Protocol of the Session on September 5, 2018

Das ist nicht modern. Das ist nicht vorbildlich. Das ist auch nicht gut. Wenn ich mir Ihre Argumentationslinie ansehe, stelle ich mir die Frage: Warum sollen eigentlich große Unternehmen gegenüber kleinen Betrieben bevorzugt werden?

(Dennys Bornhöft [FDP]: Genau!)

Warum stehen Sie hier so für Konzerne ein? Das ist doch eigentlich gar nicht Ihre Linie.

(Lars Harms [SSW]: Warum macht ihr das denn?)

Natürlich sind wir gern an Ihrer Seite, wenn Sie für Arbeitsplätze kämpfen, aber der Mittelstand ist das Rückgrat unserer wirtschaftlichen Gesellschaft.

Herr Hölck, Sie werfen uns hier vor, dass wir für unsere Klientel, für die kleinen Unternehmen, eintreten. Da sage ich: Ja, die kleinen Unternehmen sind unsere Klientel, und für die treten wir gerne ein.

(Beifall FDP und CDU)

Wir haben das Vergaberecht modern, mittelstandsfreundlich und praktikabel gemacht. Wir haben redundante Regelungen aus dem Bundes- oder EURecht aus dem Gesetz herausgenommen. Das schafft Übersichtlichkeit. Den Verwaltungsaufwand haben wir deutlich reduziert, und zwar sowohl auf der Seite der Unternehmen wie auch auf der Seite der Verwaltung. Konkrete Nachweise und Bescheinigungen sind jetzt erst beizubringen, wenn der Auftrag tatsächlich vergeben wird. Das ist attraktiv für die Betriebe, weil kein unnötiger Aufwand betrieben werden muss. Auf die bürokratischen Berichts- und Nachweispflichten zu vergabefremden Kriterien kann verzichtet werden. Hier wurde schon mehrfach ausgeführt: Wir lassen den Vergabekammern hier einen Gestaltungsspielraum. Es passt einfach nicht zu jeder Vergabe, diese Kriterien hier einzufordern. So können nämlich die Ausschreibungen passgenau ausgestaltet werden; das stärkt übrigens auch die Eigenverantwortung vor Ort. Schließlich heben wir den Schwellenwert zum Vergabemindestlohn moderat von 15.000 € auf 20.000 € an. Das könnte man schon fast als Inflationsausgleich bezeichnen.

Sie sehen also: Wir haben uns bei der Weiterentwicklung des TTG in ein mittelstandsfreundliches, modernes Vergabegesetz eng an die Ergebnisse der Evaluation - an die Ergebnisse Ihrer Evaluation gehalten.

Lassen Sie mich noch kurz auf die Argumentation derer eingehen, die nach wie vor an dem alten TTG hängen und nicht wahrhaben wollen, dass dieses Gesetz unpraktikabel, diskriminierend und gescheitert ist. Sie sagen: Das neue Vergaberecht unterwandert die Menschenrechte. - Wahrscheinlich bezieht sich das eher darauf, dass auf die Anforderung von Nachweisen zu ökologischen und sozialen Standards verzichtet werden kann. Das entspricht dem Bundesrecht - das wurde schon mehrfach ausgeführt.

(Kay Richert)

(Zuruf Wolfgang Baasch [SPD])

Es stellt überhaupt keine Verschlechterung zu bestehendem Recht dar. Sie sagen weiterhin - das klang hier eben auch schon an -: Durch Nachunternehmer wird der Mindestlohn unterlaufen. - Das ist schlicht falsch. Das neue Vergabegesetz verpflichtet auch Nachunternehmer, den Mindestlohn einzuhalten. Das gilt übrigens auch für Leiharbeiter.

Sie sagen: Das neue Gesetz schreibt keine Personalübernahmen im ÖPNV vor. Das gefährdet Arbeitsplätze. - Das ist doch auch Unsinn. Das gilt nur im sogenannten Unterschwellenbereich, also bei Ausschreibungen bis zu 221.000 €. Die meisten Verkehrsverträge liegen doch weit darüber.

Schließlich sagen Sie noch: Die Arbeitnehmer in der Personenbeförderung werden hinsichtlich der sogenannten weiteren tariflichen Leistungen beschnitten. - Das ist so eine Sache, die mich in doppelter Hinsicht nachdenklich macht. Es klang eben schon einmal an: Im ersten Entwurf des Vergabegesetzes fehlte dieser Passus tatsächlich. Ich persönlich habe - wie viele andere - Gespräche mit Gewerkschaftsfunktionären geführt und wurde auch darauf hingewiesen. Weil wir - auch andere Kollegen - darauf hingewiesen wurden, haben wir das in den Gesetzentwurf übernommen. Ich persönlich habe das meinen Gesprächspartnern mitgeteilt. Der DGB spricht in seinem Petitionsaufruf davon, dass man fair und ohne Tricks miteinander umgehen und Verantwortung übernehmen soll. Ich finde, fair wäre es gewesen, ehrlich zu sein und auf schrille Polemik zu verzichten. Leider wurde ganz bewusst mit diesem Punkt auch dann noch Stimmung gemacht, als die handelnden Personen bereits wussten, dass die Vorwürfe nicht zutreffen. Das ist alles andere als fair.

