Ja, ich finde es trotzdem wichtig -

(Zuruf)

- Ich komme gleich darauf zu sprechen.

Das ist für den evangelischen und den katholischen Religionsunterricht bei uns in Schleswig-Holstein sichergestellt, umfassend erprobt und etabliert.