Protocol of the Session on April 25, 2018

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Ja, gern.

Ich wollte nur wissen, wie weit wir von einer beitragsfreien Kita entfernt sind. Wir müssen also damit rechnen, dass die vielen Millionen, die durch Jamaika ins System gegeben werden, immer noch Kita-Beiträge mit sich führen. Das wollte ich nur einmal gehört haben. - Vielen Dank.

- Ich knüpfe gern daran an; das passt zu meinem Redebeitrag. Im Gegensatz zu einigen anderen haben wir nie versprochen, dass die Beitragsfreiheit in dieser Legislaturperiode kommen wird. Wir haben sie als langfristiges Ziel, wenn die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind, im Blick; dazu stehen wir.

Ich finde es schade, dass Sie nicht honorieren wollen, dass wir uns erstmalig damit auseinandersetzen, dass die an der Finanzierung Beteiligten verabreden, wer in welcher Höhe, wer in welchem Umfang für etwas zuständig ist. Man könnte ja sagen, dass in der bisherigen Regelung durchaus benannt ist, wer sich beteiligt. Der Bund gibt etwas dazu, das Land, die Kreise, die Standortgemeinden, es sollen auch die Träger etwas dazugeben, und es gibt die Elternbeiträge. Der Fehler an der Sache ist aber, dass wir keine prozentuale Festlegung haben, dass wir keine Summen genannt haben, sondern dass alles einfach Entscheidungs- und Verhandlungsprozesse sind. Was daraus geworden ist, hat unter anderem Herr Potten, der schon sehr viele Jahre an der Thematik arbeitet, erlebt, und er hat immer wieder angemahnt, dass das so nicht wirklich funktioniert.

(Anita Klahn)

Kommunen sind in einer Notsituation gewesen. Sie hatten zu wenig Geld, sie haben viele verpflichtende Aufgaben. Sie haben keine andere Chance, als Elternbeiträge zu erhöhen, um das Ganze zu finanzieren. Wir wollen das ändern. Wir gehen da ran. Wir entlasten die Kommunen, wir entlasten die Eltern, und wir sorgen dafür, dass die Qualität in den Kitas zumindest fürs Erste stabilisiert wird, danach aber auch relativ schnell verbessert wird.

Ich weiß von dem Wunsch der Landeselternvertretung, dass sie die Gruppengrößen verändern wollen. Sie möchten gern die zusätzliche volle zweite Kraft in der Gruppe haben. Wir müssen darüber sprechen, wie das zu finanzieren ist. Auch das ist ein Schritt in dem Reformprozess.

Wir werden darüber sprechen müssen, inwieweit wir Verfügungszeiten konkretisieren. Auch insoweit gibt es nur eine Regelung und einen Wert - aus einer Berechnungsgrundlage des Landesrechnungshofs als angenommener Wert -, der aber nirgendwo wirklich verankert ist und der bei der Personalbemessung auch nicht berücksichtigt wird.

Wir wissen um die Problematik des Fachkräftemangels. Auch das ist heute schon einmal angesprochen worden. Wir wissen auch, dass eine Reihe von Erzieherinnen und Erziehern in den nächsten Jahren in Rente gehen werden. Auch dafür brauchen wir Ersatz. Es bringt uns wirklich nicht weiter, wenn wir Kita schlechtreden und sagen, die Arbeitsbedingungen seien nicht gut und so weiter. Vielmehr müssen wir dafür werben, dass der Erzieherberuf einer der schönsten Berufe ist, die es gibt; er ist einer der wertvollsten, denn die Erzieher betreuen unsere Kinder und bereiten sie auf die Zukunft vor.

