Protocol of the Session on January 25, 2018

(Beifall AfD)

Das Wort hat für die Abgeordneten des SSW der Kollege Lars Harms.

(Claus Schaffer)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wohnungsnot in einigen Städten und für einzelne Bevölkerungsgruppen ist so groß, dass eine Landtagsdebatte bei Weitem nicht ausreicht, um dem Ganzen auch nur annähernd Rechnung zu tragen. Man könnte hier wahrscheinlich zwanzig Minuten lang sprechen, ohne dabei alle Probleme angesprochen zu haben. Aber, meine Damen und Herren, wir haben auch bereits viel zu lange gesprochen. So viel Selbstkritik muss dann auch sein.

Ich fordere deshalb uns alle auf, als Opposition ebenso wie als Regierungsfraktionen, gemeinsam einen Weg zu finden, um die Kommunen in ihrem Bestreben zu unterstützen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Ich bin darüber hinaus zutiefst davon überzeugt, dass wir in Berlin nur gemeinsam etwas erreichen können, um den vorrangigen Verkauf von Immobilien des Bundes - das sind in der Regel Liegenschaften der Bundeswehr oder auch der Deutschen Bahn - an kommunale Wohnungsbaugesellschaften durchzusetzen. Ich würde sogar so weit gehen, im Zweifelsfall auch privaten Investoren günstige Übernahmen zu ermöglichen, wenn es denn im Sinne der jeweiligen Kommune ist und wenn es dazu führen kann, dass die Wohnungsnot vor Ort gelindert werden kann.

(Beifall SSW)

Das Bundesfinanzministerium will aber nach Möglichkeit einen hohen Preis für die Liegenschaften erzielen, um dem Bundeshaushalt die Erlöse zuführen zu können. In Zeiten der Not mag das ein richtiger Gedanke gewesen sein. Aber vor dem Hintergrund der Überschüsse, die auch auf Bundesebene generiert werden, kann das heutzutage auch anders gesehen werden. Denn das ist eine Einzellogik, die der öffentlichen Hand als Gesamtheit letztlich schadet. Die kommunalen wie auch andere Wohnungsgesellschaften werden nämlich regelmäßig in den Bieterverfahren von richtig potenten Investoren ausgebootet, deren Klientel eben nicht aus „normalen“ Menschen besteht. In List auf Sylt würden genau solche normalen Menschen in der ehemaligen Offiziersschule wohnen, wenn der Bund nicht so bockbeinig auf Höchsterträgen bestehen würde und sogar noch auf Nachzahlungen, weil die Gemeinde Wohnungen bauen will.

(Beifall SSW und Birte Pauls [SPD])

Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Die wollen Wohnungen bauen, und der Bund

sagt: „Das ist ein Grund dafür, dass wir euch die Kohle erst recht abknöpfen.“ Das kann es eigentlich nicht sein.

Meine Damen und Herren, auf dem Wohnungsmarkt muss sich schleunigst etwas tun. Es muss neuer, bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, auch weil Sozialwohnungen in den letzten Jahren tausendfach ihre Sozialbindung verloren haben. Ich rede hier von kleinen Wohnungen ohne Schnickschnack, mit ein, zwei, manchmal drei Zimmern, Küche und Bad.

Doch wer soll sie bauen? Es gibt kaum noch kommunale Wohnungsbaugesellschaften - sie sind oft von den Kommunen schon längst verkauft worden -, und Investoren winken angesichts komplizierter Förderprogramme gleich ab, wenn es um den Bau von Sozialwohnungen - nicht um den Bau von anderen Wohnungen - geht. Die Wohnungsbaugenossenschaften können diese Lücke alleine nicht schließen, sodass die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren sinkt. Das alles ist auch bereits seit Jahren bekannt.

Die Kommunen würden gern sofort loslegen und tun dies ja auch. In Flensburg wird in den nächsten Jahren ein neues Stadtviertel am Schwarzental mit mehr als 400 Wohnungen entstehen. Gestaltungswettbewerb und Bauplanungen laufen parallel, sodass kostbare Zeit gespart werden kann. Denn niemand will einen tollen Gewinnerentwurf haben, sondern man will einen Gewinnerentwurf, der auch Investoren findet.

Aber auch in Flensburg werden diese 400 neuen Wohnungen die Wohnungsnot eben nicht lösen. Es muss noch viel mehr gebaut werden. Das Verrückte ist: An der Förde stehen Wohnungen leer, weil Investoren dort vor Ort den Hals nicht vollkriegen können, oder es werden Wohnungen von Kanzleien, Arztpraxen oder als Ferienwohnungen genutzt. Dieser Zweckentfremdung müssen die Kommunen tatenlos zusehen. Sie haben nämlich keine rechtliche Handhabe, dies zu verhindern. Auch das müssen wir ändern. Die Kommunen brauchen mehr Rechte, um den Wohnungsbau vor Ort selbstständig steuern zu können.