(Beifall FDP und CDU)

Auch die Unterstellungen, hier würden Kinderarbeit und Umweltzerstörung auf Kosten der Steuerzahler gefördert, sind doch schamlos. Wer so in die Schmutzkiste greift, muss ganz schön verzweifelt sein.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Für mich persönlich hat dieses Unehrlichsein - das muss ich ehrlich sagen - Kratzer auf dem Image des ehrlichen Vertreters des Arbeitnehmers hinterlassen. Trotzdem: Meinem Verständnis nach sind die Gewerkschaften für uns auch weiterhin ein wichtiger Ansprechpartner in allen Belangen der Arbeit.

(Widerspruch SPD)

Es wäre schön, wenn Sie diese Konfrontation aufgäben und zu einem Miteinander zurückkehrten. Wir haben ja bereits gezeigt, dass wir zum Dialog fähig und bereit sind. Es wäre schön, wenn Sie das auch zeigten.

Mit dem Antrag des SSW - um darauf noch einzugehen - sollen die Uhren rückwärts gedreht und das alte, gescheiterte Vergaberecht irgendwie doch noch gerettet werden. Das kann man nur ablehnen. Wir haben das TTG überwunden und ein modernes, anwenderfreundliches und mittelstandsfreundliches Vergabegesetz geschaffen. Das möchten wir auch gern weiterhin so durchziehen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Durchziehen möch- ten Sie das! - Wolfgang Baasch [SPD]: Durchziehen!)

Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall FDP und CDU)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte verbliebene Gäste! Der Mittelstand brummt. Ja, die Auftragsbücher sind voll zum Glück -, aber viele kleine und mittlere Unternehmer in unserem Land stöhnen und ächzen auch, denn statt sich um ihre Kunden und deren Wünsche zu kümmern, müssen sie wertvolle Zeit für die Demokratie opfern, die durch überbordende EU-Bestimmungen und aufgeblähte Verordnungen über die Jahre zu einem wahren Monster aufgewachsen ist. Vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit, dass der Gesetzgeber das Vergaberecht in Schleswig-Holstein endlich mittelstandsfreundlicher gestaltet.

Auch wir betrachten den Mittelstand als wesentliches Element unserer gesamtwirtschaftlichen Ordnung. Der konsequente Bürokratieabbau muss daher ein vordringliches Ziel jeglicher Wirtschaftspolitik sein. Vor diesem Hintergrund ist bereits der weitgehende Verzicht des Gesetzentwurfs auf redundante und rein deklaratorische Regelungen sinnvoll, denn hierzu enthalten bereits das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge und die VOB, also die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, entsprechende Vorgaben. Das muss also nicht noch einmal geregelt werden. Ebenso konse

(Kay Richert)

quent ist es daher, wenn im neuen Vergabegesetz auf die Verfahrensregelungen der VOB und der Unterschwellenvergabeordnung verwiesen wird.

Wir unterstützen, dass der vorgelegte Gesetzentwurf am Vergabemindestlohn festhält. Die AfD befürwortet grundsätzlich gesetzliche Mindestlöhne als wichtiges Korrektiv der sozialen Marktwirtschaft, um die Position von Niedriglohnempfängern zu schützen. Von Lohndumping, sehr geehrter Herr Hölck, haben wir nichts gelesen.

Zugunsten der Wahrung mittelständischer Interessen ist das Gebot der Losaufteilung hervorzuheben, besonders aber die in § 2 des Gesetzentwurfs vorgesehene Regelung, im Vergabeverfahren von den Unternehmen als eignungsbezogene Unterlagen grundsätzlich nur Eigenerklärungen zu verlangen. Es ist ein ganz wichtiger Fortschritt, wenn weitere Nachweise, besonders die Beschaffung von Bescheinigungen von Drittfirmen, nur von dem für den konkreten Zuschlag vorgesehenen Bieter eingefordert werden - ein wichtiger Schritt zur Verschlankung.

Auch die Voraussetzungen für eine effektive länderübergreifende Zusammenarbeit sind nun gegeben, nachdem im Gesetzentwurf für anwendbar erklärte Unterschwellenvergabeverordnungen zwischen Bund und Ländern abgestimmt worden sind. Hier haben wichtige Anregungen der schleswigholsteinischen Wirtschaft Berücksichtigung gefunden. Die IHK und die Handwerkskammern haben dazu ausführlich Stellung genommen. Die Reaktion war positiv.