Meine Damen und Herren, der SPD wird das alles nicht passen. Ich finde es spannend, dass Sie einen Antrag vorgelegt haben, der im Prinzip unsere Eckpunkte abgeschrieben hat. Ich bedanke mich insofern dafür, dass Sie uns die Gelegenheit gegeben haben, heute hier darstellen zu können, was wir tun, dass wir den Menschen vertrauen beziehungsweise die Menschen uns vertrauen können, dass wir halten, was wir versprochen haben. Wir bleiben bei unserem ganz klaren Kurs und geben unserem Land eine neue Chance im Bereich der Kita-Finanzierung, im Kita-System auf gute zukunftsfähige Füße zu kommen, die dann auch wieder langfristig tragen können.

Ganz ehrlich: Ich finde, mehr kann man fast nicht erwarten am Beginn der Arbeit einer neuen Landesregierung. Ich verstehe, dass Sie damit nicht wirklich zufrieden sind, zumal Sie selber fünf Jahre Zeit

hatten, dieses aber nicht auf den Weg gebracht haben. Ja, mein Gott, Herr Dr. Stegner, gehen Sie in den Keller, und weinen Sie weiter. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Frank Brodehl das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Eben sagte mir ein Kollege: „Eigentlich ist es doch ganz einfach. Wir wollen alle etwas Ähnliches. Wir brauchen nur mehr Geld.“

Ganz so einfach ist es nicht; denn im Oktober 2017 wurde schon im Sozialausschuss über die Finanzierungsstruktur der Kindergartenstätten informiert. Diejenigen, die dabei waren, wissen, wie komplex dieser Bereich ist. Allein im Teilbereich der Landesmittel existieren sieben Fördererlasse, 13 Regelungsbereiche, 32 Zuweisungskriterien. Der Begriff Wirrwarr ist also wahrlich nicht übertrieben. Das war ja auch ein Grund für die anstehende Reform. Sie dort oben kennen die Erlasse natürlich alle.

Ich brauche die Ausführungen meiner Vorredner nicht alle zu wiederholen; denn die Zahlen und den Dreiklang von Entlastung der Eltern, Steigerung der Qualität und Entlastung der Kommunen haben wir, glaube ich, inzwischen alle verstanden. Wir wissen auch, wie notwendig es ist, dass jetzt etwas passiert. Der Bericht enthält viele gute Ansätze. Wir von der AfD hoffen, dass viele dieser Versprechungen auch umgesetzt werden.

An dieser Stelle auch von uns ein Dank an den Berichterstatter und für die Arbeit, die dahintersteckt.

Mir geht es heute aber um zwei Perspektiven, die bisher nur zum Teil angerissen worden sind, und zwar um die Sicht der Erzieher und um die Sicht der Eltern.

Meine Damen und Herren, zu Beginn des Berichts werden demografischer Wandel, Zuzug von Migranten, verfestigte Armut, Berufstätigkeit beider Elternteile, Schichtarbeit und Auflösung traditioneller Familien hin zu einer „Vielfalt alternativer Familienformen“ als zentrale Bereiche gesellschaftlichen Wandels benannt.

Diese ziehen - so der Bericht weiter - neue Herausforderungen für die Arbeit der institutionellen Kindertagesbetreuung nach sich. Konkret werden dann

(Anita Klahn)

genannt: natürlich gleiche Bildungschancen, Ausgleich von Defiziten bei Sprache, Verhalten, Motorik, Inklusion von Kindern mit Behinderungen und der Umgang mit traumatisierten Flüchtlingskindern.

Ja, meine Damen und Herren, diese Herausforderungen existieren, und selbstredend kommen die on top zu den bisherigen Arbeiten der Erzieher hinzu. Im Bericht werden sie aber kommentarlos als quasi gottgegeben und unabänderlich schlicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen wird konstatiert - ich zitiere noch einmal mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Die Kindertagesbetreuung wird immer mehr - ähnlich wie die Schulen - als ‚Schlüssel‘ zur Lösung gesellschaftlicher Probleme gesehen“. Auch dieser Satz bleibt leider kommentarlos stehen. Deshalb wiederhole ich das: Die Kindertagesbetreuung wird immer mehr als ein Schlüssel zur Lösung gesellschaftlicher Probleme gesehen. Von wem denn? Vom Staat oder von den Eltern? - Nein. Von der SPD? - Herr Stegner, das ist kein Kommentar dazu. Wir sagen: Nein, Kindertagesbetreuung sollte unserer Meinung nach nicht der Schlüssel zur Lösung gesellschaftlicher Probleme sein, und sie kann es auch gar nicht.