Reden wir über die kleinen Kommunen im ländlichen Raum. Hier hangelt man sich von Neubaugebiet zu Neubaugebiet. Neubauten, vornehmlich in Einfamilienhaussiedlungen am Dorfrand, verbrauchen nicht nur die Landschaft, sondern sind überhaupt kein Teil der Lösung, weil dort kein bezahlbarer Mietwohnraum geschaffen wird. Stattdessen sollten Altbestände in den dörflichen Ortskernen

genutzt werden können. Doch dazu fehlen den Kommunen schlichtweg die Ressourcen. Hier bedarf es der Hilfestellung des Landes.

Meine Damen und Herren, das ist ganz wichtig. Die kleinen Orte bluten aus, und sie bluten auch deshalb aus, weil sie immer nur an den Rändern Einfamilienhausgebiete ausweisen und nicht in der Lage sind, ihre Ortskerne selbst weiterzuentwickeln. Darin steckt für die Kommunen eine Riesenchance.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Jette Waldinger-Thier- ing [SSW])

Was müssen wir also tun? - Wir müssen die rechtlichen Grundlagen ändern, wir müssen sicherlich auch Förderprogramme generieren, auch auf Bundesebene, und wir müssen den Bund dazu bringen, dass er seine Liegenschaften den Kommunen - ganz gleich, ob es kommunale oder private Wohnungsbaugesellschaften sind - zur Verfügung stellt, damit gebaut werden kann. Das wären die ersten, aber lange nicht die letzten Schritte. Weitere müssten folgen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. - Wir kommen nun zu den Dreiminutenbeiträgen. Zunächst hat sich aus der FDP-Fraktion der Abgeordnete Holowaty gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir haben jetzt sehr viel über Fördergelder gesprochen. Wir haben viel darüber gesprochen, von wo Geld wohin geschoben werden muss. Zu diesen Dingen könnte man noch viel sagen. Aber lassen Sie uns einmal für einen ganz kurzen Moment dorthin gehen, wo es wirklich wehtut. Gehen wir einmal in eine Gemeindevertretung, in den Planungsausschuss, den Bauausschuss einer Gemeinde.

Ich selbst komme aus dem Hamburger Umland. Gerade dort gibt es Probleme mit fehlendem Wohnraum, mit zu teurem Wohnraum. Aber woran liegt das? Ich habe in meinem Umwelt- und Planungsausschuss in Henstedt-Ulzburg noch von keinem Investor gehört, dass Geld fehle, dass es kein Förderprogramm gebe. Oft höre ich aber, dass Bebauungspläne zu lange dauerten, und oft höre ich auch, dass sich Bürger gegen Innenverdichtung wehrten es ist durchaus legitim, dass Bürger beteiligt sind -,

dass wir Innenverdichtung gar nicht durchführen könnten, dass wir Bürgerentscheide gegen Bebauungspläne, gegen Wohnungsbauten haben. Darum muss auch einmal darüber diskutiert werden, wie wir mit solchen Dingen umgehen, um dafür zu sorgen, dass sich Kommunen weiterentwickeln können, sofern sie sich überhaupt weiterentwickeln wollen. Ich finde, das ist ein gewaltiges Problem.

Mit meinem nächsten Punkt spreche ich insbesondere auch Sie von der SPD an. Es ist oftmals auffällig, dass den Kommunen gesagt wird, jeder private Investor, auch wenn er nur sechs Wohnungen baut, müsse mindestens ein Drittel davon als Sozialwohnungen erstellen. Herr Kollege Harms hat gerade auf den Irrsinn der Regelungen für Kleininvestoren hingewiesen, die gar nicht verstehen, welche Förderprogramme es gibt. Wer, glauben Sie, bezahlt dann die höheren Kosten der restlichen vier frei finanzierten Wohnungen? Die Mieter müssen das wieder bezahlen!

Seien Sie insoweit bitte realistisch, meine Damen und Herren. Gehen Sie mit Grundstücken, die den Kommunen gehören, so um, dass diese auch sozialen Wohnungsbau mit Wohnungsbaugenossenschaften oder Wohnungsbaugesellschaften vereinbaren können. Wenn Sie das tun, ist es wunderbar, und ich bin dabei. Stellen Sie sicher, dass Sie vor allem kleinere Investoren nicht administrativ-bürokratisch überfordern und so dafür sorgen, dass die Erstellungskosten der „anderen“ Wohnungen so hoch werden, dass sie wieder niemand bezahlen kann.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben nicht nur eine Verantwortung für die Menschen, die sozial geförderten Wohnraum brauchen. Wir haben auch eine Verantwortung für die Menschen, die jeden Tag eine ganze Menge Geld verdienen, die in der Mitte der Gesellschaft stehen und sich trotzdem eine adäquate Wohnung nicht leisten können. Bitte denken Sie daran, dass wir auch diese Menschen mitnehmen und dass wir die Kommunen entsprechend mitnehmen.

Denken Sie in diesem Zusammenhang auch an die Baukosten. Denken Sie auch an Dinge wie die EuEV, mit der wir minimale Energieeinsparungen erzielen, aber für das wir mittlerweile gigantische Geldmengen einsetzen. Seien Sie bitte auch insoweit etwas sensibler. Eventuell müssen wir auch einmal an die Bauvorschriften herangehen.