Der Verzicht auf den Nachweis vergabefremder Aspekte sorgt dafür, dass bürokratische Hürden abgebaut werden, die vielen Unternehmen den Zugang zu Aufträgen in der Vergangenheit erschwert haben. In der Sache ist es daher konsequent, wenn mit dem Inkrafttreten des neuen Vergabegesetzes das bisherige Tariftreue- und Vergabegesetz aufgehoben wird.

Der parallel vom SSW eingereichte Gesetzentwurf kann uns nicht überzeugen, da er praktisch auf die Fortgeltung eines nur punktuell abgeänderten Tariftreue- und Vergabegesetzes abzielt. Dem können wir leider nicht folgen. Wir unterstützen den Gesetzentwurf der Landesregierung und freuen uns auf die Beratung im Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Liebe Kollegen, bitte begrüßen Sie mit mir auf unserer Besuchertribüne ehemalige Kommunalpolitiker aus Gettorf. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Vorsitzende Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute beraten wir einen für die Betroffenen wirklich fatalen Gesetzentwurf der Landesregierung. Es geht darum, den Schutz für Arbeitnehmer auszuhöhlen und gleichzeitig kleine und mittlere Betriebe einer Dumpingkonkurrenz von Großunternehmen auszusetzen.

(Widerspruch CDU und FDP)

Damit gefährden Sie als Jamaika den Standort Schleswig-Holstein, und deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf der Landesregierung ab.

(Beifall SSW und SPD)

Es hört sich schön an, wenn das Einhalten von Tarifen für Busfahrer und Zugführer noch gelten soll. Was ist aber mit all denen, die in anderen Bereichen arbeiten, die nicht abgesichert werden sollen? Sehen wir uns beispielsweise die Abfallwirtschaft an. Die Einhaltung der Tarife soll dort nicht Vergabekriterium sein.

Was bedeutet das? Der bundesweite Tarifvertrag für die Abfallwirtschaft ist seit 1. April 2017 abgelaufen. Zu einer Verständigung der Tarifparteien auf eine Nachfolgeversion kam es bislang nicht. Das heißt, es entstehen unterschiedliche Tarife, und es ist auch möglich, außertariflich Mitarbeiter einzustellen. Zwar entfaltet der bisherige Tarifvertrag eine Nachwirkung, diese gilt jedoch nur für Arbeitsverhältnisse, die schon während der Gültigkeit des alten Tarifvertrags bestanden, also vor dem 1. April 2017. Für Neueinstellungen und neue Vergaben mit neuen Arbeitsverträgen dagegen gilt bei uns dann nur noch der Vergabemindestlohn von eingefrorenen 9,99 €. Das heißt, deutsche Anbieter können bei Ausschreibungen Angebote zu extrem niedrigen Tarifen abgeben und damit den bestehenden Lohn, beispielsweise bei Fahrern in der privaten Abfallwirtschaft 14,14 € in der Stunde, extrem unterbieten. Damit ist klar, wer in Zukunft dank Jamaika seinen Arbeitsplatz verlieren wird.

(Beifall SSW und SPD)

(Volker Schnurrbusch)

Meine Damen und Herren, um dem Minister gleich zu antworten: Das bedeutet auch, dass Aufträge vor allem an Großunternehmen südlich der Elbe vergeben werden, weil unsere Unternehmen immer noch ihre abgeschlossenen Tarife einhalten müssen, die anderen Unternehmen südlich der Elbe aber möglicherweise nicht mehr, wenn sie andere Tarife haben. Das ist natürlich eine riesige Katastrophe, wenn diese hier anbieten, womöglich noch mit außerbetrieblich Beschäftigten. Dann haben unsere Mitarbeiter und ihre Familien hier ein richtiges Problem, meine Damen und Herren.

Nach unserer Auffassung ist es nicht Aufgabe der Politik, Lohndumping zu fördern. Aber genau das tut diese Koalition. Wir wollen Arbeitsplätze und Betriebe sichern und ihnen faire Chancen einräumen. Deshalb gibt es das Tariftreuegesetz, das Jamaika jetzt abschaffen will. Deshalb schlagen wir in unserem Änderungsantrag vor, das Tariftreuegesetz noch zu verbessern, statt es abzuschaffen, denn es ist doch aberwitzig, dass hiesige Betriebe an Tarife gebunden sind und dass Betriebe aus dem EUAusland aufgrund der EU-Entsenderichtlinie ebenfalls an unsere Tarife gebunden sind, Jamaika aber jetzt diese Bindung bei Anbietern aus Deutschland abschaffen will.

(Beifall SSW und SPD)

Wir sind schon der Lohnkeller der westlichen Bundesländer, und CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen das noch verstärken. Schlimmer geht es nicht, meine Damen und Herren.