Hier hätte man durchaus die Courage aufbringen können, um die Gründe, die ein solches Anspruchsdenken fördern, einmal selbstkritisch zu analysieren. Stattdessen wird aber vor allem mit einer Erhöhung von Anforderung gegenüber denjenigen geantwortet, die künftig die Reform in der Praxis umzusetzen haben.

Im Bericht wird an mehreren Stellen gesagt: Kita und Erzieher müssten sich auf die gestiegenen Anforderungen einstellen. - So einfach ist das eben nicht.

(Zuruf Birgit Herdejürgen [SPD])

- Fragen Sie doch!

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Warum stellen Sie denn keine Fragen? Das können Sie doch machen. Mir geht es im Moment darum, dass das nicht kommentarlos stehenbleibt. Wenn Sie nicht immer dazwischenpöbeln würden, Herr Stegner, dann wären wir schon ein Stück weiter. Was sagt Herr Stegner immer die ganze Zeit? Ich weiß es auch nicht, weil er das immer so vor sich hinbrabbelt. Stellen sie doch einfach eine Frage; das können Sie doch machen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das lohnt sich bei Ihnen nicht! - Volker Schnurrbusch [AfD]: Wie arrogant!)

- Ganz genau. Hören Sie doch erst einmal zu und empören Sie sich nicht immer über etwas, von dem Sie nicht wissen, worauf ich hinaus will.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: So ist es!)

- So, jetzt muss ich erst einmal gucken, wo ich war. - Es wird also immer wieder gesagt, dass sich die Erzieherinnen auf die Anforderungen einstellen sollen. So einfach ist das aber leider nicht. Ja, es ist richtig, Anforderungen zu stellen und auch hohe Anforderung. Aber wo ist denn die Grenze zu Überforderung?

Noch einmal zur Erinnerung: Ich rede jetzt von der Arbeit der Erzieher. Wo ist die Grenze zur Überforderung? Mit dem im Bericht gezeichneten Bild, dass der Kindertagesbetreuung eine kompensatorische Funktion zugeschrieben wird, werden einseitig Kita-Einrichtungen und Erzieher schlicht überfordert. Eine Gesetzesreform, die die wesentlichen Leistungsträger pauschal mit gestiegenen Anforderungen konfrontiert, wird Stückwerk bleiben müssen. Vielleicht wird sie daran sogar scheitern.

Lassen Sie mich jetzt auf die Perspektive der Eltern zu sprechen kommen, vielleicht auch vieler Eltern. Eltern fragen: „Wo bekomme ich einen Kindergartenplatz?“ - „Warum gibt es eigentlich so große Beitragsunterschiede?“ - „Hoffentlich wird es nicht so teuer.“ - „Hoffentlich klappt das mit den Betreuungszeiten.“ - „Hoffentlich bekommt mein Kind gute Erzieher, und hoffentlich fühlt es sich wohl in der Gruppe.“ Einige Eltern fragen auch: „Ist das nicht vielleicht zu früh? Ich würde eigentlich lieber erst später wieder arbeiten gehen.“

Jetzt wird es richtig schwierig, weil es einerseits Wünsche der Eltern gibt, wieder in das Berufs- und Arbeitsleben einzusteigen. Es wird aber auch schwierig, weil es andererseits finanzielle Zwänge gibt, durch die Mütter und Eltern diese Wahlfreiheit eben nicht haben. Diese Freiheit, unabhängig von der finanziellen Lage entscheiden zu können, ob man sein Kind einer Krippe oder einer Kindertagesmutter anvertraut oder ob das Kind zu Hause versorgt werden soll, nimmt immer mehr ab.