(Beifall FDP und CDU)

(Lars Harms)

Ein weiterer Punkt sind die Nebenkosten, die zweite und dritte Miete. Denken Sie daran, wie wir mit Nebenkosten umgehen. Denken Sie an ständig neue Regelungen zu Rauchmeldern, zur Umrüstung von Thermen, zu Warmwasserversorgungseinrichtungen, zu Dichtigkeitsprüfungen von Leitungen. Das mag im Einzelfall alles sinnvoll sein; das bestreite ich überhaupt nicht. Aber denken Sie bitte daran, dass auch diese Dinge zu den Wohnkosten zählen und dass sie im Endeffekt auch Einfluss auf die Mieten haben. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Thomas Hölck.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Kollege Tietze, Sie haben vorhin die Stadt Kiel gelobt, die in die Kappungsgrenzenverordnung aufgenommen werden will. Das ist gut so. Aber schauen Sie bitte einmal in Ihren Koalitionsvertrag. Darin steht, dass Sie gerade diese Verordnung abschaffen wollen.

(Christopher Vogt [FDP]: Das hat er auch gesagt! - Lars Harms [SSW]: Das hat er am Anfang gesagt!)

Was ist das also für ein Märchen, das Sie da erzählen?

(Birte Pauls [SPD]: Das haben wir gemerkt!)

Sie wollen die Instrumente, die dazu beitragen, dass die Bestandsmieten nicht übermäßig erhöht werden, abschaffen. Sie sind Mieterhöhungspartei und nichts anderes.

(Beifall SPD - Zurufe FDP)

Dieses Land braucht 156.000 Wohnungen bis zum Jahr 2030. Aus Ihren Wortbeiträgen ist nicht erkennbar, dass das auch nur im Ansatz zu schaffen ist.

Warum ist kommunaler Wohnungsbau so wichtig? Er ist deshalb so wichtig, weil in einer Niedrigzinsphase viele Investoren und auch Genossenschaften nicht bereit sind, die Wohnraumfördermittel in Anspruch zu nehmen, weil sie bei Inanspruchnahme des Finanzmarkts mit seinen niedrigen Zinsen höhere Mieten erzielen können. Deshalb ist es wichtig, dass es dieses Zuschussprogramm gibt, das mit 34 Millionen € aufgelegt worden ist.

Sie haben meine Frage, ob Sie bereit sind, es weiterzuführen, nicht beantwortet. Ohne dieses Programm wird es keinen Anstieg an öffentlich geförderten Wohnungen geben. Es ist aber wichtig, dass es einen kommunalen Wohnungsbau gibt und dass die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften bereit sind, in den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu investieren. Es ist notwendig, diesen Wohnungsbau zu stärken. Auch wenn Sie es nicht verstehen mögen: Dies ist wichtig und richtig.

(Beifall SPD - Christopher Vogt [FDP]: Wenn ihr die GroKo macht, machen wir das!)

Für die Landesregierung erteile ich nun dem Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, dass wir das Thema Wohnungsbau hier regelmäßig auf der Tagesordnung haben und uns dieses wichtigen Themas annehmen. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass bezahlbarer Wohnraum nicht eine Fraktion, eine Partei betrifft, sondern dass dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Auch sind wir uns alle darüber einig - das hat man an den Wortbeiträgen gesehen -, dass es nicht eine einzige Maßnahme gibt, die es zu ergreifen gilt, um das Problem zu lösen.

Vielmehr ist es ein ganzer Strauß von Handlungsansätzen, die wir zu beachten haben: die Förderpolitik des Bundes, des Landes und der Kommunen, Flächenpolitik, Flächenvorratspolitik, Nachverdichtung, Flächenrecycling im Innenbereich, Wachstumspolitik der Kommunen, progressiv und - ich sage einmal vorsichtig - konservativ-zurückhaltend, alternative Wohnprojekte bezüglich der Kubatur Thema mitwachsende Häuser -, Zusammenlegungsmöglichkeiten von Wohnungen, das Aufsplitten von Wohnungen, Eigentumsformen, genossenschaftliches Wohnen, genossenschaftliches Wohnen im Eigentumsbereich, im Mieterbereich - all dies sind hoch interessante Themen.

Es geht darum, die Regulatorik zu vereinfachen. Die Bauministerkonferenz beschäftigt sich mit dem Thema der Harmonisierung von Landesbauordnungen. Wenn Sie rund um Hamburg schauen, stellen Sie fest, dass Niedersachsen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein jeweils

(Stephan Holowaty)

unterschiedliche Landesbauordnungen und unterschiedliche Bauverfahren haben. Es geht um Typengenehmigungen, Genehmigungsfiktionen und auch aus Kostengründen und Gründen der Zeitverkürzung - darum, Maßnahmen im Bereich der Baugenehmigung, des Bauplanungsrechts vor Ort und des Bebauungsplans vorzusehen.