Hierzu lassen Sie mich dann doch noch ein oder zwei Zahlen aus dem Bericht nennen: Der Betreuungsbedarf bei den unter Einjährigen liegt bei etwa 2 bis 3 %. Dieser Wert steigt dann im zweiten Lebensjahr auf rund 60 % und im dritten Lebensjahr auf 77 % an.

Beruht diese Nachfrage tatsächlich auf dem guten Angebot, wie der Bericht suggeriert, oder sind vielleicht viel banalere Gründe dafür verantwortlich?

(Dr. Frank Brodehl)

Ja, natürlich: Das Elterngeld wird in der Regel nur für etwa zwölf Monate gezahlt. Und wenn man im Anschluss daran nicht in die Armutsfalle tappen will oder wenn man seiner Familie einmal etwas Besonderes gönnen möchte, zum Beispiel einen Urlaub, dann hat man immer weniger Spielraum, dann hat man keine Wahl mehr. Man gibt sein Kind morgens ab, man geht zur Arbeit, man kommt wieder nach Hause, macht den Haushalt, und abends versuchen dann noch manche Eltern, diese Quality-Time hineinzupressen.

Sie haben das Kind natürlich auch wieder abgeholt. Was für ein Stress! Das ist nicht das, was wir fordern sollen und wollen.

Im Bericht ist auffällig häufig die Rede davon, dass die Kindertagesbetreuung - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis - durch „bedarfsgerechte Angebote flexibel und an die jeweilige Bedarfssituation der Familie angepasst“ werden sollte. Das klingt erst einmal so, als ob tatsächlich die Familie im Mittelpunkt stünde. Häufig genug ist es allerdings so, dass Familie selbst nur reagiert. Reichen die Finanzen nach einem Erziehungsjahr nicht mehr aus, dann muss ja gearbeitet werden. Reicht das Geld noch immer nicht oder man ist alleinerziehend, muss voll gearbeitet werden, und das Kind muss dann fremdbetreut werden. Arbeitet man im Schichtdienst, braucht man Einrichtungen mit entsprechenden Betreuungszeiten. Schließt die Einrichtung während der Ferien, ist man wieder auf der Suche und so weiter. Sind das Wünsche der Familien? - Nein, das sind natürlich keine Wünsche, sondern finanzielle Zwänge. Schwups finden sich die Eltern sich im Hamsterrad wieder.

Nun soll kompensiert - also ausgeglichen - werden, und das, obwohl wir wissen, dass die meisten Eltern - hören Sie gut zu! - zumindest der unter Dreijährigen sich lieber selbst um die Kinder kümmern würden. Das sagt der Mikrozensus 2011 ganz klar. Dabei wissen wir, dass sich diese Entwicklung, die ich eben zu beschreiben versucht habe, weiter beschleunigen und ausweiten wird und man konsequenterweise ganz schnell flächendeckend 24-Stunden-7-Tage-Kitas anbieten müsste. Vielleicht müsste man sogar über eine Kindergartenpflicht nachdenken. Beispiele: Finnland und Frankreich. Vor Kurzem stand in der Presse, dass das auch hier durchaus überlegt wird.

Wir wissen außerdem, dass es ein Widerspruch ist, Erziehungsarbeit, die außerhalb des Elternhauses geleistet wird, als Arbeit zu bezeichnen, wenn aber das Gleiche im Elternhaus stattfindet, sie häufig belächelt, herabgewürdigt wird nach dem Motto:

„Aha, nur Hausfrau“, oder: „nur Hausmann“. - Sie schütteln den Kopf. Ist das nicht so?

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Ne!)

- Ist das anerkannt? - Es ist nicht anerkannt. Genau darum geht es mir.

Wir wissen auch um den Druck, dem vor allem Mütter seitens ihres Arbeitsfeldes ausgeliefert sind: Aha, du bist schwanger, wann kommst du denn wieder? - Ja, das gibt es, nicht in jedem Fall, aber zu häufig.